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Willkommen zur neuen Folge meines Gute-Laune-Newsletters! Ich muss leider mit einer traurigen Nachricht einsteigen: Das hier ist die allerletzte Folge nach fast zwei Jahren. Aber, liebe Leute, ich habe dafür nochmal drei wirklich tolle Künstler:innen für euch rausgesucht, also legen wir los! Und zwar mit Musik und dieser Dame:
Arturo Holmes/Getty Images
Nachdem ich die beiden Pop-Gigantinnen Taylor Swift und Beyoncé, die beide ebenfalls in den vergangenen Wochen neue Alben veröffentlicht hatten, in meinem Newsletter wissentlich ignoriert habe (Swifts neue Musik ist mir zu langweilig, Beyoncés neues Werk zu glatt), scheint mir das bei Billie Eilish unmöglich. Man mag mir unterstellen, das liege daran, dass ich schon seit erster Stunde ein Fan der mittlerweile 22-Jährigen bin, aber das wäre zu einfach.
Es ist vielmehr so, dass Eilishs neues Album sehr, sehr viel Spaß macht. Langeweile oder eingefahrene Pop-Mainstream-Sauce hören sich anders an. Billie hat zusammen mit ihrem Bruder Finneas auf „Hit me hard and soft“ zehn Songs geschaffen, die in ihrer Bandbreite wirklich umwerfend sind. Natürlich flüstert und haucht Billie wie eh und je, aber sie singt viel mehr als auf den ersten beiden Alben (Wahnsinnsstimme, zum Beispiel in dem Song The Greatest sehr gut zu hören!), und alle zehn Songs sind dramaturgisch so gewitzt gebaut, das jeder einzelne in seiner Wendung eine Überraschung enthält. Alle Songs entfalten etwa ab der Hälfte ihrer Dauer ihre wirkliche Kraft. Du tust also gut daran, nicht durchzuskippen, sondern jedes einzelne Lied zu Ende zu hören. Und während die ersten beiden Alben viel zurückgezogener wirkten, besang Billie darin doch Weltschmerz, Einsamkeit und Depressionen, wirkt das neue Album insgesamt breiter, opulenter und, ja, irgendwie auch befreiter. Eine Dance-Nummer im Sinne von „L’amour de ma vie“ zum Beispiel hätte ich so von Billie Eilish nicht erwartet.
Wir machen weiter mit einer anderen Überraschung, die ausgerechnet dort auf einen wartet, wo man nicht unbedingt mit Überraschungen rechnet: in der ARD-Mediathek. Dort kann man seit Kurzem die sechsteilige Serie „Die Zweiflers“ sehen, die darart meisterhaft daherkommt, dass ich mich beim Anschauen häufiger gefragt habe, ob das hier wirklich eine deutsche Produktion sein kann. Sie kann!
Die Idee hinter der Serie kommt von diesem Mann:
David Hadda (mittig, mit Pokal) in Cannes. Dominique Charriau/Getty Images
Das ist David Hadda, der auch das Drehbuch (mit)geschrieben hat. „Die Zweiflers“ handelt von der gleichnamigen wie fiktiven deutsch-jüdischen Familie Zweifler, die im Frankfurter Rotlichtmilieu ein bekanntes Feinkostunternehmen besitzt. Als Oberhaupt und Großvater Symcha Zweifler die Firma zur Überraschung der gesamten Großfamilie verkaufen will, geht der Ärger erst richtig los. Denn sein Enkel Samuel, der um die 30 ist und in Berlin lebt, weil er versucht, dort dem Druck der jüdischen Familie zu entkommen, muss sich nun fragen: Was bedeutet ihm die Familientradition? Was heißt für ihn jüdisches Leben? Wie steht es mit der Religion? Und wo zum Teufel gehört er hin?
Samuel ist zerrissen, genau wie seine beiden Geschwister. Groß geworden unter den Traumata der Eltern und Großeltern und seit jeher mit dem Antisemitismus der deutschen Gesellschaft konfrontiert, suchen die drei ihre eigenen Antworten auf die Fragen nach Zugehörigkeit, Identität und Tradition. Haddas Serie guckt ihren Protagonist:innen mit soviel Leichtigkeit, aber auch Wahrheit dabei zu, dass ich mich nicht nur bestens unterhalten gefühlt habe. Ich glaube auch, ohne anmaßend klingen zu wollen, mir nun etwas besser vorstellen zu können, was modernes jüdisches Leben in Deutschland bedeuten kann: alltägliche Anfeindungen, transgenerationale Traumata, das Gefühl, von einem großen Teil der Gesellschaft nicht akzeptiert zu werden. Und das nicht erst seit dem 7. Oktober des vergangenen Jahres.
