Erst Zölle, dann noch höhere Zölle, auf 90 Länder und, was solls, auch auf unbewohnte Inseln. Niemals wird er diese Zölle zurücknehmen. Immerhin geht es um die Existenz der USA! Eine Woche später pausiert er genau diese Zölle teilweise. Dann heißt es: Trump ist ein Dealmaker, deshalb verhandelt er jetzt. Außer mit China, die bekommen noch viel höhere Zölle. Dann doch Ausnahmen bei chinesischer Elektronik, aber nur kurzfristig.
Ungefähr so lässt sich Trumps Zollpolitik der vergangenen Wochen zusammenfassen. Wenn Großbritannien seine Haltung zum Brexit so oft geändert hätte wie Trump die Zollraten, wäre das Land heute vermutlich wieder Schengen-Mitglied – aber nur dienstags.
Viele Medien und USA-Beobachter:innen versuchen, in diesen chaotischen Entscheidungen eine Logik zu entdecken und vermuten einen größeren Plan. Auch KR-Mitglieder, die mir für diesen Text ihre Fragen zu Trumps Wirtschaftspolitik schickten, wollten wissen: Lässt sich Trumps Vorgehen mit einer Strategie erklären?
Es gibt verschiedene Ansätze, um Trumps Zollpolitik zu deuten, vier davon schaue ich in diesem Text genauer an. Ich zeige, inwiefern sie eine Logik hinter Trumps Handeln offenbaren und damit erklären, warum er bereit ist, die globale Wirtschaftsordnung zu zerstören.
1. Das ist alles Teil von Trumps genialer Verhandlungsstrategie
Selbst Menschen, die Trump nicht mögen, glauben manchmal daran, dass er ein großartiger Dealmaker ist. Wer viel fordert, bekommt eben auch viel – und Trump fordert mehr, als sich jeder andere US-Präsident vor ihm getraut hätte.
Auf diese Erzählung griff US-Finanzminister Scott Bessent zurück, nachdem Trump auf seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“ eine 90-tägige Pause vieler Zölle ankündigte, die er erst eine Woche zuvor angekündigt hatte. Bessent sagte, die hohen Zölle seien von Anfang an Teil einer Verhandlungsstrategie gewesen. Es gibt da nur ein kleines Problem: Trump selbst sagt etwas anderes. Er habe sich umentschieden, weil die Märkte für Staatsanleihen anfingen verrücktzuspielen, sagte er bei einer Pressekonferenz.
Trump hat mit seiner Politik viele Regierungen auf der ganzen Welt verunsichert. Gut möglich, dass manche bereit sind, sich auf schmerzhafte Kompromisse einzulassen, wenn dafür die hohen Zölle wegbleiben. Aber mittelfristig werden sie sich nach anderen Partnern als den USA umsehen, was auch nicht in Trumps Interesse ist.
Dazu kommt: Die Pause, die Trump verkündet hat, währt 90 Tage lang. Wollte er mit allen betroffenen Ländern einen Deal machen, müsste er im Schnitt jeden Tag einen zustande bringen. Das klingt ambitioniert, wenn man bedenkt, wie komplex und langwierig Handelsabkommen sind. Außerdem sind viele dafür wichtige Stellen in der Verwaltung noch gar nicht besetzt.
Es kann natürlich sein, dass die Trump-Regierung erstmal mit einigen wenigen Ländern intensiv verhandelt. Erste Anzeichen deuten darauf hin: So hat Trump mit wenigen Ländern Verhandlungen eröffnet, etwa Vietnam, Indien oder Südkorea. Aber was passiert dann mit den anderen Ländern nach den 90 Tagen? Werden ihnen die höheren Zölle erspart? Oder verhängt er sie weiter, bis er sich bequemt, auch mit ihnen zu verhandeln?
Das bringt uns zum nächsten Problem. Niemand weiß genau, was Trump eigentlich erreichen will. Er hat seine pausierten „reziproken“ Zölle auch gegen Länder verhängt, die mehr aus den USA importieren als umgekehrt. Sein Ziel scheint also zu sein, dass möglichst alle Staaten genau so viel in die USA importieren, wie sie aus ihnen exportieren. Das zu erreichen, ist schlicht unmöglich. Gleichzeitig scheint er sich im Vorfeld nicht detailliert mit den Ländern beschäftigt zu haben.
Auch Diplomat:innen, die gerade versuchen, mit den USA zu verhandeln, wissen nicht, was die Trump-Regierung will. Das berichtet das Magazin Politico über Diplomat:innen asiatischer Länder. Trump hat nur einige konkrete Forderungen öffentlich gemacht und die sind teilweise schwer umzusetzen.
Ein Beispiel: Trump hat in den vergangenen Wochen versucht, die EU dazu zu bringen, amerikanisches Erdgas und Erdöl im Wert von 350 Milliarden US-Dollar zu kaufen. Im Gegenzug würde er die EU von den Zöllen ausnehmen. Nur übersteigt das bei Weitem die Nachfrage, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Von der Menge ließe sich die gesamte EU plus Großbritannien zwei Jahre lang versorgen. Gleichzeitig hat Europa erst vor wenigen Jahren schmerzhaft gemerkt, wie fatal es sein kann, sich auf ein einziges Land als Energielieferanten zu verlassen.
2. Trump will die Produktion zurück in die USA holen
Die MAGA-Bewegung lebt von dem Glauben an die gute alte Zeit, in der alles besser war. Glaubt man Trump, ist das hohe Außenhandelsdefizit ein Grund, warum Amerika nicht mehr so great ist wie früher und die Arbeiter:innen im Rust Belt ihre Jobs verloren haben. Zur Erinnerung: Ein Außenhandelsdefizit bedeutet, dass die USA mehr importieren, als exportieren. Tatsächlich sind wegen der Globalisierung viele einfache Industriejobs in den globalen Süden gewandert. Das gilt aber auch für Deutschland – und wir sind für unseren riesigen Exportüberschuss bekannt.
Eine andere Frage ist, warum Trump die Produktion so unbedingt zurückhaben will. Wegen der guten Bezahlung? Tatsächlich werden McDonalds-Mitarbeiter in Dänemark besser bezahlt als Honda-Arbeiter in Alabama. Der Grund: Die ersteren sind gewerkschaftlich stark organisiert, letztere nicht. Aus dieser Perspektive wäre es also sinnvoller, Gewerkschaften zu stärken (etwas, das Ex-Präsident Joe Biden übrigens versucht hat).
„Es gibt einen Grund, warum iPhones zwar in Kalifornien designt, dort aber nicht hergestellt werden“, sagt der Ökonom Michael Koch von der Aarhus Universität. Denn in den vergangenen Jahrzehnten zogen die USA die klügsten Köpfe der Welt an, die dort das neue iPhone entwickelten. Aber es herstellen zu lassen, war in anderen Ländern günstiger. Diesen komparativen Vorteil ignoriert Trump komplett, weil er Dienstleistungen bei der Außenhandelsbilanz außen vor lässt. Gleichzeitig schadet er der Forschung mit seinen Angriffen auf die Elite-Universitäten.
Helfen die Zölle nun dabei, Industrie zurück ins Land zu holen? Viele Ökonom:innen bezweifeln das. So weist der Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman in seinem Newsletter darauf hin, dass die Forschung zeigt: Wenn man eine bestimmte wirtschaftliche Aktivität will, soll man sie so direkt fördern wie möglich. Statt Zöllen bräuchte es also eine kohärente Industriepolitik, etwa durch Subventionen. Genau das hat die Biden-Regierung übrigens auch gemacht und so 700.000 neue Industriejobs geschaffen. Was dagegen weniger hilft: Zölle zu erheben, die importierte Teil-Produkte teurer machen und Preise für Konsument:innen steigen lassen.
Was noch weniger hilft: Alle paar Tage die Höhe der Zölle zu ändern und Unternehmen so zu verunsichern, dass sie gar nicht mehr investieren. Für mich ist es schon schwierig, einen ausgeruhten Text über Trumps Zollpolitik zu schreiben, weil sie sich beinahe täglich ändert. Wie sollen dann Unternehmen langfristige Investmententscheidungen treffen? Ökonom Michael Koch vergleicht die Folgen von Trumps Handeln deshalb mit denen des Brexits. Er sagt: „Firmen beginnen bereits jetzt, ihre Handelsströme von den USA wegzulenken, um die Unsicherheit durch Trump zu begrenzen.“ Die Folgen seien nicht sofort sichtbar, aber sie würden der amerikanischen Wirtschaft schaden.
3. China ist das Problem und Trump will die USA vor dem Land beschützen
Tatsächlich gibt es gute Gründe, sich wegen China Sorgen zu machen. Und zwar nicht nur, weil chinesische Autobauer bessere Elektroautos bauen als deutsche. Die Diktatur hat in den vergangenen Jahren deutlich gemacht, dass sie geopolitische Ambitionen hat. Auch eine Invasion Taiwans scheint nicht mehr ausgeschlossen. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump Zölle gegen chinesische Waren verhängt, sein Nachfolger Joe Biden hat diese ausgeweitet.
Aber die Art und Weise, wie Trump sich in einen Handelskrieg mit China hineingesteigert hat, schadet vor allem den USA. Denn die beiden Länder sind eng verbunden. Der Ökonom James Galbraith zeigt das bei Zeit Online an Walmart, dem größten Arbeitgeber in 25 Bundesstaaten. „Und was ist Walmart? Ein Netzwerk für äußerst effiziente Verteilung von Importwaren – sehr viel davon kommt aus China. Wenn China den Export in die USA einstellt, weil es keinen Profit mehr darin sieht, dann bricht diese Kette zusammen. Und das wäre weitaus drastischer für den Lebensstandard der einfachen Amerikaner als das, was an den Finanzmärkten gerade passiert.“
Dazu kommt, dass Trumps Zölle wahnsinnig inkohärent sind. Mit seinem Hin und Her verschlimmbessert er die Lage. So befürchtete er anscheinend, durch seine Zölle werde Technologie zu teuer. Deshalb nahm er am 12. April Elektronik wie Smartphones und Laptops von ihnen aus. Die Folge: Importiert ein US-amerikanisches Unternehmen aktuell eine chinesische Batterie, etwa um sie in einem Laptop zu verbauen, wird ein Zoll von 145 Prozent auf sie fällig. Importiert es stattdessen einen chinesischen Laptop, wird der „nur“ mit 20 Prozent verzollt. Damit schwächt Trump nicht die Produktion in China, sondern erschwert es Unternehmen, Laptops in den USA zusammenzusetzen.
China ist offenbar entschlossen, den Handelskrieg mit den USA bis zum Ende zu kämpfen – die Regierung scheint überzeugt, gewinnen zu können, schreibt der Economist. China ist ein mächtiger Gegner. Wie man sich mit dem Land anlegt, sollte man sich genau überlegen – und sich dafür mit anderen Ländern zusammentun. Trump macht das Gegenteil.
4. Die aktuelle Weltordnung ist unfair, deshalb wollen Trump und seine Leute eine neue bauen
Die armen USA! Jahrzehntelang haben sie eine Handelsordnung mitgestaltet, die dafür gesorgt hat, dass sie von ihren Verbündeten ausgenommen werden. Das könnte man zumindest glauben, wenn man Trump und seinen Leuten zuhört. Tatsächlich hat das Land von der Wirtschaftsordnung profitiert. Das geht schon damit los, dass sie mit dem US-Dollar die Leitwährung haben und die Staatsverschuldung deshalb vergleichsweise gering bleibt. Die USA können Rohstoffe und Öl in ihrer eigenen Währung kaufen.
Linke Globalisierungskritiker:innen beschweren sich seit Jahrzehnten darüber, dass die USA ihrer Meinung nach zu viel Macht haben. Etwa, weil der Internationale Währungsfonds (IWF) so gebaut ist, dass er den Interessen der USA dient. Denn die USA haben dort Einfluss auf die konkreten Bedingungen, zu denen Länder des globalen Südens Kredite aufnehmen. Die sind oft hart: Kenia etwa sollte Subventionen für Energie streichen. Laut einer aktuellen, noch nicht implementierten Reform, sollen die Vereinigten Staaten sogar ein Vetorecht bekommen.
Es mögen nicht alle Amerikaner:innen von der Globalisierung und Rolle der USA darin profitiert haben – die großen Unternehmen allerdings schon. Die USA seien in den vergangenen Jahrzehnten zwar eine imperiale Macht gewesen, dabei aber höflich, zurückhaltend und relativ großzügig, sagt der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman in dem Podcast „Ezra Klein Show“. Er mutmaßt, dass diese Art der subtilen Machtausübung nicht für jeden verständlich sei. Trumps Politikverständnis ist jedenfalls ein völlig anderes. Das zeigt fast jede seiner Handlungen in den vergangenen Monaten.
Ist die Motivation hinter den Zöllen womöglich ganz simpel, nämlich, dass Trump und seine Leute sich an den Markt-Turbulenzen bereichern wollten? Es gibt ja immerhin deutliche Hinweise darauf, dass es zu Insiderhandel kam, als einige massiv darauf gewettet haben, dass Trump seinen Zinskurs umkehren würde – kurz bevor er genau das ankündigte. Durch solche Wetten lassen sich große Gewinne erzielen. Sein Vorgehen erklärt das aber höchstens teilweise. Wäre es ihm ausschließlich darum gegangen, hätte er statt einer Pause die „reziproken“ Zölle einfach ganz zurücknehmen können.
Trump verhält sich mehr wie ein König als wie ein US-Präsident. Viele politische Beobachter gehen davon aus, dass Trump von Ja-Sagern umgeben ist, die ihm die hässlichen Seiten seiner Politik so lange wie möglich verheimlichen. Und auch sie stümpern: So hat Trumps Zoll-Guru Peter Navarro in sechs seiner Bücher einen Ron Vara über China schimpfen lassen. Bloß gibt es den gar nicht. Navarro hat Ron Vara erfunden und dafür auch noch ein Anagramm seines eigenen Nachnamens gewählt.
Die Wahrheit ist also so einfach, wie sie scheint, auch wenn das bitter ist: Trump hat keinen Plan. Er ist ein Clown, ein Dilettant, der undurchdachte Zölle verhängt und sie, vermutlich aus Angst vor einer Finanzkrise, wieder rückgängig macht. Es ist schwer anzuerkennen, dass der mächtigste Mann der Welt keine Strategie hat, während er den amerikanischen Staat zerstört und die globale Wirtschaftsordnung ins Wanken bringt.
Aber es ist auch wichtig, kein „Sanewashing“ zu betreiben, also Trumps Politik in eine vermeintliche Logik zwängen zu wollen. Denn damit stellt man die aktuelle Situation als weniger gefährlich dar, als sie ist. Nur wenn Regierungen, Unternehmen und Bürger:innen anerkennen, was für ein Irrsinn gerade in den USA passiert, können sie ihre Strategien entsprechend anpassen.
Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert