Wie der Preis der Kryptowährung Bitcoin stieg, so stieg die Lautstärke der Kritik. Im späten Herbst 2017 erreichte Bitcoin die hypnotisierende 10.000-Dollar-Marke, als ein Report die Runde machte: „Bitcoin verbraucht so viel Energie wie Irland.“
Die Nachricht verbreitete sich so schnell wie die Meldungen von neuen Höchstständen. Menschen, die nach einem Grund gesucht hatten, Bitcoin abzulehnen, hatten ihn nun gefunden.
Aber am Krypto-Markt hörte ihnen niemand zu. Denn Kritik an Bitcoin hatte es immer gegeben: giftige, desinteressierte, unbedarfte, wohlwollende, messerscharfe und gewitzte Kritik. Vor allem aber Kritik von Leuten, die selbst keine Kryptowährungen besitzen, von Nocoinern. Bitcoin war Glaubenssache. Die Menschen von draußen, die da zeterten? Irrelevant.
Vier Jahre später allerdings, im Mai 2021, trat ein Kritiker auf, dem die Märkte zuhören, jemand, der das Wichtigste steuern kann, was Märkte treibt: Emotionen. Am 13. Mai twitterte Elon Musk, Chef des Raumfahrtunternehmens Space X und der Elektroautomarke Tesla: „Kryptowährungen sind in vielerlei Hinsicht eine gute Idee, und wir glauben, dass sie eine vielversprechende Zukunft haben, aber dies darf nicht auf Kosten der Umwelt geschehen.“ Das Überraschende daran: Tesla hatte nur wenige Monate zuvor selbst Bitcoin gekauft, als erstes Milliardenunternehmen der USA. Eine Meldung, die die Euphorischen am Markt als frohe Botschaft interpretiert hatten: Was Tesla macht, werde bald jede große Firma dieser Erde machen.
Musks Energie-Tweet durchstieß ihre Illusion wie eine Rakete den entvölkerten Himmel. Der Bitcoin-Preis fiel parallel zu Musks Angriff. Zurück blieben 50 Prozent Kursverlust und ein Problem. Musk war eben kein Nocoiner; ihn konnte niemand ignorieren. Die Kritik kam von innen.
Erst Musk, dann China, dann kleiner Crash
Zur gleichen Zeit erging in den bürokratischen Weiten der Volksrepublik China ein Erlass, der den Handel mit Kryptowährungen und das Minen – zu Deutsch schürfen – von Bitcoins verbot. Miner setzen spezielle Computer ein, um das Bitcoin-Netzwerk abzusichern. Dafür werden sie in neu geschaffenen Bitcoins belohnt. Es ist dieser Prozess, der so viel Strom verbraucht.
Zum insgesamt sechsten Mal versuchte die im Westen fast nur als allmächtig vorstellbare Kommunistische Partei China (KPC) nun, Kryptowährungen unter Kontrolle zu kriegen: Auf alle diese Verbote folgte nichts Bedeutendes in China. Auf Twitter aber folgten viele Witze.
„China bans Bitcoin“ ist ein Meme der Krypto-Szene; nun konnte es wieder herumgereicht werden. Doch während die Witze kreisten, sahen Bitcoin-Analysten in ihren Datenbanken etwas Merkwürdiges: Immer mehr Miner zogen den Stecker und verschwanden. In wenigen Wochen verlor das Netzwerk mehr als die Hälfte der Rechenpower. So etwas hatte es zuvor noch nicht gegeben. In ihren Datenbanken sahen die Analysten auch, welche Miner sich verabschiedeten: die Chinesen. Ausschließlich. China bans Bitcoin, yes indeed.
Warum die KP China nun durchzog, was sie zuvor kaum mit ernsthaftem Interesse verfolgt hatte, ist wie so viele Entscheidungen aus China nicht mit letzter Sicherheit berichtbar. Die US-Finanzseite Bloomberg zitierte einen hochrangigen Regierungsbeamten, der bei den wichtigsten Treffen nach eigener Aussage dabei war. Den Ausschlag hätte gegeben, so der Beamte, dass die Bitcoin-Miner immer mehr eigentlich stillgelegte Kohleminen wieder hochgefahren hätten, um an billigen Strom zu kommen und es in einer dieser Minen zu einem Unfall gekommen sei.
Es wurde offensichtlich, was sich im Hype-Herbst 2017 und in der Kritik Musks vier Jahre später schon angedeutet hatte: Der Stromhunger des Bitcoin machte ihn verwundbar.
Damit fand die Erzählung „Bitcoin zerstört das Klima“ im Mai 2021 ihren vorerst letzten Höhepunkt. Der umso dramatischer ausfiel, weil Bitcoin als die „Mutter aller Kryptowährungen“ gilt, ist sie doch die bekannteste und noch immer am meisten gehandelte. Die meisten Menschen kennen nur Bitcoin und glauben, dass die Währung stellvertretend für die gesamte Blockchain-Technologie steht, die Bitcoin zugrunde liegt.
Energie-Diskussionen um Kryptowährungen werden zu Glaubenskämpfen
In Diskussionen um Blockchain-Technologie und Kryptowährungen spielt deswegen der Stromhunger, nennen wir es das „Energie-Argument“, eine entscheidende Rolle. Im Jahr 2021, dem Jahr der Glasgower Klimakonferenz und Meldungen von Rekordtemperaturen in kanadischen Städten, bekam dieses Argument ein besonderes Gewicht. Selbst die raubeinigsten Krypto-Verteidiger merkten, dass sie sich der Kritik stellen mussten, wenn ihr digitales Gut mehr werden sollte als ein weiteres Spekulationsbläschen der Finanzwelt.
Für weite Teile der Welt ist die Sachlage klar: Kryptowährungen sind Energieverschwendung, nicht nur, aber besonders in einer eskalierenden Klimakrise. Auf Twitter werden Menschen, die sich dafür einsetzen, die Blockchain-Technik in Form von NFTs auch in Computerspielen oder zur Vermarktung von Kunst einzusetzen, völlig ironiefrei als „Öko-Terroristen“ bezeichnet. In der Wochenzeitung Die Zeit, dem Amtsblatt der deutschen Technik-Piefigkeit, fordert wiederum ein Kommentator ein internationales Abkommen, um den Handel mit Bitcoins zu ächten.
Nocoiner und Krypto-Kultisten scheinen so eine weitere Manege für die Kulturkämpfe dieser Zeit aufgemacht zu haben, an denen sich Bürger und Bürgerinnen der westlichen Gesellschaften gerne berauschen. Bist du einer von uns oder gehörst du zu denen? Bist du für Krypto oder dagegen? Und wie bei jedem Schaupiel ist zumindest eines gewiss: Was auf der Bühne passiert, kann sich wahr anfühlen; richtig sein muss es deswegen noch lange nicht.
Wer sich die Mühe macht und genau hinschaut, Studien liest, Daten sammelt und ein paar Vergleiche anstellt, erkennt, dass Kryptowährungen an sich keine Klimakiller sind, NFTs nur unter Ausblenden größerer Realitätsteile den Planeten zerstören werden und allein Bitcoin wirklich ein Problem hat.
Herauszufinden, wie viel Energie eine Kryptowährung verbraucht, ist so anstrengend, wie einen Erlass der chinesischen Parteiführung zu entschlüsseln. Denn Kryptowährungen werden durch Blockchains ermöglicht. Diese Blockchains sind offene, dezentrale Datenbanken, die durch ein spezielles kryptographisches Verfahren abgesichert werden.
Bei einer Blockchain-Datenbank ist es wie bei einem Techno-Club; wer rein will, muss an den Türstehern vorbei. Die bereits erwähnten Miner sind Türsteher der Blockchains, sie passen auf, dass in der Datenbank alles seine Ordnung hat. Es ist ihre Arbeit, für die Bitcoin immer mehr Energie verbraucht, und es ist die Dezentralität dieser Datenbanken, die es unmöglich macht, ganz genau zu messen, wie viel Strom benötigt wird. Alle Zahlen sind immer nur Schätzungen.
Alex de Vries, ein niederländischer Finanzspezialist, begann schon vor Jahren, den Energieverbrauch von Bitcoin zu berechnen. Er schreibt in einem Aufsatz: „Wir können nicht genau abschätzen, wie viel Strom für das Bitcoin-Mining verbraucht wird, da es nicht möglich ist, festzustellen, wie viele (oder welche) Mining-Maschinen im Netzwerk aktiv sind.“
Deswegen gehen Forschende oft einen anderen Weg. Vereinfacht gesagt schauen sie sich zunächst an, wie viel Rechenpower ein Netzwerk aktuell benötigt. Dann suchen sie die Zahl der Computer, also der Mining-Maschinen, die es braucht, um diese Rechenpower abzuliefern. Der Stromverbrauch der Mining-Maschinen wiederum ist bekannt – voilá, wir haben eine Schätzung.
Die Energie, die das Bitcoin-Netzwerk braucht, um sicher zu laufen, steigt dabei seit Jahren an, wie diese Zahlen des Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index zeigen.
Der erste Bitcoin-Block wurde im Januar 2009 erzeugt, bis heute gab es keinen erfolgreichen Angriff auf das Netzwerk. Der Mechanismus hinter dieser Absicherung heißt „Proof-Of-Work“, ein Name, der die Logik nochmal klar macht: Absichern kann das Netzwerk nur, wer Arbeit („Work“) nachweisbar („Proof“) investiert. Arbeit wiederum heißt Energieverbrauch – das ist bei Computern genauso wie bei Bergleuten, die nach einem Tag im Schacht Kohldampf haben.
Der gesamte Energieverbrauch des Bitcoin-Netzwerkes entspricht zur Zeit ungefähr dem Stromverbrauch des 70-Millionen-Landes Thailand. Bitcoin ist allerdings nur eine von mehr als 12.000 offiziell handelbaren Krypto-Währungen. Auch die zweitgrößte Währung am Markt, Ethereum, basiert noch auf dem Proof-Of-Work-Algorithmus. Ethereum ist mindestens ebenso wichtig wie Bitcoin; fast alle zentralen Neuerungen der jüngeren Zeit setzen auf Ethereum auf, nicht auf Bitcoin. Weswegen vor allem jüngere Krypto-Fans Bitcoin nur noch den „Boomer Coin“ nennen.
Die folgende Grafik zeigt, wie viel Strom die beiden Netzwerke im Vergleich mit der Gold- und der globalen Finanzindustrie verbrauchen.
Das ist ein aufschlussreicher Vergleich, weil Bitcoin tatsächlich schön und selten (und nutzlos) ist wie ein Barren Gold. Ethereum wiederum ist wie ein Mini-Computer (mit sehr schlechter Leistung), der es ermöglicht, komplexere Rechenoperationen in der großen gemeinsamen Datenbank durchzuführen. Diese Eigenschaft von Ethereum nutzen zahlreiche Start-ups, um Kreditgeschäfte, Handel mit Kryptowährungen oder Versicherungen dezentral abzuwickeln.
Auf der Ethereum-Blockchain ist auch zuerst jenes Krypto-Phänomen entstanden, das im vergangenen Jahr die Massen fasziniert, verwirrt und abgestoßen hat, in dabei je nach Persönlichkeit sicherlich unterschiedlicher Reihenfolge: Non-Fungible-Token (NFTs). Das sind digitale Güter, also Einträge in die Blockchain-Datenbank, die es nur ein einziges Mal gibt; sie sind, und das ist die zentrale Neuerung, etwas Einzigartiges in einer digitalen Welt, in der alles kopierbar ist. Sie sind rar. Vor allem Künstlerinnen und Künstler machen sich diese Eigenschaft zunutze. Sie verkaufen auf speziellen Marktplätzen Werke an Sammelnde, die schrottig wie eine Happy-Meal-Überraschung oder magisch wie eine Leinwand von Mark Rothko sein können.
Ich werde im Rahmen meines Web3-und-Krypto-Zusammenhangs auf Krautreporter auch noch einen Text speziell zu NFTs schreiben. Deren Welt ist einfach zu abgefahren, zu wild, zu rätselhaft, um sie in einem Absatz abfrühstücken zu können. Falls du dazu speziell Fragen hast, stelle sie mir in dieser Umfrage.
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Weil NFTs zunächst vor allem auf der Ethereum-Blockchain zu finden waren und diese auch noch mit dem energieintensiven Proof-Of-Work-Algorithmus arbeitet, wurde neben der Bitcoin-Manege noch eine NFT-Manege für den Kulturkampf eröffnet: „NFTs zerstören das Klima“ – „Nein, tun sie nicht!“ – „Doch, du Ar…“ – „Selber!“ Ende des Gesprächs.
NFTs verbrauchen nicht zwangsläufig viel Energie
Dabei ist die Sachlage bei NFTs eine grundlegend andere als bei Bitcoin. Erstens verbraucht die Blockchain Energie, egal ob sie NFTs verarbeitet oder nicht. Zweitens gibt es umweltschonende Alternativen zu Ethereum, die auch mit NFTs umgehen können. Drittens wird Ethereum sich wandeln, hin zu einer Variante, die weniger Strom frisst.
Zum ersten Punkt: Eine Blockchain funktioniert wie ein Zug, der nach Fahrplan pendelt. Er fährt, egal, ob das große Gedrängel kurz vor Weihnachten oder die schlappe Leere eines nächtlichen Lumpensammler-Einsatzes ansteht. Bei der Blockchain ist es genauso, sie ist Infrastruktur, sie stellt Platz zur Verfügung, den die Teilnehmerinnen des Netzwerkes gegen eine Gebühr nutzen können.
Wer NFTs erstellt oder versendet, bucht sich einen Platz in der Blockchain, wie es auch der Fahrgast in seiner Ticket-App tut. Weder die Deutsche Bahn noch eine Blockchain warten allerdings darauf, dass alle Tickets verkauft werden. Der Zug muss pünktlich fahren (jedenfalls in Japan oder der Schweiz), die Blockchain muss pünktlich den nächsten Block produzieren (alle Blockchains, auch deutsche). Das heißt, die Energie, die Blockchains verbrauchen, wird so oder so verbraucht.
Zweitens gibt es neben Ethereum noch Dutzende andere Blockchains, die auch wie (ziemlich lahme) Mini-Computer funktionieren und mit NFTs umgehen können, aber deutlich weniger Energie verbrauchen. Um herauszufinden, wie groß der Anteil der energieeffizienteren Varianten ist, habe ich die Daten von insgesamt 41 Marktplätzen von elf verschiedenen Blockchains gesammelt und sortiert. So ist der NFT-Markt aufgeteilt (Stand: 22.12.2021):
Gleichzeitig fällt der Marktanteil von Ethereum immer weiter. Die gleiche Grafik mit zwölf Monate alten Daten würde wie ein großer geschlossener Kreis aussehen; viele Wettbewerber von Ethereum waren da noch gar nicht am Markt angekommen.
Warum aber schaffen die Konkurrenten von Ethereum es, das Gleiche anzubieten und dafür weniger Strom zu verbrauchen? Das Wichtigste an einer Datenbank, in die jeder schreiben kann, ist, dass es jemanden gibt, der für Ordnung sorgt – sonst Chaos, wir erinnern uns.
Im Proof-Of-Work zählt die Arbeit, die Energie, die jemand aufbringt, um ein Ordnungshüter und dafür belohnt zu werden. Aber die Ingenieurinnen und Programmier haben sich noch andere Möglichkeiten einfallen lassen, um für Ordnung zu sorgen, ohne dass es schwitzig wird wie in einer Kohlezeche.
Die wichtigste Technik heißt Proof-Of-Stake. Hier zählt nicht, was du schaffst, sondern was du hast, wie es in allen westlichen Demokratien inzwischen sowieso Mode ist. Die Logik steckt auch hier wieder im Namen: Zeig her („Proof“) deinen Anteil bzw. Einsatz („Stake“). Wer selbst Coins der entsprechenden Blockchain hält, kann sie einsetzen, um das Netzwerk abzusichern. Baut er oder sie dabei Mist, ist der Einsatz weg.
Diese Technologie verbraucht so viel weniger Strom, dass ein grafischer Vergleich mit Proof-Of-Work zwar aufschlussreich, aber nur schwer lesbar ist. Seht selbst:
Als Fazit bleibt, dass Blockchains, die mit Proof-Of-Stake arbeiten, deutlich weniger Energie verbrauchen als Blockchains mit Proof-Of-Work. NFTs können also energiehungrig sein, müssen es aber nicht. Das sind Feinheiten, die in der Debatte untergehen.
Ethereum wechselt zu einer klimafreundlicheren Technologie
Ethereum selbst wird, wenn alles gut geht, innerhalb der nächsten zwölf Monate ein Upgrade bekommen. Es wird auch zu Proof-Of-Stake wechseln. Laut Berechnungen von Carl Beekhuizen, der als Forscher bei der Ethereum Stiftung arbeitet, könnte der Energieverbrauch konservativ gerechnet um bis zu 99,5 Prozent sinken. Der Energieverbrauch des Netzwerkes entspräche dann dem einer mittleren, deutschen Kleinstadt und niemand muss mehr ein schlechtes Gewissen haben, wenn er mit NFTs handelt.
Über einen Wechsel zu Proof-Of-Stake diskutiert die Ethereum-Community mindestens seit dem Jahr 2018, andere Upgrades des Netzwerkes haben immer länger gedauert, als ursprünglich geplant. Darauf angesprochen sagt Carl Beekhuizen: „Die meisten Forscher der Ethereum Stiftung erwarten, dass Ethereum in der Mitte des Jahres 2022 zu Proof-Of-Stake wechselt, ich persönlich tippe aber auf das vierte Quartal.“ Für seinen Tipp gäbe es keinen besonderen Grund, so Beekhuizen. Die Dinge würden nur immer länger dauern, als gedacht.
