Die kleinen Füße sind kohlschwarz, die Kleidung ist von oben bis unten verdreckt, klar finden die Kinder das richtig lustig. Sie jauchzen vor Vergnügen, wenn sie auf der dunklen Berglandschaft herumrennen und mit selbstgebastelten Pappschlitten die schwarzen Hügel hinunterrutschen. Der Boden glüht vor Hitze, vor allem an einem Tag wie diesem, an dem die Sonne erbarmungslos vom Himmel sticht. Aber die Kinder haben eine dicke Haut. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Sie sind das Herumtollen auf den Kohlenhalden gewohnt, dem einzigen Spielplatz für die jungen Bewohner von Coronation. Die Wellblechhüttensiedlung trägt den Namen des Untertagebaus, die der Rohstoffkonzern Anglo American Corporation hier einst besaß. Als der Boden ausgebeutet war, zog sich das Unternehmen zurück. Seither ist das Land in den Händen der Stadt eMalahleni. Der Name bedeutet auf Zulu „Ort der Kohle“. Bis 2006 hieß der Ort Witbank.
Um die Stadt herum findet sich ein Großteil des Rohstoffs im Boden, aus dem Südafrika seine Energie gewinnt.
Kohlenstaub und Ruß haben sich nicht nur auf die Füße der Kinder gesetzt, bei näherem Hinsehen sieht man ihn überall: Haare, Gesichter, Hände, alles schwarz. Sie rennen zum nächsten Spiel, springen abwechselnd in eine Grube, die sich mitten in der Landschaft auftut. Sie kreischen vor Spaß.
Matthews Hlabane beobachtet das Ganze kopfschüttelnd. „Es ist gefährlich, hier zu spielen“, sagt er. “Es ist sogar gesetzlich verboten, dieses Land zu betreten.„ Werde eine Kohlemine nicht fachgerecht geschlossen, komme es unterirdisch zu chemischen Reaktionen, und die alte Kohle kann sich jederzeit entflammen. “Dieser Junge da im gestreiften Shirt, der hat sich neulich ganz schlimm verbrannt, nachdem er in eines der Löcher fiel.”
Dass so etwas passieren kann, sei ein Zeichen dafür, wie schlecht es um die Durchsetzung und Überwachung von Gesetzen in Südafrika stehe. Denn das Gesetz besagt: Firmen müssen genug Mittel beiseitelegen, um ein Bergwerk fachgerecht zu schließen. “Viele Unternehmen drücken sich darum, indem sie die Minen, die sich dem Ende ihrer Lebenszeit nähern, an ‘Junior Mining Companies’ verkaufen, die weder die Mittel noch das Know-how haben, die Schächte sicher zu schließen”, sagt Matthews.
Der Umwelt-Aktivist kommt aus dem wenige Kilometer entfernten eMalahleni und kämpft seit mehr als dreißig Jahren gegen den exzessiven Kohlebergbau in der Gegend. Mit seiner Nichtregierungsorganisation groundWork versucht er, vor allem Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen des Kohlebergbaus zu lenken, national und international.
„Acid Mine Drainage“ - saure Grubenwässer
Erdlöcher, Umweltverschmutzung, saures Grundwasser, die Liste der Umweltschäden und gesundheitlichen Folgen von Kohleabbau ist lang - und von zahlreichen Studien belegt.
Denn der Abbau von und die Energiegewinnung durch Kohle verursacht nicht nur hohe Werte an klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2). Auch Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOX), Feinstaub und Quecksilber werden freigesetzt. Ein Phänomen namens Acid Mine Drainage, AMD, auf deutsch übersetzbar als “saure Grubenwässer”, das bei der Grabung durch die Kohleschichten entsteht, vergiftet Grundwasser und Gewässer. In ihrem Bericht von 2012 warnte die Organisation Greenpeace vor den verheerenden Folgen der Energiegewinnung mit Kohle für das Wasser Südafrikas. Auch der World Wide Fund For Nature (WWF) widmete der drohenden Wasserknappheit Südafrikas 2011 eine ausführliche Studie.
2007 wurde die Gegend um eMalahleni von der südafrikanischen Regierung zur “High Priority Area”, kurz: HPA, erklärt. Eine nationale Luftverschmutzungsgegend.
Und dennoch ist Kohle Südafrikas Energielieferant Nummer eins und wird das auch erst einmal bleiben. Derzeit werden mehr als zwei Drittel des Primärenergie-Bedarfs Südafrikas aus Kohle gewonnen, 90 Prozent der von der staatseigenen Stromfirma Eskom produzierten Elektrizität kommt aus Kohlestromwerken - drei neue sind im Bau und sollen in den kommenden Jahren an das Netz angeschlossen werden.
Kohle gilt auch in Deutschland als (noch) unverzichtbar
Und obwohl Präsident Jacob Zuma kürzlich ankündigte, auch in erneuerbare Energien investieren zu wollen: Kohle ist und bleibt die Energiequelle der nahen Zukunft. Nicht nur in Südafrika.
Auch in Deutschland wird noch immer mehr Strom aus Kohle - Braun- und Steinkohle -gewonnen als aus nachhaltigen Energiequellen. Mit dem Unterschied, dass Deutschland aufgrund der hohen Kosten des Untertagebaus bald nicht mehr selbst Steinkohle abbaut – bis 2018 sollen alle Zechen geschlossen sein. Ab dann darf Deutschland per Gesetz den Kohlebergbau nicht mehr subventionieren, die deutsche Kohle ist ohne staatliche Förderung nicht mehr konkurrenzfähig.
Anstatt aus den eigenen Zechen wird die Steinkohle für Deutschlands Stromwerke bald ausschließlich aus Russland, Kolumbien, den USA - und eben Südafrika kommen - wo Gesetze auch mal gerne ignoriert werden.
45 Prozent des deutschen Stromes wird durch Braun- und Steinkohle generiert – womit sie laut Umweltbundesamt für rund ein Drittel aller CO2-Emissionen des Landes verantwortlich sind.
Saures Wasser und Smogschwaden
Es gibt kein frisches Leitungswasser mehr in der Stadt eMalahleni, rund eine Stunde nördlich von Johannesburg. Die Ausgabe von Wasser ist in Südafrikas Kohlezentrum seit Jahren verboten.
Fährt man von Johannesburg in den Nordosten, verändert sich die Luft. Man fährt durch Gebiete, in denen Schilder vor dichtem Nebel warnen, man taucht ein in Smogschwaden, taucht wieder aus ihnen hervor, der scharfe Geruch von Schwefel brennt in der Nase. Mpumalanga, die Provinz, in der sich die Stadt befindet, hat derzeit elf kohlebetriebene Stromwerke. 22 aktive Zechen liegen im Umkreis der Stadt eMalahleni.
Und Monica lebt mittendrin. Die 58-Jährige lebt in einer informellen Siedlung namens MNS, die Abkürzung weiß niemand aufzulösen. Der Slum liegt auf der anderen Seite der Stadt, 100 Meter von der Kohle-Waschanlage der Firma Slater Coal Marketing entfernt. Das Bild ist ähnlich wie in Coronation Park: Kohlenstaub, Ruß, Dreck, wohin man auch sieht.Und dazwischen Wellblechhütten.
Die Frau schleppt sich schwerfällig den Hang einer großen Grube herauf, die über der Straße der informellen Siedlung liegt. Auf dem bunten Tuch, das sie sich um den Kopf gewickelt hat, trägt sie einen großen Eimer voll schwarzer Schlammbatzen. Im Innern der Grube werden in einem Teich die Abfälle der gewaschenen Kohle aufgefangen, das Wasser ist dunkel verfärbt.
„Duff“, sagt sie, sammele sie. Es gibt keine richtige Übersetzung für die humusartige Struktur, die sich aus Kohle-Staub und Wasser zusammensetzt. Monica und die anderen Bewohner von MNS machen damit Feuer, sie kochen und heizen. Matthews erklärt ihr, dass sie das Feuer nie im Innern ihrer Wellblechhütte machen dürfe. „Die Gase, die durch die Verbrennung von Duff entstehen, sind furchtbar toxisch“, sagt er. Menschen ersticken regelmäßig an dem schwermetallhaltigen Rauch, der, einmal heiß, nicht mehr sichtbar ist.
Die ältere Dame nickt. Sie wisse, dass der Brennstoff nicht gut für die Gesundheit sei. Aber sie haben keinen Strom in MNS, schon seit mehreren Wochen kommen auch die Trucks mit dem Wasser nicht mehr, die normalerweise regelmäßig die grünen Container am Wegesrand füllen.
Eine Million Euro für Umsiedlung versprochen
In der Budget-Rede 2014/2015 kündigte der Bürgermeister der Stadt eMalahleni an, umgerechnet eine Millionen Euro zu investieren, um die Bewohner von MNS umzusiedeln.
Doch angekündigt wurde schon viel. Nach einem Besuch der Gegend im September 2013, äußerte sich der Ministerpräsident der Provinz Mpumalanga, David Mabuza, erschüttert über die Zustände in den Wellblechhüttengegenden um eMalahleni. “Diese Siedlungen sind ein Gesundheitsrisiko für die Menschen”, sagte er damals. “Man verlässt sie als kranker Mensch, die Situation ist wirklich schrecklich.” Überall sei Staub, und Menschen könnten kein normales Leben führen.
“Die Menschen leben wirklich unter ganz furchtbaren Bedingungen”, sagt der Sprecher der Regierung Mpumalangas, Zibonele Mncwango. “Sie haben nie die Früchte der Demokratie probiert.” Coronation Park gehöre dabei zu den schlimmsten Fällen.
“Hier wohnen die Leute auf den ehemaligen Kohlestätten, die jede Sekunde einstürzen können, es ist sehr gefährlich.”
Mabuza ordnete der Stadt eMalahleni an, Behausungen zu bauen. Mncwango sagt heute, es gebe Pläne, die Menschen umzusiedeln und ihnen Zugang zu Wasser und Strom zu garantieren. “Doch geschehen ist noch nichts.” Der Minister habe voriges Jahr weitere Siedlungen besucht. Doch bisher ohne Konsequenzen.
“Was? Der Boden kann jeden Moment nachgeben? Auch da, wo mein Wellblechhaus steht?” Lindiwe Zabesi ist sichtlich betroffen, als Matthews ihr erklärt, dass das ganze Gebiet einsturzgefährdet ist. Hunderte von Wellblechhütten stehen hier auf dem Boden, unter dem ehemals Kohle abgebaut wurde. Die chemischen Reaktionen, die nach der Stillegung einer Mine entstehen, können den Boden weich und löcherig machen. “Sink holes” hätten schon ganze Bulldozer verschluckt, sagt Matthews. “Neulich sind zwei Kinder eingestürzt und ums Leben gekommen.”
Eine Wellblechhütte für 150 Euro
Davon hat Lindiwe gehört. Und dennoch ist sie vor zwei Monaten hierher gezogen. Sie will eine Ausbildung zur Krankenschwester machen und konnte sich die Miete und die Transportkosten in Pretoria nicht leisten. Also kauften sie und ihr Mann eine Wellblechhütte, für umgerechnet 150 Euro. Sie zeigt auf einen kleinen Jungen, der sich den anderen Kindern annähert, die inzwischen Verstecken spielen. Ihr Sohn ist das einzige Kind, das sauber ist. “Hey! Geh sofort da weg”, ruft sie ihm zu. “Ich verbiete ihm, hier zu spielen, der Staub ist nicht gut für die Gesundheit.”
Lindiwe steht am Hang der Kohleberge, neben ihr ein großer Eimer, den sie mit dem schwarzen Abfall füllt. Sie hat ein Handtuch um die Hüfte gebunden, wie einen Rock trägt sie es. Sie nutzt die Kohle zum Feuermachen, Strom haben die Menschen in Coronation Park nicht.
Die Menschen haben gelernt, sich zu helfen. Solarenergie, sagt sie, nutzen die meisten hier. Sie zeigt auf ihre Wellblechhütte, auf deren Dach eine Solarpaneele installiert ist. “Wir können ein schwaches Licht machen und unsere Handys laden.”
Von der aktuellen Stromkrise in Südafrika hat sie nichts gehört. “Ich sehe nur die Plakate von den Zeitungen, die sagen, wir sollen sparsam mit Strom umgehen”, sagt sie und lacht. Sie hat in ihrem Leben noch nie Strom gehabt, wie Millionen von anderen Menschen in den informellen Siedlungen Südafrikas.
Über die Stromkrise schrieb Krautreporterin Victoria Schneider in dem Artikel „Die Suche nach dem Licht“
Aufmacher-Bild: Kinder auf den Kohlehalden von Coronation Park - Foto: Victoria Schneider