Männer haben ein Teilzeit-Problem

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Geschlecht und Gerechtigkeit

Männer haben ein Teilzeit-Problem

Heute wollen sich Väter mehr um ihre Kinder kümmern als früher. Arbeiten sie dafür auch weniger? Das wollte KR-Leserin Henrike von mir wissen. Die Antwort ist eindeutig.

Profilbild von Kolumne von Susan Mücke

KR-Leserin Henrike wollte wissen, ob junge Väter bereit sind, in Teilzeit zu arbeiten. Ich gebe zu: Ich tue mich bei diesem Thema ein bisschen schwer, denn ich will nicht allzu miesepetrig erscheinen. Aber die klare Antwort laut: Nein. Denn Fakt ist: Sie tun es nicht. Oder nur sehr wenige. In Deutschland arbeitet gerade einmal jeder 20. Vater in Teilzeit. Aber fast drei Viertel der Mütter.

Henrike ist 34 Jahre alt, hat im vergangenen Jahr geheiratet und plant mit ihrem Mann das erste Kind. Viele ihrer Freunde haben in letzter Zeit Nachwuchs bekommen, und sie hat Folgendes beobachtet: „Kein einziger Vater ist nach der Geburt in Teilzeit gegangen, um sich um die gemeinsamen Kinder zu kümmern. Aber sehr viele Mütter.“ Für sie selbst kommt das nicht infrage. Die promovierte Chemikerin arbeitet Vollzeit in der Industrie und erwartet von ihrem Mann, „dass wir uns das teilen. Wenn wir beide das Kind wollen, müssen wir auch gleichberechtigt verantwortlich sein. Das heißt für mich, dass nicht nur ich, wenn es sein muss, beruflich zurückstecke, sondern mein Mann gleichermaßen.“

Henrike erzählt mir, dass sie mit einem Kollegen darüber diskutiert hat, wie schnell man nach der Elternzeit wieder in den Job einsteigt. Der Kollege verteidigte die Mütter, die lange zu Hause bleiben, denn sie würden sonst „so viel verpassen“. Dass er selbst als Vollzeit arbeitender Vater ebenso viel verpasst, sei ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Henrike findet: „Gerade er als Akademiker hätte doch ebenso wie seine Frau gute Voraussetzungen, um die Arbeitszeit auf 75 bis 80 Prozent zu reduzieren.“ Henrike ärgert das. „Einerseits sagen Väter, dass sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, andererseits denken sie nicht daran, das Arbeitspensum zu reduzieren. Väter machen zwar ihre zwei Monate Elternzeit, aber mehr dann auch nicht.“

Väter arbeiten sogar häufiger Vollzeit als Männer ohne Kinder

Sämtliche Studien, liebe Henrike, bestätigen das. Nur 5,6 Prozent der Väter arbeiten Teilzeit. Und das heißt nicht, dass jeder davon auch wegen der Betreuung seiner Kinder kürzergetreten wäre. Die Gründe dafür, dass Männer in Teilzeit gehen, liegen häufig ganz woanders, sie bilden sich zum Beispiel weiter oder finden einfach keine volle Stelle. Väter arbeiten sogar häufiger Vollzeit als ihre kinderlosen Geschlechtsgenossen.

Der Blick in die Statistiken zeigt: Das Berufsleben von Vätern entwickelt sich ziemlich unabhängig vom Heranwachsen der Kinder (Das ist sehr schön in dieser Studie, PDF, S. 734ff. dargestellt.) Bei Müttern ist das Gegenteil der Fall. Es gibt auch andere Beispiele, wie ihr, liebe Krautreporter-Leser mir geschrieben habt – aber dazu gleich mehr.

 

    

Familie und Beruf lassen sich nicht vereinbaren

Auch meine persönliche Erfahrung ist, dass es mit einem oder zwei kleinen Kindern fast nicht anders geht, als dass ein Elternteil beruflich kürzertritt, selbst wenn man einen Vollzeitkitaplatz hat. Denn gerade mit kleinen Kindern sind Ausnahmen die Regel. In den ersten Kitajahren war mein Kind andauernd krank. Kaum war es einige Tage in der Kita, schon brachte es den nächsten Virus mit nach Hause. Der Rest der Familie war dann gleich mit krank. Auch Kitaschließzeiten müssen überbrückt und tausend andere Dinge im Alltag organisiert werden. (Ich frage mich manchmal, wie meine Eltern das mit uns Kindern nur hinbekommen haben, beide haben immer voll gearbeitet, mein Vater noch im Schichtdienst.)

Immerhin, je älter die Kinder werden, umso mehr Eltern arbeiten auch wieder Vollzeit, und umso mehr Mütter steigen wieder in den Beruf ein.

Zweifellos ist der Anteil der teilzeitarbeitenden Väter ein wenig gestiegen. Lag er doch vor 20 Jahren nur bei zwei Prozent. Aber dieser Anstieg passiert auf niedrigem Niveau. Einer, der damals schon dabei war, ist KR-Leser Uwe. Seine Töchter sind heute 19 und 17 Jahre alt. Er schreibt: „Ich habe nach der Geburt meiner ersten Tochter acht Monate Erziehungsurlaub genommen und anschließend elf Jahre Teilzeit gearbeitet. Es war schön, meine Kinder beim Aufwachsen begleiten zu dürfen, und ich will die mit meinen Kindern verbrachte Zeit nicht missen.“ Auch KR-Leser Bob macht Teilzeit wegen der Kinderbetreuung, seine Kinder sind zwei und sechs Jahre alt. Allerdings ist er selbständig: “Als freier Journalist kann ich mir die Zahl an Stunden einteilen und habe damit gute Erfahrungen gemacht.”

Bob und Uwe sind Ausnahmen. Die Familienarbeit leisten in der Regel die Mütter. Dabei sollte die hohe Teilzeitrate unter ihnen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch für sie nicht selbstverständlich ist, auf Karriere und Gehalt zu verzichten. Kein Arbeitgeber rollt ihnen den roten Teppich auf dem Weg in die reduzierte Arbeitszeit aus. Im Gegenteil, Angestellte in Teilzeitarbeit werden vom Arbeitgeber regelmäßig schlechter bewertet. Der Weg in Führungspositionen steht den Frauen dann kaum noch offen.

KR-Leserin Kirsten berichtet: „Ich arbeite Teilzeit, aber das bedeutet wenig Geld, kaum Aufstiegschancen. Wenig Akzeptanz bei kranken Kindern. Doch die extra Zeit ist grad am Anfang notwendig. Ehrlich gesagt arbeite ich, glaube ich, oft in meinen fünf Stunden mehr als andere in acht.“

Dabei muss Kirsten froh sein, dass sie überhaupt eine halbe Stelle hat, wie KR-Leserin Frauke, Mutter eines zweijährigen Kindes, weiß: „Ich habe unterschätzt, wie schwierig es ist, nach der Elternzeit in Teilzeit einzusteigen. Nach zwei Jahren hat sich für mich was ergeben. Die Konditionen des Arbeitgebers sind: Teilzeiteinstieg und wenn der Arbeitgeber den Vollzeit-Kindergartenplatz stellt, dann Vollzeit. Das ist für mich okay.“

Besser haben es da schon Väter und Mütter im Staatsdienst, denn sie haben einen Rechtsanspruch auf Teilzeit. „Einziges Manko“, schreibt mir eine KR-Leserin und Mutter von vier Kindern (15, 13, 10 und 4 Jahre alt), „man kann nicht unbegrenzt reduzieren, da sonst nicht mehr genug Zeit bleibt, um sich neben dem Abbau des Posteingangs und der obligatorischen Meetings der tatsächlichen Arbeit zu widmen. De facto muss ich die übliche Arbeit einfach mit weniger Zeit schaffen.“

Für Trixi, Mutter eines 10- und eines 13-Jährigen, endete der Spagat zwischen freiberuflicher Tätigkeit und der Verantwortung für die Kinder vor sieben Jahren in einem Burnout. Sie arbeitet seitdem in Teilzeit und ist „vorsichtiger in der Wahl der Projekte“, die sie annimmt.

In den Niederlanden arbeitet jeder fünfte Mann Teilzeit

Er arbeitet voll und sie halbtags – das ist das klassische Rollenbild, in dem sich die meisten Paare hierzulande nach der Geburt eines Kindes wiederfinden. Der Blick in andere europäische Länder zeigt, dass das nicht sein muss. Die höchste Männer-Teilzeitquote gibt es in den Niederlanden mit 22 Prozent, gefolgt von Schweden und Dänemark mit jeweils 12 Prozent. Deutschland liegt in der Statistik nur auf Platz 8.

Daran hat auch das neue Elterngeld Plus nicht viel geändert, das Teilzeitarbeit attraktiver machen soll. Während jede fünfte Mutter es im Jahr 2016 nutzte, lag der Anteil der Väter bei 8,2 Prozent. Die Dauer der Elternzeit erhöhte sich nur leicht auf 3,5 Monate bei Vätern und 13,3 Monate bei Müttern.

Leider ist es also tatsächlich so, wie Du, Henrike, vermutest und in Deinem Umfeld beobachtet hast: Es ist ziemlich unnormal, dass Väter ihr Arbeitspensum für die Kinderbetreuung reduzieren.


Bei der Erarbeitung des Artikels hat Theresa Bäuerlein geholfen; gegengelesen hat ihn Vera Fröhlich; das Aufmacherfoto hat Martin Gommel ausgesucht: iStock / svetikd