Über die wichtigste Entscheidung beim FIFA-Kongress spricht niemand
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Interview: Über die wichtigste Entscheidung beim FIFA-Kongress spricht niemand

Alle Medien konzentrieren sich darauf, wer zum neuen FIFA-Präsidenten gewählt wird. Viel wichtiger ist aber die Statutenänderung beim Weltfußballverband, die gleichzeitig beschlossen werden soll. Geht sie durch, wird der neue Mann an der Spitze weniger Macht haben als Sepp Blatter. Ein Interview mit Korruptionsexpertin Sylvia Schenk.

Profilbild von Dominik Ritter-Wurnig

Update: Freitag, 26.Februar 2016 18:03 Uhr

Der neue Präsident der FIFA heißt Gianni Infantino. Der Schweizer wurde mit 115 von 207 Stimmen im zweiten Wahlgang gewählt.

Update: Freitag, 26.Februar 2016 11:40 Uhr:

Gerade eben haben die Mitgliedsverbände mit einer Mehrheit von 89 Prozent die FIFA-Reformen (siehe unten) beim FIFA-Kongress in Zürich angenommen. Anti-Korruptionsexpertin Sylvia Schenk von Transparency International begrüßt in einem ersten Statement das Ergebnis: „Das klare Votum ist ein gutes Signal und zeigt in Verbindung mit dem gestern bereits vom Kontinentalverband CONCACAF beschlossenen eigenen Reformpaket, dass international im Fußball die Reformkräfte gestärkt sind.“ Nach Schweizer Recht treten die Reformen 60 Tage nach der Abstimmung in Kraft.

Verständlich erklärt, um was geht es?

Nach einer gefühlten Million Jahren bekommt die FIFA endlich einen neuen Präsidenten. Kuverts voller Bargeld, schwarze Kassen bei der WM 2006, korrupte Funktionäre oder Verhaftungen in Züricher Luxushotels – die Liste der Skandale beim Weltfußballverband ist lang. Nach dem Abtritt von Sepp Blatter und der folgenden Sperre durch die Ethikkommission ist der Weg frei für Erneuerung in der FIFA.

In diesen dunklen Sitzungsraum der FIFA soll in Zukunft mehr Transparenz einkehren.

In diesen dunklen Sitzungsraum der FIFA soll in Zukunft mehr Transparenz einkehren. Foto: FIFA

Zur Abstimmung beim FIFA-Kongress am 26. Februar in Zürich steht aber nicht nur der neue Präsident (wer die fünf Kandidaten sind, habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Jan Schneider hier aufgeschrieben), sondern auch eine umfassende Änderung der Organisationsstruktur.

Die wichtigsten Reformen zusammengefasst:

  • Dem internationalen Trend folgend gibt sich die FIFA eine Struktur angelehnt an die Aktiengesellschaft. Die Dreifaltigkeit aus Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung soll bei der FIFA Generalsekretär, Rat (engl. Council) und Kongress heißen. Statt fast alle Macht wie bisher in die Hände eines Präsidenten zu legen, soll so ein System der „checks and balances” geschaffen werden.
  • Der Präsident wird in Zukunft weniger Befugnisse haben und für den Weltverband vor allem repräsentative Aufgaben übernehmen. Auch in Zukunft wird der Präsident beim Kongress von den Mitgliedsverbänden (Ländern) gewählt.
  • Das Exekutivkomitee wird in den FIFA-Rat unbenannt und wird in Zukunft von 25 auf 36 Mitglieder anwachsen. Auf Kosten der europäischen UEFA bekommen die Kontinente prozentual mehr Stimmen. Weiterhin wählen die Kontinentalverbände ihre Vertreter im Rat.
  • Erstmals werden im FIFA-Rat auch Frauen vertreten sein. Jeder Kontinentalverband muss verpflichtend mindestens eine Frau in den Rat wählen. Wird keine Frau gewählt, bleibt ihr Platz leer.
  • Der FIFA-Rat wird gemeinsam mit dem Präsidenten die strategische Ausrichtung bestimmen und den Generalsekretär beaufsichtigen – so wie ein Aufsichtsrat.
  • Der Generalsekretär wird die geschäftsführenden und exekutiven Aufgaben übernehmen und soll die Rolle eines CEO haben. Er oder sie wird vom FIFA-Rat ernannt und entlassen.
  • Wie bei Staatsoberhäuptern wird die Amtszeit der Präsidenten und Ratsmitglieder auf dreimal vier Jahre beschränkt.
  • Die Top-Funktionäre sollen in Zukunft auf Herz und Nieren geprüft werden – auch von unabhängigen Experten.
  • In Zukunft werden jährlich die Gehälter der Spitzenfunktionäre offengelegt.

https://www.youtube.com/watch?v=P8Sxn-_RwMY

So erklärt die FIFA selbst die geplanten Reformen (auf Englisch).

Dass die Statutenänderungen angenommen werden, gilt zwar als wahrscheinlich, ist aber nicht sicher. Das FIFA-Exekutivkomitee sowie alle namhaften Player haben sich für das Paket ausgesprochen, für die Annahme ist aber eine Zustimmung von mehr als 75 Prozent der 209 Mitgliedsverbände nötig. Dort gilt weiterhin das Prinzip: ein Land, eine Stimme.


Interview mit Korruptionsexpertin Sylvia Schenk

Vor der Entscheidung des FIFA-Kongresses habe ich Sylvia Schenk zu den Reformplänen befragt. Schenk beschäftigt sich für die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International mit Sport.

1972 startete Sylvia Schenk als Läuferin bei den Olympischen Spielen, heute schaut die Juristin dem Sport auf die Finger.

1972 startete Sylvia Schenk als Läuferin bei den Olympischen Spielen, heute schaut die Juristin dem Sport auf die Finger. Foto: Transparency International

Am 26. Februar stimmen die 209 Mitgliedsverbände beim FIFA-Kongress über ein Reformpaket ab. Wenn Sie stimmberechtigt wären, würden Sie für die Reformen stimmen?

Klar, das wäre ja völlig verrückt, dem nicht zuzustimmen. Ich hätte vorher vielleicht noch den einen oder anderen Antrag gestellt, aber wahrscheinlich wäre ich damit auch unterlegen. Man kann nicht von heute auf morgen alles umkrempeln. Man muss sich einfach mal vergegenwärtigen, in welcher Gesamtsituation die FIFA in den letzten Monaten war. Für mich sind die Statutenänderungen nicht das Allerwichtigste, sondern die Frage, wie sieht es denn aus insgesamt mit der Organisationskultur. Wenn wir ein Unternehmen, eine Institution oder einen Verband grundlegend ändern wollen, hat man drei Schrauben, an denen man stellen kann. Die eine ist die Struktur, das sind konkret die Statuten. Die zweite sind die Personen. Die dritte ist die Kultur. Das ist ein Dreieck, in dem alles ineinandergreifen muss. Bis vor Kurzem ist bei den handelnden Personen zu wenig passiert. Da ist jetzt erst nach und nach durch die Ethikkommission in den letzten zwei Jahren aufgeräumt worden.

Und wie sieht es mit der Kultur aus?

Im jetzigen Reformpaket ist der erste Punkt: Führungsprinzipien. Da steht drin: Wir haben ganz große Fehler gemacht und wir können die Verantwortung auch nicht auf Einzelne schieben, sondern müssen anerkennen, dass es mit uns allen zu tun hat und dass wir grundlegend etwas ändern müssen. Da wird erstmals das Thema Kultur angesprochen, und das finde ich ganz entscheidend, dass sich das Bewusstsein ändert. Es geht um die Umsetzung und nicht einfach nur um die Statutenänderung. Das ist ein ganz wichtiger Schritt und der hat bisher gefehlt bei der FIFA.

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Wie kann so ein Kulturwechsel gelingen? Gibt es dafür Beispiele?

Das braucht Zeit. Man kann nicht sagen, ab jetzt gilt eine andere Kultur und ab morgen sind wir alle gut. Wenn Sie Unternehmen wie Daimler nehmen. Die hatten ein Korruptionsproblem, das ist jetzt bald zehn Jahre her, und die sind mit der Wertevermittlung global noch lange nicht fertig.

Die Europäische Fußballclubvereinigung ECA sagt, der FIFA-Reformprozess ist nicht in der Lage, ein „nachhaltiges Governance-Modell zu schaffen, das fit ist für das 21. Jahrhundert“. Stimmen sie dem zu?

