Diesen Artikel habe ich allein geschrieben, aber nicht allein recherchiert. In diesem achtseitiges Dokument haben Krautreporter-Leserinnen Fragen, Links und Expert:innen zusammengetragen. An dieser Stelle möchte ich Kati Kumberger, Maria Völzer, Katharina Aschenbach, Anne Gruitrooy, Julia Schuler, Cora und Anika für ihre Mitarbeit danken!
Im Winter 2020 besucht Fritjof zwei Schulen gleichzeitig. Morgens loggt sich der 11-Jährige in das Videoprogramm seiner Grundschule ein. Immer wieder fällt das Internet oder das Mikrofon des Lehrers aus. „Grottig“, nennt er die Versuche seiner Schule, trotz Lockdown zu unterrichten, „als hätten wir gar keinen Unterricht gehabt.“
Um 14 Uhr beginnt Fritjofs zweiter Schultag. An der Deutschen Onlineschule lernt er in Kleingruppen mit Lehrer:innen, die seit Jahren online unterrichten. „Das war zu gut, um wahr zu sein“, sagt er heute.
Erst zwischen 17 und 19 Uhr enden Fritjofs Schultage zu dieser Zeit. Immer wieder fragen ihn seine Eltern, ob er sich die Doppelbelastung wirklich antun will. Fritjof will.
Fritjof hat seine Erfahrung mit Distanzunterricht gemacht. Deutschland auch. Seit fast zwei Jahren lernen Millionen Kinder und Jugendliche immer wieder von zuhause aus. Mal über Videounterricht, mal mit ausgedruckten Arbeitsblättern, die im Briefkasten liegen. Mal ganz ruhig im heimischen Wohnzimmer, mal im Chaos der viel zu kleinen Wohnung.
Obwohl der Distanzunterricht für Schüler:innen und Lehrer:innen Alltag geworden ist, hat er noch immer einen schlechten Ruf. Seit Monaten können sich die Kultusminister:innen eigentlich nur auf eine Sache einigen: Distanzunterricht muss, solange es irgendwie geht, verhindert werden. Es sollte das allerletzte Mittel in der Pandemiebekämpfung sein. Distanzunterricht sei noch ungerechter als das sowieso schon ungerechte Bildungssystem, durch ihn entstünden Lernlücken und psychische Belastungen.
Das ist die eine Wahrheit, über die in den vergangenen Monaten immer wieder berichtet wurde – auch von mir. Doch es gibt noch eine andere: Es gibt auch Kinder, für die der Präsenzunterricht die größere Belastung ist.
Weil sie selbst vorerkrankt sind, ihre Eltern zur Risikogruppe gehören, weil sie gemobbt werden oder weil sie während des Distanzunterrichts ihre Lust am Lernen wiederentdeckt haben und sich fragen: Warum muss ich jetzt wieder zurück in die Schule?
Wir reden in der Pandemie viel darüber, was durch den Distanzunterricht verloren geht, aber kaum darüber, was wir gewonnen haben: Schüler:innen, die aus unterschiedlichsten Gründen keine Lust mehr auf die Schule hatten, waren durch das Onlinelernen plötzlich wieder mit an Bord. Warum also gibt es keine Onlineschulen, in denen nicht nur notfalls online unterrichtet wird, sondern immer?
Nun, es gibt sie. Einen Platz dort zu bekommen, könnte nur schwerer kaum sein. Immer wieder stellt sich der Staat ihnen in den Weg, auch, weil sie mit ihrem Unterricht ganz grundsätzlich infrage stellen, was eine Schule ist.
Der Junge, der online besser lernt
Ich habe mich mit Xaver Schramm und seinem Sohn Fritjof zum Videogespräch verabredet. Sie heißen eigentlich anders, aber sind in den vergangenen Monaten so auf Unverständnis gestoßen, dass sie lieber anonym bleiben wollen. Während wir skypen, sitzen die beiden im Kinderzimmer unterm Hochbett. Als die Pandemie noch in ihrem ersten Jahr war und die Schulen wieder öffneten, ließ Xaver Schramm seinen Sohn Fritjof von der Präsenzpflicht befreien. In der Familie gab es einen Herzinfarkt. „Wir sind Risikopatienten, für uns wäre es lebensgefährlich gewesen, wenn Fritjof das Virus mitgebracht hätte“, sagt er.
Doch Fritjofs Grundschule stellt sich quer. Sie will nicht akzeptieren, dass Fritjof – im Gegensatz zu seinen Mitschüler:innen – zuhause bleiben soll, obwohl wieder Präsenzunterricht angeboten wird. Erst mit der Hilfe einer Anwältin lässt die Schule locker, zunächst. Erst verweigert die Grundschule, ihm ein Zeugnis auszustellen. Dann verschicken sie es doch noch, per Post, mit den exakt gleichen Noten wie auf dem vorherigen Zeugnis.
Als der Distanzunterricht im Herbst 2020 deutschlandweit in seine zweite Saison geht, hört Xaver von der Onlineschule. Er ruft die Telefonnummer an, die auf der Homepage steht, und landet in Costa Rica. Nach einem Gespräch mit dem Schulleiter soll Fritjof zum Probeunterricht kommen.
Fritjof ist schlank, hat glatte Haare, kennt für sein Alter ganz schön elaborierte Wörter. Er sagt: „An der Onlineschule wurde ich viel mehr wahrgenommen und konnte sogar mitentscheiden, wie der Unterricht aussehen soll.“ Nach dem Probeunterricht war schnell klar, dass er den Unterricht der Onlineschule besuchen möchte.
Obwohl der Onlineunterricht zum normalen Unterricht dazukommt, engagiert Fritjof sich auch außerhalb der Unterrichtszeit. Weil nicht alle Kinder sich gleich gut mit ihren Computern und Programmen auskennen, gründet er eine Technik-AG. Dort bringt er den anderen Schüler:innen bei, was sie draufhaben müssen, um am Unterricht teilzunehmen. Für die Neuen denkt er sich eine Schnitzeljagd aus, bei der sie online Aufgaben lösen müssen. Fritjof sagt: „Ich finde es toll, wenn derjenige, der mehr macht, nicht gedisst wird. Die anderen haben sogar mitgemacht. Jeder hat jedem geholfen.“
An der Onlineschule erstellt Fritjof Erklärvideos, zum Beispiel zum Sturm auf das Kapitol. Über eine Plattform richtet die Schule ein Sommerfest aus, mit virtuellen Räumen. Fritjof erstellt einen Musikraum für seinen Vater, der mittlerweile selbst als Musiklehrer ein paar Stunden pro Woche an der Onlineschule unterrichtet. „Ich konnte das lernen, was mir wichtig war“, sagt Fritjof, „das war genial.“
Im Dezember bekommt Xaver Schramm eine Mail von Fritjofs Klassenlehrerin aus der Grundschule. Sie hat die Familie beim Jugendamt angezeigt: Kindeswohlgefährdung, weil er nicht zum Präsenzunterricht kommt. Xaver ist baff. „Kindeswohlgefährdung? Fritjof geht es total gut!“ Xaver schreibt dem Jugendamt eine lange E-Mail, in der er erklärt, worum es geht. Er schickt dem Amt Belege von Kontaktversuchen mit der Grundschule und der Klassenlehrerin, auf die niemand geantwortet hat, zwei Atteste, in denen das hohe Risiko der Familie bescheinigt wird, ein Gespräch mit der Schulrätin über Distanzunterricht für Fritjof. An 16 verschiedenen Tagen, schreibt er dem Jugendamt, habe er versucht, mit der Schule oder der Lehrerin Kontakt aufzunehmen. Fast nie habe er eine Antwort bekommen. Er versichert: „Wir wollen meinen Sohn und uns nur sicher durch die Pandemie bringen.“
Wer eine Onlineschule besuchen darf – und wer nicht
Anspruch auf den Unterricht an der Deutschen Onlineschule hat Fritjof allerdings nicht. Denn Hausunterricht ist in Deutschland verboten, wird nur in Ausnahmefällen genehmigt. Während für Kinder in einigen anderen europäischen Ländern nur eine Bildungspflicht gilt, gibt es in Deutschland seit über 300 Jahren die Schulpflicht. Damit ist nicht nur eine Pflicht zum Lernen an sich gemeint, sondern auch die Pflicht, dafür ein Schulgebäude aufzusuchen. Bildungsanwältin Sibylle Schwarz fasst das am Telefon so zusammen: „Die verfassungsrechtliche Idee ist: Wir latschen da morgens um acht Uhr hin.“
Neben den staatlichen, öffentlichen Schulen gibt es auch Privatschulen in freier Trägerschaft. Die bekanntesten Beispiele sind Waldorf- und Montessorischulen. Private Schulen können entweder eine Ersatz- oder eine Ergänzungsschule sein.
Ersatzschulen funktionieren wie eine öffentliche Schule und halten sich an den Lehrplan. Ergänzungsschulen weichen vom Lehrplan ab. Die haben eine andere Idee davon, was und wie in Schulen unterrichtet werden soll.
Für beides brauchen Privatschulen eine staatliche Genehmigung. Erst wenn eine Schule nicht nur genehmigt, sondern auch staatlich anerkannt ist (meistens nach drei Jahren), darf sie auch Noten geben, Prüfungen abhalten und Zeugnisse ausstellen.
Staatlich anerkannte Privatschulen gibt es viele, eine staatlich anerkannte Onlineschule bisher nicht. Abschlussprüfungen müssen die Schüler:innen solcher Schulen deshalb bei zentralen Anlaufstellen für sogenannte Externenprüfungen machen, bei denen Vertreter:innen von Bezirksämtern die Prüfung abnehmen.
Bildungsanwältin Sibylle Schwarz erklärt sich den Umgang mit Onlineschulen so: „Die Schulen haben in Deutschland nicht nur einen Bildungs-, sondern auch einen Erziehungsauftrag. Und der ist, so versteht es das Bundesverfassungsgericht, an eine Klassengemeinschaft, Dialog, Auseinandersetzung mit Andersgläubigen und Andersdenkenden geknüpft. Und den gibt es nur, wenn die Schüler sich in Präsenz treffen.“ Sie sagt aber auch: „Das Format Onlineschule lag noch nicht vor dem Verfassungsgericht.“
Wer sein Kind trotzdem auf eine Onlineschule schicken will (oder muss), muss sein Kind von dieser Schulfplicht befreien lassen. Und dafür braucht man triftige Gründe, nämlich medizinische oder psychologische Gutachten. Oft ist das ein langer Prozess, in dem man viele verschiedene Instanzen durchlaufen muss.
Die triftigen Gründe können erfüllt sein, wenn ein Schüler oder eine Schülerin
- aus körperlichen oder psychischen Gründen nicht am Präsenzunterricht teilnehmen kann, weil er oder sie zum Beispiel chronisch krank ist,
- mit seiner Familie im Ausland wohnt und es dort keine deutsche Auslandschule gibt,
- für eine längere Zeit im Krankenhaus ist,
- schon so berühmt ist, dass seine oder ihre Anwesenheit für zu viel Aufsehen sorgen würde,
- als Musiker:in oder Sportler:in schon so viel unterwegs ist, dass Präsenzunterricht nicht mehr möglich ist,
- oder gemobbt wurde oder Schulangst hat und ein Arzt bescheinigt, dass er oder sie nicht mehr schulfähig ist.
In diesen Fällen bezahlt das zuständige Jugendamt die Schulkosten für die Onlineschule. Der Weg dorthin ist lang. „Das sind wahnsinnig dicke Bretter“, sagt Bildungsanwältin Sibylle Schwarz. „Es ist sehr viel Arbeit, dafür zu sorgen, dass Kinder von der Schulpflicht befreit werden und bei Onlineschulen mitmachen dürfen.“
Fritjof hat keine Schulangst, keine Behinderung, er ist nicht chronisch krank und er wird nicht gemobbt. Seine Eltern wollen sich und ihn in der Pandemie schützen. Er wird deshalb nicht von der Schulpflicht befreit werden. Und es wird auch kein Jugendamt die Kosten für seinen Onlineunterricht übernehmen. Fast 400 Euro monatlich kostet Fritjofs Platz an der Deutschen Onlineschule.
Onlineunterricht muss ganz anders sein als Präsenzunterricht
Sascha Berner ist Schulleiter der Deutschen Onlineschule. Heute besuchen knapp 240 Schüler:innen seine Schule. 45 Lehrer:innen unterrichten dort, meistens neben ihrem Job an einer normalen Schule. Berner nennt diese klassischen Schulen „Mauerschulen“. Schulen aus echten Steinen, aus Mauern.
