Zack! Und plötzlich ist sie da. Nachdem Künstliche Intelligenz für die meisten Menschen jahrzehntelang nicht mehr als ein großes Versprechen war und nur im Hintergrund etwa bei Suchmaschinen ihren Dienst verrichtet hatte, ist sie nun da angekommen, wo wir Laien ihr immer wieder begegnen: in unseren Telefonen, Computern – und sogar in unseren Köpfen.
Noch nie hat eine neue App so schnell so viele Nutzer gewonnen wie ChatGPT, das sogenannte Large Language Model (LLMs) der US-amerikanischen Firma OpenAI. Innerhalb von sieben Tagen zählte sie eine Million Nutzer:innen, war damit schneller als Instagram oder Spotify. Gleichzeitig füllen sich die sozialen Netzwerke nicht nur mit (super-nervigen) Posts über die „10 besten KI-Tools, die dir deine Arbeit erleichtern“, sondern auch (manchmal) ziemlich ausgefeilten und oft raffinierten KI-Bildern, KI-Songs und KI-Texten. Um die Welt ging etwa das Fake-Bild von Papst Franziskus im stylishen Mantel.
Wer hinschaut, kann es spüren: Hier kommt nicht nur eine weitere Technologie in unseren Alltag, die nice to have ist, so wie ein Bierkühler im eigenen Garten nice to have ist. Hier kommt eine Technologie, die das Potenzial hat, vieles von dem auf den Kopf zu stellen, was unsere Gesellschaften ausmacht: Medien, Recht und Arbeitsmarkt. Denn die Sprachmodelle der neuesten Generation können viele Aufgaben übernehmen, die bisher allein Menschen vorbehalten waren.
Seitdem ChatGPT oder die Bild-KI-Werkzeuge Midjourney und Stable Diffusion im Spätsommer vergangenen Jahres auf den Markt gekommen sind, beginnt sich abzuzeichnen, was genau in den kommenden Jahren passieren könnte. Es ist wichtig, sich mit diesen Szenarien zu beschäftigen. Denn Künstliche Intelligenz ist eine Technologie, die großen Schaden anrichten kann, sobald sie nur ein bisschen schiefgeht, wenn sie sich etwa verselbständigt oder missbraucht wird. Die aber, im Umkehrschluss, natürlich auch genauso großen Nutzen haben kann, sobald sie nur ein bisschen funktioniert.
Deswegen haben wir uns gemeinsam mit der KR-Community in Ricos Discord Gedanken darüber gemacht, welche Folgen ChatGPT & Co für unseren Alltag haben könnten. Die Sammlung ist unvollständig. An irgendeiner Stelle werden wir auch sehr falsch liegen, das lässt sich bei solchen Gedankenspielen nicht vermeiden. Die folgenden acht Thesen sind aber hoffentlich unterhaltsam und erhellend. Es geht um ein neues, eigentlich für unmöglich gehaltenes Beatles-Album, den nächsten Film in der Reihe „Stirb Langsam“, das Schicksal unzähliger Webseiten, die einem erklären, wie man eine Glühbirne eindreht – und um deinen Job.
1. Digitale Fließbandarbeit verschwindet, ein neues Fließband entsteht
Wir haben lange gebraucht, um diese These zu formulieren, weil es unfassbar viele verschiedene Meinungen zu der Frage gibt: Wie verändert KI die Arbeitswelt?
Sascha Lobo hat in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ behauptet, die Verdrängung durch die KI am Arbeitsplatz werde dazu führen, dass viele Arbeitende überqualifiziert, aber unterbezahlt sein werden. Das heißt: Sie werden aus den Jobs, für die sie ausgebildet sind, in Berufe verdrängt, die weniger anspruchsvoll sind, aber auch weniger einbringen. Der Technik-Experte Jürgen Geuter sprach bei uns im Interview davon, dass wir gegen ChatGPT kämpfen sollten, um unsere Arbeitsplätze zu schützen. Anhänger der Grundeinkommensbewegung glauben wiederum, dass KIs uns endlich Utopia wirklich näherbringen: wir also weniger arbeiten werden, ohne auch weniger zu verdienen.
Manche Berufsgruppen könnten tatsächlich vollständig verschwinden. Ein Beispiel: Beim Unternehmen TryitOn können Kund:innen für 17 Dollar Selfies von sich hochladen und eine KI generiert daraus Porträtfotos, wie aus einem professionellen Fotostudio. Anstelle echter Fotograf:innen sitzen in diesem Studio nur noch Menschen, die Tausende von Bildern kuratieren, aussortieren, per E-Mail versenden. Genauso durch KI gefährdet sind: das Synchronisieren von Filmen, Dolmetschen, Produktfotografie, das Verfassen von standardisierten Texten wie in Nachrichtenagenturen oder bei der Sportberichterstattung, die Visualisierung von Daten, SEO-Optimierung, Kundendienste, Grafikdesign, einfacher Videoschnitt oder sich immer wiederholende Büroarbeiten. Kurzum, der digital arbeitende Mittelbau der Wissensgesellschaft, der die immer wieder gleichen Tätigkeiten ausübt, ist gefährdet.
In diesen Bereichen werden Menschen nur gebraucht, wenn es um Denk- und Schaffensarbeit geht, die den Status quo herausfordert. In von KI-Arbeit geprägten Prozessen müssen Menschen schließlich Fakten checken, Feinschliff machen, die letzte Entscheidung treffen, den Kopf hinhalten, falls etwas schiefgeht oder einen extrem hohen Qualitätsstandard absichern. Diese Arbeiten werden mittelfristig aufgewertet, können sich aber für diejenigen, die sie ausführen, nach Fließband anfühlen. Denn die Maschinen werden die hauptsächliche, kreative Arbeit übernehmen. Der Mensch arbeitet nur noch mit dem, was die Maschine liefert.
Hier bleiben mehr Fragen, als wir beantworten können. Eine, die uns vor allem beschäftigt: Wo gehen die Menschen anschließend hin, deren Jobs überflüssig oder langweilig werden? Lassen sie sich umschulen? Wird es einen Run auf Jobs geben, die KIs nicht machen können? So zumindest hat es „Svört“ bei unserer Diskussion im Discord formuliert: „Meinen Job (Lehrerin an einer Schule für Körperbehinderte) nimmt mir keine KI weg, frühestens ein echt guter Pflegeroboter. Aus meiner Sicht bedeuten weniger Jobs durch KI also ein Stück weit, dass mehr Leute frei werden für Jobs, in denen man noch ‚echte‘ Menschen braucht.“
2. Ein neues Beatles-Album kommt 2024
Als wir die These Ende März unseren Kolleg:innen bei Krautreporter zum ersten Mal präsentierten, klang sie noch reißerisch und technisch extrem weit weg. Mittlerweile hat die Realität sie beinahe überholt. Wo fangen wir an?
Der einfachste Job für die KI wären die Texte der Songs: ChatGPT-4 kann lyrische Stile ziemlich gut imitieren. Unser Kollege Moritz hat sich neulich seine Abwesenheitsmail im Stil des Soziologen Jürgen Habermas formulieren lassen. Ein Drehbuch in der Sprache des Us-amerikanischen Autors Aaron Sorkin, ein Liebesgedicht des Dichters Hermann Hesse: kein Problem. Ein paar Strophen von John Lennon? Warum nicht?
Dass KI-Tools echte Stimmen inzwischen sehr authentisch nachbilden können, ist ebenfalls nicht ganz neu. Dass sie aber jede x-beliebige Stimme nachbilden können, kann einen schon umhauen. Roberto Nickson von ElunaAI stolperte am 25. März bei Reddit über ein Kanye-West-Stimmenmodell und nahm dieses Video auf, in dem Kanyes KI-Stimme verschiedene Popsongs singt. Kaum drei Wochen später veröffentlichte Tiktok-User Ghostwriter einen unveröffentlichten KI-Song von Drake und The Weeknd, der auf den Streaming-Plattformen ein viraler Hit wurde. Es folgten andere User mit immer mehr und immer absurderen dieser „AI-Cover“. Die Plattenfirmen sorgen in regelmäßigen Abständen dafür, dass sie wieder aus dem Netz verschwinden. Aber inzwischen haben sich bereits die ersten Tauschbörsen und Discord-Kanäle für diese KI-Musik gebildet. Die Situation erinnert an jene vor mehr als 20 Jahren, als auf Plattformen wie Napster oder The Pirate Bay raubkopierte Musik getauscht wurde.
