Mittelalterliche Malerei eines Steuereintreibers welcher mit ein Frau spricht

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Geld und Wirtschaft

Früher hieß es Beute, heute heißt es Steuer

Manche nennen den Staat eine Räuberbande – nicht ganz zu Unrecht, wie die Geschichte zeigt.

Profilbild von Michael Keen und Joel Slemrod

Den Staat mit einer Räuberbande gleichsetzen? Historisch betrachtet ist das absolut korrekt. Das zeigen die beiden US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Michael Keen und Joel Slemrod in ihrem Buch „Rebellion, Rascals, and Revenue“, aus dem wir hier einen Auszug veröffentlichen. Wir haben diesen Text ausgewählt, weil die Vergangenheit dabei helfen kann, die Gegenwart und den Wahlkampf besser einzuordnen.


In seinem Roman „Scoop“ verarbeitete der britische Schriftsteller Evelyn Waugh seine Erfahrungen im Abessinien der 1930er Jahre, um sich die Steuererhebung im fiktiven Ishmaelia vorzustellen:

„Man hatte es für zweckmäßig befunden, die Funktionen der Landesverteidigung und des Finanzamtes in einem Amt zu vereinen, das damals in den fähigen Händen von General Gollancz Jackson lag; seine Streitkräfte bestanden aus zwei kriegsstarken Kompanien, der Ishmaelitischen Maultier-Steuereintreiber-Truppe und der Scharfschützen-Steuereintreiber mit einem kleinen Erbschaftssteuer-Artilleriekorps für den Einsatz gegen die Erben mächtiger Adliger … Gegen Ende eines jeden Haushaltsjahres zogen die fliegenden Kolonnen des Generals auf den Fersen der flüchtigen Bevölkerung ins Umland und kehrten rechtzeitig zum Haushaltstag zurück, beladen mit der Beute der weniger Flinken: Kaffee und Felle, Silbermünzen, Sklaven, Vieh und Schusswaffen.“

Es waren simple Plündereien dieser Art, aus denen sich die oft irrsinnig komplizierten heutigen Steuersysteme entwickelten. Steuern zu zahlen ist vielleicht eines der wenigen Dinge unseres Lebens, das unseren Vorfahren bekannt vorkäme.

Etwas mit Besteuerung Vergleichbares begann zweifellos als schlichte Plünderung nach dem Vorbild des General Jackson, lange vor der Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten oder dem alten Sumer. Und es setzte sich jahrhundertelang fort. Das Römische Reich feierte manchmal Siege, die derart spektakulär waren, dass sie den Erlass aller anderen Steuern eines Jahres ermöglichten. Die Hauptfunktion des englischen Domesday Book von 1087 bestand darin, den gerade etablierten normannischen Eroberern eine Aufzeichnung darüber zu liefern, wie viel genau sie erworben hatten.

Die Plünderungen setzten sich bei der Eroberung des mit Bodenschätzen gesegneten Südamerikas fort, obwohl die Plünderer gelegentlich selbst geplündert wurden: Francis Drakes Kaperung der spanischen Schatzschiffe (und andere Seeräubereien gegen die Spanier in den Jahren 1577 bis 80) brachte Königin Elisabeth I. den Gegenwert von etwa einem Jahr ihres gewöhnlichen Einkommens ein.

Die Kultivierteren unter den Plünderern erkannten schließlich, dass man den Geplünderten gerade so viel von ihrem Kapital und ihrer Lebenskraft belassen konnte, dass diese ihre Produktionskapazitäten wieder aufbauen und somit eine Grundlage für glückliche Plünderungen in der Zukunft schaffen konnten. Herodot berichtet von König Alyattes von Lydien, der, als er die antike griechische Stadt Milet angriff, „davon absah, ihre Häuser niederzureißen, damit die Milesier von ihnen ausziehen konnten, um zu säen und die Felder zu bearbeiten, und er durch ihre Arbeit etwas zum Plündern hätte.“

Von hier aus war es ein kurzer Schritt zu der Einsicht, dass die harte Arbeit des eigentlichen Plünderns vielleicht gar nicht nötig war, da die Androhung des Plünderns ausreichte. Tribute – wie das Danegeld, das von den Engländern und Franken bezahlt wurde, um die Wikinger von Raubzügen abzuhalten – wurden zu einer eleganteren Methode, um durch Erpressung den gleichen Effekt zu erzielen.

Es war schon immer eine beliebte Form der Besteuerung, von Ausländern – oder Menschen, die aus irgendeinem Grund als Fremde betrachtet wurden – Tribute zu fordern oder sie auszuplündern. Herrscher beziehen ihre Ressourcen bevorzugt von denjenigen Menschen, von denen ihre gesellschaftliche Unterstützung nicht abhängt. Die Athener erhoben eine Kopfsteuer auf ausländische Einwohner; das England des Elisabethanischen Zeitalters verlangte von ihnen einfach das Doppelte. Machiavelli riet seinem Prinzen, „von dem, was weder dir noch deinen Untertanen gehört, kannst du bereitwillig geben, wie es Cyrus, Cäsar und Alexander taten; denn es nimmt dir nicht dein Ansehen, wenn du das anderer vergeudest, sondern vermehrt es“, ein Rat, den viele bis heute befolgen, die ausländische multinationale Unternehmen besteuern wollen. Aber die Besteuerung von Ausländern kann riskant sein. Und sie hat selten genug eingebracht, um die Bedürfnisse der Herrschenden zu befriedigen.

Feldsteuer, Reissteuer, Kopfsteuer, Mundsteuer

Als die Gesellschaften sesshafter wurden, nahm auch die Besteuerung klarere Formen an. In vorindustriellen Zeiten konzentrierte sich die Besteuerung auf die beiden einzigen Dinge, die im Überfluss vorhanden waren: Ackerland und menschliche Arbeitskraft.

Im alten China zum Beispiel entstand zur Zeit der westlichen Zhou-Dynastie (1046 bis 771 v. Chr.) ein System der Aufteilung von Land in gleich große Parzellen von neun quadratischen Feldern, wobei der Ertrag des kollektiv bewirtschafteten zentralen Feldes als Steuer diente; dies wurde von dem Philosophen Mencius (372 bis 289 v. Chr.) sehr gelobt, obwohl dieses System zu seiner Zeit schon weitgehend zusammengebrochen war. (Unverändert ist allerdings die Zusammensetzung des piktographischen Schriftzeichens für „Steuer“ in China, das sich seit jeher aus „Ernte“ und „Tausch“ bildet.) Regierungen haben immense Anstrengungen unternommen, um landbezogene Steuern einzutreiben. Unter dem römischen Kaiser Diokletian (284 bis 305 n. Chr.) wurden „Felder Scholle für Scholle vermessen, Weinstöcke und Bäume gezählt, jede Art von Tier registriert.“

In Japan war die Haupteinnahmequelle bis zur Meiji-Restauration eine Steuer, die als Anteil an der (tatsächlichen oder potenziellen) Reisproduktion festgelegt und oft in Naturalien bezahlt wurde. Und die Mogulkaiser bezogen etwa 90 Prozent ihrer Einnahmen aus Landsteuern, wobei die Beamten Informationen über Flächen, Erträge und Preise sammelten, und zwar Feld für Feld. Unter den Briten reisten die Beamten des Raja durch das Land und taten das Gleiche, „inspizierten und kontrollierten … den Zustand der Brunnen und der Bewässerungssysteme, die Vermessung und die Einträge im Feldregister, die Gesundheit des Viehs, die Genauigkeit der Grenzen.“

Arbeit konnte explizit durch eine Kopfsteuer besteuert werden: ein gleicher Betrag für alle (in China bekannt als die „Mund“-Steuer). Oder sie konnte implizit besteuert werden, durch Zwangsarbeit, die oft Knochenarbeit war und manchmal tödlich. Glamouröser war die Arbeit, die von den Rittern der klassischen europäischen Feudalsysteme verlangt wurde. Sie waren im Gegenzug für einen Anteil am geplünderten Land verpflichtet, ihrem Fürsten Militärdienst zu leisten, und ihre Gefolgsleute waren es ebenso.

In vorindustriellen Gesellschaften gab es noch andere Arten von Steuern. Im klassischen Athen mussten die Wohlhabenden zu Leiturgien beitragen, sie mussten Feste ausrichten und weitere staatliche Funktionen finanzieren: Perikles unterstützte 462 v. Chr. Aischylos’ Tragödie „Die Perser“ als Leiturgie. Zu den anerkannten Steuern im alten Rom gehörten eine Umsatzsteuer, die bis 444 auf vier Prozent gestiegen war, sowie Steuern auf Erbschaft und Sklaven (sowohl bei deren Verkauf als auch Freilassung). Der Kaiser Vespasian (69 bis 79 n. Chr.) erhob eine Steuer auf Urin und wollte damit seinem Sohn die Lektion erteilen, dass pecunia non olet: Geld stinkt nicht. Das klassische Athen besteuerte Importe und Exporte mit einem Prozent. Aber Land und Arbeit waren die dominierenden Einnahmequellen vormoderner Herrscher.