„Onlineunterricht muss vollkommen anders ablaufen als Präsenzunterricht“, sagt Berner. „Er muss persönlicher sein und viel schülerzentrierter.“ Außerdem: extrem strukturiert. Wenn sein Internet ausfällt, übernehmen die Schüler:innen. Sie wissen, wie es weitergehen soll.
Physik und Chemie werden zum Beispiel nach dem Flipped-Classroom-Prinzip unterrichtet, als umgedrehtes Klassenzimmer. Dabei erklärt der Lehrer ein Thema nicht von Beginn an. Stattdessen erarbeiten sich die Schüler:innen das Thema in Kleingruppen mithilfe von Unterrichtsmaterial und Onlinevideos selbst. „Ich erkläre vor allem dann etwas, wenn ein Schüler etwas nicht verstanden hat.“
Klassenarbeiten lässt Berner nur schreiben, damit die Schüler:innen vorbereitet sind, wenn sie Abschlussprüfungen absolvieren wollen. Viel lieber prüft er sie in offenen Formaten, lässt sie Erklärvideos und 3D-Modelle erstellen oder Landschaften im Computerspiel Minecraft nachbauen, wie etwa das Relief der Nordseeküste. „Das sind alles valide Bewertungsgrundlagen“, sagt er.
Das Bild des einsamen Schülers, der den ganzen Tag vor dem Computer sitzt, hält er für überzogen. „Für manche Kinder ist der soziale Aspekt total wichtig. Die treffen sich teilweise schon lange bevor der Unterricht losgeht im virtuellen Klassenraum und quatschen miteinander.“ Aber Berner erinnert sie auch daran, rauszugehen: „Wir sagen den Kindern immer: Sucht euch Freund:innen vor Ort, tretet in Vereine ein, geht zu den Pfadfindern, verabredet euch mit anderen Kindern.“
Onlineschulen werden die klassischen Schulen nicht ablösen, sagt Berner. Das wollten sie aber auch gar nicht. Viele Schüler:innen würden Präsenzunterricht brauchen. „Aber es gibt eben auch die Schüler, für die Onlinelernen deutlich besser ist. Nämlich für die, die Ruhe und Struktur brauchen.“
Manche Kinder brauchen so viel Ruhe, dass sie nicht in Gruppen unterrichtet werden können, auch online nicht. Für diese Schüler:innen gibt es an der Web-Individualschule eine 1:1-Betreuung. Diese Schule aber bekam zu ihrem 20. Jubiläum eine Überraschung, die die Schulleiterin „eine absolute Katastrophe“ nennt.
Die Schüler:innen, die niemand prüfen will
An der Web-Individualschule besprechen die Schüler:innen ihre Aufgaben morgens eine halbe Stunde lang mit ihren Lehrkräften, dann machen sie sich an die Arbeit. Wer Fragen hat, kann seine Lehrkraft jederzeit erreichen. Fast 700 Jugendliche haben so ihren Schulabschluss schon bekommen. Unter ihnen: Bill und Tom Kaulitz, die Gesichter der Band Tokio Hotel. Aktuell gibt es eine Warteliste, weil der Ansturm zu groß ist.
Abschlussprüfungen darf auch die Web-Individualschule nicht selbst durchführen. Gleichzeitig kommen die Schüler:innen aus der ganzen Republik. Im März 2019 einigte sich die Schulleiterin Sarah Lichtenberger deshalb mit der Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) in einem Erlass darauf, dass bei den Schüler:innen der Web-Individualschule das Wohnortprinzip außen vorgelassen wird. Das besagt eigentlich, dass Schüler:innen dort geprüft werden müssen, wo sie wohnen. Die Lösung: Das für die Onlineschule zuständige Bezirksamt Arnsberg prüft von dort an alle Schüler:innen, egal woher sie kommen.
Im vergangenen Sommer ließ Lichtenberger dort zum ersten Mal 60 Schüler:innen prüfen. „Das hat super geklappt“, sagt sie. Und zitiert aus einem Brief des Bezirksamts Arsnberg: „Wir freuen uns sehr, dass ihre Prüflinge mit beeindruckenden Ergebnissen abgeschlossen haben.“ Und: „Nach den Prüfungen ist bekanntlich vor den Prüfungen.“
Im November 2021 teilte das Bezirksamt aber plötzlich mit, dass sie die Prüfungen nicht mehr durchführen können. Das sei zu viel Arbeit. „Für meine Schüler ist das eine Vollkatastrophe. Wenn die dieses Jahr nicht geprüft werden, verschenken sie ein ganzes Jahr“, sagt Lichtenberger.
120 Prüflinge wollte Lichtenberger dieses Jahr anmelden. 50 davon sind nach der Ankündigung vom Bezirksamt Arnsberg bereits abgesprungen. Die verbliebenen 70 hat die Schulleiterin trotz des unklaren Ausgangs zur Prüfung angemeldet. Mittlerweile kam ein Schreiben von Bildungsministerin Yvonne Gebauer mit Terminvorschlägen für ein Gespräch.
Kommt bald eine staatliche Onlineschule?
Während der Pandemie wurde die Idee „Onlineschule“ bekannter. Sascha Berner und Sarah Lichtenberger berichten beide von einem großen Andrang während der vergangenen zwei Jahre. Für Schüler:innen mit Vorerkrankung, die zur Hochrisikogruppe gehören, wären sie eine mögliche Lösung. Allerdings eine, bei der sich der Staat erstaunlich konsequent raushält.
Ende November hat die Fraktion der Grünen im Landtag von Nordrhein-Westfalen deshalb beantragt, eine staatliche Onlineschule zu etablieren. Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin der Grünen in NRW, sagt, der Staat könne die Beschulung von kranken oder psychosozial belasteten Kindern nicht privaten Schulen überlassen, die dann nicht mal anerkannt werden. „Erkrankungen im weitesten Sinne sind schon Belastung genug. Dann noch enormen Aufwand zu betreiben, damit ein Kind auch alternativ beschult werden kann, ist nochmal doppelt anstrengend für solche Familien.“
Allerdings: Auch Beer sagt, dass es eine solche staatliche Onlineschule erstmal für Schüler:innen geben sollte, die in besonderen Lebenssituationen sind, etwa weil sie autistisch sind oder an einer Schlafkrankheit leiden. Die Schulpflicht möchte sie nicht abschaffen. „Wir sollten die Schule nicht komplett individualisieren. Das wäre ein gesellschaftlicher Verlust. Aber an bestimmten Stellen für bestimmte Kinder wäre das trotzdem genau die richtige Lösung.“
Mit ihrem Antrag sind die Grünen in NRW bisher allein. Aber Beer sagt: „In einer digitalen Welt sollte man die Grenzen zwischen Bundesländern runter- und nicht hochziehen.“ Noch gab es keine verbindliche Rückmeldung von den Regierungsfraktionen in NRW. Hoffnung hat Beer kaum: „Bisher folgt die Regierung den üblichen Reflexen und spricht sich gegen den Antrag aus, weil er aus der Opposition kommt.“
Onlineschulen: Die richtige Lösung für manche?
Fritjof, mittlerweile zwölf Jahre alt, bleibt seit November wieder zuhause. Die Familie ist eine der wenigen in Brandenburg, die das anhaltende Aussetzen der Präsenzpflicht nutzt. Bis auf eine weitere Mitschülerin geht Fritjofs ganze Klasse wieder in die Schule. In die aus Mauern. Auf die Onlineschule geht Fritjof nicht mehr. Xaver, sein Vater, sagt: „Wir haben nicht die Kraft, uns permanent zu wehren und diesen Kampf zu kämpfen. Auch, wenn es ihm auf der Onlineschule deutlich besser gehen würde.“
Den Onlineunterricht, den er mittlerweile gewöhnt ist, bekommt Fritjof auch auf dem Gymnasium nicht, auf das er mittlerweile geht. Einmal die Woche laden Fritjofs Lehrer:innen Aufgaben hoch, mal über Microsoft Teams, mal in eine Cloud vom Bundesland, erzählt er. Fritjof sagt: „Es ist wahnsinnig anstrengend, so viele Aufgaben zu bekommen ohne eine einzige Erklärung.“ Mit den Wochenaufgaben sei er trotzdem meistens schon nach ein bis zwei Tagen fertig. Einmal im Monat, an einem Samstag, schreibt er besonders wichtige Klassenarbeiten in der Schule nach. Bei der letzten Mathearbeit schrieb er eine Eins – als Einziger in der Klasse.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Till Rimmele, Aufmacher-Grafik: Sandra Bayer, Audioversion: Christian Melchert