Ich finde es unglaublich befreiend, nicht nur Ernährer zu sein

© Martin Gommel / krautreporter

Geschlecht und Gerechtigkeit

Ich finde es unglaublich befreiend, nicht nur Ernährer zu sein

Mit vielen Vorhaben bin ich in meine Elternzeit gestartet - schnell habe ich gemerkt, dass das nicht machbar ist. Trotzdem bleibt mein Ziel: Cappuccino-Dad werden.

Profilbild von Dominik Ritter-Wurnig

(Das ist der zweite Teil einer Kolumne – hier geht es zum ersten Artikel.)

Es ist der erste Tag meiner siebenmonatigen Elternzeit. Hans ist jetzt sechs Monate alt. Anstatt es an diesem nasskalten Novembertag ruhig anzugehen, will ich der Welt, meiner Frau und mir beweisen: Ich kriege das mit links hin.

Also ziehe ich Hans seinen warmen Woll-Overall an, packe ausreichend aufgetaute Muttermilch ein und stapfe los. Ich habe mir – und das werden alle Eltern in Berlin bestätigen – für heute etwas Großes, Frustrierendes und Anstrengendes vorgenommen: einen Kita-Platz suchen. Vor keinem Kindergarten in der Umgebung mache ich Pause, überall sollen wir auf der Warteliste stehen. Mit müden Beinen und einem quengeligen Kind falle ich um 14.30 Uhr hungrig in ein Mittagsrestaurant für die hier arbeitenden Hipster.

Erstmal das Kind versorgen: Wie durch ein Wunder trinkt er anstandslos das Fläschchen. Ich bestelle Schweinsmedaillons von der Tageskarte. Der nächste Anfängerfehler. Als das Essen kommt, merke ich, dass ich nur eine Hand freihabe, denn mit der anderen muss ich Hans im Arm halten. Da ich also nichts schneiden kann, beiße ich in großen Bissen vom aufgespießten Fleisch ab. Als Mann mit kleinem Baby zieht man sowieso die Blicke auf sich. Nun starrt mich aber das ganze Lokal an.

Getränkehalter für den Kaffee oder die Bierflasche

Ehrlich gesagt hatte mein Verhalten am Beginn der Elternzeit etwas passiv-aggressives gegen Matthäa. Ich wollte ihr zeigen, dass das alles nicht so schwer ist: Kind schaukeln, Kita-Platz finden und auch noch gemütlich essen gehen. Mein Plan für die Elternzeit war es, als Cappuccino-Dad mit meinem Kumpel Andreas und seinem Kind so oft wie möglich abzuhängen. Ich habe mir sogar einen Getränkehalter für den Kinderwagen gekauft – wahlweise für Kaffee zum Mitnehmen oder eine Bierflasche. Außerdem steht noch auf meiner Liste: Babyschwimmen, Krabbelgruppe und gerne auch mal alleine mit Kind verreisen.

Ich finde Zeit mit Hans ziemlich aufregend – aber eigentlich vor allem, weil ich so unsicher bin. Prinzipiell ist unser Keksi momentan nicht der spannendste Zeitgenosse. In seinen ersten Lebensmonaten konnten wir noch Essen gehen, abends Freunde einladen oder ein Buch auf der Couch lesen. Inzwischen ist Hänschen dafür aber zu unberechenbar und quengelig. Andererseits kann er mit Zoo, Spielsachen oder anderen Kindern noch nicht viel anfangen.

Nun gehe ich zur Vater-Kind-Gruppe, damit mir nicht die Decke auf den Kopf fällt. Dort ist ein Kindername außergewöhnlicher als der andere und die Bartdichte unter den Vätern besonders hoch. Angenehm ist dort aber vor allem, dass ich nicht der einzige Vater unter vielen Müttern bin. Das ist selten.

Wochenend-Papa wie in den 1950ern: zuständig für Spiel und Spaß

Mit insgesamt neun Monaten Babypause gehöre ich zur Ausnahme in Deutschland. Männer gingen laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2018 durchschnittlich 3,8 Monate in bezahlte Elternzeit, Frauen 14,2 Monate. Und ich merke, wie an meiner Arbeitspause geknabbert wird. Mein Arbeitgeber will, dass ich für eine Klausur reinkomme und fragt, ob ich nochmals Zeit hätte für eine Podcast-Aufzeichnung.

Vorab fragt man mich, was ich denn in der Elternzeit vorhabe: einen Roman schreiben, die große Investigativrecherche oder doch eine große Reise? Meine Vermutung: Unbewusst nehmen alle an, ich würde nicht die Hauptverantwortung tragen. „Erwartungen an Väter und Mütter sind immer noch krass unterschiedlich. Ich musste für sieben Monate Elternzeit kämpfen, meine Frau nicht – dafür bekommt sie dafür auch keinerlei Bewunderung“, erzählte mir Krautreporter-Leser Jörn.

Apropos Reise: Sehr wenig Verständnis habe ich für das, was ich unter dem Hashtag #elternzeitreise auf Instagram sehe. 22.900 Fotos gibt es dazu. Ich wage zu behaupten: Bei 90 Prozent davon wird geschummelt. Bei der ersten Zugreise kamen Matthäa und ich mit dem Kinderwagen nicht an den auf dem Boden sitzenden Interrailern vorbei. Der geeignetste Ort zum Stillen am Prager Bahnhof ist die McDonald’s Filiale. Wickeln in stinkenden Klos auf Autobahnraststätten ist eine Erinnerung, die ich gerne streichen würde. Noch dazu schläft Hans unterwegs scheinbar aus Prinzip nur bei uns im Bett. Kurz: Das Kind macht im Urlaub noch mehr Arbeit als zu Hause.

https://www.instagram.com/p/B5vNYqon-JV/

(Folge @handinhandinhaendchen, um einen Einblick in den Alltag von Matthäa und Dominik zu bekommen.)

Vor allem aber verpassen Väter etwas, wenn sie nur zwei Monate Auszeit nehmen und dann auch noch mit der Familie verreisen: Die Erfahrung nämlich, selbst für ihr Kind sorgen zu können und nicht nur Assistent der Mutter zu sein. So bleibt der Vater der Wochenend-Papa, wie er es schon in den 1950ern war: zuständig für Spiel, Spaß und Abenteuer. Und der Alltag bleibt den Müttern.

Väter, die länger Elternzeit nehmen, machen auch mehr im Haushalt

Papas, die mindestens drei Monate Elternzeit nehmen, teilen sich die Arbeit danach deutlich partnerschaftlicher, sagt die Studie „Nachhaltige Effekte der Elterngeldnutzung durch Väter“. Die Mehrheit dieser Väter übernehmen einen gleich großen Anteil der Kinderbetreuung – auch im Haushalt machen sie deutlich mehr, als Väter, die bald wieder zur Arbeit gehen.

Während Mütter durchschnittlich nur 599 Euro monatlich Elterngeld ausbezahlt bekommen, kriegen Vätern mit 1.197 Euro rund doppelt so viel. Die finanzielle Situation ist in Familien entscheidend für die Aufteilung der Elternzeit. Je besser die Mutter verdient, desto eher nehmen Väter eine Babypause. Männer, die Angst um ihren Job haben oder gerade auf eine Beförderung hoffen, nehmen - tendenziell - keine längere Elternzeit. Das zeigt die Studie.

Ich finde es unglaublich befreiend, die Ernährerrolle nicht alleine übernehmen zu müssen. Die Freiheit, meinen Job hinschmeißen zu können, Projekte anzugehen oder mich selbstständig zu machen, hätte ich nicht gerne aufgegeben.

Die traditionelle Rollenverteilung wäre manchmal leichter

Matthäa arbeitet nun wieder. Vorerst 20 Stunden pro Woche, bis Hans in die Kita kommt; auch ich will in Teilzeit wieder einsteigen.

Sonntag abends, wenn andere Tatort schauen, zücken wir die Kalender und besprechen die Woche: „Kannst du die Nachtschicht machen vor meinen Arbeitstagen“, fragt Matthäa. „Ja. Ich werde ausreichend Muttermilch auftauen. Mittwochabend will ich einen Kumpel treffen, da musst du ihn dann ins Bett bringen. Und Freitag muss ich zum Arzt. Geht das“, kommt von mir zurück.

Jede Verabredung, jeden Arzttermin oder Friseurbesuch müssen wir besprechen. Das ist zeitraubend und anstrengend. Krautreporter-Leser Philipp, der mit seiner Partnerin auch halbe-halbe versucht, schreibt mir: „Manchmal ist es leichter, doch traditionelle Rollenverteilung zu leben.“ Das denke ich auch oft. Ich verstehe jetzt, dass es manchmal schneller geht als gedacht, seine Vorsätze über Bord zu werfen. So haben wir viel Geduld, Zeit und Liebe gebraucht, um Hans an das Fläschchen zu gewöhnen. Aber es lohnt sich dranzubleiben. Zumindest für uns.

Nach dem ersten Tag habe ich mir nicht mehr so viel vorgenommen

Nach dem ersten Tag in Elternzeit habe ich mir nie wieder so viel vorgenommen. „Wird dir nicht langweilig werden, wenn du sieben Monate nichts arbeitest”, fragt mich eine kinderlose Freundin. Einerseits nein, andererseits ja. Ich hatte in der Arbeit nicht so viel Stress wie jetzt mit meinem Sohn, war so fremdbestimmt und hatte so lange Dienstzeiten. Andererseits stelle ich keinen Wecker mehr, mein Tag geht mit dem Flow, ich habe keine Termine und kann bestimmen, wo es lang geht. Außer das Keksi ist anderer Meinung. Dann bestimmt er.


Über diese Kolumne:

Matthäa und Dominik schreiben hier abwechselnd über die Hürden, Probleme und Freuden der geteilten Elternschaft. Hier findest du den ersten Artikel. Unser halbe-halbe-Plan: Wir wollen auf nichts komplett verzichten und uns möglichst viel ermöglichen als gleichberechtigte Eltern für unseren Sohn. Das sagt sich leichter, als es sich in der Praxis lebt. Bei Instagram findest du unter @handinhandinhaendchen kleine Einblicke in unseren Alltag.

Redaktion: Theresa Bäuerlein; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Martin Gommel.