An einem kalten Januartag im Jahr 1980 steht ein Mann auf einer Müllkippe irgendwo in Minnesota. In der Hand eine Schaufel, blickt er sich suchend um. Er sieht – natürlich – Müll. Viel Müll. Dazu ein paar Journalisten, die wiederum ungeduldig auf ihn schauen. Der Wind weht stark, der Geruch von Verwesung steigt in seine Nase. Unter seinen Schuhen knirscht der Abfall, zumindest der, der gefroren ist. Der ungefrorene fliegt ihm ins Gesicht. Ralph Anspach, ist 53 Jahre alt und Professor für Wirtschaftswissenschaft aus Kalifornien. 3.000 Kilometer weit ist er geflogen, um auf dieser Müllhalde zu graben. Ralph Anspach sucht etwas Wertvolles: seine Brettspiele.
Würde ein Film mit dieser Einstiegsszene anfangen, man dächte an einen Thriller von David Lynch, ein Frühwerk von Wim Wenders, womöglich auch an eine Sergio-Leone-Parodie von Filmhochschülern. Aber die Szene auf der Müllkippe in Minnesota ist keinem Film entnommen, sondern einem Buch. Und sie ist wahr. Die junge US-Journalistin Mary Pilon erzählt in ihrem fulminanten Werk „The Monopolists“ die Geschichte des Brettspiels Monopoly. Eine Story voller Intrigen und Geschacher, mit Ausverkäufen und Bankrotten, mit gutmütigen Betrügern, Showdowns vor Gericht und einer Antikapitalistin, die der Welt den Raubtierkapitalismus lehrt. Die Geschichte von Monopoly ist spannender als das Spiel selbst. Nur dass in der echten Geschichte am Ende nicht der Reichste gewinnt. Aber von vorn.
Wenn je etwas die Leute vom Monopoly-Spielen abhielt, dann die epische Länge. Monopoly ist das „Schlag den Raab“ des 20. Jahrhunderts. Einmal über LOS, und der Abend ist verplant. Kaufen, bauen, Hypotheken aufnehmen, handeln, bankrottgehen, Schluss – oft dauert das drei, vier Stunden. Jonny Nexus, ein Spiele-Blogger aus Brighton, fragte sich im Jahr 2005, warum das eigentlich so ist. Also schlug er in den amtlichen Regeln nach und schrieb die Antwort auf sein Blog. Der Post bewegte die Welt: Plötzlich rief die BBC bei Nexus an. Auch das Time Magazine schrieb über ihn, die Huffington Post und Fox News berichteten.
Wir haben es immer falsch gespielt, hatte Nexus auf seinem Blog erklärt. „You just have to read the fucking rules.“ Dort steht nämlich: „Landen Sie auf einem unverkauften Grundstück, so haben Sie die erste Chance, es zu kaufen. Wenn Sie das Grundstück nicht kaufen, wird es versteigert.“ Versteigern statt weiterziehen: So gehandhabt, dauert Monopoly nie mehr als zwei Stunden. Die Frage ist nur: Warum spielten es Generationen falsch?
Die Antwort hat etwas mit einer Frau namens Lizzie Magie zu tun. Im März des Jahres 1903 meldet Magie im US Patent Office in Washington, D. C. ein Patent an. Das heißt, sie versucht es, denn die 36-Jährige mit den schwarzen Locken ist eine Frau, und Frauen traut man damals auch in den USA nicht zu, einen Wahlschein anzukreuzen, geschweige denn ein Patent anzumelden.
Wie so viele Frauen ihrer Zeit hat Magie mehr Ideen als Möglichkeiten. Magie darf nicht nur nicht wählen, sie darf auch nicht studieren. Zum Ausgleich spielt sie Theater, schreibt Lyrik, gibt kostenlose Vorlesungen in Wirtschaftskunde. Die unverheiratete Magie träumt von einer besseren Welt, für sich und ihre Umwelt. Ihre Arbeit als Stenografin ist für sie mehr Beruf als Berufung. Also erfindet sie nebenher ein Spiel.
„Monopoly“ existiert damals noch nicht. Monopole gibt es dafür umso mehr. John D. Rockefeller und J. Pierpont Morgan gehören um 1900 zu den reichsten Männern der Welt. Ihre Firmen Standard Oil und US Steel beherrschen den US-Markt für Öl und Stahl, zu Hochzeiten mit rund 90 Prozent. Doch allem Aufschwung zum Trotz ist Armut in den USA damals weit verbreitet.
Lizzie Magie hängt deshalb einer Lehre an, die sich „Single Tax“ oder auch Georgismus nennt, nach ihrem Erfinder, dem Ökonomen Henry George. Laut George sollte es nur eine einzige Steuer geben, und zwar auf Land. Alles andere, was der Mensch herstellt oder tut, dürfe man nicht einer staatlichen Abgabe belegen. Nur das, was man in der Natur vorfinde. So wollte George die Landbesitz-Monopole zerschlagen, die Ursache aller Armut, wie er glaubte.
Magie, die überzeugte Single-Tax-Aktivistin, will mit ihrem Spiel der Menschheit diese Idee nahebringen. „The Landlord’s Game“ nennt sie es. Mit „Das Großgrundbesitzer-Spiel“ könnte man es vielleicht am besten übersetzen. Magie entwirft ein rechteckiges Spielfeld. Eine der größten Flächen darauf gehört einem ominösen „Lord Blaublut“, einem Monopolisten. Wer es passiert, muss ins Gefängnis. Auch ansonsten klingt das Spielprinzip vertraut: Man kann Straßen, Bahnhöfe und Wasserwerke kaufen, Miete nehmen, muss Zinsen und Steuern zahlen, etwa auf Brot und Kleidung. Wer zu arm wird, geht ins „Armenhaus“ und wird von seinen Mitspielern unterstützt. Gewonnen hat, wer am meisten Wohlstand angehäuft hat.
Doch Magie entwirft auch noch eine zweite Spielvariante: Einer muss alles gewinnen, die anderen gehen bankrott. Wer ein Monopol erschafft, gewinnt. Magies Logik war so bestechend wie gutgläubig: Wenn Kinder das Spiel spielen und merken, wie gierig sie dabei werden, machen sie es als Erwachsene besser.
Lizzie Magies Spiel wird, als es 1904 patentiert wird, ein Erfolg. „The Landlord’s Game“ wird vor allem an der Ostküste der USA gern gespielt – und noch lieber für den Privatgebrauch kopiert. Ausgerechnet in den Kreisen, in denen das Spiel zirkuliert – bei Quäkern, Sozialisten, Utopisten – gilt Privateigentum nicht viel. Auch geistiges Eigentum nicht. Magies Patent erweist sich daher als nutzlos. Durch Kopien von Kopien geht bald das Wissen verloren, wer das Spiel eigentlich erfunden hat. Die Regeln werden hier und dort variiert, bald kann man Häuser und Hotels bauen.
Besonders beliebt ist es in Atlantic City, dem Las Vegas der Ostküste, Heimat Dutzender Hotels und Casinos, in denen Alkohol in Kaffeetassen serviert wird. Noch gilt die Prohibition. Dort entsteht eine Monopoly-Ausgabe mit den Straßennamen von Atlantic City. Die wichtigste Straße der Stadt, der hölzerne Boardwalk am Atlantik, wird später die teuerste Straße auf dem Monopoly-Brett. Dreißig Jahre lang verbreiten sich solche Kopien von „The Landlord’s Game“, das längst keiner mehr so nennt. Die meisten kennen es unter dem Begriff, der sich mit dem Spielziel deckt: „Monopoly“.
Auch Charles Darrow in Germantown, Pennsylvania, lernt das Spiel Anfang der 1930er kennen. Darrow, ein Heizungsvertreter, ist durch die Große Depression arbeitslos geworden. Seine Familie kann er kaum noch versorgen. Einer seiner beiden Söhne war zuvor an Scharlach erkrankt, nun ist er geistig behindert. Doch für eine Förderschule braucht Darrow Geld.
An einem Abend im Jahr 1932 besucht ein befreundetes Ehepaar die Darrows und bringt ein Spiel mit, das sie „Monopoly“ nennen. Darrow ist begeistert. Um ihm eine Freude zu machen, basteln ihm seine Freunde eine eigene Kopie des Spiels. Darrow fragt nach den geschriebenen Regeln.
Einige Monate später liegt ein Spielfeld auf dem Schreibtisch der Spielefirma Parker Brothers. Absender: Charles Darrow, Germantown, Pennsylvania. Darrow präsentiert in einem Brief seine Idee eines Brettspiels, mit Straßen, Bahnhöfen, Frei Parken und Miete zahlen. Gewinner ist, wer andere in den Bankrott treibt. Er nennt seine Erfindung: „Monopoly“.
Parker Brothers, die Spielefirma, ächzt zu dieser Zeit unter der Großen Depression. Eine Spielidee wie Monopoly kommt da gerade recht. Nach anfänglichem Zögern nehmen sie das Spiel in ihr Programm auf – mit Erfolg. „Monopoly“ verkauft sich millionenfach.
Um sich abzusichern, rechtlich und auch wirtschaftlich, versucht Parker Brothers, alle Spiele, die Monopoly ähneln, aufzukaufen. Eines Tages steht auch ein Vertreter bei Lizzie Magie vor der Tür, mittlerweile eine ältere Frau. Lizzie Magie weiß zu dieser Zeit nichts vom Eigenleben ihres Landlord-Spiels, nichts von den kopierten Monopolys. Parker Brothers bietet ihr 500 Dollar für die Lizenzrechte an „The Landlord’s Game“, ohne Tantiemen, aber mit der Zusage, das Spiel ins Programm aufzunehmen. Magie hält das für ein gutes Angebot. Sie willigt ein.
Parker Brothers hält nun auf „Monopoly“ ein Monopol.
Vierzig Jahre später, Lizzie Magie und Charles Darrow sind schon tot, ist „Monopoly“ längst ein Klassiker. Doch auch Monopole gibt es weiterhin. Und wie immer, wenn Monopole der Wirtschaft schaden, kommt Monopoly ins Spiel.
Im Jahr 1973 zwingt die Ölkrise die USA in die Knie. Das Quasi-Monopol der OPEC-Staaten lässt die Spritpreise auf ein Mehrfaches steigen. Im Land des unbegrenzten Treibstoffvorrats wird die Benzinausgabe eingeschränkt. Autos mit geradem Kennzeichen dürfen nur an bestimmten Tagen tanken, Autos mit ungeradem Kennzeichen an den anderen.
Ralph Anspach – der Mann von der eingangs erwähnten Müllkippe – lehrt zu dieser Zeit Wirtschaft an der Universität von San Francisco. Kalifornien ist damals Keimzelle des amerikanischen Widerstands gegen den Vietnamkrieg, Heimstatt für Hippies, Technikfreaks und Linke aller Art. Menschen wie Ralph Anspach: Pfeifenraucher, Cordsakkoträger, Vater zweier Kinder.
Könnte man nicht diese elenden Kartelle zerschlagen, fragt er sich. Und könnte man diese Idee nicht durch ein Brettspiel vermitteln? Anspach hat in jenem Herbst 1973 dieselbe Idee wie einst Lizzie Magie 70 Jahre vor ihm. Aber Monopoly ist zu dieser Zeit ja schon ein Klassiker, und um Monopole geht es ihm eigentlich nicht. Im Gegenteil. Er nennt seine Erfindung deshalb: Anti-Monopoly.
Sein Sohn malt die Spielkarten, Anspach entwirft die Regeln. Das Spielprinzip von Monopoly stellt er auf den Kopf. Es geht nicht darum, ein Monopol aufzubauen, sondern darum, eines zu zerschlagen. Wo Monopoly aufhört, beginnt Anti-Monopoly. Punkte gewinnt, wer auf ein Feld kommt und eine Klage an diesen Großkonzern schicken darf. Anspach, ganz Professor, doziert in der Spielanleitung über die Schädlichkeit von Monopolen, spricht von uralten Anti-Kartellgesetzen, die kein Mensch mehr kennt. Auf eine der Spielkarten schreibt er: „Ihnen wurde ein Anwalt zur Seite gestellt. Sie müssen jetzt nicht mehr vor Gericht, wenn Sie dazu aufgefordert werden.“ Man hätte sich nicht gewundert, wenn die Spielfiguren Cordsakkos getragen hätten.
In der Ära der amerikanischen Spät-68er trifft Anspachs Spiel einen Nerv. 200.000 Exemplare verkaufen die Anspachs allein im ersten Jahr. Monopoly war bei Sozialisten beliebt, Anti-Monopoly spricht vor allem Wirtschaftswissenschaftler an.
Es dauert kein Jahr, bis Anspach Post von Parker Brothers bekommt. Ein Anwalt verlangt von Anspach, auf den Namen „Anti-Monopoly“ zu verzichten. Täte er das nicht, würde er ihre Markenrechte verletzen. Es sei ja wohl offenkundig, dass er sich an der Popularität von Monopoly bereichere.
Anspach hält das für Unsinn. Er macht weiter – und wird verklagt. Das erste Verfahren endet zugunsten von Parker Brothers. Die Firma erreicht eine gerichtliche Verfügung. Im Gefühl des Triumphes lässt sich die Firma 37.000 Spiele von „Anti-Monopoly“ liefern, zerstört und vergräbt sie auf einer Müllkippe – ebenjener in Minnesota. Anspach geht in Revision. Doch um gegen einen milliardenschweren Konzern anzutreten, reicht selbst Anspachs Professorengehalt nicht. Also tut Anspach das, was man macht, wenn einem das Geld ausgeht: Er nimmt eine Hypothek auf. Dann noch eine. Und noch eine. Es sieht so aus, als schlittere Anspach in den Bankrott, finanziell und privat. Denn was Spiele angeht, versteht Parker Brothers keinen Spaß.
Wer das Spiel „Monopoly“ damals kauft, bekommt mit Brett und Figuren auch einen Zettel mitgeliefert: die offizielle Geschichte von Monopoly. Jedenfalls das, was Parker Brothers dafür hielt. Die Legende geht so: Der arbeitslose Heizungsvertreter Charles Darrow sucht zu Zeiten der Großen Depression etwas, um seine Familie zu ernähren. Eines Tages hat er eine Eingebung. Er geht in seinen Keller und fängt an zu basteln. Häuser und Karten schneidet er aus Holzresten und Karton, das Spielfeld malt er auf das runde Tischtuch. Er unterteilt das Feld in Straßen und benennt sie nach echten Straßen in Atlantic City. Darrow schickt das Spiel an Parker Brothers – und wird abgewiesen. Doch er bleibt hartnäckig, überzeugt im zweiten Anlauf und wird mit seiner Erfindung namens „Monopoly“ steinreich.
Die Geschichte ist großartig, eine Parabel des amerikanischen Traums. Monopoly, das Spiel, das reich macht.
Und wenn sie nicht wahr ist, so war sie doch gut erfunden.
Um sich vor Gericht verteidigen zu können, sucht Anspach Zeugen. Menschen, die Monopoly schon vor 1935 kannten und spielten. Er muss beweisen, dass der Begriff „Monopoly“ schon seit Jahren Gemeingut war. Und dass das Spiel landauf, landab gespielt wurde, bevor Darrow behauptete, es erfunden zu haben. Anspach reist quer durch die USA, fliegt von Kalifornien aus an die Ostküste und zurück und wieder hin und wieder zurück. So lange, bis er seine Anwälte nicht mehr bezahlen kann. Auch das zweite Verfahren geht für Anspach verloren.
Anspach erhält schließlich einen Tipp, der ihn nach Pennsylvania führt. Das Ehepaar Todd behauptet, in den Dreißigern mit Charles Darrow und seiner Frau befreundet gewesen zu sein.
Die Todds berichten, sie hätten das Spiel von anderen gelernt und kopiert, und eines Abends hätten sie es dem Ehepaar Darrow beigebracht. Charles Darrow sei begeistert gewesen. Natürlich könnten sie ihm, Anspach, ihr Monopoly-Spiel auch zeigen.
Anspach weiß, wonach er suchen muss. In der rechten oberen Ecke der Parker-Brothers-Monopoly-Spiele, gleich neben dem Gefängnisfeld, befindet sich die Straße „Marvin Gardens“, benannt nach einem Vorort von Atlantic City. Im Deutschen entspricht sie der Berliner Straße. Es gibt aber bei Atlantic City keine Vorstadt mit dem Namen Marvin Gardens. Sie heißt Marven Gardens, mit „e“. Darrow hatte stets behauptet, er habe die Straße falsch geschrieben, als er das Spielfeld erfand.
Nun sieht sich Anspach das Spielfeld der Todds an. Nicht nur, dass es Darrows „Monopoly“ außerordentlich ähnlich sieht. Rechts oben in der Ecke steht auch: „Marvin Gardens“. Anspach hat den Beweis gefunden. Charles Darrow hatte den Schreibfehler von einer Vorgängerversion übernommen, Monopoly hatte den Schreibfehler nachgedruckt, und jetzt war er millionenfach in der Welt. Bis heute übrigens. Von wenigen Änderungen abgesehen, hatte Darrow das ganze Spiel schlichtweg kopiert, ein Spiel, das wiederum auf Magies „The Landlord’s Game“ beruhte – und genau das Gegenteil beabsichtigte.
Wirtschaftswissenschaftlich gesehen, hatte sich Darrow etwas, was zum Gemeingut gehört, angeeignet und zu Geld gemacht. Er hatte gewissermaßen Monopoly monopolisiert. Auf seine Weise war Charles Darrow der vielleicht beste Monopoly-Spieler aller Zeiten.
Wenn nun aber das Spiel schon Gemeingut war, bevor Parkers Brothers es für sich lizenziert hatten, gab es auch keinen Anspruch auf rechtlichen Schutz des Namens. Anti-Monopoly durfte auch weiterhin Anti-Monopoly heißen. Anspach hatte gewonnen, das wusste er, und wenig später wusste es schließlich auch Parker Brothers. Der Oberste Gerichtshof der USA nahm die erneute Klage gar nicht erst an.
Und so kommt es, dass Anspach voller Hoffnung im Winter 1980 auf einer Müllkippe steht und bibbert. 37.000 seiner Anti-Monopolys, nach drei Jahren halb verrottet, will er wieder ausbuddeln, ein Zeichen setzen gegen das Großkapital mit seinen Anwaltsarmeen, gegen die Monopolisten von Parker Brothers. Anspach sucht und sucht nach seinen Brettspielen. Nach einiger Zeit fahren die Journalisten gelangweilt nach Hause. Nach sechs Stunden kommen Wachleute. Anspach möge bitte gehen. Was er dann auch tut.
Ralph Anspach lebt auch heute noch von den Einnahmen aus seinem Anti-Monopoly.
Charles Darrow wurde mit Monopoly ein reicher Mann. Und Parker Brothers?
Noch heute verbreitet Hasbro, zu dem Parker Brothers heute gehört, die Story vom arbeitslosen Darrow, der mit dem Spiel zum Millionär wurde. Der Absatz über Lizzie Magie ist mit „Die Mutter von Monopoly?“ überschrieben. Der offiziellen Firmengeschichte ist sie also gerade mal ein Fragezeichen wert.
Schlimmer ist da schon die Nacherzählung der Causa Anspach. Der nämlich hätte sich laut Hasbro einst „wegen Missbrauchs des Monopoly-Warenzeichens vor Gericht verantworten“ müssen. „Missbrauch des Monopoly-Warenzeichens“: Ja, so kann man das natürlich formulieren, wenn man das Spiel mit der Realität verwechselt und an seinem Narrativ-Monopol festhalten will, bis alle anderen bankrott sind. Kein Wort von Anspachs Freispruch. Kein Wort davon, dass es Anspach war, der die Geschichte erst offenlegte, Anspach, dessen Ehe über der Belastung von zehn Jahren Rechtsstreit und einer Schlossallee voll Schulden in die Brüche ging.
Heute, 111 Jahre nach seiner Erfindung, ist Monopoly eines der meistverkauften Brettspiele der Geschichte. Trivial Pursuit ist was für Streber, Mastermind für Nerds, Twister für lahme WG-Partys. Monopoly aber ist für alle. Das jedenfalls lässt sich aus den Zahlen schließen, die Hasbro, der heutige Hersteller, verkündet: 275 Millionen Ausgaben von Monopoly wurden bisher verkauft, in 111 Länder und 43 Sprachen „einschließlich Kroatisch“, wie die Hasbro-Seite früher stolz verkündete (warum auch immer). Darunter nicht nur die klassischen Ausgaben mit Rennwagen, Bügeleisen und Zylinder als Spielsteinen. Sondern auch all die Sondereditionen und Lokalausgaben, Monopolys für den 1. FC Köln etwa, für James Bond und für Garmisch-Partenkirchen, für die Bahamas und den „Fluch der Karibik“. Die nichtlizenzierten eingeschlossen, soll es angeblich 2.769 Versionen weltweit geben. Und als jüngst die erste afrikanische Edition veröffentlicht wurde, „Monopoly Lagos“, für eine der teuersten Städte der Welt, da besann man sich wieder der Volkspädagogik einer Lizzie Magie. „Du hast versucht, einen Polizisten zu bestechen“, liest man da auf einer Ereigniskarte, „zahle eine Strafe.“
Bleibt nur noch die Frage, warum Monopoly über Generationen falsch gespielt wurde. Verantwortlich ist wohl eine der größten Triebfedern der menschlichen Evolution/der Menschheitsgeschichte: besorgte Eltern. Was würde denn passieren, wenn man eine Straße versteigerte? Jonny Nexus, der Spieleblogger, hat eine Vermutung: Würde nicht Kind eins maulen, Kind zwei lautstark jubeln und Kind drei einfach auf Vorrat losweinen? Vermutlich.
Weil sie also ihre Kinder für zu gute Kapitalisten hielten, haben besorgte Eltern irgendwann die Hausregeln eingeführt. Sie haben aus dem Spiel genommen, was einen guten Monopolisten ausmacht, die Habgier, die Zwietracht, den Neid. Was ja auch etwas über die Menschen sagt, die da überall auf der Welt Monopoly spielen. Lizzie Magie hätte es sicher gefallen.
Mary Pilon, The Monopolists. Obsession, Fury, and the Scandal Behind the World’s Favorite Board.
Bildredaktion: Martin Gommel. Aufmacher: iStock / mattjeacock
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Der Text wurde gesprochen von Juliane Neubauer von detektor.fm