Elemente eines eindeutig modernen Steuersystems bildeten sich im mittelalterlichen Westeuropa heraus – zusammen mit der Erkenntnis, dass ein gewisses Maß an Zustimmung der Beherrschten erforderlich war, wenn die Herrscher ihren wachsenden und dauerhaften Finanzbedarf decken wollten. Traditionell wurde von Herrschern erwartet, dass sie „von ihren eigenen Mitteln lebten“: Sie mussten ihre Ausgaben, nicht zuletzt für Kriegszüge, aus ihren eigenen Ressourcen decken. Diese bestanden aus Einkünften aus ihren Ländereien, den Diensten ihrer Lehnsleute und anderen feudalen Abgaben, ergänzt durch eine eklektische Reihe von Maßnahmen, wie die Auflösung der Klöster unter Heinrich VIII.

Ungewöhnliche Bedürfnisse (Krieg also), die dadurch nicht gestillt werden konnten, wurden durch gelegentliche Abgaben gedeckt, die oft als „Subventionen“, „Zuschüsse“ oder „Hilfen“ in Großbritannien und „servicios“ in Spanien bezeichnet wurden und den Anschein erweckten, dass ihre Zahlung freiwillig war. Aber gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Krieg teurer (zum Teil wegen der existenziellen Bedrohung durch die Osmanen) und erforderte eine immer stärkere Artillerie (und stärkere Befestigungen zum Schutz dagegen), zusammen mit einer großen, gut ausgebildeten Infanterie. Die Einnahmen aus den traditionellen feudalen Quellen waren beispielsweise in England während der Regierungszeit von Jakob I. (1603 bis 1625) eindeutig unzureichend geworden, und Ad-hoc-Abgaben, wie der Verkauf von Monopolen, konnten die Lücke nicht füllen.

Die gelegentlichen Sonderabgaben zur Kriegsfinanzierung wurden immer regelmäßiger, auch in Friedenszeiten. Als die Suche nach verlässlicheren und nachhaltigeren Einnahmequellen zunahm, wurden kommerzielle und andere nicht-landwirtschaftliche Aktivitäten sowie städtische Zentren zu immer verlockenderen Zielen. Aber die Herrscher mussten für die Schaffung einer breiten und dauerhaften Einnahmequelle einen Preis zahlen: eine Verringerung ihrer politischen Macht.

Handelssteuer, Wollsteuer, Salzsteuer, Weinsteuer

Eine der am längsten etablierten und dauerhaftesten Einnahmequellen – vielleicht die einzige, die als unbestrittenes Recht der Herrscher galt, ist die Besteuerung des Handels.

Grenzen waren lange Zeit ein günstiger Ort, um Steuern zu erheben, und sie sind es immer noch, zweifellos auch in der Hoffnung, eher Fremde als Einheimische zu besteuern. Handelssteuern waren im mittelalterlichen Europa eine wichtige Einnahmequelle. In England erhob König Johann (1199 bis 1216) etwa sieben Prozent auf eine breite Palette von Importen und Exporten, und ein Großteil der Einnahmen der mittelalterlichen englischen Könige stammte aus einer Steuer auf Wollexporte. Kontinentaleuropa war durch eine Vielzahl von Zöllen und Gebühren zerschnitten: Im Jahr 1567 musste man auf der Loire zwischen Roanne und Nantes 120 Mautstellen passieren. Und die Steuern auf den Handel untermauerten die Größe des byzantinischen Konstantinopel, das an der Kreuzung zweier großer Handelsstraßen lag.

Eine Folge des Bedürfnisses der Herrscher, sich verlässliche Einnahmequellen zu sichern, war die Reglementierung und Ausweitung von Akzisen (also von Steuern auf die inländische Produktion bestimmter Produkte sowie auf Importe). Sie wurde durch die Monetarisierung und die zunehmende Konzentration von Produktion und Konsum auf eine überschaubare Anzahl von Firmen und Städten ermöglicht. Die alcabala in Spanien, die sich auf eine breite Palette von Produkten bezog, geht mindestens auf das Jahr 1342 zurück, und in Frankreich wurde die verhasste Salzsteuer (gabelle) in den 1340er Jahren dauerhaft eingeführt. In der florentinischen Republik der Medici betrugen die Verkaufssteuern 1427 im Durchschnitt etwa sechs Prozent der Konsumausgaben (in Florenz waren es noch mehr), ein Großteil stammte aus Steuern auf Wein und Salz.

