Du stehst in Deiner Stadt an der Kreuzung, Du sitzt in der S-Bahn nach Hause, Du checkst die Schlagzeilen auf deinem Handy: schlechte Nachrichten überall. Krieg in Syrien, Trump-Krise in den USA, Umweltkatastrophe auf Sri Lanka. Du fühlst Dich überfordert und ohnmächtig. Die Welt ist ein schlechter Ort, geht es Dir durch den Kopf.
Oder doch nicht?
Die Negativ-Nachrichten überrollen uns jeden Tag, aber es gibt sie dennoch: die positiven, die schönen, die Mut machenden News. Jede Menge Goldstaub, der ans Tageslicht befördert werden will. Man muss ihn nur finden.
Gute Nachrichten können genau so viel Einfluss auf unsere Welt nehmen wie schlechte. Sie zu ignorieren, ist falsch, weil wir dadurch ein ungenaues Bild von unserer Umwelt zeichnen. Krautreporter will euch helfen, die Welt ein bisschen besser zu verstehen. Deswegen berichten wir euch fortan einmal im Monat von fünf positiven Entwicklungen, die wir besonders spannend finden.
1. Korallen arrangieren sich mit der Klimaerwärmung
In den vergangenen 30 Jahren sind 50 Prozent der Korallen weltweit gestorben. Diesen „schönsten aller Tode“ hat das Time-Magazin in sehenswerten Bildern hier dokumentiert. Umweltaktivisten schätzten die Lage bisher so ein, dass nur 10 Prozent aller Korallen das Jahr 2050 überleben werden.
Nun gibt es Anlass zur Hoffnung: Einige Korallen passen sich allmählich an die erwärmten Ozeane an. Untersuchungen in zwei kenianischen Nationalparks haben gezeigt, dass 2016 die Zahl ausgebleichter Korallenriffe von 73 Prozent auf 27 Prozent beziehungsweise von 96 auf 60 Prozent gesunken ist, bei leicht abweichenden Wassertemperaturen. Der Autor der Studie, Tim McClanahan, warnt zwar vor schnellen Schlussfolgerungen, glaubt aber, dass die Ergebnisse als Grundlage und Motivation für künftige Studien dienen können.
Warum Korallen überhaupt ausbleichen? Sie leben in Symbiose mit einer Algenart, die unter Wärme-Stress Giftstoffe produziert. In der Folge trennt sich Alge und Korallen-Partner, letztere wird erst blasser, bevor sie schließlich ganz ihre Farbe verliert – und verhungert. Denn ohne die Alge kann die Koralle sich nicht ernähren.
2. Ein Bier macht den Unterschied
In Großbritannien werden derzeit 44 Prozent aller hergestellten Brote unberührt weggeworfen. Insgesamt wandern pro Jahr etwa 15 Millionen Tonnen Lebensmittel in die Mülltonne, EU-weit sind es mindestens 90 Millionen. Soweit die deprimierende Bilanz.
Die Köpfe hinter dem britischen Projekt „Toast Ale“ haben sich gedacht: „Machen wir aus dem Brot doch eine Tugend.“ Sie klappern nach Geschäftsschluss alle kooperierenden Bäckereien, Bistros und Sandwich-Läden ab und übergeben die gesammelten Schätze an eine Brauerei in Yorkshire, die daraus – so lesen sich die Reaktionen – ziemlich leckeres Bier braut.
Das Rezept kann auf der Webseite frei heruntergeladen werden (Grundzutaten: Brot, Hopfen, Gerste, Hefe und Wasser), die Einnahmen aus dem Bier gehen an die Umweltorganisation „Feedback“, die Lebensmittelverschwendung auf allen Ebenen reduzieren möchte. Das Ziel der Brotbier-Produzenten: sich selbst eines Tages überflüssig zu machen.
PS: Die Idee müsste doch auch in Deutschland funktionieren?!
3. Putzen im Pazifik
Wir befinden uns mitten im Plastik-Zeitalter: 300 Millionen Tonnen Plastik werden jedes Jahr produziert. 450 Jahre braucht eine einzige Plastikflasche, bis sie vollständig abgebaut ist.
Im Sommer 2011 fand sich der damals 16-jährige Boyan Slat beim Tauchen in Griechenland von mehr Plastiktüten als Fischen umgeben. Dieser Moment war der Startschuss für sein Unternehmen The Ocean Cleanup.
Eigentlich sollte das groß angelegte Meeres-Säuberungs-Projekt 2020 an den Start gehen. Dank zusätzlicher Gelder – die Finanzierung ist mit Investitionen in Höhe von 31 Millionen Dollar erstmal gesichert – und technischer Verbesserungen sind er und seine Mitarbeiter dem Zeitplan um zwei Jahre voraus. The Ocean Cleanup kann schon 2018 starten. Auf seiner Website beschreibt Slat seine Idee mit den folgenden Worten: „Um das Plastik im Meer einzufangen, müssen wir uns wie Plastik verhalten.“
Seine entworfenen Systeme sollen mit den Meeresströmungen arbeiten, etwas unterhalb der Oberfläche, dort, wo das Wasser langsamer strömt. So können die Fangarme das Plastik leichter aufhalten und viel Zeit, Benzin und Arbeitskraft sparen. Darüber hinaus schont dieses Verfahren die Meeresbewohner (im Gegensatz zu Säuberungsaktionen mit Netzen und Booten). Ein Prototyp wurde 2016 in der Nordsee getestet, mit zufriedenstellenden Ergebnissen.
4. Betreff: Lieblingsbaum
In Melbourne haben 77.000 Bäume einen individuellen E-Mail-Account bekommen. Die Aktion ist Teil der „Urban Forest Strategy“, die in den letzten fünf Jahren 12.000 neue Bäume in der Stadt gepflanzt hat. Ursprünglich sollten erkrankte Bäume auf dem elektronischen Postweg gemeldet werden. Doch statt einfacher Meldungen wurden über 3.000 Liebesbotschaften an geliebte Bäume geschrieben; die Absender kommen unter anderem aus Russland, Deutschland, Ungarn oder Singapur. Um keine Steuergelder zu verschwenden, konnten die zuständigen Beamten („leider!“) nicht jeden Liebesbrief beantworten.
Ein Auszug:
Lieber Baum, ich war erfreut, dich wohlauf und blühend anzutreffen. Viele deiner Verwandten lebten in Großbritannien, aber sie alle wurden von einer Krankheit dahingerafft. Gib Acht und wenn du irgendwelche auffälligen Insekten bemerkst, schreib’ eine Mail an den Baumpfleger. Ich vermisse deine Silhouette und deine wohlgeformten Äste – einst der Stolz englischer Landschaften – mehr als ich sagen kann.
5. München macht’s
Die Problematik ist spätestens seit der Aktion des Hamburger Radiosenders N-JOY nicht mehr klein zu reden: 320.000 Einwegbecher werden stündlich (!) in Deutschland genutzt und anschließend weggeworfen. Im Jahr sind das 2,8 Milliarden.
In vielen Städten wird deshalb nach Lösungen gesucht. München zum Beispiel testet seit dem 15. Mai ein Mehrwegsystem für To-go-Becher. Die RECUP GmbH hat sich das System ausgedacht, die Stadt unterstützt den Vorstoß. München soll nur der Anfang sein – und die hier gesammelten Erfahrungen sollen helfen, das System weiterzuentwickeln. Zusätzlich startet im Herbst 2017 eine stadtweite Kampagne der Abfallwirtschaft München (AWM), die an gut sichtbaren Standorten vier Meter hohe Riesenbecher aufstellen will, sechs bis acht Stück. Deren Volumen entspricht exakt den 190.000 Bechern, die täglich in Münchner Abfalleimer wandern.
Bei der Erarbeitung des Textes geholfen hat Esther Göbel; gegengelesen hat ihn Vera Fröhlich; Martin Gommel hat das Bild ausgewählt (istock: pixeldeluxe)