Es war Februar 2022, als ich die Hoffnung in die Heterosexualität verlor. Sie kam mir abhanden, als Shake, ein Kandidat der Reality-TV Show „Love Is Blind“, seinem Mitkandidaten Jarrette zuraunte: „Dude … mit ihr fühlt es sich an, als sei sie meine Tante.“
Shake sprach über seine Verlobte Deepti. Bei der Show treten 15 heterosexuelle Männer und Frauen an, um innerhalb eines Monats die Liebe ihres Lebens zu finden und zu heiraten. Happy Ever After zum Mitnehmen, erzwungene Romantik inklusive. Zusammengehalten wird die Show von Torschlusspanik und Rollenverteilungen aus dem 18. Jahrhundert. Ähnlich gefesselt wie von einem Autounfall, von dem man nicht wegschauen kann, glotzte ich mich durch zwölf Folgen der lieblosesten Liebesshow auf ganz Netflix. Zurück blieb ich mit nur einer Frage: Mag jemand nachschauen, obs den Heteros gut geht?
Dann stolperte ich über ein Buch, das sich genau mit dieser Frage beschäftigte. Das Buch heißt „The Tragedy of Heterosexuality“ von Jane Ward und ist bisher nur auf Englisch erschienen. Jane Ward sagt: Die Heterosexualität steckt in einer tiefen Krise. Aber es gibt Hoffnung: Heteros können lernen, wie man Beziehungen führt, die von tiefer Achtung und Identifikation mit der anderen Person geprägt sind.
Ihr Buch hat meine Erfahrungen in Worte gefasst, die mir bisher fehlten. Oder die ich mich nicht zu sagen traute. Als ich es durchgelesen hatte, habe ich mit der Heterosexualität Schluss gemacht.
Warum Männer und Frauen sich lieben und trotzdem verachten
Jane Ward hält den Zustand der Heterosexualität für eine Tragödie. Wer ist die Frau, die so provokante Thesen aufstellt? Jane Ward ist Professorin und lehrt Gender and Sexuality Studies an einer kalifornischen Universität. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin hält sie Hängebauchschweine und Hühner. Außerdem ist sie lesbisch. Dafür hat sie sich ziemlich viel mit Heterosexualität auseinandergesetzt: Vor „The Tragedy of Heterosexuality“ schrieb sie „Nicht schwul“, ein Buch über Sex zwischen weißen hetero Männern. Dabei ist Jane Ward nicht auf einem persönlichen Rachefeldzug gegen heterosexuelle Menschen. Aber sie ist erleichtert, queer zu sein, schreibt sie. Und macht sich Sorgen um Heteros, und zwar besonders um die Frauen.
„Das Leben als heterosexuelle Frau ist sehr, sehr hart“, schreibt Jane Ward, und damit hatte sie mich am Haken. Mir fielen gleich mehrere Beispiele dafür ein: zum Beispiel, wie oft ich an übergriffige Männer geraten war, als ich noch an die Heterosexualität glaubte. Oder an jene Männer, die meine Mitbewohnerin und ich emotionale Steine nennen: Wollten wir mit ihnen über Gefühle sprechen, stießen wir auf eine Wand. Für das, was mich bewegte, glücklich oder traurig machte, schienen sie sich nicht zu interessieren. In Krisenmomenten war es statt ihnen oft ein Netzwerk aus Frauen, das mich auffing und mir ein Gefühl von Geborgenheit gab.
Jane Ward wirft eine Frage auf, die ich mir auch manchmal stelle: Finden Männer und Frauen sich überhaupt anziehend? Sie hat in ihrem Buch einige Indizien gesammelt, die dagegen sprechen: Zum Beispiel Studien, laut denen Frauen nackte Männerkörper unattraktiv finden und sich lieber Bilder von nackten Frauen ansehen. Aber auch Männer scheinen Frauen nicht attraktiv zu finden, zumindest nicht so, wie sie sind: Erst müssen sie sich wachsen, parfümieren und in BOMBASTIC BOOTY Work-outs das perfekte Taille-Hüften-Verhältnis herbeischwitzen. Und trotzdem können sie nicht viel daran ändern, dass Männer sie mit zunehmendem Alter immer unattraktiver finden. Das ist zum Verzweifeln. Auch Jane Ward erinnert sich an die vielen heterosexuellen Frauen, die ihr ihr Leid klagten und beteuerten: „Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich nicht auf Männer stehen.“
Manche Frauen leben lieber freiwillig zölibatär, als mit einem Mann zusammen zu sein
Jane Ward spielt mit diesen Anekdoten auf den Heterofatalismus an. Mit diesem Begriff gab die Autorin Asa Seresin 2019 dem Bedauern und der Hoffnungslosigkeit heterosexueller Frauen über ihre Sexualität einen Namen. Ich habe in der KR-Community nachgefragt, wer sich als heterofatalistisch bezeichnet und eine Mail von KR-Leserin Josie bekommen. Sie schreibt: „Ganz ehrlich, wie ist das möglich, dass irgendeine Hetero-Frau NICHT heterofatalistisch ist?“ Auch KR-Leserin Vienna schreibt: „Mir hat bislang das wunderbar passende Wort gefehlt, aber ich bin schon seit geraumer Zeit sehr heterofatalistisch unterwegs.“
Heterosexuelle Frauen gehen unterschiedlich mit ihrer Verzweiflung um. Manche werden „boysober“: Sie weigern sich, Männer zu daten oder mit ihnen Sex zu haben. Eine Art freiwilliges Zölibat also. Das passiert gerade auch in Südkorea: Dort ziehen sich Frauen im „4B Movement“ aus der heterosexuellen Datingwelt zurück. Die vier Bs stehen für die koreanische Silbe bi, „nicht“: nicht heiraten, nicht gebären, nicht daten, kein Sex mit Männern. Auch KR-Leserin Beo schreibt mir: „Ich bin grundsätzlich noch offen für eine Beziehung mit einem Mann, aber ich suche nicht. Ich date nicht.“
Andere Frauen stellen fest, dass sie lieber mit Frauen zusammen sein möchten. Laut einer Gallup-Studie bezeichnet sich derzeit ein Fünftel der Frauen im Alter von 18 bis 26 als bisexuell, so viele wie noch nie. Auch KR-Leserin Anja hat sich nach einer zehnjährigen heterosexuellen Ehe ganz bewusst eine Frau als Lebenspartnerin gesucht: „Weil ich hoffte, dass sich Frauen in einer Beziehung besser verstehen. Via Online-Dating habe ich meine Frau gefunden, mit der ich nun schon seit 15 Jahren SEHR glücklich zusammen und seit 2011 verheiratet bin.“
Warum aber macht die Heterosexualität so viele Frauen unglücklich? Naja, ihnen steht eine lästige Tradition namens Patriarchat im Weg. Patriarchat heißt, dass Männer auf allen Ebenen der Gesellschaft – Arbeit, Familie, Politik und auch Beziehungen – mehr Macht als Frauen haben. Und dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Deswegen übernehmen Frauen mehr Hausarbeit als Männer, haben weniger Spaß am Sex und sind meistens dafür verantwortlich, dass dabei nicht aus Versehen ein Kind entsteht. Jane Ward schreibt aber, dass nicht alleine das Patriarchat schuld ist am tragischen Zustand der Heterosexualität. Sondern „Straight Culture“, also auf Deutsch: die Kultur der Heterosexualität. Was meint sie damit?
Um das zu verstehen, führt sie ihre Leser:innen durch die Geschichte der Heterokultur. Laut Jane Ward ist das die Geschichte „vom Wandel der Frauen. Und zwar von den Untertanen der Männer hin zu Menschen, die tiefe Liebe verdienen.“ Nach einer Führung durch diese Geschichte habe ich verstanden, warum sie schreibt: „Diese Transition verlief weder reibungslos, noch ist sie heute abgeschlossen.“ Was genau ist also in den vergangenen 100 Jahren Heterokultur schief gelaufen?
Die Kultur der Heterosexualität begann mit Syphilis und Nachhilfe in Romantik
So lange gibt es die Heterosexualität noch gar nicht, zumindest als Begriff. Sie wurde nämlich Ende des 19. Jahrhunderts von den homosexuellen Aktivisten Karl Maria Kertbeny und Karl Heinrich Ulrichs erfunden. Romantische oder sexuelle Neigung zum anderen Geschlecht war bis dahin keine Voraussetzung einer Partnerschaft. Seit Beginn der Industrialisierung existierten Frauen in erster Linie, um dem Mann Hausarbeit und Kinder zu schenken. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Beziehungen zwischen Mann und Frau von einem Besitz- zu einem Liebesverhältnis. Der Anfang der heterosexuellen Liebesbeziehung war jedoch ziemlich holprig: Jane Ward beschreibt die Ehe Anfang des 20. Jahrhunderts als „einen Schauplatz wiederholter Vergewaltigungen und Entmenschlichung der Frauen durch ihre Ehemänner, in dem Frauen ums Überleben kämpfen mussten.“ Frühe Sexualwissenschaftler zogen also den Schluss: Männer und Frauen brauchen Nachhilfe in Sachen romantischer Liebe.
In Deutschland und Amerika verfassten Sexualwissenschaftler:innen dann die ersten Bücher, die Aufklärung über Sex und Geschlechtskrankheiten mit Eheberatung verbanden. Und legten damit den Grundstein für die Auffassung: Heterosexualität, die romantische und sexuelle Anziehung zwischen Männern und Frauen, ist ein schwieriges Unterfangen, für das sie die Anleitung von Expert:innen benötigen. Diese Anleitung nennt Jane Ward die „Heterosexual Repair Industry“, was auf Deutsch ungefähr die „Selbsthilfeindustrie der Heterosexualität“ heißt. An erster Stelle zielt diese Industrie auf Frauen, die vergeblich versuchen, die Tragödie der Heterosexualität zu reparieren. Und diese Industrie ist, wie Jane Ward zeigt, so unkaputtbar wie ein altes Nokia-Handy. Und so anpassungsfähig wie ein Chamäleon.
Heterokultur in den 1950ern: Von Häuslichkeit, Pudding und Tablettensucht
Dann brachte die Menschheit zwei Weltkriege und ihren ersten Atombombenabwurf hinter sich. Das musste sie erstmal verarbeiten und zwar, indem sie sich ins Private zurückzog. Man wurde häuslich, heimelig, behaglich. „Unterwürfigkeit und Aufopferung der Frau wurden zentrale Bestandteile der Heterokultur“, schreibt Jane Ward. Arbeiten durfte sie nur, wenn es mit ihren „Pflichten in Ehe und Familie“ vereinbar war.
In der Reklame machte „Frau Renate“ vor, wie die perfekte Ehefrau aussah: In Werbefilmen von Dr. Oetker rührt ein adrettes Geschöpf, das nichts im Kopf hat, außer „Was soll ich anziehen? Und was soll ich kochen?“, in Windeseile köstliche Puddings und Kuchen zusammen. Schließlich soll alles hübsch hergerichtet sein, wenn ihr Ehemann gleich von der Arbeit heimkommt.
Selbsthilfebücher aus dieser Zeit, schreibt Jane Ward, schärften Frauen ein, dass ein schöner Körper und ein hübsches Zuhause die Harmonie der Ehe erhielten. Frauen führten ein einsames, eintöniges Leben in finanzieller Abhängigkeit ihrer Männer. Männer hingegen nahmen sich heraus, sich vom Eheleben genervt oder ermüdet zu fühlen. Ihre Sehnsucht nach dem Leben als Junggeselle befriedigten sie in Sport- oder Männervereinen, Gewerkschaften und Kneipen.
Diese Ungleichheit zeigte sich auch in der wunderbaren Welt der Männer- und Frauenprodukte: Für ihn boten pornografische Zeitschriften wie der Playboy ab 1953 eine Projektionsfläche für ein Leben fernab der Zwänge einer Ehe. Für sie gab es das „Arznei“-Mittel Frauengold rezeptfrei in der Apotheke. Der „große Helfer der Frauen“ sollte Erschöpfung, Gereiztheit und Schlaflosigkeit vertreiben. Tatsächlich verbarg sich in den braunen Flaschen ein hochprozentiges Gebräu, mit dem für viele Frauen der Einstieg in die Alkohol- und Tablettensucht begann. Unglückliche Hausfrauen in den 1950er Jahren knallten sich also ähnlich weg wie Feiernde in Klokabinen von Berliner Technoclubs.
Moderne Heterosexualität ist alter Wein in neuen Schläuchen
Wir müssen mal kurz grundsätzlich werden: Eigentlich leben Frauen und Männer strikt getrennt auf zwei verschiedenen Planeten. Die Männer bevölkern den staubig-roten Mars, die Frauen die milchige Venus. Doch was passiert da? Die Männer stehen dicht gedrängt um ein Teleskop, anscheinend haben sie den Frauenplaneten Venus entdeckt! Sie sind direkt unsterblich verliebt und steigen in ein Raumschiff mit Kurs auf die Venus. Gemeinsam beginnen Männer und Frauen, die Erde zu bevölkern. Und schon geht es los mit der Zankerei. Wie konnten Männer und Frauen nur vergessen, dass sie fundamental unterschiedlich sind?
So ungefähr lässt sich die Einleitung des Bestsellers „Men are from Mars, Women are from Venus“ von John Gray zusammenfassen. Auf Deutsch ist es 1992 unter dem Titel „Männer sind anders. Frauen auch“ erschienen. Die zweite Welle des Feminismus war abgeebbt, aber dank Barbie konnten Frauen jetzt alles! Sogar Pilotin werden oder in HBO-Serien über ihr Sexleben sprechen. Auch die Selbsthilfeindustrie der Heterosexualität passte sich an die neuen Umstände an. Sie verpackte ihre Botschaften jetzt als „Girlpower Move“, schreibt Jane Ward: „Heterosexuelle Frauen lernten, dass sie sich auf neue Wege konzentrieren sollten, ihre emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Autor:innen von Selbsthilfebüchern predigten nun Selbstliebe und Fokus auf die eigenen Ziele im Leben. Wie Carry Bradshaw in „Sex and the City“ strebte die emanzipierte, heterosexuelle Frau der 90er nach beruflichem Erfolg, Anhäufung von Kapital und einer Fendi-Baguette-Handtasche.
Gleichzeitig wurde ihr in zahllosen Selbsthilfebüchern versichert: Männer und Frauen sind so anders, dass sie im Grunde von zwei verschiedenen Planeten stammen. Sollten sie sich auf einen Mann einlassen, dann müssen sie die Sprache des anderen Geschlechtes lernen. So lasen Frauen in Büchern wie „Die fünf Sprachen der Liebe“ zum Beispiel: Du musst deinem Mann Löffel für Löffel einfüttern, wie du tickst. Männer zu verstehen oder gar zu ändern, erfordert ein hohes Maß an Geduld und ausgeprägte Dankbarkeit im Anschluss. Männer wiederum lernten von John Gray, dass Venuswesen von Natur aus bindungssüchtige Klatschtanten seien. Auch wenn es sie langweile oder nerve, sollten Männer ihnen zuhören und Interesse bestenfalls vortäuschen.
Die 1990er Jahre zeigen: Die Geschichte der Heterokultur ist ein Kreis. Die Autor:innen von Selbsthilfebüchern aus dieser Zeit wurden steinreich, indem sie absolute Klassiker der „Selbsthilfeindustrie der Heterosexualität“ einfach neu auflegten: Das mit der Gleichberechtigung in heterosexuellen Beziehungen ist einfach schwierig. Aber wenn man (Frauen) sich nur genug anstrengt (genug Selbsthilfeprodukte für Heteros konsumiert), dann klappt es vielleicht.
Deine Beziehung ist eine Rolltreppe
Heterokultur – verstand ich nach dieser Tour durch ihre Geschichte – das ist die zwanghafte Zementierung und Zelebrierung der Unterschiede und Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Wegen ihr verabschieden sich Heteros auf Junggesellenabschieden von den Freiheiten des vorehelichen Lebens. Sie ist schuld an sogenannten „Gender Reveal Parties“, auf denen Paare enthüllen, welche Genitalien ihr Kind eines Tages tragen wird. Und daran, dass Hausfrauen zum Muttertag Pralinen bekommen statt einem Gehaltsscheck für die Arbeit, die sie leisten. Sie ist schuld an schlechtem „Ich hasse meine Frau“-Humor wie diesem hier:
Die Tochter sitzt im Zimmer und versucht ein Kreuzworträtsel zu lösen. Plötzlich stockt sie und fragt ihren Papa: „Vati, Lebensende mit drei Buchstaben?“ Vater: „Ehe.“
Wegen der Heterokultur funktionieren Beziehungen zwischen Männern und Frauen wie eine Rolltreppe: Ein Schritt löst den nächsten aus. Eine Beziehung ist offiziell, sobald sie exklusiv ist, was oft durch Händchenhalten und die Formulierung „mein Freund/ meine Freundin“ kommuniziert wird. Die Vertiefung der Beziehung erreicht man durch das Kennenlernen der Eltern, gemeinsame Städtetrips an verlängerten Wochenenden und das Zusammenziehen. Ihre Vollendung findet die Beziehung in der juristischen Besiegelung (Hochzeit) und im Rückzug in das Private (Hauskauf und Nachwuchs zeugen).
Und das alles, obwohl es Frauen nicht mal glücklich macht: Mehrere Untersuchungen deuten darauf hin, dass heterosexuelle Ehen Frauen unglücklich machen. Besonders oft wird der britische Psychologe Paul Dolan zitiert, wenn es um die Entzauberung der Ehe geht. Aber auch der Psychotherapeut Johannes Vennen erklärt, dass Männer mehr von Beziehungen profitieren als Frauen. Deswegen sorgt die zwanghafte Natur heterosexueller Beziehungen unter Lesben oft für Augenrollen, schreibt Jane Ward: „Für viele queere Menschen ist heterosexuelle Kultur zu langweilig und traumatisch, um sie zu ertragen.“
Wie wir die Heterosexualität trotzdem noch retten können
Das ist ganz schön viel zu verdauen. Und natürlich habe ich mich gefragt: Heißt das jetzt, Männer sind alleine schuld? Queer sein ist automatisch besser? Und Lesben sind die glücklicheren Frauen?
Nein, ganz und gar nicht. Schließlich erklärt Jane Ward nicht, dass es falsch ist, heterosexuell zu sein. Oder dass man als einzelner Mensch verantwortlich ist für den Sexismus, der unsere Gesellschaft strukturiert. Trotzdem können Heteros etwas von den Queers lernen. Und zwar, wie Jane Ward schreibt, „sich so nach der Ganzheit der anderen Person zu verzehren, dass Männer und Frauen ein Bündnis von gegenseitigem Erkennen und tiefer Achtung schmieden, anstatt von Gegenteiligkeit und Hierarchie.“ Und dafür hat sie auch ein paar Tipps parat.
Heteros, schlägt Jane Ward vor, können sich etwas lesbischen Strip- und Sexshows abgucken: „Auf diesen Shows sind häufig die Achselhaare, Beinhaare, Haare im Gesicht, das Körperfett und die genderqueeren Körper der Frauen das Objekt der Begierde des Publikums.“ Also alles, was in der Heterokultur eher als abnormal oder eklig gilt.
Hetero (und heterofatalistischen) Frauen rät Jane Ward: Übernehmt Verantwortung für eure Sexualität. Fragt euch, warum ihr Männer liebt und woran ihr gemerkt habt, dass ihr heterosexuell seid. Lernt, euch nicht als Opfer, sondern als aktiv Handelnde eures Begehrens zu betrachten. Ich würde hinzufügen: Unterschätzt nicht, wie dieser Schritt euer Leben verändern kann. Er führte dazu, dass ich nach einem knappen Vierteljahrhundert Heterokultur feststellte: Ich habe keinen Bock mehr. Ich hörte auf, nach einer Beziehung mit einem Mann zu suchen. Nicht, weil ich glaube, dass Sexualität eine Entscheidung ist. Sondern weil ich mich auch zu Frauen hingezogen fühle. In der einzigen Beziehung, die ich bisher mit einer Frau hatte, habe ich die Aufrichtigkeit und Wertschätzung erfahren, die mir bei Männern oft fehlt. Und irgendwie glaube ich, das ist kein Zufall.
Nicht mehr nach heterosexuellen Beziehungen zu suchen, funktioniert nicht für jede Frau. Das muss es auch nicht. Trotzdem rate ich Hetero-Frauen: Hört auf, euch für die Instandsetzung der Heterosexualität verantwortlich zu fühlen. Sucht Halt in Freundinnenschaften und sucht euch Menschen, die euch achten und für euch sorgen. Und macht Schluss mit Männern, die euch nur Kopfschmerzen bereiten.
Hetero-Männern rät Jane Ward, Frauen zu lieben. Und zwar richtig und nicht nur als ihre Therapeutin, Sekretärin, Karrierecoach, Stylistin und emotionaler Cheerleader. „Lesben“, schreibt Jane Ward, „wissen: Heteromänner können sich so sehr zu Frauen hingezogen fühlen, dass sie ihre sexuelle Orientierung eines Tages nicht mehr als hetero, sondern als feministisch beschreiben.“ Wenn ihr nicht wisst, wie man als Mann Feminist sein kann: Margarete Stokowski hat es für euch aufgeschrieben. Überlasst es nicht Frauen, euch darüber aufzuklären. Und nehmt es nicht als selbstverständlich hin, wenn sich eine Frau für eine Beziehung mit euch entscheidet.
Und bitte bitte, hört auf, Selbsthilfebücher für Heteros zu schreiben.
Redaktion: Theresa Bäuerlein und Bent Freiwald, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger