Alle reden über die steigenden Preise. Aber wann hört das eigentlich wieder auf? Diese Frage lässt sich gerade nur schwer beantworten. Deshalb habe ich nicht einen, sondern gleich drei Expert:innen nach deren Einschätzung gefragt, wie lange die Preise noch steigen werden. Jede:r betont unterschiedliche Aspekte. Hier könnt ihr die Antworten lesen.
Timo Wollmershäuser betont, dass die Preise auch vom Wetter abhängen
Timo Wollmershäuser ist stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind deutsche und internationale Konjunkturprognose sowie die Geldpolitik.
Im Euroraum lag die Inflationsrate im August bei 9,1 Prozent, in Deutschland sind es immerhin 7,9 Prozent. Wie blicken Sie auf die kommenden Monate?
Timo Wollmershäuser: Wir werden in den kommenden Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit mit zweistelligen Inflationsraten rechnen müssen. Denn Ende August liefen ja eine Reihe von Maßnahmen wie das Neun-Euro-Ticket und der Tankrabatt aus. Das wird die Preise nochmal kräftig steigen lassen. Am Wichtigsten ist aber, dass viele Energieversorger ihre Gas- und Stromabschläge derzeit kräftig nach oben anpassen.
Die Inflation wird zurzeit von der Gaskrise beziehungsweise der Energiekrise getrieben. Wird nicht bald beim Gas der Punkt erreicht sein, wo der Preis nicht weiter steigen kann?
Es ist schwer zu sagen, ob wir schon am Ende der Fahnenstange angekommen sind. Klar ist, dass mit Russland ein wichtiger Gasanbieter nicht mehr zur Verfügung steht. Das verteuert Gas. Aber wir haben schon viel Preisanpassung nach oben hinter uns. Gerade gibt es einfach viel Unsicherheit auf den Märkten. Jede politische Nachricht, etwa über Nord Stream 1 oder neue Gasquellen, lässt die Preise enorm schwanken. Und natürlich gibt es auch bei der Gasnachfrage eine Menge Unsicherheit. Je eisiger der Winter, desto teurer wirds werden. Aber es kann eben genauso gut in die andere Richtung gehen.
Wodurch könnte es billiger werden?
Wenn der Gasverbrauch weiter sinkt und die Industrie doch besser darin wird, Gas durch andere Energieträger zu ersetzen. Ich bin in gewisser Weise optimistisch, dass wir recht gut durch den Winter kommen und vielleicht tatsächlich den Höhepunkt auch schon gesehen haben. Ein wesentlicher Teil des russischen Gases ist ja schon durch andere Gaslieferanten ersetzt worden. Da hat die Bundesregierung, finde ich, sehr viel geleistet. Die ersten LNG-Terminals sind schneller aufgebaut worden, als ursprünglich gedacht war.
Haben sie noch ein Beispiel, das Ihren Optimismus erklärt?
Schauen Sie sich etwa an, wie an den Märkten gerade zukünftige Energiepreise gehandelt werden. Die Energieversorger kaufen heute schon an diesen Märkten Strom und Gas, das sie dann erst in einem oder zwei Jahren bekommen. So sichern sie sich ab. Dieses zukünftige Gas ist schon heute deutlich billiger als das aktuell zu kaufende Gas. Diese günstigeren Preise werden die Energieversorger an die Kund:innen weitergeben. Das wird die Inflationsrate dann perspektivisch deutlich nach unten drücken. Das setzt natürlich voraus, dass wir jetzt tatsächlich den Höhepunkt erreicht haben, was wir gerade noch nicht wissen.
Das größte Problem für viele Menschen aktuell ist ja, dass die Löhne nicht im gleichen Maße steigen wie die Preise. Gleichzeitig wird dann ja auch immer von der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale geredet. Wo stehen wir hier aus Ihrer Sicht?
Es ist vernünftig, weil diese Lohnpolitik anerkennt, dass der Löwenanteil der Energierechnung ans Ausland bezahlt werden muss und dass sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer:innen dazu ihren Beitrag leisten müssen. Nur so kann am Ende eine Lohn-Preis-Spirale vermieden werden. Dieser Fehler wurde bei den Ölpreiskrisen in den 1970er Jahren gemacht. Da haben die Gewerkschaften Lohnerhöhungen im zweistelligen Bereich durchgesetzt. So etwas löste eine länger anhaltende Inflation aus, weil die Unternehmen die steigenden Lohnkosten an die Verbraucher:innen weitergegeben haben. Die Inflation konnte dann nur durch kräftige Zinsanhebungen der Bundesbank und eine lange wirtschaftliche Schwächephase beendet werden. Diese ging mit steigender Arbeitslosigkeit einher. Die 70er waren aber auch politisch grundlegend andere Zeiten. Damals waren Gewerkschaften mächtiger. Man hat vielleicht auch weniger im Konsens gehandelt. Ich denke, das ist jetzt schon anders.
Gehen Sie davon aus, dass es zu einer Rezession kommen wird?
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Unsere Einkommen sind mit jedem Monat, den die Preise so kräftig steigen, weniger wert. Vor allem die Löhne ziehen nicht mit den Preisen mit. Und mit sinkender Kaufkraft werden wir am Ende eben auch unsere Konsumausgaben einschränken, und dieser Konsum ist ein wichtiger Bestandteil des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und damit der Konjunktur. Deswegen bin ich mir relativ sicher, dass die Wirtschaftsleistung zunächst sinken wird. Vor allem im Winterhalbjahr, wenn die Inflationsraten ihren Höhepunkt erreichen werden Aber das dürfte nur eine kurzfristige Schwächephase sein. Ab dem Sommer sollte es dann schon wieder langsam aufwärts gehen, weil die Inflationsraten sich abschwächen werden.
Bei der Frage nach der Rezession muss man aber auch berücksichtigen, dass der Konsum nicht alles ist, was die deutsche Wirtschaft ausmacht. Die Industrie ist auch ein wichtiger Faktor. Und da erwarten wir zumindest aus heutiger Sicht keinen Produktionseinbruch, sondern eher eine leichte Aufwärtsbewegung. Denn die Auftragsbücher der Industrieunternehmen sind immer noch kräftig gefüllt.
Nehmen wir mal an, es kommt zu einer Rezession. Gehen Sie davon aus, dass das die Inflation verlangsamen wird?
Wirtschaftlicher Abschwung für sich genommen führt immer dazu, dass die Preissteigerungen sich verlangsamen. Wir sehen das gerade auf den Weltmärkten. Da die globale Nachfrage zurückgeht, sind in den letzten Monaten die Weltmarktpreise von vielen Rohstoffen wie Kupfer oder Rohöl gesunken. Das entlastet die Unternehmen, denn die hohen Rohstoffpreise waren bis zur Mitte des Jahres einer der Gründe neben der Energie, warum wir diese kräftigen Preissteigerungen überhaupt hatten. Hier sehen wir eine gewisse Entspannung. Dazu kommt: Wenn die Wirtschaft schwächelt, verbrauchen wir weniger Energie. Das entlastet natürlich auch und lässt die Preise sinken.
Es gibt ja auch Expert:innen, die sagen, dass die Inflationsrate in den kommenden zehn Jahren hoch bleibt, also um die vier bis fünf Prozent liegen wird. Was halten Sie von solchen bitteren Prognosen?
Das sind Ausnahmeprognosen. Die Mehrheit der Prognosen geht davon aus, dass die Inflationsraten im Laufe des kommenden Jahres wieder sinken. Spätestens ab dem Jahr 2024 sollten wir dann ungefähr zum Inflationsziel von zwei Prozent zurückkehren. Dabei wird angenommen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in den kommenden Monaten ihre Leitzinsen spürbar anheben wird, ohne allerdings die Konjunktur auf längere Sicht abzuwürgen.
Es mag Szenarien und damit auch Risiken geben, in denen die Inflationsrate langfristig höher liegt. Etwa wenn die Europäische Zentralbank dauerhaft ganz bewusst die Leitzinsen niedrig lässt und damit von ihrem Inflationsziel abweicht. Dadurch könnte sie die Entschuldung von Ländern wie Italien begünstigen. Aber das scheint mir ein unwahrscheinliches Szenario zu sein. Die meisten anderen Ökonom:innen sehen das auch so.
