Kinder gehen nicht gerne zur Schule. Das ist sogenannter Konsens unter Kritikern des Bildungssystems – zu denen zähle ich mich (Überraschung!) auch. Kinder gehen nicht gerne zur Schule. Das sagen alle: Also Eltern, Lehrer:innen, Politiker:innen. Ich habe das bestimmt auch schon mal in meinem Newsletter geschrieben. Kinder gehen nicht gerne zur Schule.
Okay, genug von dieser Gebetsmühle. Was man viel zu selten macht: die Kinder einfach mal selbst fragen. Das kommt mir in meiner täglichen Arbeit als Bildungsreporter kaum unter. Jedoch – nun schon! Der Fernsehsender Kika (der mit Löwenzahn und Logo!) hat genau das getan. 1.296 Erst- bis Sechstklässler:innen befragt. Wie gerne sie zur Schule gehen. Was sie an ihrer Schule verändern würden. Wo sie gerne mitbestimmen würden. Ob’s ihnen schmeckt, das Mensa-Essen. Die Ergebnisse im Überblick.
1. Kinder gehen gerne zur Schule!
Tatsächlich. Acht von zehn befragten Kindern gaben an, sehr gerne oder gerne zur Schule zu gehen. Acht von zehn! Allerdings: Je älter die Kinder werden, desto geringer die Prozentzahl. Sie sinkt von rund 90 Prozent in der ersten Klasse auf 73 Prozent in der fünften beziehungsweise sechsten Klasse. Aber immerhin. Was keinen Unterschied macht: ob das Kind einen Migrationshintergrund hat oder nicht. Was einen Unterschied macht: ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Mädchen gehen etwas lieber zur Schule.
2. Der folgende Unterricht verzögert sich um etwa 40 Minuten
Wann soll die Schule starten? „So, dass man im Hellen zur Schule gehen kann“, sagt eine Schülerin. Im Durchschnitt wünschen sich die befragten Kinder, dass der Unterricht doch bitte erst um 8.40 Uhr beginnen möge. Damit (das wird den Kids natürlich bewusst gewesen sein) bewegen sie sich ganz auf der Linie wissenschaftlicher Untersuchungen. Ein Beispiel: In Seattle hat das Verschieben des Unterrichtsbeginn von 8 Uhr auf 8.45 Uhr dazu geführt, dass die Kinder deutlich wacher waren (Spiegel Online berichtete). Ihre Schlafdauer hat sich um 34 Minuten verlängert. Der SWR2 beschreibt, was Schlafmangel bei Jugendlichen anrichtet.
Wie wahrscheinlich ein späterer Schulbeginn in Deutschland wirklich ist? Nun …
3. Schule: Der Freundefinden-Ort
Wenn die Kinder an Schule denken, freuen sie sich am meisten auf andere Menschen. Also auf Freund:innen, auf Mitschüler:innen und auch auf die Klassenlehrer:innen. Vielleicht ist das das wichtigste Argument, wenn es darum geht, ob es in Deutschland wirklich eine Schulpflicht braucht – oder ob eine Bildungspflicht reicht (Stichwort: Homeschooling). David Gutensohn hat für das Zeit Magazin das jährliche Treffen der Freilerner-Bewegung in Brandenburg besucht. Ein guter Einstieg in das Thema.
Jungs freuen sich eher als Mädchen auf den Sportunterricht. Vielleicht liegt das auch an einem mehr und gleichzeitig weniger beliebten Spiel: Völkerball. Das Universalspiel, geht immer. Mein Freund Günter (Sportlehrer) sagt immer, beim Völkerball lerne man genau das, was man nicht lernen solle: Ausweichen und Angst vor dem Ball haben. Die Kinder könnten heute oftmals nicht richtig fangen und werfen, sagt er. Spiegel Online fragt: „Sollte man Völkerball verbieten?“ Und auf Zeit Online antwortet eine Sportlehrerin: „Völkerball ist pädagogisch sinnvoll.“ Ich mache mal die Strohpuppe und stelle mich bei dieser Diskussion hinten an.
4. Entschuldigung, gibt es diese Schule auch in schick?
68 Prozent der befragten Kinder wünschen sich eine Veränderung beim Schulgebäude, der Ausstattung, beim Ambiente. Wie gut, dass sie den neusten Bericht des KfW-Kommunalpannels (pdf) nicht kennen. Denn der sagt: Die Investitionsrückstände im Bildungsbereich betragen dieses Jahr 42,8 Milliarden Euro. Geld, das eigentlich ausgegeben werden müsste, um Schulen zu renovieren und besser auszustatten. Im November habe ich mich für Krautreporter schon einmal gefragt: Noch nie hat Deutschland mehr für Schulen ausgegeben – warum sind die Schulen trotzdem so marode?
5. Und dann wollen sie auch noch mitentscheiden …
Mehr als die Hälfte der befragten Kinder würde gerne mitentscheiden. Bei der Wahl der Klassensprecher:innen, bei der Gestaltung des Klassenraums, bei der Verwaltung der Klassenkasse. Zumindest der letzte Punkt wäre mir als Grundschüler nicht in den Sinn gekommen. Die möglichen Antworten waren bei dieser (und bei einigen anderen Fragen) allerdings auch vorgegeben, was in diesem Fall besonders schade ist – schließlich kann man Mitbestimmung in der Schule noch viel weiter denken. Würden Kinder, zum Beispiel, gerne selbst entscheiden, wann sie welches Fach haben? Oder was sie als nächstes lernen? Immer wieder tauchen demokratische Schulen in meiner Arbeit auf, bisher habe ich dazu noch keinen Artikel geschrieben. Auch bei Krautreporter dürfen die Mitglieder und Leser:innen mit entscheiden, deshalb: Habt ihr einen Artikel-Vorschlag zu diesem Thema oder generell Fragen, die wir bei Krautreporter beantworten sollen? Sagt es mir in dieser Umfrage.
Ach ja, das erwähnte Mittagessen. Es schmeckt, sagen 81 Prozent der Kinder, die regelmäßig in der Schule essen. Guten!
Schlussredaktion: Vera Fröhlich.