„Was die ganze Sache ausgelöst hat war, dass sie mich eine Schlampe genannt hat. Dabei war ich noch Jungfrau! Ich glaube, wir sind ihr dann nachgelaufen und haben sie verspottet. Und ich bin stocksauer geworden. Es war kein riesiger Stein. Nee, war es nicht … aber ein Stein, der ordentlich groß war, ich habe ihn aufgehoben und ihr an den Kopf geworfen (…) Ich glaube, wir saßen beim Abendessen, und dann läutete es an der Tür, und meine Mutter ging hin und machte auf. Ich erinnere mich, dass meine Mutter rief, ich solle an die Tür kommen. Also bin ich hingegangen, und da standen zwei Polizisten.“
Diese Schilderungen einer jungen Kanadierin lesen sich schrecklich. Sie gesteht ein Verbrechen, als würde ihr erst jetzt klar werden, dass sie es begangen hat. Sie nahm einen Stein, warf ihn einem Mädchen an den Kopf und landete später bei der Polizei.
Die Sache ist: Es gab keinen Stein. Es gab auch kein Mädchen, niemand nannte die Frau „Schlampe“, und die Frau hat auch niemandem einen Stein einer „ordentlichen Größe“ an den Kopf geworfen. Trotzdem ist sie davon überzeugt, denn sie hat mehrere Gespräche mit der deutsch-kanadischen Psychologin Julia Shaw hinter sich. Shaw schreibt über sich selbst: „Ich bin eine Gedächtnis-Hackerin. Ich bringe Menschen dazu, Dinge zu glauben, die nie geschehen sind.“
Dank Shaw glauben Menschen sicher, dass sie jemanden mit einem Messer angegriffen haben oder dass sie ein Hund gebissen hat. Sie pflanzt diese Ideen in Köpfe, indem sie die Schwächen unseres Gedächtnisses ausnutzt. Wenn du jetzt denkst: Das könnte mir nicht passieren, liegst du wahrscheinlich falsch. Denn 70 Prozent der Teilnehmer:innen ihrer Studien verfallen diesen fiktiven Erinnerungen.
Wir erinnern uns aber nicht nur an Dinge, die gar nicht passiert sind, wenn eine gewitzte Psychologin uns dazu bringt. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Wir können unseren eigenen Erinnerungen nicht trauen. Das wirft sehr ungemütliche Fragen auf: Was macht uns aus, wenn nicht die Summe unserer Erinnerungen? Und können wir unsere Erinnerungen überhaupt infrage stellen, ohne an unserer Identität zu rütteln?
Die kurze Antwort: Ja, das können wir. In diesem Artikel werde ich dir erklären, warum unser Gedächtnis nicht wie eine Videokamera ist, die alles aufzeichnet, was wir tun. Unser Gedächtnis ist eher wie Instagram: Ständig legen wir Filter über die Bilder, die unsere Aufnahmen zwar schicker, aber nicht realistischer machen. Du wirst verstehen, wie Julia Shaw es schafft, harmlose Menschen zu Geständnissen von Verbrechen zu bringen, die sie nie begangen haben – und welche Folgen falsche Erinnerungen für unsere Gesellschaft haben.
Ich sehe was, was du nicht siehst
Die Geschichte unseres fehleranfälligen Gedächtnisses beginnt bereits bei unserer Wahrnehmung – also dann, wenn wir erleben, woran wir uns später erinnern. Denn wir können bereits dieser Wahrnehmung nicht trauen. Schau dir folgendes Bild mal an:
Auch, wenn es nicht so aussieht: Die Felder A und B haben exakt die gleiche Farbe, A ist nicht dunkler als B. Wenn man die beiden Felder ohne ihre Umgebung betrachtet, sieht man das auch:
Sogar, wenn man die Illusion aufdeckt, bleibt man nicht verschont. Wenn du wieder hochscrollst, sehen die Färbungen der Felder wieder verschieden aus. Es ist zum Verrücktwerden. Wenn mein Gehirn schmerzempfindlich wäre, würde es jetzt wehtun.
