Eine Collage verschiedener alter Fotos von Krautreporter

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Gute Nachrichten

Hä? Krautreporter gibts immer noch?

Und wie! Ein Fazit nach zehn Jahren – und ein Ausblick darauf, was wir als Nächstes vorhaben.

Profilbild von Leon Fryszer
Vorstand

Am 14. Juni 2014 endete das bis dahin größte Crowdfunding für Journalismus in Deutschland. 18.000 Menschen haben Geld gegeben für die Gründung eines unabhängigen Onlinemagazins, Krautreporter. Zehn Jahre nach diesem magischen Moment will ich als Vorstand ein Fazit ziehen zum Erfolg von Krautreporter. Menschen, die Krautreporter damals unterstützt haben, fragen mich: „Was ist aus meinem Geld geworden?“ Das ist eine berechtigte Frage, denn es kamen damals rund eine Million Euro zusammen, eine erhebliche Summe. Also, was ist aus dem Geld geworden?

Was wir mit dem Geld gemacht haben

Die Antwort ist: Wir haben die eine Million genommen, sie in gute Recherchen gesteckt und herausgekommen sind 5.360 Texte. Wir haben über das Leben in Ostdeutschland geschrieben, weil sich viele Ostdeutsche nicht vertreten fühlen. Wir haben darüber berichtet, was Björn Höcke unter Pseudonym verfasste, bevor er bundesweit bekannt wurde. Wir haben berichtet, was in Waldorfschulen systematisch falsch läuft. Und wir haben fast einer Million Menschen den Israel-Palästina-Konflikt so erklärt, dass man ihn auch tatsächlich versteht. Wir haben kritisch über Mental-Health Influencer und deren Methoden berichtet. In all diesen Themengebieten haben wir früh berichtet und neue Debatten angestoßen.

Und wir haben das Geld der 18.000 Unterstützer:innen in den Aufbau einer Genossenschaft investiert, also in ein demokratisch geführtes Unternehmen. Die Genossenschaft nimmt inzwischen jährlich über eine Million Euro aus Mitgliedsbeiträgen ein. Wir stecken dieses Geld in das Krautreporter-Magazin und unsere Recherchen, setzen es für russische Exiljournalist:innen ein, haben ein neues Lokalmedium aufgebaut und für die Pressefreiheit in Deutschland erfolgreich die Bundesregierung abgemahnt. So haben wir unser Geld im vergangenen Jahr ausgegeben.

Ein Diagramm zeigt, wofür wir Geld ausgeben. Marketing: 7,62%, Genossenschaftsteam: 8,3%, Websiteteam: 8,98%, Fixkosten (Miete, Server etc.): 12,88%, Redaktion: 62,21%

Die Grafik zeigt, wir geben unser Geld für unabhängigen Journalismus aus. Das ist das Kernversprechen, auf dem Krautreporter gebaut ist. Der Großteil unseres Geldes fließt in Texte und die Weiterentwicklung unserer Inhalte. Wir versuchen, gerecht zu wirtschaften und haben eine transparente Bezahlstruktur. Wir arbeiten ohne Chefredaktion. Das heißt, alle Mitarbeiter bei Krautreporter können sich in wichtige Entscheidungen einbringen. Sie können selbst die Regeln der Zusammenarbeit bestimmen. Wie genau das funktioniert, erklären wir hier.

Wir haben das Ziel erreicht

Viel wichtiger ist aber: Die eine Million Euro aus dem Crowdfunding ermöglichten uns, zur richtigen Zeit ein wichtiges Experiment zu starten. Damals hatten sich zwei Krisen im Journalismus angebahnt:

  1. Recherchen und Texte wurden hauptsächlich durch Werbeanzeigen finanziert, doch diese Quelle begann zu versiegen. Die Einnahmen durch Werbeanzeigen hatten sich seit 2010 halbiert. Medien wie Edition F, Vice, Buzzfeed haben mittlerweile Insolvenz angemeldet. US-Medien entließen allein im Januar 2024 500 Journalist:innen.
  2. Auch war schon 2014 klar, dass die nächste Generation keine Zeitung mehr lesen wird. Heute beziehen die wenigsten Menschen unter 35 Jahren ihre Informationen aus dem täglich gelieferten Blatt. Gleichzeitig schrumpfte das Vertrauen in Medien, nur noch 43 Prozent der Deutschen vertrauen laut Reuters Institute den meisten Nachrichtenmeldungen.