Wie die Rechte an der Musik letztlich zwischen echten und KI-Künstler:innen aufgeteilt werden, ob Plattenfirmen oder die Streaming-Plattformen den großen Gewinn daraus ziehen: Wir wissen es nicht. Aber ein neues Beatles-Album wird kommen. Wer auch immer es produziert, muss nicht einmal Studiomusiker:innen engagieren, denn, du ahnst es, auch eine komplette Instrumentierung lässt sich inzwischen mit KI komponieren. Und wir haben dafür auch schon einmal ein mögliches Plattencover geliefert. Unser Aufmacher-Bild für diesen Artikel hat Philipp Sipos mit einer KI erstellt.
3. Du bist der Star im neuen „Stirb langsam“-Film
Wenn du uns bis hierhin gefolgt bist, dann dürfte dich das nun auch nicht mehr überraschen. Wobei auch bei dieser These alles schneller passierte, als wir Ende März noch vermutet hätten: Seit 2. Mai streikt in Hollywood die Gewerkschaft der Autorinnen und Autoren. Auch ein Grund dafür ist die Angst, dass ganze Shows oder einzelne Folgen einer Serienstaffel in Zukunft von einer KI geschrieben werden könnten und menschliche Autor:innen dann bestenfalls noch ausbessern dürfen.
Doch auch bei Videos werden KI-Tools immer besser. Vor einem Monat haben wir in Ricos Discord noch darüber diskutiert, warum Bildgeneratoren so unfassbar schlecht Hände erstellen können. Dann Ende April fanden wir diesen Trailer zu einem fiktiven neuen Star-Wars-Teil im Stil des US-amerikanischen Regisseurs Wes Anderson, vollständig mit Künstlicher Intelligenz generiert. Es ist nicht abwegig, dass eine Streaming-Plattform wie Disney+ vielleicht noch in diesem Jahr einen Pixar-Animationsfilm veröffentlicht, in dem die Motion Graphics nicht mehr von einem Menschen erstellt werden. Vielleicht wird es ja „Herr der Ringe“? Ob die KI dann auch einen Oscar dafür gewinnt? Wir gehen davon aus.
Wir drehen die Spirale noch ein kleines Stück schneller: In diesem Interview prophezeit Regisseur Joe Russo („Avengers Endgame“) eine Art vollständige Individualisierung des Filmeschauens: Man entscheidet nach Feierabend selbst, was man sehen möchte, mit welchen Schauspieler:innen und ob man – mit einem 3D Avatar von sich selbst – vielleicht selber im Film mitspielen möchte. Wie man sich seine eigene Welt bauen können? Vielleicht durch eine einfache Texteingabe.
4. Die KI entscheidet Kriege
Palantir Technologies ist ein US-amerikanisches Datenunternehmen. Die Firma stellt Kunden eine Software zur Verfügung, die riesige Datenmengen schnell verarbeiten kann. Das kann sie prinzipiell für alle gesellschaftlichen Bereiche erledigen. Im aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine, hat sie mutmaßlich der Ukraine geholfen, sich zu verteidigen. Die Software analysiert dafür Satellitenbilder, Nachrichten und Truppenbewegungen in Echtzeit, erkennt Muster und hilft dabei, Ziele beispielsweise für Drohnenangriffe auszuwählen. Auch in Deutschland kommt diese Software bei der Polizei zum Einsatz. Der Geschäftsführer von Palantir, Alex Karp, vergleicht den Einsatz seiner Software mit dem Besitz taktischer Kernwaffen: „Die Stärke fortschrittlicher algorithmischer Kriegssysteme ist mittlerweile so groß, dass sie dem Besitz taktischer Atomwaffen gegenüber einem Gegner mit nur konventionellen Waffen gleichkommt.“
Am 26. April kündigte Palantir an, Künstliche Intelligenz in seine Software-Weiterentwicklung zu integrieren. Das Ziel ist, dass Menschen mit dem System in Zukunft ganz normal sprechen und auch verschiedene Szenarien für spezifische Kriegshandlungen entwerfen können. Wie wir von ChatGPT gelernt haben, arbeitet eine KI nur so gut, weil sie mit entsprechenden Datenmengen gefüttert wird. Eine Firma wie Palantir, deren Kernkompetenz darin liegt, Datenmassen zu sammeln und auszuwerten, ist bei der Entwicklung also im Vorteil. So stieg der Aktienkurs von Palantir Technologies kurz nach der Ankündigung auch um 20 Prozent. Wer die bessere KI-Technologie in militärischen Einsätzen zur Verfügung hat, wird zukünftig mutmaßlich auch die Oberhand in diesen Konflikten besitzen.
5. Die KI wird zur nächsten großen Kränkung der Menschheit
Die Idee der großen Kränkungen geht auf Sigmund Freud zurück. Er hat die These aufgestellt, dass die Menschen gegen einige wissenschaftliche Entdeckungen besonders starken Widerstand leisteten, weil diese das menschliche Selbstbild massiv gekränkt haben: etwa die Tatsache, dass Menschen nicht im Zentrum des Universums stehen, dass sie vom Affen abstammen oder dass es einen unbewussten Seelenanteil gibt, auf den wir keinen Zugriff haben (diese Idee kommt von Freud persönlich).
Vielleicht ist der Vergleich sehr weit hergeholt, aber auch die Entwicklung der KI könnte uns vor solch eine Kränkung stelle. Dann müssten wir erkennen: Wir sind nicht so besonders und einzigartig, wie wir meinen. Zwischenmenschlichkeit etwa kann es auch mit Maschinen geben (unser Kollege Hans hat in diesem Artikel erklärt, warum das so ist). In unserem KI-Discord-Thread waren wir uns bisher einig: Es ist ein bisschen wie mit Süßigkeiten. Diese stillen den Hunger nur kurzfristig. Trotzdem will man immer mehr davon, isst im schlimmsten Fall dafür weniger gesunde Lebensmittel und schadet langfristig seiner Gesundheit. Auch Hans vergleicht eine reibungslos funktionierende KI mit Industriezucker.
Doch dann haben wir dieses Video hier gesehen. Nun glauben wir, dass das Sterile, das vermeintlich Seelen- und Gefühlslose, das der KI immer nachgesagt wird, nur ein Vorurteil ist. Eines, das uns Menschen dabei hilft, uns abzugrenzen – und überlegen zu fühlen.
https://twitter.com/LinusEkenstam/status/1653902252032000001
Daraus können zwei Dinge folgen: Erstens, uns ist egal, mit wem wir kommunizieren, denn so lange unser Gegenüber authentisch und ehrlich kommuniziert, ist ein solches Gespräch keine Ersatzbefriedigung, es ist echt. Zweitens, wirkliche menschliche Nähe wird viel exklusiver, viel wertvoller und wird viel planvoller in den Alltag integriert. Wir brauchen im besten Falle dann keine halbherzigen, toxischen oder aufgezwungenen Beziehungen mehr, wir haben digitale Begleiter, die uns Mut zureden, uns im Alltag helfen, uns ein Buch vorlesen und Ratschläge geben. Für alles andere (Umarmungen, dann doch mal einen Schulterklopfer, die Rückversicherung, dass man selbst aus Fleisch und Blut ist, vielleicht auch mal etwas mehr Reibung) gibt es ausgesuchte echte Freund:innen.
6. ChatGPT macht Programmierer produktiver – und Nicht-Programmierer zu Programmierern
Ein Berufszweig, der sich vermutlich am schnellsten wandeln wird, ist Softwareentwicklung. Für Programmier:innen gibt es schon jetzt Hilfstools wie CoPilot, die direkt dort, wo der Code geschrieben wird, Vorschläge machen, wie er weiter geschrieben werden soll. Das wird die Produktivität von Programmiererinnen mittelfristig erhöhen. Da speziell deren Kenntnisse in wirklich allen Bereichen der Arbeitswelt sehr gefragt sind, dürfte sich dieser Produktivitätssprung auch auf das Wirtschaftswachstum auswirken.
Die eigentliche Revolution ist aber eine andere. Denn mit Programmieren ist es wie mit Chinesisch sprechen. „Ein bisschen“ Programmieren hilft einem bei den Aufgaben, die sich ergeben, genau so viel wie „ein bisschen“ Chinesisch in China: kaum. Der Alltag ist einfach zu komplex, um mit „Hello World!“ und „Wie gehts?“ zurechtzukommen. Sprachen, egal ob Chinesisch oder Programmiersprachen wie Python, haben Schwellen der Nützlichkeit, die sehr hoch sind. Die aber sobald sie überquert sind, einen sehr großen Möglichkeitsraum auftun. Tools wie ChatGPT senken diese Schwellen radikal. Sie versetzen Menschen, die nicht den blassesten Schimmer von Coding haben, in die Lage, mit den Maschinen zu reden, die unser aller Alltag so bestimmen. Dieses neue „Coding“ wird so zu einem elementaren Bestandteil des Arbeitsalltags vieler Menschen werden – so wie es heute schon richtige Grammatik und Rechtschreibung sind.
