Sieben Wege, wie Unternehmen konstruktiv mit der Corona-Krise umgehen

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Geld und Wirtschaft

Sieben Wege, wie Unternehmen konstruktiv mit der Corona-Krise umgehen

Das eigentliche Geschäft steht still, der Umsatz ist weg – so reagieren findige Unternehmer:innen.

Profilbild von Rebecca Kelber
Reporterin für eine faire Wirtschaft

Unternehmer:innen stehen in Corona-Zeiten vor großen Herausforderungen: Sie sind für eine Firma und ihre Mitarbeiter:innen verantwortlich, während die Welt runtergefahren wird, die drohende Wirtschaftskrise im Nacken.

Aber sie versuchen, sich an den Ausnahmezustand anzupassen. Sieben Strategien habe ich identifiziert. Sie reichen von der Zusammenarbeit mit Konkurrenz-Unternehmen bis hin zu Einrichtung ganz neuer Vertriebswege für die eigenen Produkte.

1. Produzieren, was jetzt gebraucht wird

Hotels bieten ihre Zimmer günstig als Arbeitsraum fürs Homeoffice an, Modefirmen nähen Mundschutzmasken und Schutzanzüge statt T-Shirts, und Parfümerien produzieren Desinfektionsmittel: Viele Unternehmen stellen gerade auf Produkte um, die in der Corona-Krise dringend benötigt werden. Und können sich vor Aufträgen kaum retten.

Einige Ankündigungen könnten aber auch PR-Gags sein. So hat etwa Ford angekündigt, in 100 Tagen 50.000 einfache Beatmungsgeräte zu produzieren. Stefan Dräger, Chef des weltweit größten Herstellers für Beatmungsgeräte, hält davon nicht viel. „Es bringt nichts, brachliegende Kapazitäten in der Fertigung jetzt für Beatmungshilfen einzusetzen“, sagte er im Interview mit dem Manager Magazin. Denn den Autoherstellern fehle es an Know-how im medizinischen Bereich, um so schnell umzustellen. „Wir können ja auch keine Autos bauen.“ Auf jeden Fall braucht es mehr Zeit, um die Initiativen der Autobauer zu koordinieren.

2. Sparen, wo es geht

Der Klassiker, wenn die Einnahmen wegbrechen: Die Fixkosten senken. In diese Richtung fließen auch die meisten Hilfsgelder der Regierung. Etwa wenn Selbstständige ihre Beiträge in der Kranken- und Rentenversicherung runterstufen lassen können oder die Regierung ein Moratorium für Mietzahlungen verhängt.

Der Nachteil: Fixkosten senken tut weh und kann schnell zum PR-Desaster werden. Das beste Beispiel dafür haben gerade Adidas und H&M geliefert, als sie ankündigten, keine Miete für ihre geschlossenen Läden zu bezahlen. Ein Shitstorm brach los. Adidas hat das inzwischen zurückgenommen und sich in einem offenen Brief entschuldigt: „Wir haben einen Fehler gemacht und damit viel Vertrauen verspielt.“

3. Ins Netz gehen, wo immer es möglich ist

Ohne Frage: Gerade schlägt die große Stunde der Internetdienstleistungen. Die sonst wenig technikaffine Musiklehrerin etwa gibt nun Klavierunterricht via Whatsapp-Videocall. Der Secondhand Shop verkauft jetzt ausschließlich über Instagram. Einsame DJs streamen ihre Auftritte in Berliner Clubs live. Viele Selbstständige und Kulturschaffende halten sich auf diese Weise in Corona-Zeiten über Wasser.

Hinzu kommen die zahlreichen Videokonferenzen und Online-Tools, mit denen sich jetzt Mitarbeiter:innen im Homeoffice organisieren.

4. Die Corona-Krise als PR-Chance nutzen

Für Firmen, denen es finanziell gut geht, kann die Pandemie eine einmalige Werbechance bieten: Wer sich jetzt erfolgreich als Unternehmen präsentiert, das Verantwortung übernimmt, tut nicht nur Gutes, sondern kann sein Image aufpolieren. Etwa, wenn Volkswagen seine Lagerbestände von Atemschutzmasken spendet. Dazu haben in Zeiten des Zuhausebleibens alle mehr Zeit, um neue Dinge auszuprobieren. Und so überbieten sich viele Firmen gerade mit Gratisangeboten: Sei es die Meditationsapp, die jetzt für alle zugänglich ist, oder die kostenlosen Hörbücher und Podcasts bei Audible.

5. Der Lieferbäcker oder das Drive-In-Edelrestaurant: Schick zuhause essen

Werbung, Verpackungen, ein Lieferwagen: Viele Restaurants können sich die Investitionen nicht leisten, um jetzt anzufangen, ihr Essen zu liefern. Lieferando verlangt laut Süddeutscher Zeitung 30 Prozent des Umsatzes, wenn eigene Kuriere das Essen ausliefern.

Aber alle Restaurants, die es sich leisten können, liefern ihr Essen aus. Manche Restaurants sind zum Drive-In geworden, zum Beispiel der „Schillingshof“ Alleringersleben in Niedersachsen. Dort können Gäste jetzt Essen bestellen und dann auf dem Parkplatz abholen. Sie bekommen es vom Personal ans Auto gebracht - inklusive der Restaurant-eigenen Porzellanteller (die natürlich zurückgebracht werden sollen). So bleibt ein bisschen was vom Flair des Auswärtsessen erhalten.

Woanders liefern Betriebe nach Hause, die das sonst nicht tun: In Berlin gibt es zum Beispiel einen Bäcker, der ehrenamtlich Brötchen und Brot an Menschen aus der Risikogruppe nach Hause liefert.

6. Jetzt bezahlen, später kaufen

Wer seinen Lieblingsladen unterstützen möchte, der wegen Corona schließen musste, kann sich vor Gutschein-Kauf-Aufrufen kaum retten. Dafür gibt es verschiedene Portale: In Augsburg Rette deinen Lieblingsladen, das inzwischen bundesweit mit Läden zusammenarbeitet. Berliner Geschäfte lassen sich auf Helfen Berlin unterstützen. Und in Köln legt die Stapel-Bar bei ihren Gutscheinen gleich Trinkgeld fürs Personal mit drauf, das die Bar ihren Mitarbeiter:innen bar auszahlt.

7. Solidarität unter Konkurrent:innen

Nicht nur im privaten Umfeld ist die Solidarität durch Corona gewachsen. Momentan unterstützen sich auch deutlich mehr Selbstständige und Unternehmer:innen gegenseitig. Ein paar Beispiele: In Magdeburg haben sich über 40 Gastronom:innen zusammengetan, die sich sonst als Konkurrenz sehen. Einer der Restaurantbesitzer:innen ist gleichzeitig Anwalt, ein anderer der größte Caterer der Stadt. Die beiden treffen sich jetzt regelmäßig und geben ihre Tipps an die anderen Restaurant-Besitzer:innen weiter. Selbst bei Großunternehmen gibt es solche Aktionen: Etwa, wenn McDonalds Restaurant-Personal an Aldi verleiht, um Regale einzuräumen.

Niemand weiß, wie lange uns Corona noch begleiten und wie schwer die Pandemie der Wirtschaft schaden wird. Klar ist nur, dass auch wirtschaftlich viele Existenzen auf dem Spiel stehen: Die von Solo-Selbstständigen und Restaurantbesitzer:innen, die von Angestellten, deren Firmen pleite gehen könnten.

Aber mitten im Stresstest Corona verweisen diese Unternehmensstrategien auf einen Faktor, den wir nicht übersehen sollten: Auf die menschliche Kreativität und Anpassungsfähigkeit.

Corona hat uns nicht nur solidarischer, sondern auch kreativ gemacht. Das zeigt sich an jeder Ecke: Seien es die Universitäten, die nun im Eiltempo digitale Lehrangebote erarbeiten. Oder die 28.000 Ehrenamtlichen, die ihr Wochenende bei einem Hackathon verbracht haben, um über Erntehelfer-Vermittlungs-Plattformen zu diskutieren. Aus dieser Ressource können wir für die kommenden Monate schöpfen.


Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion; Susan Mücke; Bildredaktion: Martin Gommel.