Krautreporter war ein Experiment, um diese Lücken, des Vertrauens und der Finanzierung, zu schließen. Wir gingen voran, um zu beweisen, dass Leser:innen bereit sind, für gute Recherchen zu zahlen. Wir haben eine radikale Nähe zwischen Leser:innen und Journalist:innen geschaffen. Wir tauschen uns aktiv mit unseren Leser:innen aus, in Kommentarspalten und Themenumfragen. Unsere Leser:innen reichen Recherchevorschläge ein oder beteiligen sich direkt an Texten.

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So wollten wir reparieren, was kaputt war. Das Modell dahinter heißt Mitgliedschaft. Es fußt auf der Idee, dass Journalist:innen und Leser:innen zusammenarbeiten sollten. Es war neu im Journalismus und in Deutschland unerprobt. Wir wollten beweisen, dass es funktioniert. Heute, zehn Jahre später ist dieses Modell die Hoffnung der gesamten Medienbranche. Mitgliedschaftsmodelle oder ähnliche Abomodelle ersetzen die Werbegelder immer häufiger. Das führt dazu, dass mehr Geld in hochwertigen Onlinejournalismus investiert wird.

2014 waren noch viele Menschen skeptisch, ob unser Experiment erfolgreich sein würde. Aber ihr, die Krautreporter-Leser:innen, zeigt mit eurer Mitgliedschaft Jahr für Jahr neu, dass es funktioniert. Ihr setzt dem Pessimismus einen Beweis entgegen. Danke für euer Vertrauen!

Was als Nächstes kommt

Zur Gründung von Krautreporter hatte sich die Redaktion 10 Grundsätze gegeben. Der 10. Grundsatz lautete: „Wir sind ein journalistisches Experiment. Krautreporter befindet sich in permanent beta.“ Beta, das ist die unfertige Testversion einer Software. Der Grundsatz sagt: Krautreporter ist nie fertig und soll immer weiter verändert werden. Wir glauben, jetzt ist der Moment gekommen, die nächste Version von Krautreporter zu entwickeln.

Wir sind aktuell ein kleines Onlinemagazin mit guten Recherchen. Viele Jahre ist die Mitgliederzahl kontinuierlich gewachsen.

Was man aber auch klar sieht: Seit 2021 wachsen wir nicht mehr kontinuierlich. Wir befinden uns auf einem Plateau. Leser:innen überlegen sich gut, ob sie sich trotz Inflation und Wirtschaftsabschwung eine Krautreporter-Mitgliedschaft leisten können. Die Wahrheit ist aber auch: Unser Erfolg überholt uns. Wir sind mit unseren langen Hintergrundstücken, die große politische und gesellschaftliche Zusammenhänge erklären, nicht mehr die Ausnahme im Internet. Der Journalismus ist Krautreporter ähnlicher geworden. Wir sind vom Experiment zum Normalzustand geworden. Das ist unser Signal: Wir haben den Entschluss gefasst, Krautreporter wieder zu verändern.

Seit Anfang des Jahres trifft sich unser Team in Workshops, um sich zu fragen: Was ist die nächste Aufgabe von Krautreporter? Wir haben unsere größten Probleme in einem Hypothesen-Dokument gesammelt und diskutiert. Und wir haben eine Antwort gefunden: Wir investieren zukünftig in Nischen.

Unsere Reporter:innen sind Spezialist:innen für Themen, über die noch immer zu wenige berichten: die Stolpersteine im Leben psychisch kranker Menschen. Die Not im Bildungssystem, über die weniger geschrieben wird als über Finanzmärkte, obwohl es mehr Kinder als Bänker gibt. Und die Klimakrise, die unsere Existenz bedroht.

Wir werden uns in diese und weitere Themen vertiefen. Denn wir wissen: Das Internet ist voll mit Informationen. Für euch, unsere Leser:innen, ist es nicht schwer, sich über die Bundestagswahlen oder über die Oscarverleihungen zu informieren. Im Gegenteil: Es ist oft eher anstrengend und ermüdend, weil einen die Fülle an Informationen überwältigt. Wir aber wollen, dass Krautreporter eine Insel der Ruhe ist, auf der man tiefgreifende Informationen zu Themen findet, die in der Informationsflut sonst verloren gehen. Das ist die nächste Aufgabe von Krautreporter.

Wenn du noch kein Mitglied bist: Jetzt ist ein guter Zeitpunkt. Denn für Neu-Mitglieder haben wir im Geburtstagsmonat ein Sonderangebot: Das erste Jahr zum halben Preis.


Redaktion und Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert

Hä? Krautreporter gibts immer noch?

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