7. Tod den Content-Mühlen, lang leben die Reporter:innen
Webseiten wie Chip.de oder Focus.de haben ein ganzes Geschäftsmodell darauf gebaut, dass jeden Tag Zehntausende Menschen immer wiederkehrende Antworten auf sehr banale Fragen suchen: „Wie wechsele ich eine Druckerpatrone?“ „Wie kann ich bei Spotify ein Lesezeichen setzen?“ Oder: „Was hilft gegen Ölfecken auf dem Sofa?“ Diese Webseiten zeigen Werbung an, verdienen ihr Geld also mittelbar mit Klicks, die über die Suchmaschine Google kommen. In relativ kurzer Zeit wird sich dieses Geschäftsmodell erledigen, weil Menschen für solche banalen Fragen nicht mehr irgendwo hinklicken wollen, sondern eine Antwort direkt erwarten. Von zu persönlichen Assistenten gewandelten Suchmaschinen kommt diese Antwort dann auch sofort. Sie werden die Content-Mühlen verdrängen. Was aber nicht bedeutet, dass nicht irgendjemand noch Informationen beschaffen muss – wahrscheinlich wird diese Arbeit sogar mehr wert.
8. Fakten? Plötzlich wieder ganz heiße Ware
Wenn jeder und jede einen Film, ein Bild, einen Text, ein Lied in Sekundenschnelle erstellen kann, dann wird die Zahl von Filmen, Bildern, Texten und Liedern ins Unermessliche steigen. Plattformen wie Facebook, Mastodon, Twitter, Snapchat und Youtube, die früher einmal „soziale Medien“ waren, werden noch viel stärker als bisher schon zu Unterhaltungsnetzwerken, die nur dazu dienen, uns Nutzer:innen mit KI-Content abzulenken.
Es wird aber weiterhin den Bedarf für Fakten geben. Oder anders formuliert: nachprüfbar echte Medieninhalte, deren Herstellungsgeschichte nachvollziehbar ist, werden mehr wert sein als Medieninhalte, bei denen das nicht der Fall ist. Ein Beispiel: Vor wenigen Tagen ging auf Twitter ein gefälschtes Bild von einer Explosion nahe des US-Verteidigungsministeriums in Washington herum. Börsen-Handelsprogramme, die automatisiert soziale Netzwerke nach Meldungen dieser Art durchforsten, haben sofort reagiert und Aktien verkauft – wegen einer Falschmeldung. Gleiches gilt für alle anderen Branchen: Der Anwalt, der eine KI einsetzt, um Schriftstücke zu formulieren, muss sich zu einhundert Prozent darauf verlassen können, dass diese KI die Gesetze kennt und vor allem richtig interpretiert. Die Ärztin, die ihre Reports mit KIs verfasst, hat das gleiche Bedürfnis.
Grob gesprochen wird es, so glauben wir, eine Zweiteilung geben: Für die Masse der Menschen wird es den billigen, kostenlosen KI-Content geben, finanziert durch von KIs personalisierte Werbung. Aber diejenigen, die es sich leisten müssen und können, werden für die akkuraten, oft von Menschen handgeprüften Informationen bezahlen. Irgendwo dazwischen werden sich Journalist:innen und Medien wie Krautreporter wiederfinden.
Einerseits besteht viel journalistisches Arbeiten darin, Inhalte zusammenzufassen. Das kann die Maschine sehr bald besser. Andererseits brauchen die KIs Partner, die ihnen sagen, was sie zusammenfassen sollen und das Ganze dann in eine Form bringen, die andere Menschen auch wirklich mit Gewinn lesen. Zum Beispiel hätte diesen Text hier auch eine KI schreiben können, aber ChatGPT wäre nicht von allein auf die Idee gekommen, ihn zu schreiben.
Und das gilt für vermutlich für sehr viele Bereiche: KIs und Menschen bilden Teams, die zusammen besser arbeiten als allein.
Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger