Ein Freund von mir schwärmt davon, wie ChatGPT ihm seine Arbeit als Social Media Manager erleichtert, eine Kommilitonin lässt sich komplizierte Texte aus der Uni zusammenfassen und eine andere Freundin lässt sich Hausarbeitsthemen vorschlagen. Vor Kurzem erzählte mir eine potentielle Mitbewohnerin beim WG-Casting, dass sie sich sogar Nebencharaktere für ihre Filme von der KI scripten lässt.
Seitdem die kalifornische Firma OpenAI ChatGPT im November vergangenen Jahres der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, erfreut sich der Chatbot großer Beliebtheit. Auch Krautreporter-Mitglied Mark ist begeistert: „Ich nutze ChatGPT, um Kindergeschichten zu schreiben. Der Vorteil ist: Genau die Figuren und Themen, die meine Tochter (6) gerade beschäftigen oder die sie sich ausgedacht hat, kann ich beim Prompten berücksichtigen. Ich bekomme superschnell eine Geschichte, die genau in die Situation passt.“ Prompt, das ist übrigens die Bezeichnung für den Befehl oder die Aufgabe, die man der KI gibt.
Wir haben deshalb euch, die KR-Community, gefragt, was ihr alles mit dem Programm anstellt und die besten Beispiele gesammelt, wie man ChatGPT sinnvoll im Alltag einsetzen kann. Außerdem habe ich mit dem KI-Forscher Aljoscha Burchardt gesprochen und ihn gefragt, wie ChatGPT überhaupt genau funktioniert und worauf man bei der Benutzung achten sollte.
So funktioniert ChatGPT
ChatGPT ist eine Künstliche Intelligenz, genauer gesagt ein digitales Sprachmodell. Sprachmodelle sind eine bestimmte Form der Künstlichen Intelligenz. Sie funktionieren im Prinzip so, wie die Autocomplete-Funktion auf dem Smartphone: Aus der riesigen Textmenge, mit der die KI gefüttert wird, entstehen komplexe statistische Modelle. Wenn man nun einen Prompt eingibt, „errät“ die KI aufgrund der statistischen Wahrscheinlichkeit, was die nächsten Worte sein könnten. So ist sie in der Lage, plausibel klingende Antworten zu formulieren. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Antworten auch wirklich immer sinnvoll und logisch sind.
Die ChatGPT-Version 3.5 ist kostenlos für alle nutzbar, die sich ein Benutzer:innenkonto anlegen. Die KI wurde mit einer riesigen Datenmenge trainiert, die aber auf den Wissensstand von September 2021 begrenzt ist. Was danach passiert ist, weiß ChatGPT also einfach nicht. Wie genau Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen funktionieren, könnt ihr übrigens hier in unserem Zusammenhang zu Künstlicher Intelligenz nachlesen.
Das sagt der KI-Experte
Aljoscha Burchardt vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz rät, die Funktionsweise bei der Benutzung immer im Hinterkopf zu behalten. ChatGPT und Co. seien eben keine „Faktenerzeugemaschinen“. Die erste Frage, die man sich immer stellen sollte, sei: Warum spreche ich das System eigentlich an? „Wo habe ich denn das Problem: Dass ich vor einem weißen Blatt Papier sitze und einfach erst einmal eine Textgrundlage für mich brauche? Wo begegnet mir das Problem: Dass ich etwas zusammenfassen oder übersetzen möchte, das ich im Nachhinein ohnehin noch einmal überarbeite?“ Burchardt empfiehlt, ChatGPT als eine Art Muse zu benutzen, die erste Ideen liefern kann, die man dann aber selbst noch einmal verfeinert. So macht das auch KR-Leserin Joanna: „Ich benutze sie als Inspirationsquelle für Texte und auch Geschichten. Ich nehme sie aber nicht ernst, recherchiere alle Informationen in anderen Quellen und kopiere keine Formulierungen. Weil es (noch) kein originäres Denken ist, das dahinter steckt. Das merkt man den Texten an.“
Man sollte sich außerdem immer überlegen, ob ChatGPT den eigenen Workflow wirklich ergänzt: „Ist es wirklich eine Zeitersparnis? Wie sehr schränkt das eigentlich meine Kreativität ein? Erweitert es mich? Gibt es mir irgendwie Input? Oder birgt die KI die Gefahr, dass ich mich am Ende des Tages zu sehr darauf verlasse und faul werde?“, gibt Burchardt zu bedenken.
