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Die Berliner:innen haben gestern gewählt, mal wieder. Und gewonnen haben … Trommelwirbel … die Alten! Auch das: mal wieder. Die CDU ist in Berlin mit großem Abstand stärkste Kraft geworden. Laut vorläufigem Ergebnis liegt sie bei 28,2 Prozent (alle Ergebnisse findet ihr bei der Tagesschau). Das sind rund zehn Prozentpunkte mehr als bei der vergeigten Wahl 2021. Und gewählt wurde die CDU eben vor allem von den Älteren:
Wer die Älteren auf seine Seite holt, gewinnt die Wahl. Das ist erstmal keine Überraschung. Berlins Bevölkerung ist, im Gegensatz zu der auf dem Land, im Schnitt zwar in den vergangenen Jahrzehnten nicht älter geworden (Zeit Online hat das schick dargestellt), aber Deutschland ist immer noch vergleichsweise alt. Nur in vier Ländern ist die Bevölkerung älter. „Deshalb haben wir auch mehr Verantwortung und mehr Dringlichkeit, dass hier die jungen Menschen endlich mitreden dürfen“, sagt der Demokratieforscher Wolfgang Gründinger.
Bei den Jungen liegen in Berlin die Grünen und die Linkspartei vorne. Und: Je jünger die Wähler:innen, desto eher gaben sie ihre Zweitstimme den sonstigen Parteien.
Die Politiker:innen sind auf die Jungen nicht angewiesen
Als ich gestern abend zur Wahl twitterte, antworteten viele User mit nur einem Wort: „Gerontokratie“. Also eine Herrschaftsform, in der hauptsächlich Menschen hohen Alters das politische Handeln bestimmen. Wolfgang Gründinger sagt: „Die meisten Politiker:innen machen das, was die Alten wollen und nie das, was die Jungen wollen. Auch weil sie wissen, wer die größte Wählergruppe ist. Die Jugend existiert zwar, ihnen gehört sogar die Zukunft – sobald sie alt genug sind –, aber eben nicht die Gegenwart.“
Es gibt Menschen und Parteien, die das gar nicht problematisch finden. Man könnte meinen, weil ihre politische Macht dadurch gesichert ist. Im Berliner Abgeordnetenhaus sind zwei Parteien dagegen, das Wahlalter bei künftigen Wahlen zu senken: die CDU und die AfD.
Ich finde die politische Übermacht der Älteren übrigens nicht deshalb problematisch, weil dadurch konservative Parteien erfolgreicher sind. Die Mitbestimmung junger Menschen sollte nicht von deren Wahlverhalten abhängig gemacht werden. Auch wenn das manche anders sehen:
Wohin es führen kann, wenn die Meinung der Alten deutlich mehr Macht hat als die der Jungen, zeigt der Brexit. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen wollten den nur rund 20 Prozent, in der Altersgruppe über 65 gleich 63 Prozent. Das ist gerecht, weil sich in einer Demokratie Mehrheit in Macht übersetzt. Es ist aber auch ungerecht, weil die Jungen diese Entscheidung ausbaden müssen. What a mess.
Auch in Deutschland stehen in den kommenden Jahren richtungsweisende Entscheidungen an, die langfristig die Jungen betreffen. Die Klimakrise will gelöst (oder wenigstens: verringert) werden, in Europa herrscht wieder Krieg, in Schulen und Kitas fehlt Personal.
Massenselbstmord ist nicht die Lösung
Gestern bin ich über einen wirklich verstörenden Artikel in der New York Times gestolpert. Ein Yale-Professor hat das Problem der immer älter werdenden Bevölkerung in Japan zum Anlass genommen, einfach mal Massenselbstmorde ins Spiel zu bringen. Wie beim schwedischen Horrorfilm „Midsommar“, in dem die ältesten Mitglieder einer schwedischen Sekte freiwillig von einer Klippe springen. Das ist natürlich ein komplett irrer Vorschlag, den niemand ernst nehmen sollte.
Das dahinterstehende Problem aber bleibt. Ich halte es trotzdem eher mit Wolfgang Gründinger. Der sagt: „Ich glaube, wenn junge Menschen auf einmal auch wählen dürften, würde unsere Demokratie auch mehr Spaß machen. “
Hier könnt ihr nochmal mein ganzes Gespräch mit Wolfgang Gründinger nachlesen. Und hier meine ganze Serie zur Frage, wie Kinder und Jugendliche mehr politische Macht bekommen können.
Redaktion: Thembi Wolf, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger