„Ich bin hier, um Anzeige zu erstatten. Wegen sexueller Belästigung“

© krautreporter / Martin Gommel

Geschlecht und Gerechtigkeit

„Ich bin hier, um Anzeige zu erstatten. Wegen sexueller Belästigung“

Das hier ist nicht die Geschichte, wie ich zum ersten Mal sexuell belästigt wurde. Bei weitem nicht. Es ist die Geschichte, wie ich mich zum ersten Mal wehrte.

Profilbild von Stella Schalamon

Ich war fünfzehn, als mir ein fremder Mann an einem Sommerabend im Vorbeigehen in den Hintern zwickte. Es ging ganz schnell. Es erschreckte mich, wie viel Kalkül in diesem spontanen Aufeinandertreffen lag und diesen winzigen Moment ausnutzbar machte.

Ich war nicht wütend auf den Mann. Es war mir peinlich, vor allem vor meinen Freundinnen. Ich schämte mich, weil ich dachte, ich hätte ihn versehentlich dazu ermutigt. Ich erzählte niemandem davon. Stattdessen nahm ich mir vor, besser aufzupassen. Das schulterzuckende „So sind sie halt“ hallte in meiner Generation nach, die vermeintlich gleichberechtigt aufgewachsen war.

Das ist heute anders. Die Metoo-Debatte hat etwas verändert. Die Reform des Sexualstrafrechts hat etwas verändert: Nein heißt jetzt Nein. Sexuelle Belästigung ist jetzt strafbar. Heute machen mich Übergriffe wie dieser wütend. Ich will nicht vorsichtig sein, ich will an einem Abend unterwegs sein, ohne angemacht und angefasst zu werden.

Ich war 17, als ein Typ aus dem Urlaub einfach nicht aufhörte, mir anzügliche Nachrichten zu schicken. 21, als ich mit Freundinnen im Park saß und ein Mann hinter uns im Gebüsch masturbierte. 23, als ein Passagier in der vollen U-Bahn wie beiläufig meine Beine unter der kurzen Hose berührte. Das hier ist bei Weitem nicht die Geschichte, wie ich zum ersten Mal sexuell belästigt wurde.

Es ist die Geschichte, wie ich mich zum ersten Mal wehrte.

Wie ich Anzeige erstattete und entschied, die Konsequenzen dessen auszuhalten. Und wie anstrengend das ist. Denn es bedeutet, nicht nur einzugestehen, dass jemand mich und meine Grenzen missachtet hat, sondern mich mit vielen Fragen auseinanderzusetzen: Wie weit gehe ich? Kann ich mir das leisten? Und vor allem: Will ich mir das antun?

Mein Lächeln bleibt hängen

Die Geschichte beginnt vor genau einem Jahr. Es ist ein sonniger Frühlingstag in Berlin. Ich jogge meine lange Runde an der Spree entlang. Auf dem Rückweg komme ich an einem Restaurant in der Nähe meiner Wohnung vorbei. Da taucht der Inhaber in der Tür auf. Er streckt mir ein Sektglas entgegen. Ich bin überrumpelt. Noch ganz aus der Puste lehne ich ab. Er probiert es weiter: „Komm schon.“ Und ich sage dann doch: „Na gut, ein Glas.“ Wir gehen ins Restaurant, ein Mitarbeiter ist auch da. Wir plaudern. Es ist nett. Ich denke: Wie schön, sich in der Nachbarschaft besser kennen zu lernen.

Dann beginnt der Inhaber plötzlich, meinen Rücken zu massieren. Er hat nicht gefragt, ob ich das möchte. Ich habe ihn nicht dazu aufgefordert. Es ist nicht okay. Ich will es nicht. Aber ich schaffe es nicht, ihm das zu sagen. Stattdessen verkrampfe ich und versuche, die Hände so unauffällig wie möglich von meinem Rücken zu schütteln. Irgendwann hört er zum Glück auf und ich verabschiede mich. Höflich. Man teilt ja eine Nachbarschaft. Er nimmt meine Hand und küsst sie mehrmals. Mein Lächeln bleibt hängen. Innerlich kotze ich. Ich fühle mich wieder wie 15. Ich bin froh, als ich endlich alleine draußen bin und nach Hause laufe.

Es sind nur wenige Meter und die machen es in nächster Zeit kompliziert. Den fremden Mann damals musste ich wenigstens nicht wiedersehen. Nun begegne ich dem Restaurantinhaber auf der Straße. Im Supermarkt. Auf meinem Nachhauseweg. Wenn ich die Lichter des Restaurants sehe, bin ich dankbar um die Kopfhörer in meinen Ohren. Habe ich sie vergessen, tue ich, als würde ich telefonieren.


Dieser Text gehört zu unserem Zusammenhang „Fass mich nicht an!“. Darin beleuchten wir sexuelle Gewalt aus verschiedenen Perspektiven, aber auch, was man dagegen tun und wie man sich schützen kann.


Zwei Monate später habe ich genug. Ich bin wieder auf dem Nachhauseweg. Ich habe einen schönen Abend verbracht. Die Kopfhörer in meinen Ohren helfen nicht zu übertönen, wie der Inhaber mir immer lauter meinen Namen hinterher ruft. Ich kann es nicht mehr ignorieren. Ich will ungestört nach Hause gehen, meine Einkäufe machen, mich sicher und wohl fühlen. Es ist mein Recht.

Stella Schalamon auf dem Weg nach Hause

Stella Schalamon auf dem Weg nach Hause

Dieses „Nein“ wird wichtig sein

Ich nehme die Kopfhörer heraus und drehe mich zum Inhaber um. Vielleicht hat er wirklich noch nicht verstanden, wie unangenehm mir die Begegnungen und vor allem seine Berührungen sind. „Ich will da mal etwas klarstellen“, sage ich und bin mir sicher, dass ein Gespräch die Situation lösen wird. Ich folge ihm ins leere Restaurant. Bei den sommerlichen Temperaturen sitzen die Gäste draußen. Nur der Mitarbeiter vom letzten Mal, der ist auch wieder da.

„Ich möchte nicht so angefasst werden“, beginne ich. Und er macht das, was ich am wenigsten erwarte: Er geht auf mich zu und drückt sich an mich. Ich spüre seinen Körper an meinem. Ich weiche zurück. „Nein, nein, nein“, wiederhole ich.

Dieses Nein wird später wichtig sein. An jenem Abend scheint es wertlos. Ich fühle mich bedroht und bereue es, mit dem Inhaber und seinem Mitarbeiter alleine zu sein. Draußen essen die Gäste, aber sie scheinen weit weg. Ich überlege, wie ich schnell hinauskomme. Ob ich mich wehren könnte. Die beiden Männer sind zu zweit. Ich versuche, mir keine Schwäche anmerken zu lassen. „Genau das meine ich“, sage ich. „Das geht nicht.“ Diesmal bin ich wütend.

Ein Gespräch beginnt. Vielleicht bringt Reden doch etwas, denke ich kurz. Dann sagt der Mitarbeiter, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hat: „Dich würde ich so richtig hart rannehmen.“ Jetzt zögere ich nicht mehr. Es wird höchste Zeit, dass ich rauskomme.

Zuhause dusche ich. Aber davon gehen die Erinnerungen nicht weg. Der Satz läuft in meinem Kopf wie ein schlechtes Lied in Dauerschleife. Vermutlich hätte ich trotzdem das gemacht, was am einfachsten erscheint: Kleinreden. Verdrängen. Noch besser aufpassen. So war ich es gewohnt. Aber am Abend darauf kommt die Freundin meines Mitbewohners aufgelöst nach Hause. Dasselbe Restaurant. Der Inhaber in der Tür. Ein Sektglas. Intime Fragen. Unerwünschte Nähe.

Kleinreden funktioniert nicht mehr. Es sind zu viele, zu krasse Geschichten. So darf es nicht weitergehen. Ich will nicht, dass der Restaurantinhaber und sein Mitarbeiter mich, die Freundin meines Mitbewohners oder eine andere Person noch einmal in eine solche Situation bringen.

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Zum ersten Mal beschäftige ich mich genauer mit dem deutschen Sexualstrafrecht. Seit 2016 gilt: Eine sexuelle Handlung ist strafbar, wenn sie gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person ausgeführt wird. Als sexuelle Handlung zählt von da an auch sexuelle Belästigung: unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten. Das kann laut der Antidiskriminierungsstelle vieles sein. Zum Beispiel bedrängende körperliche Nähe (sein Körper an meinem), unerwünschte Berührungen, wie eine Nackenmassage (seine Hände an meinem Rücken), aber auch Bemerkungen sexuellen Inhalts („Dich würde ich so richtig hart rannehmen“).

Jede zweite Frau in Deutschland wurde schon sexuell belästigt

Ob mein Verkrampfen, mein entglittenes Lächeln, mein Sehnen, es möge aufhören, als gegen meinen Willen erkennbare Zeichen sind? Definitiv erkennbar gegen meinen Willen sind jedenfalls mein Nein und meine Aufforderung, mich nicht anzufassen.

Je mehr ich lese, desto mehr begreife ich, dass mir Unrecht angetan wurde. Dass das nichts ist, was ich herunterschlucken muss. Dass es einen Weg gibt, mich zu wehren: die Anzeige. Und dass er wichtig ist.

Jede zweite Frau in Deutschland wurde schon sexuell belästigt. Doch nur acht Prozent der Frauen, die sexuelle Gewalt – darunter zählt neben sexueller Belästigung auch Nötigung, Missbrauch und Vergewaltigung – erlebt haben, haben die Polizei eingeschaltet. Das zeigt eine Studie von 2005. Seit der Reform des Sexualstrafrechts ist der Anteil an Frauen, die sexuell belästigt wurden, kaum zurückgegangen. Aber die Verfahren wegen Sexualstraftaten sind um mehr als ein Drittel pro Jahr gestiegen. Ob die Straftaten zugenommen haben, oder lediglich die Anzeigebereitschaft mit der Reform größer geworden ist, zeigen die Zahlen nicht. Dazu fehlen Daten. Die Dunkelziffer an Taten wird jedenfalls immer noch sehr hoch geschätzt.

Es gibt ein immenses Problem mit sexueller Gewalt. Ich spüre eine Art Kollektivverantwortung auf meinen Schultern: Die Situation muss besser werden.

Ich wünschte, ich hätte das mit 15 schon gewusst. Damit ich den Fehler nicht bei mir gesucht hätte. Nicht versucht hätte, alleine damit fertig zu werden. Ich wäre in dem Wissen groß geworden, dass es okay ist, etwas nicht zu wollen.

All das denke ich, als ich in Begleitung einer Freundin zur nächsten Polizeistation gehe.

„Ich bin hier, um Anzeige zu erstatten“, sage ich zum Polizisten. „Wegen sexueller Belästigung.“ Es fühlt sich bedeutsamer an als damals, als ich wegen eines gestohlenen Fahrrads Anzeige gegen Unbekannt erstattet hatte. Nicht so selbstverständlich. Dabei kenne ich diesmal den Namen des Täters und habe mich im Gegensatz zum Fahrraddiebstahl bedroht gefühlt. Ich habe Sorge davor, wie der Polizist reagieren wird. Er weist mich gleich an seine Kollegin weiter. Obwohl meine Freundin dabei ist, bin ich dankbar. Die Polizistin nimmt meine Zeuginnenaussage auf. Sie hört zu, fragt nach. Sie wertet nicht. Ich zeige nur den Restaurantinhaber an, weil ich mir unsicher bin, ob es möglich ist, den Mitarbeiter wegen seines Kommentars anzuzeigen. Wäre es gewesen!

Auf dem Nachhauseweg spaziere ich, die Sonne vor mir, die Straße entlang. Ich denke: So, das wars erstmal. Zuhause sehe ich einen verpassten Anruf von der Polizei: Sie brauchen noch eine Unterschrift. Unterschreiben könne ich aber nur bei der Kriminalkommissarin, an die mein Fall übergeben wurde. Nach mehreren Versuchen habe ich schließlich Tage später die Kommissarin am Telefon. Sie erzählt mir in eiligen Worten, was es mit der Unterschrift auf sich hat: Eine Anzeige ermöglicht der Polizei erste Ermittlungen. Weil es sich bei sexueller Belästigung um ein sogenanntes Antragsdelikt handelt, muss ich für weitere Ermittlungen erst einen Strafantrag stellen. Ohne diesen Strafantrag wird nur weiter ermittelt, wenn der Fall von besonderem öffentlichem Interesse ist. Wenn zum Beispiel ganz viele Frauen den Restaurantinhaber angezeigt hätten oder wenn es um Vergewaltigung ginge. Ich habe drei Monate nach der Tat Zeit, den Strafantrag zu stellen. „Entscheiden Sie sich schnell“, sagt die Kommissarin.

Und ich erfahre noch etwas von ihr: Die Polizei war bereits beim Restaurantinhaber.

Mein Mut ist kurz wie weggeblasen. Eine Kettenreaktion ist im Gang. Eigentlich ist das doch genau das, was ich wollte: in die Statistik, mich wehren, dem Restaurantinhaber zeigen, dass sein Handeln Konsequenzen hat. Weiter habe ich bis jetzt nicht gedacht.

Will ich mehr? Will ich es vielleicht sogar zu einem Prozess kommen lassen? Habe ich überhaupt die Energie dafür? Trage ich ein finanzielles Risiko? Bringe ich mich in Gefahr?

Nur eines weiß ich jetzt schon: Wenn ich weitere Schritte gehe, dann nur mit einem Rechtsbeistand, der die ganze Gesetzeslage sehr viel besser versteht als ich.

Er grüßt mich weiterhin mit Namen

Ich rufe bei LARA an, der Berliner Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen. Sie bietet eine kostenlose Rechtsberatung an. Leider ist die für die nächste Zeit ausgebucht, erzählt mir eine Mitarbeiterin am Telefon und gibt mir deshalb den Kontakt einer Anwältin. Doch die kostet Geld. Eine Rechtsschutzversicherung für solche Fälle habe ich nicht.
Die Mitarbeiterin rät: „Wenden Sie sich an den Weißen Ring, die Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität. Die vergeben Beratungshilfescheine, dann kostet Sie die Rechtsberatung nichts.“ Das erleichtert mich, bedeutet aber weitere Telefonversuche, wieder einer neuen fremden Person alles erzählen, Formulare ausfüllen.

Finanzielle Unterstützung vom Weissen Ring

Finanzielle Unterstützung vom Weissen Ring

Ich wundere mich manchmal, dass mich noch niemand gefragt hat, wieso ich den Aufwand eigentlich auf mich nehme. Gleichzeitig weiß ich, dass ich vermutlich nicht dazu in der Lage wäre, wäre ich nicht so unbeschadet aus der Situation herausgekommen.

Wobei ich mir auch dabei manchmal nicht sicher bin. Es kostet Überwindung, am Restaurant vorbeizugehen. Die Polizei war bei ihm, um seine Personalien aufzunehmen. Sie mussten ihn dabei informieren, dass Anzeige gegen ihn erstattet wurde. Ob er weiß, dass ich das war? Er grüßt mich weiterhin mit Namen. Ich nuschele nur ein „Hallo“ im Vorbeigehen, später gar nichts mehr. Es stört mich, wie er meinen Namen sagt und meinen Blick sucht. Ich nehme mir fest vor, trotzdem keine Umwege zu gehen und atme dann doch auf, wenn kein Licht im Restaurant brennt.

Die Frist für den Strafantrag ist fast vergangen, als ich endlich bei der Anwältin sitze. Sie hat selbst an der Reform des Sexualstrafrechts mitgearbeitet. Ich habe kaum zu Ende erzählt, da sagt sie schon, dass es gut und wichtig war, dass ich Anzeige erstattet habe. Auf einmal weiß ich: Ich werde das durchziehen. Jeden Schritt, den es braucht. Ich habe mir die Situation nicht ausgesucht, aber ich kann mir aussuchen, wie ich damit umgehe.

Ich weiß, die Chancen einen möglichen Prozess zu gewinnen, sind gering. Oft steht Aussage gegen Aussage. 2018 wurden laut Statistischem Bundesamt 40.000 der 72.000 Verfahren über Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung eingestellt. Nur 7.000 endeten mit einer Verurteilung. Bei sexueller Belästigung müssen die Verurteilten (fast ausschließlich Männer) mit einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe von bis zu zwei, in schweren Fällen bis zu fünf Jahren rechnen.

„So schlecht stehen die Chancen nicht“, sagt die Anwältin. Es gibt Zeug:innen, eine zweite Betroffene. Sie zeigt mir die Zeichnung eines Gerichtssaals. „Da würden Sie dann sitzen.“ Die Kosten dafür würde der Weiße Ring übernehmen. Es kann weitergehen. Wie lange, weiß ich nicht. Auch nicht, was schon alles geschehen ist. Und ich weiß nicht, ob es überhaupt das bringen wird, was ich mir davon erhoffe. Die Anwältin vermutet eine Geldstrafe, wenn es zum Prozess kommt. Im besten Fall. Wieder heißt es warten.

Der Vorfall ist fast ein Jahr her, der Restaurantinhaber hat inzwischen aufgehört zu grüßen und das Warten hat sich so in meinen Alltag eingewoben, dass ich es nur noch wahrnehme, wenn mich andere darauf ansprechen.

Da hat es auf einmal ein Ende: Das Verfahren wurde eingestellt. Kein Prozess. Keine Strafe. Dem Restaurantinhaber sei keine sexuelle Absicht nachweisbar, heißt es im Schreiben der Staatsanwaltschaft. Es ist komisch zu lesen, wie eine Person die Situation beurteilt, die sie nicht miterlebt hat. Es ist komisch zu wissen, dass die Polizei mit dem Restaurantinhaber gesprochen hat. Aber überrascht bin ich nicht. Überrascht hätte mich, wenn mein Fall zur Unterzahl der Verfahren gehörte, die nicht eingestellt werden, geschweige denn zu den wenigen mit einer Verurteilung.

Meine Anwältin scheint enttäuschter als ich. Sie legt Beschwerde ein, um die Akten einzusehen. Sie will gegen die Entscheidung vorgehen. Ich fühle mich nicht wohl damit, denn ich wäre nicht mehr finanziell abgesichert. Es ist eine Sache, dass mir das Ganze Energie raubt und mich müde macht. Fünf- bis sechshundert Euro für einen möglichen Prozess zahlen zu müssen eine andere. Also lehne ich ab.

Das Verfahren wird eingestellt

Das Verfahren wird eingestellt

Es ging ein Jahr hin und her. Jetzt merke ich: Es ist okay. Ich habe erreicht, dass der Restaurantinhaber mich in Ruhe lässt. Dass er sich mit seinem Handeln auseinandersetzen musste. Und dass es eine erste Anzeige gegen ihn gibt. Und eine weitere in der Statistik.

Vor allem aber weiß ich jetzt, dass es mein Recht ist, Nein zu sagen. Ohne zu zögern. Dass ich in einer Situation, wie sie sich im Restaurant abgespielt hat, die Polizei rufen kann. So wie ich sie rufen würde, wenn ich sehe, dass jemand ein Fahrrad klaut.

Ich schreibe diesen Text, von dem ich mir lange nicht sicher war, ob ich ihn schreiben würde. Ich schreibe ihn, weil ich nicht mehr vorsichtig sein und beschämt schweigen will. Weil ich will, dass es endlich normal ist, dass ich als Frau egal wo und egal wann unterwegs bin und mich dabei sicher fühle. Und dass es normal ist, dass ich es anzeige, wenn mir das verwehrt wird. Ich bin froh, dass diese Geschichte nun zu Ende ist. Es ist jetzt wieder meine.


Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Susan Mücke; Fotos: Martin Gommel.