Als Inspiration empfiehlt er die KI also, als Google-Ersatz aber sollte man ChatGPT eher nicht benutzen. Der Wissensstand ist nicht nur auf September 2021 begrenzt, durch seine Funktionsweise erzeugt das Programm auch schlicht falsche Antworten oder sogenannte Halluzinationen. Die KI formuliert zwar plausibel klingende Antworten, die enthaltenen Daten und Fakten stimmen aber oft nicht oder nur teilweise. Fakten und Fiktion werden miteinander vermischt. Ein Beispiel? Als ich die KI bitte, mir Alben der Rapperin Haiyti zu nennen, erfindet ChatGPT das Album „Montenegro wieder“, das angeblich 2018 veröffentlicht wurde. Das tatsächlich existierende Album „Montenegro Zero“ erschien laut ChatGPT 2016, kam in Wirklichkeit aber erst 2018 heraus.
Aus Sicht des Programms war diese Kombination von Wörtern lediglich statistisch am wahrscheinlichsten, um die Wahrheit kümmert es sich nicht. Davor warnt auch Burchardt: „Wenn es wirklich darum geht, Fakten zu finden, dann sollte ich sie nicht bei ChatGPT suchen, sondern vielleicht lieber Wikipedia nutzen. Oder eben eine Quelle, die ein Mensch geschrieben hat und die verifizierbar ist. Das kann ich natürlich dann noch einmal ChatGPT geben und sagen: Erklär mir das leichter oder zieh mir mal ein paar Highlights raus. Ohne Gewähr natürlich, dass das dann am Ende des Tages wirklich richtig gut ist.“
Fakt ist: Eine KI ist immer nur so gut, wie die Datensätze, mit denen sie trainiert wird. In den Datensätzen spiegeln sich allerdings die rassistischen, sexistischen oder queerfeindlichen Einstellungen der Menschen wider, die diese erstellt haben. Das führt dazu, dass auch die KI diese Einstellungen übernimmt. Spricht man zum Beispiel über eine Person, die einen Beruf ausübt, geht die KI zu 80 Prozent davon aus, dass es sich dabei um einen Mann handelt. Wie genau das funktioniert und warum es nahezu unmöglich ist, das im Nachhinein zu ändern, lest ihr hier.
So hilft ChatGPT dir, Texte zu schreiben
Bei einer textbasierten Anwendung ist das wohl die einleuchtendste Einsatzmöglichkeit: Ihr könnt ChatGPT die verschiedensten Texte schreiben lassen oder euch Ideen für eure eigenen Texte holen. Nicht nur Kindergeschichten für Marks Tochter kann die KI schreiben, auch Grußkarten fabriziert ChatGPT. Wenn ihr also nicht wisst, was ihr eurer Mutter aus dem Italienurlaub berichten oder auf die Geburtstagskarte für euren Onkel schreiben sollt, fragt die KI. Viele KR-Leser:innen benutzen ChatGPT auch, um E-Mails oder Rezensionen zu schreiben. Beim Verfassen von Standardtexten kann die KI große Hilfe leisten. Oder wie KR-Mitglied Kolja es ausdrückt: „sinnlose Aufgaben erledigen lassen: Kündigungen formulieren, Abwesenheitsnotizen, Standardtexte/Bausteine erstellen lassen.“
Ich habe ChatGPT zum Beispiel eine Abwesenheitsnotiz verfassen lassen:
Ich tippe: Schreibe eine kurze Abwesenheitsnotiz für meinen E-Mail-Posteingang: Ich bin bis nächste Woche im Urlaub.
ChatGPT: Sehr geehrte/r Empfänger/in, vielen Dank für Ihre E-Mail. Leider bin ich derzeit nicht im Büro, da ich mich im Urlaub befinde. Ich werde ab dem [Datum] zurück sein und mich dann umgehend bei Ihnen melden. Vielen Dank für Ihr Verständnis und freundliche Grüße, [Dein Name]
An dieser Stelle könnte man natürlich aufhören und das Ergebnis einfach übernehmen. ChatGPT kann aber auch Texte umformulieren und zum Beispiel den Tonfall anpassen:
Ich tippe: Mache es informeller.
