Man sieht eine Illustration: ein Baby in einer Fruchtblase steckt zwischen zwei Würfelhälften, ansonsten fliegen noch Geldscheine, eine Petrischale und Pillen durchs Bild.

Illustration: Michelle Urra

Geschlecht und Gerechtigkeit

Ein Baby aus dem Labor? Macht 8.500 Euro, bitte!

Die Reproduktionsmedizin verdient Milliarden daran, dass viele Menschen mit Kinderwunsch alles tun würden, um ihre Sehnsucht nach Familie zu erfüllen. Ihnen wird zu viel versprochen.

Profilbild von Esther Göbel
Reporterin für Feminismus

Kleines Rätsel: Was haben Paypal-Gründer Peter Thiel, Sänger und Teenieschwarm Justin Bieber, die Comedian Amy Schumer und die ehemalige Youtube-Geschäftsführerin Susan Wojcicki gemeinsam?

Sie alle sind reich, stimmt. Aber auf die folgende Antwort wärst du wahrscheinlich nicht gekommen: Sie alle glauben an Babys – beziehungsweise an das Kapital, das sich mit dem Thema Fruchtbarkeit verdienen lässt.

Um es konkreter und weniger polemisch auszudrücken, hätte ich schreiben müssen, dass Peter Thiel, Justin Bieber, Amy Schumer und Susan Wojcicki ihr Geld in Firmen investieren, die Menschen versprechen, einen ihrer existentiellsten Wünsche wahr werden zu lassen: den nach einem eigenen Baby. Die vier Investor:innen folgen damit strategisch einem Trend, der sich in Kinderwunschkliniken, Arztpraxen und Wartezimmern weltweit beobachten lässt: Immer mehr Menschen, die einen Kinderwunsch hegen, wenden medizinische Services an, um ihren Wunsch in die Realität zu hieven.

Mehr Babys aus dem Labor bedeuten mehr Elternglück – und ein Milliardengeschäft

Frauen lassen ihre Eizellen einfrieren, um sie für später aufzubewahren; andere reisen ins Ausland, um sich eine fremde Eizelle einsetzen zu lassen; Männer stellen ihr Sperma zur Verfügung oder greifen selbst auf fremdes zurück; einige Paare beauftragen Frauen im Ausland, ein Baby für sie auszutragen; und die meisten Menschen, die medizinische Hilfe nutzen, sitzen bangend zuhause, während in einem Labor eine oder mehrere Eizellen künstlich befruchtet werden, in der Hoffnung, dass sich daraus wenigstens ein einziger lebensfähiger Embryo entwickelt. All das fällt in den Bereich der Reproduktionsmedizin. Und der wächst.

Man sieht drei Graphen, die anzeigen, wie sich die Nutzung der Reproduktionsmedizin von 1997-2016 entwickelt hat: In Europa sieht man eine sehr stark wachsende Nutzung, der Graph für die Vereinigten Staaten steigt nur wenig, in Australien und Neuseeland fast keine Zunahme.

China und Japan tauchen zwar in dieser Graphik nicht auf, aber hier spielt die Reproduktionsmedizin eine besonders starke, auch politische Rolle: Staatlich unterstützt soll sie dem demographischen Problem entgegen wirken, dass die beiden Länder (wie viele andere auch) haben. Grafik: Philipp Sipos

Mehr Babys aus dem Labor, das bedeutet auch mehr Elternglück. KR-Leserin Julia schrieb mir: „Mein Sohn wäre nicht auf der Welt, wenn es die Hormonersatztherapie nicht gäbe.“ Julias Körper produziert zu wenig Hypophysenhormon LH und zu wenig Follikel-stimulierendes Hormon FSH. Beide Hormone braucht eine Frau, um schwanger werden zu können. „Ich habe mich an ein Kinderwunschzentrum gewandt. Dort fühlte ich mich gut aufgehoben, wurde gut beraten und schon beim dritten Zyklus hat es geklappt.“

Auch KR-Leser Timm und seine Frau Hanna haben gute Erfahrungen gemacht. „Die genaue Planbarkeit und die intensive medizinische Betreuung sind deutlich besser als bei einer natürlichen Empfängnis“, schrieben die beiden mir. Fünf Jahre hatte das Paar versucht, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Was für die beiden auch bedeutete: fünf Jahre Zyklusmonitoring, Basaltemperatur messen, Fruchtbarkeitsmeditationen, Vitaminpräparate, Storchentees und Sexpraktiken, die besonders der Empfängnis dienen sollten – alles ohne Erfolg. Hanna wurde nicht schwanger. Beide litten.

Schließlich entschieden sie sich, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und es klappte! Das erste Kind des Paares, ein Junge, kam mittels In-Vitro-Behandlung (IVF) auf die Welt und ist mittlerweile fast ein Jahr alt. Für ein Geschwisterkind wollen Timm und Hanna wieder Hilfe aus dem Labor und damit die IVF anwenden. „Abschließend können wir sagen, dass wir im Vorfeld viel zu viel Angst vor den medizinischen Eingriffen hatten. Nichts davon war wirklich schlimm, nichts davon ließ sich auch nur vergleichen mit dem, was an körperlichen Belastungen in der Schwangerschaft noch auf die Frau zukommt“, lautet das Fazit des Paares.

Frauen gebären heute viel später als früher

Timms und Hannas Kind, aber auch das von KR-Mitglied Julia gehören zu jenen zwölf Millionen Menschen weltweit, die mittels künstlicher Befruchtung auf die Welt gekommen sind. Die Methode aus dem Labor schafft aber nicht nur großes persönliches Glück – sondern hat eine Schattenseite, über die Bilder von lachenden Babys in Kinderwunschzentren gerne hinwegtäuschen: Hinter der Reproduktionsmedizin steht ein globales, milliardenschweres Business.

Eine Expertin der Unternehmensberatung McKinsey sagte gegenüber dem Magazin Economist jüngst, sie sehe in der Reproduktionsmedizin „einen Markt mit starkem Rückenwind“. Allein in China, so schreibt es der Economist, durchlaufen pro Jahr eine Millionen Frauen die Behandlung einer künstlichen Befruchtung. Und die beiden Wissenschaftlerinnen Irina Herb und Zelda Wenner schreiben in diesem Text über den globalen Markt: „Wir beobachten eine zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung von Reproduktionszentren.“

Einer der Gründe für diesen wachsenden Markt heißt Emanzipation. In den meisten Industrie- und Entwicklungsländern gebären Frauen heute viel später als noch vor einigen Jahrzehnten. In Deutschland zum Beispiel ist eine Frau im Schnitt 30,2 Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal ein Baby bekommt. Den meisten Frauen ist heute gute Ausbildung wichtig, zum Glück. Erst Jobeinstieg, dann Baby, so der Plan. Und dann braucht es noch den richtigen Partner. All das kostet Zeit.

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Die Emanzipation kann der Ungerechtigkeit der Geschlechter in gesellschaftlicher Hinsicht entgegenwirken – doch was sie leider nicht abschaffen kann, ist die Ungerechtigkeit der Biologie: Wer als Frau beschließt, nach einem Studium erst einige Jahre in den Job zu investieren, um dort möglichst gut aufgestellt zu sein, hat an anderer Stelle das Nachsehen: Schon ab 35 Jahren nimmt die Fruchtbarkeit von Frauen in der Regel signifikant ab. Am höchsten ist sie leider in einem Alter, das gesellschaftlich zumindest in Industrieländern wie Deutschland heute als sehr jung bis jung gilt: zwischen 20 bis 30 Jahren.

Auch Spermien haben ein Ablaufdatum

Aber auch Männer sind nicht in jeder Lebensphase gleich fruchtbar. Sie können zwar potentiell bis ins hohe Alter Kinder zeugen, aber auch bei ihnen sinkt die Fruchtbarkeit mit steigendem Alter. Zwischen 40 und 50 Jahren verschlechtert sich die Funktion der Spermien.

Man könnte es also auch so formulieren: Je später in ihrem Leben Menschen versuchen, ein Kind zu zeugen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht klappt. Bereits jetzt hat jedes sechste Paar in Deutschland Probleme bei der Erfüllung des eigenen Kinderwunsches.

Ein weiterer Grund, warum heute mehr Menschen als früher die Methoden der Reproduktionsmedizin nutzen: Diese werden immer besser. Eizellen zu entnehmen, ist heute zum Beispiel einfacher als noch vor zwanzig, dreißig Jahren, das Risiko einer Überstimulation durch Hormone viel geringer, und Mehrlingsgeburten nach künstlicher Befruchtung werden seltener. Hinzu kommt: Gesellschaftlich wird die Reproduktionsmedizin normaler. Statistisch gesehen sitzt heute in Deutschland in jeder Klasse ein Kind, das im Labor gezeugt wurde.

Geld verdienen mit der Sehnsucht nach Liebe und Familie

Eigentlich sind das gute Nachrichten. Denn sollten Frauen nicht uneingeschränkt viel Selbstbestimmung über die eigene Fortpflanzung haben können? Sollte nicht jeder Person, die einen Kinderwunsch spürt, geholfen werden? Damit diese Sehnsucht, die so identitätsstiftend für die allermeisten Menschen ist, sich erfüllt?

Doch, natürlich. Unbedingt! Wer könnte dem widersprechen? Die heutigen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin sind eine Errungenschaft. Sie schaffen Leben und Chancen auf Familienglück für Menschen, die früher keine Chance auf dieses Glück gehabt hätten. Es ist aber genau diese starke Sehnsucht, die Menschen mit Kinderwunsch so vulnerabel macht.

Denn wer wäre nicht bereit, für den innigsten Wunsch alles zu geben? Mitunter auch sehr viel Geld und die letzten Ersparnisse? Nichts daran ist verwerflich. Alles daran menschlich. Doch leider profitieren vom Angebot der Reproduktionsmedizin trotzdem nicht zwingend die Patient:innen. Für sie ist der Weg zum Kind meist langwierig, anstrengend und teuer, weil es in der Regel mehrere Versuche braucht, bis eine Frau schließlich ihr Baby im Arm hält – wenn es überhaupt klappt. Nach einer IVF klappt es in drei von vier Fällen nicht. Und eine Garantie gibt es nie.

Wenn medizinische Services gar nicht notwendig sind

Dafür gibt es keine besseren Kund:innen als Patient:innen, die eine Kinderwunschbehandlung durchlaufen. Denn wer auf die Erfüllung des Wunsches hofft, nimmt womöglich noch weitere zusätzliche Services in Anspruch; es könnte ja helfen, die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen oder eine Antwort zu geben auf die Frage: Warum hat es beim ersten Versuch nicht geklappt, beim zweiten, beim dritten? „Gerade in der Gynäkologie werden inzwischen erstaunlich viele individuelle Gesundheitsleistungen angeboten“, sagt Monika Uszkoreit, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren e.V., „dieser Bereich ist sehr vielfältig geworden.“

Diverse Zusatzleistungen wurden während ihrer Kinderwunschtherapie auch an KR-Mitglied Julia herangetragen: „Mir wurde bei jedem Kontrolltermin gesagt, man müsse Blut abnehmen und den Hormonstatus bestimmen, was jedes Mal um die 80 Euro gekostet hätte“, schrieb Julia mir. Dabei gab es gar keine medizinische Notwendigkeit dafür. „Da ich Apothekerin bin und mich etwas auskenne, habe ich dieses Vorgehen in Frage gestellt und mit dem Arzt gesprochen, dass das nicht jedes Mal sein muss. Von da an hatte ich das Gefühl, für die Arzthelferinnen eine Persona non grata zu sein, kein schönes Gefühl.“

KR-Mitglied Annett sieht die vielen Angebote ebenfalls kritisch. Sie wurde 2010 nach mehreren Versuchen durch eine ICSI-Behandlung schwanger, Annett gebar schließlich einen gesunden Sohn. Hinter der Abkürzung ICSI verbirgt sich der komplizierte Begriff intracytoplasmatische Spermieninjektion. Bei dieser Methode wird nur ein einziges Spermium mit Hilfe einer sehr feinen Hohlnadel direkt in die Eizelle gespritzt. Annett erinnert sich: „Man konnte damals zum Beispiel für zusätzliches Geld die Entwicklung der befruchteten Eizellen gesondert überwachen, sie besonders prüfen.“ Medizinisch notwendig war das aber nicht.

Bilder von süßen Babys im Wartezimmer

Die KR-Mitglieder Timm und Hanna blicken an ganz anderer Stelle kritisch auf die Reproduktionsmedizin. „Als wir auf der Suche nach einer Klinik für die IVF waren, haben wir uns verschiedene Webseiten angesehen und dabei festgestellt, dass viele Kliniken mit sehr emotionalen Bildern von Babys und glücklichen Eltern mit Babys/Kleinkindern werben. Schon bei der Webrecherche ging es uns damit nicht mehr gut“, schrieb Timm mir. Er und seine Frau finden es „fahrlässig, Menschen in so einer Lebensphase in ein Wartezimmer zu setzen, wo in jeder Blickrichtung die Sehnsucht getriggert wird.“

Aber genau hier liegt das Problem der Reproduktionsmedizin: Sie tut, was machbar ist, solange die Patient:innen durchhalten und weitermachen. So wie Influencerin Anna Adamyan, die ihren Wunsch nach einem Baby und den schwierigen Weg dorthin regelmäßig mit ihrer Community auf Instagram teilte. Elf Versuche und vier Jahre brauchte es, bis sie und ihr Mann endlich ein Baby erwarten durften. Rund 50.000 Euro zahlten sie insgesamt. Am Ende wurde das Paar belohnt: Anfang August kam ihr Wunschkind zur Welt.

Was aber, wenn kein Baby die Odyssee einer Kinderwunschbehandlung beendet?

Dann wird die psychische Belastung der betroffenen Frauen noch größer. Und groß ist sie sowieso schon: durch das Karussell der Hormonbehandlungen, die eine IVF oder ICSI voraussetzen, durch die immerwährende Angst vor dem Schwangerschaftstest, durch Scham. Gefühle wie Ungerechtigkeit, Schuld und Selbstzweifel können noch hinzukommen, auch Neid und Missgunst; wieso werde ich einfach nicht schwanger, aber meine gute Freundin schon? Wieso passiert mir das? Womit habe ich das verdient? Was ist falsch an mir, an meinem Körper? Die meisten Patientinnen versuchen sieben bis acht Zyklen lang, mittels medizinischer Hilfe schwanger zu werden, bis sie bei ausbleibendem Erfolg „Stop!“ sagen. Das bedeutet einen oft jahrelangen Leidensweg.

Wenn die Kinderwunschbehandlung zum Würfelspiel wird

KR-Leserin Nadine war 41 Jahre alt, als sie und ihr damaliger Freund sich für ihren Kinderwunsch medizinische Hilfe holten, weil seine Spermien sich kaum bewegten. Das Paar wagte eine ICSI-Behandlung, Eizellstimulation durch Hormone und kurzzeitiges Einfrieren der Eizellen inbegriffen. Kosten für einen einzigen Versuch: rund 8.500 Euro. Rückblickend sagt Nadine: „Wir konnten nicht ahnen, wie wenig kalkulierbar die Kosten sein würden und was emotional auf uns zukommen sollte. Als Patientin gehst du davon aus, dass du eine medizinische Behandlung in Anspruch nimmst, die dir helfen kann. Aber die Anwendung ist auch ein Produkt. Darüber sollte man sich im Klaren sein.“

Nadine vergleicht die Prozedur einer Kinderwunschbehandlung gern mit einem Würfelspiel: „Jedes Mal Würfeln, also jeder neue Versuch kostet richtig viel Geld, niemand weiß, wie oft gewürfelt werden muss oder welche Augenzahl dabei rauskommt. Kein Teilerfolg ist sicher, kurz vor dem Ziel können noch sämtliche Püppchen rausfliegen.“ Die gezielte künstliche Befruchtung einer einzelnen Eizelle kostete Nadine und ihren Partner jedes Mal extra. Aber eine Eizelle mit Potential liegen lassen und damit die Chance auf ein Baby? Das kam für das Paar nicht infrage. „Man kann schnell spielsüchtig werden“, sagt Nadine. „Besonders, wenn man schon viel investiert hat.“

So teuer sind IVF, ICSI und andere Methoden

Es existieren für Deutschland keine aktuellen und verlässlichen Zahlen zu der Frage, wie viel Geld die Reproduktionsmedizin pro Jahr erwirtschaftet. Zwar steigt die Nachfrage der Behandlungen kontinuierlich, aber von einem finanziellen Boom für die 140 Reproduktionsmedizinischen Zentren in Deutschland kann keine Rede sein, sagt Monika Uszkoreit, die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren e.V.. Grund dafür sei das duale System, das in Deutschland Patient:innen in gesetzlich Versicherte und privat Versicherte einteilt und ein kompliziertes System der Abrechnung nach sich zieht. „Beruhend auf den sehr niedrig kalkulierten Sätzen für Kassenbehandlungen könnte ein reproduktionsmedizinisches Zentrum nicht überleben“, sagt Uszkoreit. „Die Zentren sind ausnahmslos angewiesen auf die Querfinanzierung aus der Privaten Krankenversicherung (PKV), wobei die Anzahl der PKV-Patient:innen nur einen Bruchteil der Kassenpatienten ausmacht.“

Fest steht aber: Die unterschiedlichen Leistungen der Reproduktionsmedizin sind teuer. Wer zum Beispiel völlig gesund ist und die eigenen Eizellen einfrieren lassen möchte für später, muss 3.000 bis 4.000 Euro pro Zyklus einplanen, plus 300 bis 400 Euro für die jährliche Lagerung der Eizellen in flüssigem Stickstoff. Eine IVF- beziehungsweise ICSI-Behandlung kostet in Deutschland grob 4.000 beziehungsweise 6.000 Euro, zuzüglich der nötigen Medikamente. Für beide Methoden übernehmen unter bestimmten Voraussetzungen allerdings auch die Krankenkassen einen Teil der Kosten. Leihmutterschaft und Eizellspende sind in Deutschland verboten – in anderen europäischen Ländern aber nicht. Spanien führt die Liste des „Baby-Tourismus“ an, hier reisen besonders viele Paare hin, die mittels Eizellspende schwanger werden wollen. Das kann ein Paar je nachdem, welche Eizellen es nutzt, welche Beratung es in Anspruch nimmt und für welche private Klinik es sich entscheidet, 3.500 bis 8.500 Euro pro Versuch kosten. Ein Kind per Leihmutter zu bekommen, ist noch teurer und kann schnell einige Zehntausend Euro kosten.

Gesucht: eine Alternative zur Identität als Mutter

Bei KR-Leserin Nadine blieb die Behandlung erfolglos. Von sechs gewonnenen Eizellen entwickelte sich nach Befruchtung nur eine einzige zu einem Embryo, der eingesetzt werden konnte. Einnisten in der Gebärmutter wollte er sich nicht. Nadine startete noch einen zweiten Versuch, aber ihr Freund konnte nicht mehr. „Mein Partner hat die Reißleine gezogen und wollte die Behandlung nicht mehr fortsetzen. Es hat ihn emotional völlig überfordert. Er fühlte sich schuldig und stand hilflos daneben.“ Kurze Zeit später verließ ihr Partner sie. „Inwieweit die Belastung durch die Kinderwunschbehandlung eine Rolle dabei spielte, weiß ich nicht“, sagt Nadine.

Rückblickend erinnert sie sich an das Gefühl einer großen Machtlosigkeit während der Kinderwunschtherapie. Unwissend habe sie sich oft gefühlt. „Man kann das doch als Laie gar nicht einschätzen, welche Zusatzleistung wie viel Sinn ergibt“, sagte sie. „Ich hätte mir oft einen guten Rat gewünscht.“

Heute ist Nadine 43 Jahre alt. Losgelassen hat ihr Kinderwunsch sie nicht. „Wenn ich jetzt in der Ferienzeit im Flieger all die Familien mit kleinen, süßen Kindern sehe, berührt mich das schon sehr.“ Sie schweigt kurz ins Telefon. „Ich habe das Gefühl, ich bin ein Ästchen an einem Baum, und an meinem Ast wächst kein Obst mehr.“

Ihren Kinderwunsch ganz aufgeben will Nadine nicht. Doch fragt man sie nach einem wichtigen Rat für andere Frauen, die das durchmachen, was sie durchgemacht hat, sagt sie: „Überleg dir früh genug einen Plan B. Für den Fall, dass es nicht klappt.“


Im nächsten Text meiner Serie zur Reproduktionsmedizin geht es um die Frage, ob das Spenden von Eizellen in Deutschland künftig erlaubt werden oder wie bislang verboten bleiben soll. Wenn du keinen Artikel von mir verpassen willst, kannst du hier meinen kostenlosen Newsletter abonnieren.

Die im Text zitierten KR-Mitglieder Timm und Hanna heißen in Wirklichkeit anders, die Klarnamen sind der Redaktion aber bekannt.


Redaktion: Theresa Bäuerlein; Bildredaktion: Philipp Sipos; Illustration: Michelle Urra; Schlussredaktion: Susan Mücke; Audioversion: Iris Hochberger

Ein Baby aus dem Labor? Macht 8.500 Euro, bitte!

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