Im Laufe der Jahre setzten sich Akzisen auf eine breitere Palette von Waren durch: in Spanien, wo die millones von 1590 sogar Grundnahrungsmittel besteuerten, in den Vereinigten Niederlanden (das Wort Akzise selbst leitet sich möglicherweise vom mittelniederländischen Wort excijs ab) und in Großbritannien während des Interregnums von 1649 bis 1660. Diese Versuche, die Steuerbasis zu erweitern, waren nicht immer erfolgreich. Die spanischen Bestrebungen, den „zehnten Penny“ einzuführen, eine zehnprozentige Steuer auf alle Waren, schürten die niederländische Revolte von 1568 bis 1648 weiter an, und die Erfahrungen des Commonwealth führten zu einem Widerstand gegen eine breit angelegte Warenbesteuerung in Großbritannien.

Nichtsdestotrotz war ein Großteil der Besteuerung dieser Zeit darauf ausgerichtet, nach den individuellen Umständen zu unterscheiden. Die Taschen – eigentlich die Felder, Mühlen und Bergwerke – der Wohlhabenden waren der Ort, an dem sich das Geld befand, und vielleicht auch der Ort, von dem das Geld kommen sollte. Die Herrscher konnten jedoch nicht so einfach feststellen, wie wohlhabend ihre Untertanen waren, vor allem, wenn diese Untertanen einen Anreiz hatten, nicht freizügig zu sein, denn je mehr sie angaben, desto mehr würden sie besteuert werden. Dies ist nach wie vor ein – wohl das – zentrale Problem aller Steuersysteme.

Die Griechen hatten schon vor langer Zeit eine saubere Lösung für dieses Problem gefunden: Die Wohlhabenden konnten von der Finanzierung der Leiturgien befreit werden, aber nur, wenn sie ihr gesamtes Vermögen gegen das von jemandem eintauschten, der die Last übernehmen würde. Dies gab ihnen einen Anreiz, ihr eigenes Vermögen nicht allzu niedrig anzusetzen, aus Angst, am Ende weniger zu haben. Der weitaus üblichere Ansatz, um die Bessergestellten ins Visier zu nehmen, bestand (und besteht) darin, die Steuerpflicht eines Individuums auf der Grundlage eines Indikators für seinen Lebensstandard zu berechnen, wie zum Beispiel in stark hierarchischen Gesellschaften auf der Grundlage seines sozialen Status oder der Anzahl der Fenster in seinem Haus. Eine andere Möglichkeit bestand darin, die Unterscheidung effektiv an die lokale Elite zu delegieren, die sich vor Ort besser auskannte und mit der der Herrscher auf jeden Fall auf gutem Fuß stehen wollte.

Manchmal funktionierte dieser Ermessensspielraum in einem Kontext, in dem der zu zahlende Betrag nicht individuell, sondern durch für jeden Ort festgelegte Quoten bestimmt wurde. Zwangsläufig waren Günstlingswirtschaft und Verlogenheit allgegenwärtig: „Unsere Besitztümer, die in den Büchern der Königin mit 30 oder 40 Pfund angegeben werden“, sagte Sir Walter Raleigh zu Königin Elisabeth, „sind nicht der hundertste Teil unseres Reichtums.“ Die warenbasierten Akzisen und Zölle hatten dagegen eine viel leichter zu beobachtende und überprüfbare Steuerbasis: Wollballen konnten gezählt werden.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts machten die Bedürfnisse der Herrscher die Besteuerung nicht mehr nur zu einer Frage, wie man in Kriegszeiten außerordentliche Finanzmittel beschaffen könne, sondern zu einer dauerhaften Angelegenheit.


Michael Keen ist stellvertretender Direktor der Abteilung für steuerliche Angelegenheiten beim Internationalen Währungsfonds.

Joel Slemrod ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Michigan.

Dieses Stück ist ein Auszug aus dem Buch „Rebellion, Rascals, and Revenue: Tax Follies and Wisdom Through the Ages“ von Michael Keen and Joel Slemrod. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Princeton University Press.


Übersetzung: Philipp Daum; Redaktion: Rico Grimm; Schlussredaktion: Susan Mücke; Bildredaktion: Till Rimmele; Audioversion: Iris Hochberger.

Früher hieß es Beute, heute heißt es Steuer

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