Der Bund macht 19 Milliarden Euro Plus – und die maroden Schulen bröckeln weiter
Kinder und Bildung

Der Bund macht 19 Milliarden Euro Plus – und die maroden Schulen bröckeln weiter

Über das Haushaltsplus sollte man sich nicht freuen, sondern aufregen. Denn die Folge sind marode Schulen und Kitas. Wie das zusammenhängt, beschreibe ich in meinem aktuellen Newsletter.

Profilbild von Bent Freiwald
Bildungsreporter

Man sah Finanzminister Olaf Scholz (SPD) seinen Stolz schon an, als er am Montag vor die Presse trat: „Wir hatten ein bisschen Glück. Und natürlich haben wir auch gut gewirtschaftet. Der Haushalt weist insgesamt einen Überschuss von 19 Milliarden Euro aus.“

Der Bund hat also mehr Geld eingenommen als ausgegeben. Genau genommen sind es 17,1 Milliarden Euro, die veröffentlichten Zahlen haben etwas Verwirrung gestiftet.

Darüber könnte man sich freuen: 17,1 Milliarden Euro wollen schließlich verteilt werden. Damit hat niemand gerechnet, zumindest Scholz nicht, der Anfang 2019 bereits „das Ende der fetten Jahre“ ausgerufen hatte.

Über den Überschuss im Haushalt sollte man sich aber nicht freuen, man sollte sich aufregen. Denn die Folge des Überschusses sind marode Schulen und Kitas.

Mir geht es nicht darum, dass der Bund dieses Geld doch bitte mal in Schulen und Kitas investieren sollte. Es geht um einen mittlerweile viel zu schlanken Staat und eine Schuldenbremse, die nicht nur Schulden bremst. Wie das mit kaputten Schulklos und zu kleinen Klassenzimmern zusammenhängt, ist etwas kompliziert. Ich entwirre mal.

Die Kommunen müssen die Schulen sanieren – oder?

In den Schulen tropft es von den Decken, es bröckeln Fassaden und Heizungen lecken. So weit, so bekannt. Das müsste jemand reparieren, jemand müsste Geld in die Hand nehmen. Aber wer? Die Kommunen? Die Länder? Der Bund? Oder gleich alle drei?

Der Bund darf in Sachen Bildung kaum mitreden und sucht sich immer wieder neue Projekte (z.B. den Digitalpakt) und Sonderfonds. Die Länder bezahlen die Lehrer:innen und Sozialarbeiter:innen. Bleiben nur noch die Kommunen. Diese müssen die Räume so ausstatten, dass den Schüler:innen die Schule nicht auf den Kopf fällt (wortwörtlich!). Das Problem: Viele Kommunen sind pleite. Deswegen stehen im reichen Süden Deutschlands auch oft Prachtbauten, während manche Kommune im Norden ratlos abwinkt: Wie soll man neue Schulen bauen, wenn man pleite ist?

Darauf haben Länder und Bund auch keine Antwort, also müssen sie aushelfen – und sie tun es auch. Immer wieder stellen sie Geld zur Verfügung.

Die Kommunen können das Geld nicht ausgeben

Die Kommunen geben das Geld aber nicht aus, zumindest einen großen Teil nicht. Laut KfW-Kommunalpanel haben sich mittlerweile Investitionsrückstände von 42,8 Milliarden Euro im Bereich Schule angehäuft. Rückstand-Tendenz: steigend. Schul-Tendenz: bröckelnd.

Dass das viele Geld unangetastet herumliegt, liegt nicht daran, dass die Kommunen nicht wollen oder nicht wüssten, wofür sie es ausgeben würden. Es liegt daran, dass es absurd aufwendig ist, dieses Geld zu beantragen.

Wenn der Bund beispielsweise fünf Milliarden Euro für neue Kitas zur Verfügung stellen würde, könnten die Kommunen nicht einfach die Taschen öffnen und loslegen. In der Regel gibt es einen Umweg über die Bundesländer, die für die Verwendung des Geldes erstmal eigene Regeln aufstellen. Erst dann könnten die Kommunen anfangen zu planen. Steht ein Plan, beginnt die Suche nach einem Bauunternehmen, dessen Kalender nicht völlig überfrachtet ist.

Bis eine neue Kita steht, können so schonmal einige Jahre vergehen.

Das größte Problem: Für all das fehlt in den Behörden das Personal – denn das wird seit Jahren abgebaut (Stichworte: schlanker Staat und Schuldenbremse). Außerdem müssen die Behörden das Geld von Land und Bund extrem schnell ausgeben, denn je länger sie warten, desto teurer wird es zu bauen.

Der Staat muss wieder zulegen

Versteht mich nicht falsch: Die Investitionen in Bildung sollten auf keinen Fall weniger werden. Nur wenn die Kommunen langfristig damit rechnen können, Geld vom Bund zu bekommen, lohnt es sich, Planer:innen und Personal einzustellen.

Olaf Scholz hatte deshalb bereits im Dezember eine Idee: Er möchte etwa 2.500 hoch verschuldeten Kommunen helfen. Gemeinsam mit den Bundesländern möchte er ihnen die Schulden einmalig abnehmen, damit sie wieder Spielraum haben und investieren können. Ein fertiges Konzept gibt es dafür aber noch nicht. Aber es wäre wichtig: Der schlanke Staat ist mittlerweile so schlank, dass er nichts mehr essen kann. Wieder ein bisschen zuzulegen, das täte dem Staat richtig gut, den Gürtel wieder weiter machen. Wer moderne Schulen und ausreichend Kitas will, könnte es also bei einer simplen Forderung belassen: Personal, Personal, Personal!

Trotzdem wird bereits darüber gestritten, was mit dem unerwarteten Plus im Portemonnaie des Bundes anzustellen ist. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) fordert eine Unternehmenssteuerreform: „Entlastung wäre ein wichtiges Wachstumssignal“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die unerwarteten Mehreinnahmen jetzt für niedrigere Steuern zu verwenden, obwohl man von den Problemen in den Kommunen weiß, wäre allerdings vollkommen unsinnig.


Redaktion: Philipp Daum, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audioversion: Christian Melchert

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