ChatGPT: Heyho! Ich bin aktuell im wohlverdienten Urlaub und nicht im Büro. Falls du etwas brauchst, melde dich gerne ab dem [Datum] wieder bei mir. Liebe Grüße, [Dein Name]
Das ist mir dann doch zu informell, also bitte ich ChatGPT darum, die Nachricht im Stil des Soziologen Jürgen Habermas zu formulieren. Denn das Programm ist auch in der Lage, Autor:innen mehr oder weniger gut zu imitieren:
ChatGPT: Sehr geehrte Damen und Herren, zu meinem großen Bedauern kann ich Ihnen mitteilen, dass ich gegenwärtig nicht in der Lage bin, meine elektronische Post zu bearbeiten. Wie Sie bereits vermutlich wissen, befinde ich mich nämlich in einem Zustand des temporären Fernbleibens vom Arbeitsplatz, der es mir versagt, den Anforderungen meiner korrespondierenden Tätigkeiten gerecht zu werden. Infolgedessen bitte ich Sie, von weiteren Anfragen abzusehen, bis ich in der Lage bin, meine Pflichten wieder aufzunehmen. Ich werde zu diesem Zeitpunkt nicht zögern, Ihnen umgehend eine Rückmeldung zu übermitteln. Hochachtungsvoll, [Dein Name]
Diese Funktion kann man zur bloßen Belustigung nutzen. Sie ist aber auch nützlich, um selbstgeschriebene Texte umformulieren zu lassen. So kann man den eigenen Text zum Beispiel freundlicher, fordernder, poetischer oder weniger kompliziert klingen lassen (oder im Fall von Habermas eben komplizierter).
ChatGPT kann aber nicht nur ganze Texte schreiben, sondern auch Ideen liefern, wie man sie gliedert oder strukturiert. Die Gliederung für eine Hausarbeit über den Zusammenhang zwischen Armut und Krankheit spuckt die KI genauso aus, wie die Struktur für eine Kindergeschichte über eine Ente, die Ritterin werden möchte.
Die KI könnt ihr darüber hinaus auch einsetzen, um selbst geschriebene Texte korrigieren zu lassen. Diese könnt ihr mit ChatGPT auch in andere Sprachen übersetzen und natürlich auch korrigieren und umformulieren lassen.
Außerdem nützlich: ChatGPT fasst Texte zusammen. Wer also zum Beispiel einen langen Text für die Uni lesen muss oder einfach wissen will, worum es in einem Buch oder einem Artikel geht, kann die KI um eine Zusammenfassung bitten. Einfach den Link zum Text einfügen (zum Beispiel diesen Artikel!) oder das entsprechende Buch oder Kapitel nennen. Zum Beispiel: „Fasse mir Alice Walkers ‚Die Farbe Lila‘ zusammen.“
Bei allen Texten, die ChatGPT produziert, gilt aber Vorsicht. Wer die KI beispielsweise nutzt, um Arbeiten für Uni oder Schule zu erstellen, läuft Gefahr, aufzufliegen. Viele Universitäten arbeiten gerade an Richtlinien zum Einsatz von ChatGPT. Die Uni Tübingen hat die Verwendung bereits stark eingeschränkt und die Unis Köln und Münster verbieten KI-generierte Texte vollständig: Sie erfüllten nicht das Kriterium der Eigenständigkeit. Aber um eine wissenschaftliche Literaturrecherche zu beginnen, kann sich ChatGPT zum Beispiel als hilfreich erweisen. Digitalminister Volker Wissing sprach sich vor Kurzem gegen ein grundsätzliches Verbot von KI an Schulen aus, forderte aber eine EU-weite einheitliche Regulierung.
OpenAI stellt selbst ein Tool bereit, mit dem sich überprüfen lässt, ob ein Text mithilfe von ChatGPT verfasst wurde. Der AI Text Classifier erkennt KI-Texte zwar nicht vollkommen zuverlässig, aber dennoch einigermaßen akkurat. Das lässt sich umgehen, indem ihr die Texte im Nachhinein entweder selbst umformuliert oder aber auf andere KI-Werkzeuge zurückgreift, die das übernehmen.
So liefert die KI dir Ideen
ChatGPT schreibt nicht nur Texte oder fasst diese zusammen, auch Ideen für alle erdenklichen Vorhaben spuckt die KI aus: KR-Leserin Antonia erzählt in unserer Umfrage: „Ich habe […] meinen Urlaub damit vorgeplant und gefragt, was man in Jordanien machen sollte. Das war eine gute erste Inspiration.“ ChatGPT wird dir zwar keine Geheimtipps geben können, die großen Sehenswürdigkeiten nennt die KI aber zuverlässig.
Studierende und Forschende können sich Themenvorschläge für Facharbeiten liefern lassen, wer ein Partymotto sucht oder wem die Ideen für Dates ausgehen, kann ebenfalls ChatGPT fragen. Auch Geschenkideen liefert das Programm. KR-Mitglied Jenny hat zum Beispiel gefragt, was sie ihrer Nichte zum Geburtstag schenken kann. Je genauer der Prompt, desto besser wird auch die Antwort. Fragt also im Idealfall nicht nur nach einem Geschenk für eure Nichte, sondern beispielsweise nach einem Geschenk für eure sechsjährige Nichte, die gerne liest und die Feuerwehr toll findet. Achtet aber darauf, nicht zu viele private Informationen preiszugeben. Grundsätzlich solltet ihr das immer bedenken, wenn ihr ChatGPT benutzt: Noch ist nicht klar, wie OpenAI mit den Nutzer:innendaten umgeht.
Dani nutzt ChatGPT ganz anders: „Ich lasse mir Rezepte erstellen mit bestimmten Zutaten und Inhaltsstoffen, lasse Kalorien und Nährstoffwerte ausgeben.“ Kim hat das auch versucht und eher schlechte Erfahrungen gemacht: „Wir haben nach asiatischen Rezepten gesucht und das ging ziemlich daneben. Da kam praktisch nur Reis mit Gemüse und Soße in sehr vielen Variationen.“ ChatGPT liefert klassische Rezeptvorschläge, der Chatbot kann allerdings auch noch ein viel drängenderes Problem lösen: Es ist Sonntag, alle Läden haben zu und du hast nur noch Mehl, Toastbrot, Joghurt und eine Packung Tofu zuhause? Nennt man ChatGPT diese Zutaten, schlägt es vor, daraus Tofu-Nuggets mit Joghurt-Dip zu machen. Nicht unbedingt eine kulinarische Offenbarung (liegt ja auch an den Zutaten), aber man bekommt durchaus Ideen, auf die man sonst nicht gekommen wäre.
Hat man sich nun seine Tofu-Nuggets gemacht, steht man vor dem nächsten Problem: Welchen Film könnte man beim Essen gucken? Stellt man diese Frage ChatGPT und spezifiziert im besten Fall auch noch, auf welche Art Film man Lust hat, schlägt das Programm passende Filme vor und gibt auch noch kurze Zusammenfassungen. So lässt sich das ewige Suchen im riesigen Angebot der Streaminganbieter erheblich verkürzen. Das funktioniert natürlich genauso gut für Bücher, Musik oder Serien.
Für alle diejenigen von euch, die gerade für eine Prüfung oder eine Sprache lernen: Ihr könnt ChatGPT auch zur Wissensabfrage benutzen. Entweder sagt man der KI, sie solle Fragen zu einem bestimmten Thema stellen oder man fügt den Link zu einem Dokument ein zusammen mit dem Prompt: „Stelle mir Fragen dazu.“ Einige KR-Mitglieder machen sich das auch zunutze, um sich Aufgaben für ihre Schüler:innen oder Workshopteilnehmer:innen formulieren zu lassen.
Das waren nur einige Beispiele für die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT. Der Fantasie sind aber natürlich keine Grenzen gesetzt. Es lohnt sich, einfach ein bisschen herumzuprobieren. Um schnell ans Ziel zu kommen, sollte man am besten möglichst klar und genau formulieren, was man möchte. Bekommt man nicht sofort eine zufriedenstellende Antwort, kann man dem Chatbot sagen, was einem nicht gefällt. Der versucht dann seine Antwort entsprechend anzupassen.
Mit ChatGPT steht uns ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung, das vieles einfacher macht. Sich blind darauf zu verlassen, ist aber nicht unbedingt die beste Entscheidung. Oder wie ChatGPT auf meine Frage: „Kann man sich auf dich verlassen?“, antwortet: „Ich liefere Antworten auf Basis von Mustern, die ich in meinen Trainingsdaten gelernt habe. Obwohl ich eine hohe Genauigkeit aufweise, kann ich dennoch Fehler machen. Daher sollten Sie bei der Verwendung meiner Antworten immer Ihr eigenes Urteilsvermögen einsetzen.“
Danke an die KR-Leser:innen Antonia, Mark, Kolja, Dani, Kim, Joanna und Jenny für eure Tipps, wie ihr ChatGPT benutzt.
Redaktion: Thembi Wolf, Bildredaktion: Philipp Sipos, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audioversion: Christian Melchert