Noch ein Beispiel: Du erinnerst dich bestimmt noch an das weiß-goldene Kleid, das 2015 in den Sozialen Medien die Runde machte:
Weiß-gold? Wenn du andere Farben siehst, bist du damit nicht allein. Denn auch damals entbrannte ein Streit darüber, ob es weiß-gold oder doch schwarz-blau sei. Beide Lager waren sich zu 100 Prozent sicher, dass sie recht hatten – sieht man doch, oder? Eben nicht. Dass Menschen Farben trotzdem unterschiedlich wahrnehmen, liegt an der sogenannten Farbkonstanz: Wir gleichen Lichtunterschiede automatisch aus, um die wahre Farbe eines Gegenstandes zu erkennen. So erkennen wir die Schreibtischlampe als weiß, auch wenn es im Laufe des Tages im Raum viel dunkler geworden ist und die Wellenlänge, die der Gegenstand in unsere Augen wirft, eine andere ist als ein paar Stunden zuvor.
Im Falle des Kleids bedeutet das, dass das Team #whiteandgold das Kleid als schwach beleuchtet interpretiert hat, sie deuteten die Blautöne als Schatten. Das Team #blackandblue interpretierte die Farben des Kleids als heller beleuchtet.
Diese Grafik zeigt ganz gut, dass beide Lager recht haben:
Diese optischen Verzerrungen haben mit unseren Erinnerungen zu tun: Wir haben zum Beispiel gespeichert, dass Gegenstände Schatten werfen. Deshalb kommt uns das Grau von Feld B in der Schachbrett-Grafik oben auch heller vor als A – es liegt im Schatten und unser Gehirn gleicht die Lichtverhältnisse automatisch aus.
Illusionen und unterschiedliche Interpretationen wie diese zeigen etwas, das auch für unser Gedächtnis wichtig ist: Wie wir die Außenwelt wahrnehmen, hat weniger mit unserer Außenwelt zu tun als damit, was in unserem Gehirn passiert.
Ach ja: Das fotografierte Kleid ist tatsächlich schwarz-blau.
Ich sage „Bett“ und du denkst „Schlaf“
Erinnerungen werden nicht erst im Laufe der Zeit oder nach ein paar Jahren zu falschen Erinnerungen. 1995 haben die amerikanischen Psycholog:innen Henry L. Roediger und Kathleen B. McDermott den Teilnehmer:innen ihrer Studie mehrere Listen mit Wörtern vorgelesen, die inhaltlich alle mit einem anderen Schlüsselwort zu tun hatten, das in der Liste selbst aber nicht auftauchte.
Hier sind zwei Beispiele:
Die Wörter „Schlaf“ und „Fluss“ tauchen in den Listen nicht auf – bei anschließenden Tests gaben die Teilnehmer:innen aber anschließend zu 40 Prozent (Experiment 1) beziehungsweise 55 Prozent (Experiment 2) an, diese Schlüsselwörter seien dabei gewesen. Warum das so ist, habe ich in meinem letzten Artikel über Erinnerungen schon einmal beschrieben: Einzelne Wörter aktivieren immer gleich ein ganzes neuronales Netzwerk. Deshalb kommen uns Assoziationen, auch wenn einzelne Wörter gar nicht genannt wurden:
„Nehmen wir die berühmte Erbsensuppe deiner Oma. Nervenzellen im olfaktorischen Cortex haben gespeichert, wie die Suppe riecht, nach Erbsen und dem Sellerie, den sie immer mit reingeschnippelt hat. Im visuellen Cortex – also am anderen Ende des Gehirns – ist gespeichert, wie die Suppe aussieht (keine besonders schöne Erinnerung, es ist immer noch Erbsensuppe). Im gustatorischen Cortex ist der Geschmack hinterlegt. All diese Nervenzellen zusammen formen die Erinnerung an die Erbsensuppe.“
Unser Gehirn aktiviert also Wörter, die in den Listen nicht auftauchen, weil sie Teil eines größeren Netzwerks sind. Wenn diese Wörter erstmal aktiviert sind, ist unser Gehirn so stur wie Andi Scheuer, wenn er die Pkw-Maut verteidigt: Denn werden die Wörter im Experiment entweder von einer männlichen oder weiblichen Stimme vorgelesen, meinen die Teilnehmer:innen, sich nicht nur an die falschen Wörter zu erinnern, sondern auch daran, welche der beiden Stimmen sie vorgelesen hat. Sie sind sich da ganz sicher … aber von wegen.
Deine persönliche Facebook-Chronik
Bei Erinnerungen geht es aber meistens um mehr als um ausgedachte Listen in irgendwelchen amerikanischen Laboren. Ich habe es oben schon geschrieben: Es geht um Identität. In der Neuropsychologie spricht man vom episodischen oder autobiografischen Gedächtnis, in dem alles gespeichert wird, das uns selbst betrifft – wie eine Seite im Freundebuch, oder wie unsere persönliche Facebook-Chronik. Nur schreiben wir oftmals Dinge in dieses Freundebuch, die gar nicht stimmen. Und das nicht ausnahmsweise, sondern regelmäßig.
Vielleicht hast du schon mal von Menschen gehört, die sich an Ereignisse aus ihrer frühesten Kindheit erinnern. Zum Beispiel an das rosa Mobile, das über ihrem Kinderbett hing, als sie ein Baby waren. Forscher:innen sprechen dann von „unmöglichen Erinnerung“. Unmöglich deshalb, weil die Gehirne von Babys noch gar nicht in der Lage sind, Langzeiterinnerungen zu bilden. Wenn dir also mal jemand besonders detailreich erzählt: „Ich erinnere mich noch genau an meinen dunkelblauen Kinderwagen“, kannst du ruhig antworten: „Nein, das tust du nicht.“
Nur böse musst du deshalb nicht gleich werden. Denn Menschen, die von diesen Erinnerungen erzählen, lügen dich wahrscheinlich nicht einfach stumpf an, sondern meinen, was sie sagen. Denn manche vermeintliche Erinnerungen setzen wir aus Informationsbruchstücken zusammen, und zwar so, dass sie sich echt anfühlen. Wenn wir ein Ereignis als sinnvoll begreifen wollen, uns aber Informationen (beziehungsweise Erinnerungen) fehlen, neigt unser Gehirn dazu, es unbewusst mit Füllmaterial anzureichern und so zu tun, als ob wir uns tatsächlich erinnerten.
Ein Grund: Wir verwechseln die Quellen einer Information. Wenn dir deine Mutter vom Kinderwagen erzählt oder du alte Bilder in einem Fotoalbum siehst, aber das anschließend vergisst, sucht dein Gehirn nach einer plausiblen Quelle. Es sagt sich: „Na gut, dann werde ich das wohl selbst erlebt haben. Fall geschlossen.“
Wie man Menschen zu Verbrecher:innen macht
Dieses Prinzip macht sich auch Gedächtnis-Hackerin Julia Shaw zu eigen. In acht Schritten macht sie aus harmlosen Teilnehmer:innen Menschen, die ihr detailliert von Verbrechen erzählen, die sie nie begangen haben:
Schritt 1: Sie sucht erwachsene Menschen, die an einer „Studie über emotionale Erinnerung“ teilnehmen wollen und lässt sich die Kontaktdaten zu vertrauten Personen geben (zum Beispiel die Eltern).
Schritt 2: Sie bittet die Eltern darum, ihr von emotionalen Erfahrungen aus der Kindheit (11 bis 14 Jahren) der Probant:innen zu erzählen und fragt nach Freund:innen und dem Wohnort.
Schritt 3: Stellt sich heraus, dass Studienteilnehmer:innen eines der fiktiven Verbrechen tatsächlich begangen haben, dürfen sie nicht mehr an der Studie teilnehmen.
Schritt 4: Die Teilnehmer:innen wissen nicht, worum es in der Studie geht. Shaw fragt sie nach Erinnerungen an eines der emotionalen Ereignisse, die sie tatsächlich erlebt haben und gewinnt so Glaubwürdigkeit als jemand, der von den Ereignissen weiß.
Schritt 5: Shaw beruft sich auf Insiderinformationen und spricht über ein Ereignis, das die Versuchsperson erlebt haben soll (aber in Wirklichkeit nicht erlebt hat) und fragt nach den Erinnerungen an dieses Ereignis.
Schritt 6: Weil sich die Personen bei der ersten Erwähnung nicht an das fiktive Ereignis erinnern (wie auch?), bietet Shaw Gedächtnisübungen an (Augen schließen, vorstellen, wie das Ereignis abgelaufen sein könnte, sich die Handlung vorstellen, von der Shaw ihnen gerade erzählt hat). Zu Hause sollen sie diese Übungen wiederholen, und sie machen bereitwillig mit, schließlich ahnen sie nicht, dass es sich um eine fiktive Erinnerung handelt. Sie glauben, sie erinnern sich nur noch nicht.
Schritt 7: Eine Woche später bittet Shaw die Versuchspersonen, ihnen von den echten Ereignissen zu erzählen – und anschließend auch vom fiktiven Ereignis. An dieser Stelle fangen die Probant:innen an, sich zu erinnern, schildern Details wie das Aussehen der Polizisten. Shaw gibt ihnen wieder Erinnerungs-Übungen als Hausaufgabe.
Schritt 8: Eine Woche später, gleiches Setting. Die Teilnehmer:innen erzählen Shaw nun beeindruckend detailliert, wie sie sich an das fiktive Ereignis erinnern.
Die Frau, von der ich ganz am Anfang dieses Artikels erzählt habe, sagt in dieser Sitzung unter anderem: „Ich weiß noch, wie schockiert ich war, als die Polizei kam. Das war schlimm. Das war schlimm.“
Erinnerungen werden in drei Phasen generiert. Wir speichern, konsolidieren (prägen sie im Langzeitgedächtnis ein) und rufen wieder ab. Es ist aber nicht so, dass eine Erinnerung jedes Mal stärker wird, wenn wir sie aus den Untiefen unseres Gehirns herauskramen. Mittlerweile gehen Forscher:innen davon aus: Bei jedem Abruf wird die Erinnerung geprüft, verändert und wieder abgespeichert. Julia Shaw vergleicht das mit Karteikarten, die wir aus einem Stapel herausziehen und anstatt sie nach dem Lesen direkt zurückzulegen, schmeißen wir sie weg, schreiben eine neue Version auf eine neue Karte und legen sie erst dann wieder zurück.
Eigentlich sorgt unser sogenanntes Meta-Gedächtnis dafür, dass wir nicht immer glauben, dass das, was wir uns vorstellen, wahr ist. Manchmal kommt dieses Meta-Gedächtnis allerdings durcheinander.
Was nicht zu uns passt, wird passend gemacht
Unser Gehirn ist so gut darin, sich Dinge vorzustellen, dass es irgendwann denkt, diese Dinge seien wirklich passiert. Die Erinnerung muss nur plausibel genug sein.
Der Neuropsychologe Martin A. Conway schlägt vor, die Genauigkeit von Erinnerungen nach zwei Kriterien zu bewerten: nach Korrespondenz und nach Kohärenz. Die Korrespondenz gibt an, wie nah die Erinnerung an dem tatsächlichen Ereignis ist (Fakten, Fakten, Fakten). Die Kohärenz gibt an, wie gut die Erinnerung zu unseren anderen Erinnerungen passt – also: wie gut sie zu dem Bild passt, das wir von uns selbst haben. Passt ein Ereignis nicht in unser aktuelles Selbstbild, kann es gut sein, dass wir die Erinnerung im Nachhinein verzerren.
Krautreporter-Leserin Ina schreibt unter meinem letzten Artikel diesen Kommentar:
„Ich habe vor kurzem gegenüber einer Freundin behauptet – in der festen Überzeugung, dass die Aussage zutrifft –, dass ich wahrscheinlich infolge meiner regelmäßigen sportlichen Aktivitäten (denen ich tatsächlich konsequent nachgehe) in den vergangenen zwölf Monaten nie krank gewesen sei. Sie wies mich darauf hin, dass das so nicht korrekt ist. Ihr Einwand war berechtigt. Ich habe einmal für zwei Tage und ein weiteres Mal für drei Tage mit Fieber und anderen Erkältungssymptomen im Bett gelegen. Als irritierend empfinde ich, dass ich keine für mich erkennbare Veranlassung hatte, von der Wahrheit abzuweichen. Es war auch gewiss nicht meine Absicht, meine Freundin bewusst zu belügen. Ich war von der Richtigkeit meiner Aussage überzeugt – sie war trotzdem definitiv falsch.“
Behalte das lieber für dich!
