Das sexuelle Elend der Männer

© Sibylle Jazra

Geschlecht und Gerechtigkeit

Das sexuelle Elend der Männer

Männer, heißt es, sind beim Sex einfach gestrickt. Sie wollen immer und sind leicht zu befriedigen. Das dachte ich auch. Bis meine Arbeit in einem Nobelpuff in Berlin mich die Tiefe, die Sehnsucht, die Trauer und den Frust in der männlichen Sexualität erahnen ließ.

Profilbild von von Ilan Stephani und Theresa Bäuerlein

Nennen-wir- ihn-Nils hatte gerade eine halbe Stunde mit mir in einem Berliner Puffzimmer verbracht. Was auch immer dort geschehen ist, ich weiß, dass ich es vergessen habe, weil es so gewöhnlich war. Es geht unauffällig weiter.

Ich luge in den Flur, um zu verhindern, dass Nils mit einem anderen Mann kollidiert. Dann winke ich ihn hinter mir her und führe ihn zur Tür. „Schönen Tag noch, bis bald”, sage ich und umarme ihn kurz. Nils setzt noch an, um zu lächeln. Wahrscheinlich will er etwas Freundliches erwidern und sich verabschieden. Aber plötzlich passiert etwas in ihm, er schüttelt den Kopf über sich selbst und sagt leise:

„Mann, wir gehen hier doch alle noch frustrierter weg, als wir hergekommen sind.”

Er wirft sich einen Schal um, vergisst, sich zu verabschieden, und drängt sich durch die Tür nach draußen. Ich will ihm augenblicklich hinterherstürmen, ihn am Kragen packen und zurück in unser Zimmer zerren. Ich will Nils an die Bettpfosten fesseln und ihm die Wahrheit aus dem Körper quetschen. „Bitte was hast du gesagt? Wie gehst du hier weg?” Ich war nicht beleidigt, sondern begeistert.

Nils war also frustriert, und nach dem Puff war es schlimmer als vorher. Und wenn das bei ihm so war, wie war es dann bei Martin, Kim und Konstantin? Ich machte die Augen zu, spürte und atmete, wartete, bis ich etwas bemerken würde, das Nils gemeint haben könnte. Ihn selbst konnte ich nicht fragen, ich habe ihn nie wieder gesehen. Ich spürte dem nach, ob die Freier traurig wirkten oder mir etwas vorspielten. Aber sie spielten mir nichts vor. Sie waren aufrichtig begeistert, sie freuten sich und hatten seit unserem letzten Treffen oft an mich gedacht.

Männer genießen ihre Sexualität nicht

Und dann begriff ich, dass es nicht der Frust war, den ich suchen musste, sondern die Norm. Nicht das Auffällige musste ich bemerken, sondern das Gewöhnliche. Ich hob meine Nase in die Witterung und folgte den Momenten, die sich mir boten. Irgendwann wurde ich rücksichtslos und versuchte bei jeder Gelegenheit, die Männer über ihr Unglück auszuhorchen. „Schön, dich kennenzulernen”, „Wie heißt du?”, „Und was suchst du hier?”, fragte ich, mit dem Gewohnheitsrecht einer Hetäre, den Mann ohne Vorwarnung in hochgradige Philosophie zu verwickeln.

Aber meistens zog Klaus nur seine Brille zu sich heran und setzte sich auf, während er sagte: „Wieso, ich such doch gar nicht. Ich komm halt ab und zu hier her.” Zu müde, um auch nur einen Augenblick lang über meine Frage nachzudenken. Dann schob er seine nackten Beine über den Bettrand, zurück in die Schuhe für das Geschäftsessen im Hilton.

Ich wiederum dachte noch mehr nach. Stimmt das? Suchen die Männer hier gar nichts, weil sie alles schon gefunden haben? Ist eine Paula, eine teure halbe Stunde lang, wirklich das, was sie haben wollen? Oder ist es nur das Beste, was sie noch zu finden hoffen?

Einige Male hatte ich mehr Glück. Halb aus Offenheit, halb aus Versehen gelang es mir, die Schleier zur Seite zu schieben und einen intimen Blick in das Erleben der Männer zu erhaschen. Als ich Achim zu seiner Masturbation ausfragte, warf er die Hände in die Luft und sagte: „Was soll man machen – du holst dir einen runter, und eine halbe Stunde später ist der Trieb wieder da.” Die Männer schienen ihre Sexualität nicht als einen Triumph zu genießen, schon gar nicht als eine Behauptung gegenüber der Frau, sondern eher als eine interne Unterwerfung.

Ich begann zu begreifen, dass unter dieser scheinbar eindimensionalen Spur der Sexualität der Männer ein viel komplexeres Geflecht aus Suchen und Sehnsüchten, aus Scham und Lust, aus Fragen und Hoffnung lag. Ausgerechnet in einem Nobelpuff in Berlin zerbrach mein Bild einer männlichen Sexualität, die „einfach gestrickt” und einfach zu befriedigen sei. Ausgerechnet „bedeutungsloses Ficken” ließ mich die Tiefe, die Sehnsucht, Trauer und den Frust in der männlichen Sexualität erahnen.

Dass Männer Lust auf Sex nicht nur haben, sondern sie auch genießen, wird grundsätzlich vorausgesetzt. Warum eigentlich? Wir können uns die Antwort auf diese Frage leichtmachen und antworten: Weil Männer sagen, dass sie Lust auf Sex haben. Weil sie, wenn sie ehrlich sind, pausenlos an Sex denken, weil sie kaum wissen, wie man nicht an Sex denken kann, wenn sie bei einer Kellnerin einen Latte Macchiato bestellen oder zusehen, wie eine Frau eine Banane schält und hineinbeißt. Zusätzlich können wir darauf hinweisen, dass Nils und Konrad und Joachim Erektionen haben, dass sie beim Sex sagen „Du machst mich so geil”, und dass sie vor lauter Begeisterung fünf Minuten später ejakuliert haben.

Ich sage also nicht, Männer würden beim Sex nichts erleben. Im Gegenteil: Viele würden ihr Sexleben als gut beschreiben. Aber wie gut ist gut? In anderen Worten: Was wissen wir darüber, was im Sex möglich ist? Wie hoch sind unsere Höhepunkte? Was wissen wir über das, was wir nicht wissen? Und was alles wissen wir nicht über das, was wir nicht wissen?

Wenn wir diesen offenen Raum zulassen – wenn wir uns einen Moment lang eingestehen, dass Sex, dieses seltsame Ding, welches uns auf die Welt gebracht hat, vielleicht größer ist als unser Horizont, dann können wir die Fragen, die wir haben, noch einmal stellen und weniger gierig sein nach der Antwort, weniger abgeklärt in unseren Meinungen. Dann können wir noch einmal fragen: Stimmt es, dass Männer mit dem Sex prima zurechtkommen? Stimmt es, dass Männer den Sex einfach lieben?

Der Unterschied zwischen Triebabfuhr und Ekstase

Markus ist nackt und sitzt auf dem Bett, Paula setzt sich diskret neben ihn, legt eine Hand auf sein Knie. Beide schweigen. Paula und Markus wenden sich einander zu, Markus drückt verstohlen seine Lippen in Paulas Halsgrube, dann liegt Paulas Hand auf Markus’ Schwanz und bewegt ihn, berührt die Hoden und die Beine, und Markus hält ein wenig die Luft an, bis er eine Erektion bekommt, dann ist er erleichtert.

Paula zieht ihm das Kondom über den Schwanz und nimmt den Schwanz in den Mund, und Markus legt sich zurück. Er begreift, dass er wenig tun braucht, und er begreift auch, dass er wenig tun sollte. Er wird ganz einfach durch all das hindurchgeführt werden. Paula sieht ihn an, aber ihr Blick ist schwer einzuschätzen, während sie seinen Schwanz in ihre Vagina gleiten lässt, und Markus’ Blick schwankt auch, zwischen der Zimmerdecke und Paulas Körper, zwischen Momenten, Fantasien und Blackouts.

Schließlich berührt Markus Paulas Schulter, und wie in einem uralt eingespielten Team unterbricht Paula die Bewegung, dreht sich um und hebt ihr Becken. Markus schweigt einfach weiter, er setzt sich auf, bewegt sich hinter Paula und schiebt seinen Schwanz zurück in ihre Vagina. Er hält sie an den Hüften fest. Paula stöhnt, und Paula wartet.

Und dann? Markus ejakuliert. Paula wartet weiter. Markus löst seine Hand von ihrer Haut, setzt sich auf seine Fersen, greift selbstständig zu den Taschentüchern, zieht das Kondom von seinem Schwanz und wickelt es ein. Dann schaut er Paula an und lächelt verlegen. Sein Gesicht ist gerötet, seine Haut glänzt. Paula lächelt auch. Nun wissen wir, dass Paulas Lächeln nicht immer glaubwürdig ist. Wahrscheinlich würde sie sowieso lächeln.

Aber was ist mit Markus? Wenn wir uns einen Moment lang die Mühe machen, genauer hinzuschauen, dann verwandelt diese Frage alles. Wir würden zu verstehen beginnen, dass wir einen grundsätzlichen Unterschied machen müssen zwischen sexueller Funktion und sexueller Ekstase. Ejakulationen sind Funktionen, Erektionen sind physiologische Vorgänge, die auch im Schlaf stattfinden – will sagen: Wir müssen sie nicht bewusst haben. Wir können dann von einem Mann reden, dessen Penis für den Zweck der Fortpflanzung funktioniert. Aber was erlebt er dabei? Was fühlt er?

Männer halten sich nicht für begehrenswert

In meiner ganzen Zeit im Puff habe ich keine einzige erotische Geste zwischen einem Mann und seinem Penis gesehen. Jede Berührung und Bewegung war sich selbst fremd, war rein funktional. Die Männer berührten ihre eigenen Körper nicht, um sich zu spüren, sondern um erregt zu werden. Sie wollten nicht in den Kontakt mit sich selbst kommen, sie wollten sich selbst nicht erleben, sondern sie wollten funktionieren. Ja, viele Frauen fühlen sich von männlicher Sexualität gedemütigt – aber den Männern geht es mit sich selbst ganz ähnlich.

Wie suspekt der Mann dem Mann ist, zeigt auch die Homophobie, die – mehr oder weniger deutlich – die Freundschaft unter Männern zu einer groben Kumpanei machen kann. Das ist schade. Und dass das schade ist, ist so wichtig, weil immerzu und ausgiebig über das Frauenbild der Männer geklagt wird, die für Sex bezahlen – aber was ist mit dem Selbstbild der Männer?

Wenn es heißt, dass Männer ein anderes Frauenbild bekommen sollen, indem man ihnen das Bezahlen für Sex verbietet, greift dieser Gedanke zu kurz. Und wenn wir meinen, das sexuelle Problem zwischen Geschlechtern bestünde darin, dass Frauen Männer einfach nicht so sehr begehren würden wie umgekehrt, dann übersehen wir einen entscheidenden Punkt: Die Männer halten sich selbst nicht für begehrenswert, sie fühlen sich sexuell wertlos. Wenn wir also wollen, dass Männer ein anderes Frauenbild haben, dann müssen wir ihnen ein anderes Selbstbild ermöglichen.

Genau das wird möglich, wenn wir von „Triebabfuhr” und sexuellem „Funktionieren” auf die Ebene unseres Erlebens wechseln, wo ein Nils oder Markus sagen kann, er sei glücklich oder frustriert oder wütend – wenn wir uns also unter die Ebene begeben, auf der die männliche Sexualität „funktioniert”. Dort können wir die männliche Sexualität noch einmal fragen: „Wie fühlst du dich? Ich meine – wie geht es dir mit dir? Wenn du Paula und Nathalie und Jackie mal beiseitelässt – was erlebst du?”

In- und auswendig kennen wir die Frage, wie man Frauen zum Orgasmus bringt. Man kann kaum ein Männer- oder Frauenmagazin aufschlagen, ohne Antworten zu bekommen. Ohne hier auf die Qualität dieser Ratschläge einzugehen, möchte ich die Frage hinzufügen, wie Männer zum Orgasmus kommen können. Aus einem Puff heraus, direkt neben den Treteimern, aus denen spermagetränkte Küchenrollen quellen, mit dem Geräusch unermüdlicher Waschmaschinen im Hintergrund, mag diese Frage seltsam klingen, um nicht zu sagen unnötig. Aber Abspritzen ist kein Orgasmus, sondern eine Ejakulation. Ejakulationen sind körperlich, Orgasmen sind Erleben. Wenn wir davon sprechen wollen, was die meisten als Beweis männlicher Höhepunkte verstehen, so sollten wir vorsichtshalber von Ejakulationen reden.

Das flächendeckende Schweigen der Männer beim Sex

Soweit ich erlebt habe, können nahezu alle Männer beim Sex ejakulieren. Aber was bedeutet das – was ist damit gewonnen? Ich habe Hunderte von Ejakulationen verursacht, aber nur sehr selten Orgasmen. Das heißt: Ich habe unzähligen Männern Erleichterung verschafft, aber kaum jemals Ekstase geschenkt. Ein einziger Mann (in Worten: einer) schrie beim Orgasmus vor Lust laut auf, und ich musste grinsen, dass nun in den anderen Zimmern kein verstohlenes Stöhnen mehr zu hören war, sondern ein echter Mensch mit echter Stimme.

Kaum hatte ich das Zimmer verlassen, stürzte die Hausdame jedoch auf mich zu: „Mein Gott, Paula, alles okay bei euch? Hast du ihn abgestochen?” Männliche Lust – hörbare, zelebrierte, ausgedehnte männliche Lust taucht im Puff ebenso selten auf wie überall sonst auch. Achten Sie mal in Pornos darauf. Oder in einem beliebigen Hollywoodfilm. Welcher Regisseur traut sich, einen laut stöhnenden Mann zu zeigen? Sexszenen im Kino versinken im Schweigen oder im Seufzen der Frauen. Wenn wir im Nebel der Geilheit einen Moment lang einen klaren Blick erhaschen, dann sehen wir, dass die Geilheit selbst noch lange nicht bedeutet, dass ein Mensch glücklich oder ekstatisch ist.

Also, wie ist das mit den Männern und ihrer sexuellen Ekstase? Rätselraten, sogar im Puff. Männer verhielten sich nicht mal dort zum Sex eindeutig, sondern fundamental verkrampft. Als wüssten sie um eine lauernde Ambivalenz, die in ihnen liegt, ein tiefes, trauriges Misstrauen der eigenen Lust gegenüber.

Ich erinnere mich dazu an eine Situation in unserem Aufenthaltsraum. Uns war langweilig, und irgendwie kam das Gespräch darauf, dass wir uns gegenseitig unsere Tricks verraten würden. Eine Kollegin von mir, Verena, verkündete: „Kennt ihr das auch, wenn ihr nicht wisst, ob der Typ schon gekommen ist oder nicht? Und man irgendwie so dazwischen hängt, was man jetzt tun soll, auch wegen der Zeit und so?”

Wir nickten. Verena fuhr fort: „Also ich weiß jetzt, wann ein Typ gekommen ist. Und da irre ich mich nie: Meine Schultern entspannen sich. Ich werde plötzlich weich. So weiß ich das.”

Wenn ich heute daran denke, dass wir Höhepunkte unserer Sexpartner nicht anders feststellen können als in einer intuitiven inneren Entspannung, dann erscheint mir das absurd. Und dennoch erinnere ich mich daran, wie normal es war, sich in dieser Weise an das männliche Erleben herantasten zu müssen (immer vorausgesetzt, wir konnten das Kondom gerade nicht sehen).

Für mich steht diese Erinnerung für das flächendeckende Schweigen der Männer beim Sex. Sie lernen nicht und erlauben sich nicht, beim Sex freie Töne zu machen (ganz so, als sei Stöhnen vor Lust nur für Frauen), und sie schweigen, statt zu reden. Glückliche Ausnahmen, immerhin, und eine Ergänzung zu unseren entspannten Schultern sind die Sätze: „Du machst mich so geil” und „Ich komm gleich”.

Der Puff tut Männern nicht gut

Könnte es also sein, dass nicht nur die Vagina und die weibliche Sexualität taub und stumm geworden ist, sondern auch die männliche? Ich glaube, ja. Und ich würde noch weitergehen: Wenn wir von einer „frigiden”, einer unorgasmischen Sexualität sprechen wollen, so ist es nicht die weibliche, sondern die männliche. Sie kann ejakulieren, aber sie ist arm an Ekstase, noch ärmer als die weibliche. Viel öfter waren es Pausen, mit denen weder Paula noch Paolo gerechnet hatten, kleine Momente, kurze Lücken, in denen unvermittelte Sätze auftauchten. Geständnisse. Geheimnisse. Wesentliches.

„Glaubst du an Gott?”

„Ich weiß nicht, ob es Gott gibt. Aber wenn ich dich so ansehe – dein Körper ist ein Beweis für Göttlichkeit.”

Das ging mir nach, und dann passierte es wieder. Ein Freier zählte auf: „Ich finde deine Brüste so erotisch. Und deine Beine. Und deine Schultern, das ist so ein schöner Bereich bei dir.” Und plötzlich redete er immer weiter: „Und dein Hals und deine Arme. Ich mag deine Füße. Eigentlich ist alles an dir erotisch, aber so kann man das nicht sagen, das trifft es nicht, es ist mehr als das …”

Ich hielt den Atem an. Ich legte den Kopf zur Seite und sah ihn verstohlen an. Merkte er es? Aber er war schon im Begriff, sich wieder anzuziehen, und legte seine Uhr zurück ans Handgelenk. So begriff ich zweierlei: Der Bezug von Männern zu Sex, zu Erotik, zu Körpern und Haut ist begabt, kraftvoll zu sein und poetisch, voller Ehrfurcht und Sorgfalt, voller Zärtlichkeit und Stolz. Und ich lernte: Das wissen die Männer selbst nicht mehr. Ja, sie missverstehen und übersehen sich selbst sexuell ebenso, wie sie ihre Frau nicht sehen. Ich glaube, dass diese erlernte sexuelle Erlebnisarmut ein Schlüsselmoment im Verständnis der männlichen Sexualität ist.

So beendete meine Hurenwelt ihren Kopfstand und stellte sich wieder auf die Füße: Die Prostitution befreit den Mann nicht, sie tut ihm nicht gut, sie macht ihn nicht glücklich. Viel eher war der Puff eine Gelegenheit, die Wunden der männlichen Sexualität sehen zu lernen. Unter meinen Händen, zwischen meinen Lippen und in meiner Vagina wurde fühlbar, wie schlecht es den Männern sexuell geht.

Nein, Paula war gar nicht dieser segensreiche Wellnessengel, für den sie sich gehalten hatte. Viel eher wurde in ihrer Arbeit die flächendeckende, massive Prägung von männlicher Sexualität deutlich, und fast schien es, als würde Prostitution diese Tatsache nicht erlösen, sondern die Männer nur tiefer in ihr Gefängnis jagen.

Wenn wir eines Tages jedoch Sex kennenlernen, bei dem wir tief, tief atmen, tönen und stöhnen und jubeln und prusten, wie auch immer wir wollen, wenn wir diese Freiheit eines Tages erleben, dann werden wir wissen, dass es einen himmelweiten Unterschied bedeutet, ob wir beim Sex stumm sind oder offen. Erst dann werden wir wissen, wie tief eine Sexualität beschnitten wird, wenn man ihr die Stimme abgewöhnt. (Und widersprechen Sie mir erst, nachdem Sie es ausprobiert haben!)


Dieser Artikel ist ein Kapitel aus dem Buch „Lieb und teuer”. Ilan Stephani, 1986 in Berlin geboren, ist heute als Körpertherapeutin und Autorin tätig. Sie leitet Seminare für Frauen und bloggt über Sexualität und Freiheit. Theresa Bäuerlein hat sie beim Schreiben ihres Buches unterstützt. Es ist im Oktober 2017 im Ecowin-Verlag erschienen.