Ich schwärme bekanntlich gern, aber auch ohne jegliche Übertreibung komme ich zu dem Fazit: „Die Zweiflers“ ist ohne Zweifel die beste und womöglich auch die wichtigste Serie, die es derzeit im deutschen Fernsehen zu sehen gibt.
Die folgende Frau hat dafür all meine Erwartungen erfüllt – und die waren nicht gerade niedrig. Fast zehn (!) Jahre habe ich auf das neue Buch der amerikanischen Künstlerin Miranda July gewartet, die nicht nur schreibt, sondern auch tanzt (gerne auf Instagram), Filme dreht und Performances aufführt.
Stefanie Keenan/Getty Images
Ich muss dazu vielleicht gestehen: Es gibt keine andere Künstlerin, der ich mich so nah fühle wie Miranda July. Weil sie als ewig Suchende ein Händchen für skurille Charaktere hat, die sie mit einer einzigartigen Zärtlichkeit zeichnet: In Julys Filmen und Büchern weiß niemand, wie das gute Leben geht, alle dürfen indes zweifeln, peinlich sein, sich zum Deppen machen; July hebt durch die Art, wie sie schreibt und ihre Charaktere baut, die damit verbundene Scham einfach auf. Sie solidarisiert sich mit ihren Figuren. Dabei immer der Frage nachforschend: Wie geht das, ein gutes Leben? Und wie gehen Beziehungen?
Jemand anderes würde diese beiden großen Fragen vielleicht mit soviel Pathos und Kitsch aufladen, dass man daran fast erstickt. Aber Miranda July schafft genau das Gegenteil. Weil die Tragik der großen Sinnlosigkeit und die Bedürftigkeit aller für sie immer auch eine Komik enthalten. Julys Charaktere und deren Handlungen kennen kaum Grenzen, was dazu führt, dass auch ihr neues Buch „Auf allen vieren“ wieder einen Haken nach dem anderen schlägt.
Es geht in dem autofiktionalen Roman um eine Frau Mitte 40, Künstlerin, Mutter, Ehefrau. Eigentlich ist im Leben dieser Frau alles gut. Dann aber auch wieder nicht. Denn die Frau stellt sich Fragen wie: Was soll kommen nach der großen Zäsur der Menopause? Wo will sie hin, in der zweiten Lebenshälfte? Was heißt Freiheit für sie, an diesem Punkt in ihrem Leben?
Um Antworten zu finden, plant die Frau einen Roadtrip einmal quer durch die USA; mit dem Auto will sie von L.A. nach New York reisen. Doch kaum draußen aus L.A., fährt sie vom Highway ab, mietet sich in einem billigen Motel ein, bleibt einfach dort. Sie wird es nie nach New York schaffen. Und genau an diesem Punkt geht das neue Leben der Frau los, ohne dass sie es anfangs selbst weiß.
July lässt ihre Protagonistin auf dem Weg zu ihrem neuen Selbst allerlei Verwirrungen durchleben, tiefen Schmerz, große Erfüllung und Wendungen, die ich auch bei sehr langem Überlegen nicht hätte voraussagen können. Es ist ein schnelles, intensives, nie langweiliges Buch, das ich wie im Rausch gelesen habe. Und weil ich nach dem Lesen der englischen Fassung nicht wahrhaben wollte, dass es nun zu Ende ist, habe ich es dann noch einmal auf Deutsch gekauft, um es in meinem baldigen Urlaub ein zweites Mal zu lesen. Deswegen muss ich an dieser Stelle eine absolute Leseempfehlung aussprechen!
Mit dieser Empfehlung schließt mein Newsletter. Mir bleibt nur noch, mich zu verabschieden – und mich zu bedanken. Bei allen, die diesen Newsletter gelesen haben. Mir hat es großen Spaß gemacht, jeden Monat aufs Neue Personen zu finden, die mir Freude bereiten und diese Freude mit euch, also meinen Leser:innen, zu teilen. Begeisterung wird im Journalismus gern als unprofessionell und unintellektuell betrachtet, meiner Meinung nach zu Unrecht. Umso dankbarer war ich für einen Ort, an dem ich genau das durfte: schwärmen. Immer wieder haben mich auch begeisterte Mails von euch erreicht, immer wieder auch Tipps. Danke dafür! Und lasst euch die gute Laune nicht vermiesen!
Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos