Das waren die guten Nachrichten im Juni
Gute Nachrichten

Das waren die guten Nachrichten im Juni

Keine Lust mehr auf Weltuntergang? Du sehnst Dich nach einer Portion Zuversicht? Ich auch. Ab sofort grabe ich jeden Monat für Euch nach den guten Nachrichten. Denn es gibt jede Menge #Goldstaub, der ans Tageslicht befördert werden will. Man muss ihn nur finden.

Profilbild von gesammelt von Mara Löffler

Sie überrollen uns jeden Tag: die Negativ-Schlagzeilen. Sie scheinen den Lauf der Welt zu bestimmen. Manchmal möchte ich nur noch den Kopf in den Sand stecken. Doch es gibt auch gute Nachrichten. Sie kommen leiser daher, aber auch sie können sehr einflussreich sein. Wer die Welt verstehen will, muss deswegen auch auf sie schauen.

Ich habe fünf Nachrichten aus dem Juni ausgewählt, die wichtig waren – und positiv.

1. In Kolumbien endet die langwierigste kriegerische Auseinandersetzung Südamerikas

Kolumbien war ein Bürgerkriegsland – für mehr als 50 Jahre. Mindestens 220.000 Menschen sind dabei ums Leben gekommen, fast fünf Millionen waren innerhalb des Landes auf der Flucht.

Aber am 27. Juni haben 6.800 Rebellen symbolisch ihre Waffen in bereitgestellte UN-Container geworfen. Insgesamt 7.132 Stück, die nun eingeschmolzen werden.

Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos hat zum Friedensprozess ebenso wesentlich beigetragen wie die Kämpfer der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) unter Anführer Timoleón Jiménez, die dabei vermutlich das größere Risiko eingegangen sind. Die Friedensgespräche begannen bereits im Oktober 2012 in Oslo, im Mittelpunkt standen seitdem die Themen: Opferentschädigung, Demokratisierung, Bürgerbeteiligung, Landreform und das Drogenproblem. Eine Mehrheit der Kolumbianer befürwortete den Dialog mit der FARC.

Die ehemaligen Guerilla-Kämpfer werden in Zukunft als politische Partei ihre Ziele verfolgen. Zehn Kongress-Plätze sind ihnen während der ersten Jahre garantiert.

Aber eine gute Nachricht kommt selten allein: Die fortbestehende Nationale Befreiungsarmee (ELN), zweitgrößte Guerilla-Truppe des Landes, und andere paramilitärische Vereinigungen könnten das entstehende Machtvakuum für sich nutzen. Und für Kolumbiens strukturelle Probleme, vor allem die ungleiche Landverteilung und die Abwesenheit des Staates in weiten Gegenden, müssen neue Ideen her.

2. In der Provinz Guangxi entsteht Chinas erste grüne Stadt

Chinas Ballungsgebiete versinken im dichten Smog, besonders betroffen sind Peking, Schanghai und Hongkong.

Die Verschmutzung sei der – hohe – Preis, den China für sein Wirtschaftswachstum zahlen muss, sagte der Ministerpräsident. Aber muss dieser Preis wirklich gezahlt werden?

In der Provinz Guangxi entsteht auf einer Fläche von 175 Hektar die erste “Waldstadt” Chinas, über eine Schnellstraße und Elektro-Autos eng angebunden an die Metropole Liuzhou (im Süden des Landes). Der italienische Designer Stefano Boeri arbeitet dort an einer energieautarken Stadt. Eine Million verschiedene Pflanzenarten und 40.000 Bäume sollen jährlich einerseits 900 Tonnen Sauerstoff produzieren, während sie andererseits 57 Tonnen Schadstoffe absorbieren.

Das Besondere: Die Hochhausfassaden werden die Nährböden für die Pflanzen und Bäume sein. Erfahrungen hat Boeri in seiner Heimatstadt Mailand gesammelt. Die Stadt Frankfurt am Main (zusammen mit dem Deutschen Architektur-Museum und der Deka-Bank) hat sein Konzept des vertikalen Waldes (“Bosco Verticale”) 2014 mit dem Internationalen Hochhaus Preis ausgezeichnet, als Inspiration für die Bebauung dichter Wohngebiete in anderen Metropolen.

Das Projekt soll 2020 abgeschlossen sein, dann könnten rund 30.000 Menschen in der grünen Stadt leben.

3. Der Bundestag spricht Homosexuelle von einer historischen Schuld frei

Im Jahr 1871 wurde das Deutsche Kaiserreich gegründet. Von diesem Jahr an, bis zum 10. März 1994, stand in Deutschland männliche Homosexualität unter Strafe. Die Nationalsozialisten haben das Gesetz noch verschärft, und in dieser Form hat es die Bundesrepublik Deutschland nach 1945 übernommen. Erst als auch ost- und westdeutsches Recht wiedervereint sind, wird der Paragraph 175 endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.

Dieses Jahr am 22. Juni hat der Bundestag beschlossen, 50.000 Männer von ihrer “Schuld” freizusprechen. Dieser überfällige Freispruch ist verbunden mit einer Entschädigungszahlung für etwa ein Zehntel der Betroffenen: für jene, die noch am Leben sind. Grünen-Abgeordneter Volker Beck spricht von einem “historischen, großen Schritt in der Anerkennung und Korrektur von in der Vergangenheit begangenen Fehlern”.

Einen ähnlichen Prozess konnten wir in Großbritannien beobachten: Ein nach Alan Turing benanntes Gesetz sprach 10.000 Männer posthum frei. Der Informatiker Turing (The Imitation Game) wird 1952 nach damals geltendem Recht wegen “grober Unzucht und sexueller Perversion” angeklagt und chemisch kastriert, zwei Jahre später begeht er Selbstmord.

Und: Seit den 90er Jahren wird im Bundestag debattiert, ob Schwule und Lesben heiraten dürfen. Dass dort in der letzten Sitzung vor der Wahl die Mehrheit, 393 Abgeordnete, für die Ehe für alle gestimmt haben, kam dann doch überraschend. Jetzt gilt es, dem Gesetzestext Taten folgen zu lassen. Und für den Moment: zu feiern!

4. Die großen Outdoor-Hersteller machen es denn kleinen nach und produzieren bis 2020 ohne schlecht abbaubare Chemikalien

Lange Zeit wusste man sehr, sehr wenig über sie. Je mehr wir wissen, desto lauter werden die Rufe nach verbindlichen, einschränkenden Gesetzen. PFC: Hinter dem Kürzel stecken per- und polyfluorierte Chemikalien, insgesamt mehr als 800 Stoffverbindungen. Diese setzen sich aus unterschiedlich langen Kohlenstoffketten zusammen, deren Wasserstoffatome teilweise oder vollständig durch Fluoratome ersetzt werden. Das ergibt eine sehr stabile Verbindung, weshalb PFCs wunderbar Wasser, Fett und Schmutz abweisen. Das macht sie für die Outdoor-Branche so attraktiv. Haupteinsatzgebiet ist die Imprägnierung.

Jetzt müssen sich die Hersteller etwas einfallen lassen, denn mit PFCs geht es offenbar nicht weiter. Greenpeace, Stiftung Warentest und Ökotest mahnen nachdrücklich, und “Wired” hat PFCs als neuen Staatsfeind Nr. 1 identifiziert.

Das Problem? PFCs können weder durch biotische (Bakterien) noch durch abiotische Prozesse (Licht, Luft, Wasser) abgebaut werden. Sie werden über Meere und Flüsse teilweise bis in die Arktis getragen.

Der Mensch nimmt PFCs vor allem über Nahrung und Trinkwasser auf; sie werden an Proteine in Blut, Leber und Niere gebunden und nur sehr langsam ausgeschieden. Es ist unklar, wie sich PFCs auf Schwangerschaft und Fruchtbarkeit auswirken. Das Umweltbundesamt hat sechs dieser Stoffverbindungen als besonders besorgniserregend eingestuft, die EU folgt dieser Einschätzung (REACH-Verordnung). Das ermächtigt die Verbraucher nachzufragen, ob ein Produkt diese Chemikalien enthält.

Gibt es Alternativen?

Ja. Die heißen zum Beispiel: Bionic Finish, Ecorepel, Purtex WR und basieren auf hochverzweigten Polymeren, langen Paraffinen oder auf Polyurethan. Weiter möchte und kann ich diese Chemie-Stunde nicht treiben, wer möchte, kann in diesem Greenpeace-Interview mehr über die genannten Alternativen erfahren. Was mich zuversichtlich stimmt: Nach den kleinen Herstellern (wie Fjällräven, Paramo, Pyua) haben sich jetzt Jack Wolfskin und Schöffel das Ziel gesetzt, bis 2020 ohne PFC zu produzieren.

5. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen setzt die Vorratsdatenspeicherung aus

Telekommunikationsdienste dürfen die Daten ihrer Nutzer bis zu zehn Wochen speichern, so bestimmt es das Gesetz, das der Bundestag im Dezember 2015 erlassen hat. Auf diese Daten können die Behörden im Bedarfsfall zugreifen.

In NRW hat am 22. Juni das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass diese Regelung nicht mit dem Recht der Europäischen Union zu vereinen ist – und nicht, wie geplant, zum 1. Juli in Kraft tritt.

Die Begründung: Die Speicherpflicht erfasse pauschal die gesamten Verkehrs- und Standortdaten der Verbraucher. Der betroffene Personenkreis müsse durch zusätzliche, konkrete Regelungen eingeschränkt werden. Damit die Daten vom Anbieter also zehn Wochen auf Vorrat gespeichert werden dürfen, muss mindestens ein indirekter Zusammenhang mit der Verfolgung schwerer Straftaten oder der “Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit” erkennbar und nachzuweisen sein.

Nun wandert der Fall weiter nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht. Die großen Provider (wie Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica Deutschland) wollen laut eigener Aussage bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage keine Verkehrsdaten speichern.


Rico Grimm hat bei der Erarbeitung des Artikels geholfen; gegengelesen hat ihn Vera Fröhlich; Bild: Stefano Boeri Architetti