Ich stimme dem so pauschal nicht zu. Vor allen Dingen müssten die vertretenen Clubs in ihrer eigenen Governance es genauso machen. Es ist immer gut, auf andere zu schimpfen und selber nichts zu machen. Es ist mit Sicherheit das, was da beschlossen wird, noch nicht die Endform dessen, wie man sich eine optimal aufgestellte FIFA vorstellt. Aber dafür, dass nicht so viel Zeit war, etwas vorzubereiten, und dass alles unter dem Druck eines laufenden Wahlkampfs und einer im Grunde führungslosen FIFA stand, ist das ein wichtiger erster Schritt. Aber es ist mit Sicherheit nicht das Ende des Prozesses.

Sepp Blatter, der Alleinherrscher der FIFA, ist heute ziemlich isoliert und darf nicht einmal zum Kongress, wo sein Nachfolger gewählt wird.

Sepp Blatter, der Alleinherrscher der FIFA, ist heute ziemlich isoliert und darf nicht einmal zum Kongress, wo sein Nachfolger gewählt wird. Foto: FIFA

Die Reformschritte gehen also nicht weit genug?

Man muss noch Erfahrungen sammeln. Aber was man sicher anschauen muss, ist die Größe des Exekutivkomitees, also des künftigen FIFA-Rats. Mit 36 Mitgliedern halte ich das für zu groß. Das war aber ein Kompromiss, um die Frauen unterzubringen. Dann sind noch ein paar Fragen offen, wie die Beteiligungsstrukturen von aktiven Spielern, den Klubs und so weiter. Zu erwarten, dass die FIFA nach dem angekündigten Rücktritt von Blatter führungslos alle Grundsatzfragen in einem halben oder dreiviertel Jahr klärt, das wäre einfach zu viel verlangt gewesen.

Sind die Organisation und die Struktur der FIFA ungewöhnlich – wieso gibt es gerade hier so viele Korruptionsfälle?

Überhaupt nicht, schauen Sie sich VW oder Siemens an. Vor 20 Jahren war Auslandsbestechung in Deutschland noch von den Steuern absetzbar. Das heißt, wenn ein deutsches Unternehmen bis einschließlich 1996 im Ausland einen Minister oder einen ausländischen Beamten bestochen hat, um einen Auftrag zu bekommen, hat es das in Deutschland als nützliche Aufwendung von der Steuer abgesetzt. Seit 1998 ist das strafbar. Damals hat sich die Einstellung zu Korruption grundlegend geändert. Der Sport hinkt hinterher, aber es ist nicht so, dass nur der Sport korrupt ist. Was die FIFA betrifft, ist es ein bisschen so wie beim Radsport in den 90ern und Anfang des Jahrtausends: Da haben sich alle anderen Sportarten hinter dem Radsport versteckt und gesagt, das sind die bösen Doper und wir sind sauber. Ja, Pustekuchen! Was ist denn im Handball los? Was hat denn der Handballpräsident schon 2008 für die Qualifikation der Männer in Asien für die Olympischen Spiele gemacht? Das ist nicht alleine die FIFA. Das ist am spektakulärsten, da ist am meisten Geld im Spiel. Aber was ist denn im Cricket los? Meinen Sie, Boxen ist sauber? Formel 1 und Bernie Ecclestone? Die Leichtathletik? Nichts ist per se sauber, Risiken gibt es überall.

Konkret zu den Reformschritten der FIFA: Ist es sinnvoll, den strategisch-politischen FIFA-Rat auf der einen Seite und das ausführende, managende Generalsekretariat auf der anderen Seite zu trennen?

Ja, weil wir dann endlich mal auch intern so etwas wie „checks and balances“ haben. So wie wir bei einer Aktiengesellschaft den Aufsichtsrat und den Vorstand haben. Der Aufsichtsrat kontrolliert und gibt Strategien vor. Das wirklich operative Geschäft macht der Vorstand.

In Medienberichten geht es jetzt stark darum, wer der nächste FIFA-Präsident wird. Aber ist das vielleicht gar nicht die entscheidende Frage? Hat der überhaupt noch so viel Macht?

Er hat die ersten 60 Tage noch sehr viel Macht und ich hoffe, wer auch immer gewählt wird, wird das zurückhaltend ausüben. Ansonsten hat er eigentlich weniger Macht als vorher und das ist auch gut so. Anders als bei einer AG, wo der Aufsichtsratsvorsitzende kaum in Erscheinung tritt, ist es aber bei einem internationalen Sportverband der Präsident, der die Organisation nach außen repräsentiert. Insofern ist das nicht unwichtig, wer Präsident wird. Auch hinsichtlich der Symbolwirkung: Bleibt es ein Europäer oder wird es ein asiatischer Präsident?

