Einstürzende Schulbauten
Kinder und Bildung

Einstürzende Schulbauten

Krautreporter-Mitglied T. fragt: „Wie marode sind unsere Schulen wirklich?” Der Versuch einer möglichst kurzen Antwort.

Profilbild von Sebastian Esser
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Die Frage liegt tatsächlich nahe. Ich erlebe jeden Tag eine Berliner Schule, die, seit ich sie zum ersten Mal betreten habe, eine einzige große Baustelle ist. Dafür bin ich allerdings dankbar, denn immerhin tut sich etwas. Ein Blog mit dem treffenden Namen „Einstürzende Schulbauten” veröffentlicht täglich neue Bilder des Jammers aus ganz Deutschland. Marode Schulen gibt es also garantiert.

Wenn ich unseren Fragesteller richtig interpretiere, möchte er aber wissen, ob die häufig beklagte Krise auch objektiv so schlimm ist, wie es die Beispiele nahe legen. Übertreiben es die jederzeit empörungsbereiten Eltern vielleicht, die schnell mit Forderungen zur Stelle sind, wenn es um die eigenen Kinder geht?

Eine gute Antwort auf eine so große Frage bedeutet eine Menge Arbeit und viel Recherche. Zum Glück hat sich die Wochenzeitung Die Zeit im vergangenen Jahr genau diesem Thema ausführlich gewidmet. Zunächst haben die Kollegen 3.000 von ihren Lesern ausgefüllte Fragebögen ausgewertet, sich dann auf die Reise gemacht und viele Schulen besucht. Ich empfehle ihnen, lieber T., das Zeit-Dossier zu lesen.

Die wichtigsten Erkenntnisse fasse ich hier für Ungeduldige zusammen:

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  • Zuständig für den Zustand der Schulen ist nicht der Bund, denn Bildung ist Ländersache. Es sind aber auch nicht die Länder, denn für die Gebäude und den Betrieb sind die Städte und Gemeinden verantwortlich. Und denen fehlt häufig das Geld.
  • Jede dritte Gemeinde ist aber verschuldet. Zwischen armen und reichen Städten und Regionen werden die Unterschiede zunehmend größer. Je nachdem, wo ein Kind aufwächst, ist der Zustand der Schulen daher unterschiedlich marode.
  • Das Deutsche Institut für Urbanistik (DIfU) schätzt, die deutschen Schulen müssten eigentlich für ungefähr 32 Milliarden Euro saniert werden. Das ist viel. Zu viel. Es entspräche etwa zehn Prozent des gesamten Bundeshaushalts.
  • Die Anforderungen an die Schulen steigen (PISA, Ganztagsschule, Hortbetreuung und so weiter), die Budgets aber fast nicht. Der demografische Wandel – es gibt weniger Kinder – würde eigentlich Schulschließungen notwendig machen. Dagegen wehren sich oft die Eltern und Gemeinden. Und wurschteln eben weiter.
  • Bildung ist heute aber auch gefühlt wichtiger als früher. Ein renovierungsbedürftiges Schulhaus ist für uns ein Symbol für schlechte Bildung an sich. Schule ist ohnehin ein emotional besetztes Thema – jeder Lehrer kann ein Lied davon singen, wie Eltern es meist besser wissen und dem Beruf wenig Respekt entgegen bringen.

Fazit: Wie immer ist eine pauschale Antwort schwer, denn es gibt viele Schulen, die nicht marode sind. Mit etwas Abstand betrachtet besteht aber tatsächlich ein strukturelles Problem: Die Gemeinden haben zu wenig Geld. Politiker – im Einvernehmen mit den meisten Wählern – investieren lieber in innovative Konzepte wie Ganztagsschulen, Schulessen oder Integrationsklassen, als in löchrige Gebäude. Und außerdem: Unsere Ansprüche steigen.

Das führt zu einigen anderen Fragen, die vielleicht noch wichtiger sind – und den Rahmen dieser Antwort sprengen: Wird der Unterricht schlechter, wenn das Gebäude heruntergekommen ist? Kann man nicht auch mit einem Loch im Dach ganz gut unterrichten? Wissen unsere Kinder heute mehr als früher, trotz maroder Schulen?