Was lernen wir daraus?
Der Winter wird hart, die Rezession wird wahrscheinlich kommen – aber danach geht es bergauf. Für diese Prognose von Timo Wollmershäuser sprechen zwei Faktoren: Erstens wird die aktuelle Inflation von den Gaspreisen getrieben, die nicht ewig wachsen werden. Das drückt die Inflationsrate perspektivisch deutlich nach unten. Zweitens sinken die Rohstoffpreise gerade wieder, denn die globale Nachfrage schrumpft. Das senkt die Kosten für Unternehmen und damit die Preise für Produkte.
Lena Dräger befürchtet, dass uns die Inflation wegen der Klimakrise länger begleitet
Lena Dräger leitet das Institut für Geld und Internationale Finanzwirtschaft an der Leibniz Universität Hannover. Sie forscht unter anderem zur Bildung von Inflationserwartungen bei Haushalten.
Viele Leute fürchten, dass die Inflation ein Dauerzustand wird, wie in den 70er Jahren. Sehen Sie diese Gefahr auch?
Lena Dräger: Ich sehe durchaus die Gefahr, dass die erhöhte Inflation länger anhalten könnte.
Woran liegt das?
Wir wissen einfach nicht genau, wie lange die Preissteigerungen anhalten. Und je länger wir hohe Inflationsraten haben, desto größer ist die Gefahr, dass es zu einer sogenannten „Embedded Inflation“ kommt. Das heißt, dass neben den ursprünglichen Preissteigerungen auch andere Preise nachziehen. Etwa, wenn Firmen ihre Preise erhöhen, weil die Produktion so teuer geworden ist. Aber auch, wenn die Löhne zu stark steigen.
Was müsste passieren, damit sich die Preise wieder stabilisieren?
Die aktuelle Inflation wird zu einem hohen Anteil vom Energiepreis-Schock getrieben. Das macht mindestens ein Drittel der aktuellen Inflation aus. Dieser Schock wird derzeit von der Wirtschaft und der Politik verarbeitet, die anfänglich hohen Energiepreise werden wieder sinken. Wir haben aber wegen des Kriegs in der Ukraine auch starke Preissteigerungen der Lebensmittel. Und zum anderen wirken auch immer noch Faktoren aus der Corona-Pandemie nach, etwa Preissteigerungen durch Lieferschwierigkeiten. Langsam entspannt sich das, aber es zieht sich länger hin, als man dachte.
Nehmen wir mal an, der Ukraine Krieg dauert noch eine Weile. Wie lange dauert es dann, bis die Inflationsrate trotzdem sinkt?
Das kann gerade niemand so richtig glaubwürdig prognostizieren. Aber alles, was dabei hilft, dass wir weniger von Energie aus Russland abhängig sind, stabilisiert die Preise. Und in der Hinsicht versucht die Bundesregierung ja gerade sehr viel.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Preise für fossile Energieträger schon vor dem Krieg in der Ukraine angestiegen sind. Denn in der Wirtschaft ist inzwischen den meisten klar, dass angesichts der Klimakrise eine Transformation in Richtung von erneuerbaren Energien stattfinden muss. Ich habe da Hoffnung: Vielleicht schafft man es jetzt durch die Krise sogar zügiger, diese Transformation zu durchleben und letztlich einen großen Anteil vom Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen zu decken. Dann hätten wir kostengünstigere Energiequellen und damit wäre auch der Preisdruck deutlich reduziert.
Frankreich musste im Sommer die Hälfte seiner AKWs wegen der Hitze abschalten. Solche Vorfälle werden sich angesichts der Klimakrise ja in Zukunft häufen.
Ja, auf jeden Fall.
Druck macht also nicht nur der Krieg, sondern auch das Klima.
Die Klimakrise wird die Menschen und somit auch die Wirtschaft in den komenden Jahren am meisten herausfordern. Die gesamte Wirtschaft, inklusive der Landwirtschaft und der Industrie, muss sich da umstellen. Vieles, was früher wettbewerbsfähig war, wird es nicht mehr sein. Produktionsmethoden müssen angepasst werden. Man braucht hitzeresistente Pflanzen, mehr Bewässerungssysteme. Das ist eine riesige Herausforderung.
Meine Hoffnung ist, dass es eine Übergangsphase bleibt und wir es schaffen, uns in dieser Zeit anzupassen. Danach könnte die Inflationsrate langfristig wieder abflachen. Aber wie schnell das passiert und welche neuen Herausforderungen sich noch auftun werden, weiß niemand. Es kann schlecht laufen – aber es kann auch besser laufen, als wir jetzt befürchten.
Was lernen wir daraus?
Lena Dräger möchte sich nicht festlegen, wie es mit der Inflation weitergeht. Sie weist aber auf langfristige Gefahren hin: Wegen der Klimakrise muss unser Wirtschaftssystem sich als Ganzes verändern – und das wird die Preise zwischenzeitlich erhöhen. Aber: Je schneller wir es schaffen, uns an die Klimakrise anzupassen, desto kürzer fällt diese Phase aus.
Alexander Kriwoluzky glaubt: Wir brauchen Eurobonds!
Alexander Kriwoluzky ist Professor für Makroökonomie an der FU Berlin und Leiter der Abteilung Makroökonomie am Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. In seiner Forschung analysiert er empirisch die Auswirkung von Geld- und Fiskalpolitik auf die Ökonomie.
Herr Kriwoluzky, die Bundesbank geht von einer Inflation von bis zu zehn Prozent im Herbst aus. Sind wir noch zu retten?
Alexander Kriwoluzky: Wir alle haben gerade real viel weniger in unserem Geldbeutel, als wir es noch vor einem Jahr hatten. Und wir werden uns noch weniger leisten können, weil wir noch mehr unseres Einkommens für Energie, Pendeln und Lebensmittel ausgeben werden. Wenn es weniger Nachfrage gibt, steigen die Preise nicht weiter.
Sprich: Die Rezession kommt.
Ja. Die Rezession kommt. Das ist einer von zwei Faktoren, die die Preise wieder sinken lassen werden.
Und wann kommt die Rezession?
Der Konsum wird im vierten Quartal des Jahres weiter sinken und so eine Verringerung des BIP verursachen.
Also im Herbst. Und was ist der zweite Faktor?
Das ist die Reaktion der Zentralbank in der Eurozone. Irgendwann kann eine Inflation auch ein Eigenleben entwickeln und muss gar nicht mehr von Energiekosten und steigenden Weizen- oder Rapsölpreisen getrieben sein. Sie kann auch einfach nur daher stammen, dass wir alle in der Bevölkerung erwarten, dass die Inflation weiter hoch sein wird.
Sie sagen, wir sind selbst schuld an der Inflation?
Nein, eher die EZB. Denn sie muss durch Handlungen deutlich machen, dass sie sich an das Zwei-Prozent-Inflationsziel gebunden fühlt und auch entsprechend Geldpolitik betreiben. Dann ändern sich unsere Erwartungen auch wieder. Das macht sie aber nicht und das hat sie im vergangenen Jahr auch nicht getan. Das halte ich für einen Fehler.
Was konkret wünschen Sie sich von der EZB?
Selbstverständlich Zinserhöhungen.
Die letzte Leitzinserhöhung der EZB war überraschend hoch. Und es ist ja sehr wahrscheinlich, dass die EZB die Zinsen im September weiter erhöhen wird. Vielen ihrer Kolleg:innen scheint das zu reichen.
Wir müssen davon ausgehen, dass die Inflation, die wir jetzt erleben, eben nicht mehr nur durch Energiepreise getrieben ist. Wir haben mittlerweile auch Preissteigerungen in anderen Bereichen. Das liegt daran, dass man überhaupt nicht mehr weiß, ob wir das Inflationsziel von zwei Prozent in naher Zukunft wieder erreichen werden. Und dagegen kann und muss die Zentralbank definitiv etwas tun. Sonst könnte es schwierig werden, langfristig wieder zu einer niedrigeren Inflation zurückzukehren.
Nun gibt es ja aber auch gute Gründe, warum sich die EZB damit schwertut, die Zinsen zu erhöhen.
Bei der EZB wollen sicherlich alle Verantwortlichen die Zinsen erhöhen. Aber wir sind nun mal in einer schwierigen Situation: In Europa gibt es eine Geldpolitik, aber 19 nationale Fiskalpolitiken. Deshalb hadern sie mit ihrer Entscheidung.
Das Problem ist also die Konstruktion des Euroraums, die uns schon bei der Staatsschuldenkrise beschäftigt hat.
Ja, denn in dem Moment, in dem die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht, steigt auch die Zinsbelastung für Staaten, die aufgrund der Corona-Pandemie eine sehr hohe Staatsverschuldung haben.
Nehmen wir zum Beispiel Italien. Viele Investor:innen haben das Gefühl, dass Italien wahrscheinlich nicht mehr in der Lage sein wird, seine Schulden zurückzuzahlen. Erhöht die EZB den Leitzins, kann das eine Abwärtsspirale antreiben. Denn dann steigen auch die Zinsen auf die italienischen Staatsanleihen relativ zu den deutschen Staatsanleihen.
Für Italien wird es dann noch teurer, seine Schulden zurückzuzahlen und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Land es tatsächlich nicht schafft.
Genau. So etwas haben wir in den vergangenen Monaten gesehen. Denn die italienischen Banken halten diese Staatsanleihen und sollten sie an Wert verlieren, weil die Märkte denken, Italien kann diese Staatsanleihen nicht mehr bedienen, haben wir eine Finanzkrise in Italien. Und eine Finanzkrise in Italien ist auch eine Finanzkrise in Deutschland. Das heißt, die Frage ist, ob die Europäische Zentralbank überhaupt die Zinsen erhöhen kann.
Was fordern Sie dann? Was könnte uns wirklich noch retten, wenn die EZB in einer Zwickmühle steckt?
Wir brauchen einen gemeinsamen Schuldtitel, den die Banken halten können und der sicher ist. Das könnte man Eurobonds nennen. Muss man aber nicht. Wir brauchen einen gemeinsamen Gegenpart zur Geldpolitik, so viel steht fest. Das war schon die wichtigste Lehre aus der Staatsschuldenkrise vor zehn Jahren, aber zumindest jetzt müsste man da wirklich was machen.
Die EZB hat seit Juli mit dem Transmission Protection Instrument eine Möglichkeit entwickelt, die Staatsanleihen einzelner Länder zu kaufen. So kann sie im Notfall italienische Staatsanleihen kaufen, um die Situation zu stabilisieren. Hilft das nicht?
Das hilft, reicht aber nicht. Und dieses Instrument ist auch nicht ganz unproblematisch, weil wir jetzt an einem Punkt sind, an dem die Zentralbank Sachen kauft, die sonst eigentlich keiner mehr kaufen möchte. Das gefährdet unsere Geldwertstabilität.
Was lernen wir daraus?
Die Inflation wird uns noch lange begleiten. Das fürchtet Alexander Kriwoluzky aus zwei Gründen: Erstens liegt die aktuelle Inflation nicht nur an den hohen Energiepreisen, sondern auch an unseren Erwartungen. Denn wir alle gehen zurzeit nicht mehr davon aus, dass die Inflation bald wieder auf zwei Prozent sinkt. Zweitens tue die EZB zu wenig, um die Inflation zu drücken. Allerdings steht die EZB hier vor einem Dilemma: Hebt sie die Zinsen zu stark an, droht eine neue Staatsschuldenkrise. Das aktuelle Instrument der EZB reiche hier nicht. Stattdessen brauche es einen alten Bekannten: Euro-Bonds. Denn nur wenn die EU-Staaten gemeinsam für die Schulden haften, ließe sich die Inflation nachhaltig bekämpfen.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger und Christian Melchert
Wir haben diesen Artikel zur besseren Verständlichkeit am 14. September um 14 Uhr aktualisiert.