Warum der viel zitierte „Bildungsmonitor“ nicht verrät, welches Bundesland die beste Bildung hat

Martin Gommel

Kinder und Bildung

Warum der viel zitierte „Bildungsmonitor“ nicht verrät, welches Bundesland die beste Bildung hat

Die arbeitgebernahe Lobbyvereinigung INSM hat gerade ihren „Bildungsmonitor 2019“ veröffentlicht. Das nutzen viele Medien, um darüber zu schreiben, in welchen Bundesländern Kinder am „besten“ und am „schlechtesten“ lernen. Dabei zeigt schon eine kurze Überprüfung: Der Bericht gibt das gar nicht her.

Profilbild von Bent Freiwald
Bildungsreporter

Man könnte die 16 Bildungssysteme Deutschlands ja mal unter einer „explizit ökonomischen Perspektive“ vergleichen. Ja, könnte man. Nur allzu große Rückschlüsse dürfte man daraus nicht ziehen – oder?

Vergangene Woche kam der Bildungsmonitor 2019 (Achtung! 259 Seiten pdf) heraus. Einmal im Jahr wird in dieser Studie die Bildung in den Bundesländern anhand von 93 Indikatoren miteinander verglichen. Wohlgemerkt – genau! – aus einer „explizit ökonomischen Perspektive“, wie die Autor:innen der von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ durchgeführten Untersuchung selbst schreiben. Ökonomisch heißt in diesem Fall: „Wie erfolgreich gestaltet jedes Bundesland sein Bildungssystem, sodass daraus optimale Wachstums- und Beschäftigungsimpulse entstehen?“

Das verstecken viele Medien allerdings weit hinten in ihren Artikeln, was ich durchaus verstehe: In den schmissigen Überschriften wäre dafür kaum Platz. T-Online schreibt: „Dieses Bundesland hat das stärkste Bildungssystem.“ Und der Stern titelt: „Sachsen Klassenbester bei der Bildung“. Da haben sie zwar recht, aber eben nur aus einer „explizit ökonomischen …“ – ihr wisst schon. 

Aber schauen wir uns erst mal die Abschlusstabelle der Studie an, die momentan die Runde macht. Aufgelistet ist das Endergebnis der einzelnen Bundesländer, in Klammern dahinter, wie viele Punkte sie im Vergleich zum Vorjahr zugelegt oder verloren haben.

Infografik: Bent Freiwald

Sachsen ist auf Platz 1. Das überrascht wenig, wenn man die Ergebnisse der vergangenen Jahre kennt: Sachsen ist zum 14. Mal in Folge auf Platz 1. Den Sieger loben die Autor:innen unter anderem dafür, dass viele Kinder in Kindergärten und Grundschulen ganztags betreut würden. Thüringen hingegen, schreibt insüdthüringen.de, sei beim Ranking von Platz 2 auf Platz 3 „abgerutscht“. Das Ergebnis sei „eine niederschmetternde Schlussbilanz für fünf Jahre rot-rot-grüner Bildungspolitik in Thüringen“, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Christian Tischner. Wie niederschmetternd dritte Plätze doch sein können – vor allem aus wirtschaftlicher Sicht!

Das Schlusslicht hat dieses Jahr Bremen abgelöst und heißt wieder: Berlin. Als großer Gewinner wird hingegen das Saarland angesehen. Ihr seht es in der Tabelle: Mit zusätzlichen 16,2 Punkten landet das kleine Bundesland im Westen auf Platz 4.


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Warum ich betone, dass das Saarland klein ist? Unter anderem, weil das ein Grund dafür ist, dass schon kleine Änderungen große Punktgewinne bedeuten können. Die Süddeutsche Zeitung arbeitet das gut heraus: „Es braucht nur ein paar Grundschulen mehr, die ein Ganztagsangebot starten, schon steigt der Wert deutlich.“ Und sie weist noch auf eine kuriose Situation hin: „Positiv bewerten die Forscher es auch, wenn ein großer Anteil junger Menschen in einem Bachelor- statt in einem traditionellen Diplom- oder Magisterstudiengang startet – weil das Studium kürzer ist und die Absolventen damit schneller auf den Arbeitsmarkt kommen.“ Das heißt: Baut ein Bundesland eine medizinische Fakultät auf, an der klassischerweise auf ein Staatsexamen und nicht auf einen Bachelorabschluss hin studiert wird, verschlechtert sich die Punktzahl …

93 Indikatoren – da fließt schon einiges mit ein: Von der Quote der Schulabbrecher:innen, über das Alter der Lehrer:innen bis hin zur Zahl der Ingenieursabsolvent:innen. Von den Bildungsausgaben pro Student:in bis zur Klassengröße in den Schulen. Auch wenn ich die Abschlusstabelle für nicht so absolut halte wie manche meiner Kolleg:innen, enthält der Bericht viele spannende Zahlen – für sich betrachtet.

Zum Beispiel ist der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss in die Höhe gegangen, im Vergleich zum letzten Jahr von 5,7 auf 6,3 Prozent. Noch schlechter sieht es für junge Migrant:innen aus: 18,1 Prozent brachen zuletzt die Schule ab, ein Jahr zuvor waren es 14,2 Prozent. Hier kann man die Ergebnisse der einzelnen Felder betrachten. Aus diesen Teilergebnissen Rückschlüsse zu ziehen wird wesentlich spannender sein, als aus einer Abschlusstabelle, bei der sich die positiven und negativen Entwicklungen gegenseitig die Show stehlen. 

Meistens handelt es sich im Bericht ohnehin um quantitative Aussagen. Wenn in einem Bundesland besonders viele Kinder ganztags betreut werden, heißt das noch lange nicht, dass die Betreuung auch gut ist. Das kritisiert auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, gegenüber der dpa: „Deshalb gibt der Deutsche Lehrerverband auf dieses Ranking des Bildungsmonitors noch weniger als auf das von PISA, wo wenigstens die Vergleichskriterien offen und klar sind.“

Ich tue es Meidinger gleich und hake den Bildungsmonitor hiermit ab. Ein Vergleich aus wirtschaftlicher Sicht, mit relativ instabilen Daten, verrät nicht, welches Bundesland insgesamt das beste Bildungssystem hat.


Schlussredaktion: Vera Fröhlich.