Wenn in Syrien nicht mehr der Schlächter Baschar al-Assad regiert und die ersten Flüchtlingskinder in Deutschland Abitur machen, wenn die Polkappen wieder wachsen und Finanznachrichten aus den Schlagzeilen verschwinden, wenn ein Raumschiff auf dem Weg zum Mars ist und Forscher den Krebs besiegt haben – dann werden die Regierungen der Atomwaffenstaaten noch immer über das Schicksal der Menschheit richten können, als wären sie ferne Götter und keine Menschen wie du und ich.
Die Bürger der Erde müssen die Atomwaffenstaaten entwaffnen.
Das haben viele kluge, mutige Frauen und Männer schon früh begriffen. Sie kämpfen seit Jahrzehnten gegen Atomwaffen, haben die besten Jahre ihres Lebens in diesen Kampf gesteckt. Aus Amerika hört man Geschichten von zornigen Nonnen, die lieber mit achtzig Jahren ins Gefängnis gehen, als nicht mehr zu protestieren. Und in Deutschland protestieren sie noch immer jedes Jahr vor den Toren des Fliegerhorsts in Büchel, in dem die US-Atombomben liegen. Aber es wird nicht die alte Friedensbewegung allein sein, die diesen Kampf gewinnt. Sie wird die Hilfe der neuen Anti-Atomwaffen-Generation brauchen.
Sklavenhalter legen ihre Peitsche nicht freiwillig nieder
Denn diese hat andere Methoden, sie ist jünger, effizienter, professioneller, vielleicht auch ein bisschen langweiliger. Ihr Kampf ist deswegen aber nicht weniger wert. Diese neue Generation sitzt in Genf, Oslo und Wien und sie beweist gerade, dass der Kampf gegen Atomwaffen nicht so aussichtslos ist, wie die meisten Menschen denken. Diese Generation hat radikal die Strategie gewechselt. Sie will Atomwaffen nicht mehr einfach schrittweise abrüsten, sie will sie verbieten. Sie wissen, dass die Sklavenhalter nicht freiwillig ihre Peitsche niederlegen werden. Bei Konferenzen in Oslo, Nayarit und Wien hat diese neue Bewegung einfach aufgehört zu reden wie die Kalten Krieger, hat nicht mehr von Bomberflotten, Basen und U-Booten schwadroniert, sondern den Tod heraufbeschworen, den Atomwaffen bringen.
Mit ihren Simulationen und Gedankenspielen hat sie gezeigt, dass selbst die reichsten, klügsten und mächtigsten Gesellschaften der Erde der Strahlenkatastrophe ausgeliefert wären. Nicht das Rote Kreuz, nicht die Vereinten Nationen, keine Organisation dieser Erde wäre in der Lage, adäquate Nothilfe zu leisten, wenn die Bombe fällt. Menschen, die die Explosion überleben, sterben, weil die Mediziner längst versehrt oder tot neben ihnen liegen und die Krankenhäuser nur noch Schutt und Asche wären.
Die Skeptiker fragen, woher der politische Wille kommen sollte für die Abschaffung? 114 Nationen haben sich schon im „Austrian Pledge“ verpflichtet, für ein Verbot zu kämpfen.
Die entscheidende Frage ist: Wozu brauchen wir diese Waffen?
Die Skeptiker spötteln auch, dass eine Abschaffung doch eher unwahrscheinlich sei, wenn die Atommächte gerade Milliarden in die Modernisierung ihrer Waffen stecken. Die Menschheit wird diese Waffen nicht innerhalb der nächsten 20 Jahre los. Aber vielleicht innerhalb der nächsten 50 Jahre. Wenn dann eine Generation regiert, die nicht mehr versteht, wozu die Fähigkeit gut ist, ganze Länder mit diesen Bomben zu planieren, wenn es doch reicht, einen ausgefuchsten Virus in die Anlagen des Gegners einzuschleusen, der schneller seine Ziele erreicht. Denn auf eines sollte die Menschheit nicht hoffen: Dass sie sich ändern kann. Sie wird sich weiter bewaffnen und umbringen und ermorden. Die Frage ist nur: mit welchen Waffen. Wir sollten nicht darauf vertrauen, dass wir nochmal so viel Glück haben wie in den vergangenen 70 Jahren, in denen nur der Zufall und der wache Verstand unbekannter und bekannter Helden eine Atombombenexplosion verhindert haben.
Und die Skeptiker triumphieren: Diesen Geist bekommt ihr nicht mehr in die Flasche. Die Technologie sei da und könne nicht vergessen werden. Als ob die entscheidende Frage wäre, wie wir den Geist wieder zurück in die Flasche kriegen! Die entscheidende Frage ist eine andere: Wozu brauchen wir diese Waffen?
Die Weltgemeinschaft braucht ein Signal: Großbritannien soll seine Waffen als erste Atommacht verschrotten
Der Ausstieg beginnt, wenn noch mehr Menschen einsehen, dass diese Waffen keinen Zweck erfüllen. Danach muss die Bewegung alle Kraft investieren, um einen Atomwaffenstaat dazu zu bringen, seine Waffen aufzugeben. Die Weltgemeinschaft braucht dieses Signal. Großbritannien bietet sich hier an. Dann begänne der schwierigste Teil: globale Verhandlungen über eine atomwaffenfreie Welt. Weniger schwierig wäre es, diesen Vertrag zu formulieren. Da gibt es Vorlagen. Schwieriger wäre es, das nötige Vertrauen zu schaffen, um diesen Vertrag auch zu unterschreiben.
Aber die Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm haben gezeigt, dass selbst diese Hürde überwunden werden kann, wenn nicht Fundamentalisten das Zepter führen, sondern Realisten und Pragmatiker, die nur das Beste ihrer Bürger und ja auch ihres Staates im Sinn haben. Denn was ist sicherer? Sich gegenseitig mit der Ermordung von Millionen Menschen drohen zu können, in der Hoffnung, dass die Drohung wirkt und kein anderer der Geiselnehmer unvernünftig wird? Oder die Waffen abzuschaffen, und zwar alle?
Illustration: Veronika Neubauer.
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