Dies ist ein neuer Teil aus der losen Serie: Wo Deutschland gerechter ist, als viele denken. Diesmal geht es um Schulden. Aber keine Sorge, ich schreibe nicht den millionsten Text dazu, ob wir jetzt die Schuldenbremse reformieren sollten oder nicht. Stattdessen geht es um Menschen, die so verschuldet sind, dass sie ihre Kredite nicht mehr bezahlen können.
Also um Überschuldung. Niemand möchte in dieser Situation sein: Jeden Monat wächst der Schuldenberg und damit die Verzweiflung. Irgendwann steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür und pfändet den Fernseher und das Sofa.
Es sind so wenige Personen überschuldet wie seit 2004 nicht mehr
Was den wenigsten klar sein dürfte: Die Zahl der überschuldeten Personen in Deutschland sinkt seit fünf Jahren kontinuierlich. Der „Schuldner-Atlas“ von Creditreform berechnet seit 2004, wie viele Privatpersonen überschuldet sind. Noch nie waren es so wenige Menschen wie im letzten Jahr – und das trotz Inflation und hoher Energiepreise. Vergangenes Jahr waren 5,7 Millionen volljährige Bürger überschuldet oder 8,15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung.
Trotzdem: Die meisten Haushalte mussten sich wegen der Inflation einschränken, 70 Prozent gaben beim Vermögensbarometer der Sparkasse 2023 an, verstärkt auf Dinge im Alltag verzichten zu müssen. Besonders litten arme Haushalte. Das zeigt sich auch bei einem Blick auf die Kredite.
Denn 2023 schlossen immer mehr Menschen Kleinkredite ab und nutzten „Buy now, pay later“-Angebote. „Rund 42 Prozent aller neu abgeschlossenen Ratenkredite sind mittlerweile Kredite unter 1.000 Euro“, steht im „Schuldner-Atlas“. So einen Kredit schließt man ab, wenn man sich unbedingt etwas kaufen will, es sich aber nicht leisten kann. Das kann eine neue Waschmaschine sein, weil die alte kaputt ist oder ein schickes Kleid.
Aber es gibt eine verdeckte Trendwende
Diese Kredite zeigen sich schon langsam bei der Verschuldung, der „Schuldner-Atlas“ spricht von einer verdeckten Trendwende. Um das zu verstehen, kurz eine wichtige Unterscheidung, nämlich die zwischen „harter“ und „weicher“ Verschuldung. Weiche Verschuldung heißt, jemand kann mehrere Kredite nicht mehr bedienen, bei der harten Verschuldung drohen schon juristische Konsequenzen.
Auch wenn die absolute Zahl der überschuldeten Personen geringer geworden ist, hat sie doch im Bereich der „weichen Verschuldung“ erstmal wieder zugenommen. Weil gleichzeitig mehr Personen der „harten Verschuldung“ entkommen sind, fällt das auf den ersten Blick nicht auf. Ob bald nun doch wieder mehr Menschen überschuldet sind, hängt unter anderem davon ab, ob der Arbeitsmarkt stabil bleibt. Denn fast jeder Fünfte nennt als Hauptgrund für eine Privatinsolvenz Arbeitslosigkeit.
Redaktion: Isolde Ruhdorfer, Bildredaktion: Rebecca Kelber