Bleibt Bitcoin. Schon einer der allerersten Bitcoin-Miner der Geschichte setzte dessen Energieverbrauch in einem Tweet im Januar 2009 auf die Agenda der damals winzigen Bitcoin-Community.
https://twitter.com/halfin/status/1153096538
Theoretisch könnte auch Bitcoin tun, was Ethereum vorhat, allerdings gibt es in der Bitcoin-Community nur wenige Diskussionen dazu. Der Proof-Of-Work-Algorithmus war die zentrale Neuerung Bitcoins; die Energie, die er verbrauche, so geht das gängige Argument, sei keine Verschwendung, sondern der Preis für ein sicheres Netzwerk.
Es gibt Ideen, Bitcoin so nutzen, dass es der Energiewende hilft
Stand jetzt wird Bitcoin also weiterhin viel Energie verbrauchen. Die großen Investoren und Mining-Firmen suchen deswegen nach Wegen, diese Energie so klimafreundlich wie möglich herzustellen. In einem für die Außenwirkung cleveren Schachzug vermählen sie gerade Bitcoin mit der Energiewende. Sie vermarkten die Kryptowährung als Batterie, die Energie auffangen kann. „Bitcoin-Miner sind einzigartige Geschäftspartner, weil sie auf eine einzige Variable (die niedrigste Kilowattstunde) hin optimieren und als mobiler ‚Energiekäufer der letzten Instanz‘ für Energie dienen, die nicht einfach transportiert werden kann“, heißt es in einem Report der Analysefirma Messari.
Das ist nicht nur schnödes Greenwashing. Als in China noch Miner ihrer Arbeit nachgingen, sackte pünktlich zweimal im Jahr die Rechenpower hinter dem Bitcoin-Netzwerk ab, denn es begann der große Umzug: Die Miner transportierten ihre Computer in jene Regionen Chinas, in denen während der Regensaison Strom aus Wasserkraft spottbillig zu haben war.
In Studien des Zahlungsdienstleisters Square und der Investmentfirma Ark Invest wiederum heißt es, dass Bitcoin beim Ausbau von erneuerbarer Energie sogar helfen könne. Die Logik dahinter: Bitcoin-Miner seien ziemlich einzigartige Nachfrager von Strom, da sie so flexibel seien. Per Knopfdruck könnten sie steuern, wie viel Energie sie verbrauchen. In Zeiten, in denen der Wind bläst und die Sonne strahlt und zu viel Energie im Stromnetz sei, könnten die Miner direkt an den Kraftwerken den Überschuss abfangen. Normalisiert sich die Produktion wieder, fahren sie ihre Maschinen runter. Ein Computer solle dabei entscheiden, ob es gewinnbringender ist, den Strom in einer Batterie zu speichern oder zum Minen zu nutzen.
Dadurch ändere sich die Kalkulation für Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen, schreiben die beiden Firmen. Je mehr Miner es gäbe, desto eher könnten solche Anlagen über Kapazität geplant werden und desto schneller könnten die Anlagen gebaut werden, weil nicht auf Anschlüsse an das Stromnetz gewartet werden müsse. Unterm Strich werde erneuerbare Energie noch billiger, als sie es sowieso schon ist.
Aufmerksame Leser und Leserinnen haben es gemerkt: Das alles muss im Konjunktiv erzählt werden, weil es solche Anlagen noch nicht gibt. Noch dazu ist es eine Erzählung, die allen in die Hände spielt, die in Bitcoin investiert haben. Darin ähnelt sie vielen Klimaschutzplänen von Regierungen, die irgendwann in der Zukunft sehr, sehr viel CO2 einsparen werden mit Technologien, die noch zu finden sind. Aber, und das macht die Sache etwas vertrackt, die Erzählung ist vielleicht eine Schutzbehauptung; deswegen muss sie dennoch nicht falsch sein. Den Beweis muss allerdings die Bitcoin-Industrie selbst führen; sie muss zeigen, dass funktionieren kann, was sie anpreist.
Letztlich aber werden keine Tweets von Elon Musk, kein Erlass der Kommunistischen Partei China oder hilflose Boykottaufrufe die Zukunft Bitcoins entscheiden, sondern die einfache Frage, welchen Wert Bitcoin eigentlich hat. Darin ähnelt die Debatte vielen anderen, die wir im Kanzleramt wie am Familientisch gerade führen: Wofür setzen wir unsere Energie ein? Lohnt sich der ganze Aufwand eigentlich?
Redaktion: Esther Göbel, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Till Rimmele; Audioversion: Iris Hochberger