Dass unser Gehirn es nicht so mit akkuraten Erinnerungen hat, kann schlimme Folgen haben. Denken wir an Gerichtsverfahren. Oft sind die Erinnerungen von Zeug:innen entscheidend für den Ausgang eines Prozesses. Erinnerungen, die so gut wie nie komplett wahr sind. In einem Experiment etwa sollten sich die Teilnehmer:innen an einen Täter erinnern, der neben anderen Verdächtigen vor einer Wand stand.
Die Versuchspersonen teilte man in zwei Gruppen auf: Eine Gruppe sollte ihre Erinnerungen an die beobachtete Tat für sich behalten und lediglich den Täter identifizieren. 61 Prozent überführten so den Täter. Die zweite Gruppe sollte vor der Identifikation eine Beschreibung des Täters liefern, sein Aussehen also in Worte fassen. Nur 27 Prozent überführten bei der anschließenden Identifikation den Täter.
Durch die Beschreibung hatten sie sich nur die Details eingeprägt, die man leicht in Worte fassen kann. Die Feinheiten der ursprünglichen Erinnerungen der Teilnehmer:innen wurden von ihren Schilderungen überlagert. Wenn wir etwas Gesehenes beschreiben, verändern wir unsere Erinnerung daran.
Und das gilt nicht nur für Experimente: Die Anwält:innen und Studierenden des amerikanischen Innocence Project decken Justizirrtümer auf, indem die sie DNA-Tests durchführen lassen und so die Unschuld von Verurteilten beweisen. Mindestens 337 Menschen haben sie auf diese Weise in den USA befreit. Im Durchschnitt verbrachten diese Menschen 14 Jahre im Gefängnis, obwohl sie keine Straftat begangen haben. Bei 75 Prozent dieser Fälle kam es zu falscher Identifikation durch Augenzeugen.
Die Jugend von heute … ist gar nicht so schlimm
Unsere falschen Erinnerungen können auch das Zusammenleben in unserer Gesellschaft beeinflussen. In einer Studie fanden zwei Wissenschaftler heraus, warum manche Menschen der Jugend von heute vorwerfen, sie sei respektlos, dumm oder würde nicht mehr genug lesen.
Das Ergebnis der Studie: Menschen, die besonders intelligent sind, werfen der Jugend von heute vor, zu verdummen. Menschen, die besonders autoritär sind, werfen der Jugend vor, respektlos zu sein. Und Menschen, die besonders viel lesen, werfen den Jugendlichen vor, viel zu wenig zu lesen. Das überrascht erstmal noch nicht.
Die Autoren finden dafür aber zwei Gründe. Erstens: Wenn wir in etwas besonders gut sind, fallen uns besonders Menschen auf, die nicht so gut darin sind wie wir. Und zweitens: Wenn wir selbst viel lesen, übertragen wir diese Eigenschaft auf unsere ganze eigene Generation – in der Vergangenheit. Wir machen sie besser, als sie war.
Bei diesem Vergleich kann die Jugend von heute nur verlieren.
Sich erinnern heißt Dingen eine Bedeutung geben
Trotz der großen Fragen, die falsche Erinnerungen aufwerfen, gilt: Dass unser Gedächtnis fehleranfällig ist, hilft uns dabei, uns selbst und die Welt besser zu verstehen. Es hilft uns, dem Erlebten einen Sinn und Dingen eine Bedeutung zu geben, auch wenn sie eigentlich diese Bedeutung nicht haben.
Forscher:innen gehen davon aus, dass falsche Erinnerungen in erster Linie das Nebenprodukt eines sich ständig verändernden Gehirns sind. Wir passen uns unserer Umgebung an, denn diese verändert sich dauernd. Wir können lernen, schlussfolgern, uns Dinge vorstellen, Ereignisse verbinden, ohne uns dabei selbst zu verlieren. Wenn falsche Erinnerungen der Preis sind – so what?
Trotzdem sollte uns bewusst sein, wie fehleranfällig unsere Erinnerungen sind. Niemand fasst das so gut zusammen wie die US-Psychologin Elizabeth Loftus in ihrem TED-Talk: „Das Gedächtnis funktioniert ein bisschen wie Wikipedia. Sie können es aufrufen und es verändern, aber andere können das auch.“
Redaktion: Theresa Bäuerlein; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Fotoredaktion: Martin Gommel.