In Zukunft soll die Amtszeit der Präsidenten und Ratsmitglieder der FIFA beschränkt sein. Wäre so eine Regelung etwa auch bei Aktiengesellschaften sinnvoll?

Es ist zwar richtig, dass im Zweifel der Vertrag von einem Vorstand verlängert werden kann, aber jedenfalls wird nach fünf Jahren wieder geguckt. Und meistens halten sich Vorstände in Unternehmen gar nicht so lange wie Sportfunktionäre. Da mag zwar ein Eigengewächs aus der Firma intern sehr verquickt sein, aber das hilft ihm sehr wenig, weil kein Unternehmen so abgeschottet ist wie eine einzelne Sportart. Fußball, Handball, Schwimmen, egal welche Sportart Sie nehmen, ganz oft kommen die Funktionäre aus der Sportart. Beim Radsport zum Beispiel: Da weiß einer vom anderen, wer hat wann gedopt, wer hat welche Leiche im Keller. Wenn sie dann die Leiter hochfallen, hat einer den anderen in der Hand und die Abhängigkeiten bestimmen dann alles. Das ist ein Problem und deshalb wird das jetzt geändert.

Was im Fußball die Schiedsrichter sind, ist in der FIFA die Ethikkommission. Sie hat in den letzten Monaten mächtige Funktionäre wie Sepp Blatter und Michel Platini aus dem Spiel genommen.

Was im Fußball die Schiedsrichter sind, ist in der FIFA die Ethikkommission. Sie hat in den letzten Monaten mächtige Funktionäre wie Sepp Blatter und Michel Platini aus dem Spiel genommen. Foto: FIFA

Nach der Vergabe der Weltmeisterschaften an Katar und Russland wurde der Entscheidungsmodus geändert. Jetzt entscheidet nicht mehr das 25-köpfige Exekutivkomitee, sondern die 209 Mitgliedsländer beim FIFA-Kongress über das Ausrichterland der Weltmeisterschaften. Ist ein größerer Entscheiderkreis generell weniger anfällig für Korruption als ein kleiner?

Nein, das hat man ja gesehen beim Salt-Lake-City-Skandal im IOC, da haben über 100 Personen entschieden. Das alleine sagt noch gar nichts, es kommt immer auf die Struktur des Entscheidungsprozesses und die Ausschreibungskriterien an. Insofern muss die FIFA auch dafür noch klare Vorgaben machen. Aber da sind sie auch dran für die Ausschreibung des FIFA World Cup 2026 .

Was können die Leumund-Checks (integrity checks) bewirken? Lässt sich so verhindern, dass Personen wie der mittlerweile angeklagte Jack Warner vertreten sind?

Jack Warner würde heute nicht mehr in das FIFA-Exekutivkomitee reinkommen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Warner auch schon Dreck am Stecken hatte, als er das erste Mal gewählt wurde. Ein „integrity check“ hat immer nur begrenzte Möglichkeiten. Wenn jemand heimlich schon mal ganz korrupt war, aber das bisher noch nicht öffentlich geworden ist, dann kriegen sie das mit dem „integrity check“ auch nicht raus. Mit dem „integrity check“ können sie eine gewisse Hemmschwelle aufbauen und durch die Ankündigung hoffen, dass jemand aus dem Umfeld einen Hinweis auf Fehlverhalten gibt. Der Check kann in etlichen Fällen helfen, aber er ist kein Allheilmittel.

Robin van Persie fliegt dem Torerfolg entgegen.

Robin van Persie fliegt dem Torerfolg entgegen. Foto: FIFA

Welcher der fünf Kandidaten zum FIFA-Präsidenten wäre aus Ihrer Sicht die beste Wahl?

Es ist kein Traumkandidat dabei. Jeder hat Vor- und Nachteile. Wichtig ist, dass es jemand wird, der durchsetzungsstark ist und der nicht nur sagt, was er machen will, sondern auch schafft, das durchzusetzen. Und auch, dass von der Signalwirkung deutlich wird, was von der FIFA künftig zu erwarten ist bei den anstehenden Weltmeisterschaften sowie beim Eintreten für die Menschenrechte und Arbeitsrechte.

Spannend wird auch, ob es wieder Verhaftungen gibt rund um den Kongress in Zürich oder ob einer der Kandidaten noch aus dem Rennen ausscheidet?

Oder, was passiert, wenn Blatter auftaucht. Sie werden ihn ja nicht von der Polizei abführen lassen oder so etwas. Was ist, wenn er davorsteht und etliche Delegierte sagen, schön dich zu sehen, komm mit rein. Was macht denn dann das Personal, das ist nicht einfach. Das Problem ist, will man eine Aufbruchsstimmung und einen guten Start in die Zukunft? Dann muss man schauen, dass die Versammlung ruhig vonstattengeht. Aber wenn es dort in irgendeiner Form zum Streit oder zu unschönen Szenen kommt, weil einige sagen: Mensch, der Blatter hat durchaus viel für den Sport getan, jetzt wollen wir ihm anständig Auf Wiedersehen sagen. Dann kann das alles andere überlagern, dann wäre das auch nicht hilfreich. Deshalb hoffe ich, dass die irgendwie noch die richtige Regie für all das finden.

In zwei Jahren wird hier ein Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft gespielt werden. Noch ist das Stadion in der russischen Stadt Samara eine Baustelle.

In zwei Jahren wird hier ein Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft gespielt werden. Noch ist das Stadion in der russischen Stadt Samara eine Baustelle. Foto: Vladimir Sverkalov/FIFA

Sollten die Sponsoren aktiver sein, um die FIFA transparenter und weniger korruptionsanfällig zu machen?

Die US-Sponsoren und Adidas haben schon versucht, Einfluss zu nehmen und sind im permanenten Austausch mit der FIFA. Nicht nur wegen Korruption, sondern auch Menschenrechte sind für die ein großes Thema. Da läuft einiges und ich denke, dass damit auch schon eine Basis geschaffen ist, für das, was dann mit dem neuen Präsidenten offiziell in Gang gesetzt werden kann. Man muss einfach sehen, die FIFA ist seit über einem Jahr führungslos. Der Wahlkampf hat irgendwann nach der WM 2014 begonnen, dann war die Frage, tritt Platini an. Dann Ali gegen Blatter. Dann ist Blatter gewählt, dann kündigt er seinen Rücktritt an, dann wird er suspendiert. Da ist im Grunde seit anderthalb Jahren keine Führung. Das ist ein Teil des Problems. Aber die Sponsoren werden da auch nicht lockerlassen.

https://www.youtube.com/watch?v=zcBisRiwTr0

Trotz aller Skandale wird aber auch die nächste Männerfußballweltmeisterschaft die Massen elektrisieren (im Video zusammengefasst vom amerikanischen Sportsender ESPN): 2018 in Russland und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 2022 in Katar.

Gerade bei der Vergabe der Weltmeisterschaft an Katar gibt es viele Ungereimtheiten. Sollte die Weltmeisterschaft neu vergeben werden?

Das halte ich alleine rechtlich für ausgeschlossen. Korruption ist zudem bisher noch nicht nachgewiesen. Um überhaupt zu einer Neuausschreibung oder zunächst nur zur Wegnahme des Turniers zu kommen, müsste man Korruption nachweisen und in einem gerichtlichen Verfahren zu einer Aufhebung der Verträge kommen. So etwas dauert in der Schweiz bis zu zehn Jahre. Wir haben 2016 und das Turnier ist 2022 und bis heute liegen nicht einmal die Fakten für Korruption auf dem Tisch. Eine Neuvergabe ist völlig illusorisch. Von daher: Die WM in Katar wird stattfinden.

Für die Situation der Migrantenarbeiter wäre es auch wichtig, dass die WM nicht verlegt wird. Es wird sich nur etwas an deren Situation ändern, wenn weiterhin die ganze Aufmerksamkeit auf Katar gerichtet und somit internationaler Druck möglich ist. Wenn die WM nicht dorthin vergeben worden wäre, hätte sich ja kein Mensch darum gekümmert, denn die Probleme mit den Migrantenarbeitern gab es schon vorher.


Aufmacherbild: Eines der Ziele der FIFA-Reformen ist die Stärkung des Frauenfußballs: Torhüterinnen beim Training in Teheran; Fotograf: Amin Jamali/FIFA.