Eine Fleisch-Steuer allein löst das eigentliche Problem nicht

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Geld und Wirtschaft

Kommentar: Eine Fleisch-Steuer allein löst das eigentliche Problem nicht

Politiker:innen der großen Parteien wollen die Mehrwertsteuer für Fleisch erhöhen. Das ist prinzipiell richtig, könnte aber nicht mehr als Symbolpolitik werden – wenn sie es allein dabei belassen.

Profilbild von Ein Kommentar von Theresa Bäuerlein

Es klingt wie eine elegante Lösung, was Politiker:innen der SPD und der Grünen gerade vorschlagen. Sie fordern eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch. Genauer: Sie wollen den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent, der bis jetzt gilt, abschaffen. Fortan wären also 19 Prozent fällig.

Es wäre eine einfache Möglichkeit, Fleisch teurer zu machen – und so die Menschen dazu zu bringen, weniger davon zu verbrauchen. Selbst die CDU ist offen dafür: Das ist ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass mittlerweile sehr viele Menschen in Deutschland verstanden haben, dass wir nicht so weiter essen können wie bisher.

Wenn du meiner Arbeit schon seit einer Weile folgst, hast du vielleicht mitbekommen, dass ich vor ein paar Monaten an die Krautreporter-Mitglieder die Frage gestellt habe, wie die Idee einer Fleischsteuer bei bei ihnen ankommt. Die Antworten waren eindeutig: Begeistert war niemand davon. Mich hat das überrascht, weil meine Leser:innen bei meinen anderen Umfragen sonst ziemlich deutlich sagen, dass sie bessere Tierhaltung und weniger Fleischkonsum wichtig finden, aus all den bekannten Gründen (Klimaschutz, Umweltschutz, Tierschutz). Aber anscheinend halten die KR-Leser:innen die Fleischsteuer nicht für ein gutes Mittel, um das zu erreichen. Eva schrieb mir, nachdem sie meine Frage gelesen habe, sei sie „im Viereck gesprungen. Eine Fleischsteuer! Wer soll die zahlen? Der Endverbraucher?“

Die niedrigere Steuer passt nicht mehr zu unserer Zeit

Sie hat recht: Die Fleischsteuer bürdet den Menschen beim Einkauf die Last für ein Problem auf, dass eigentlich Politik und Viehwirtschaft lösen müssten. Außerdem gehen Einnahmen aus der Mehrwertsteuer an den Staat, die Bauern hätten nichts davon. Anders als Gebühren sind Steuern auch nicht zweckgebunden. Das heißt, selbst wenn der CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann jetzt sagt, die Mehreinnahmen „müssten zwingend als Tierwohlprämie genutzt werden“, heißt das nicht, dass das passieren wird.

Auf die Gefahr hin, dass ich mich unbeliebt mache, möchte ich hier trotzdem beschreiben, warum eine höhere Mehrwertsteuer vielleicht doch Sinn machen könnte. Aber als Teilmaßnahme, nicht als Lösung für das ganze Problem.

Dass bei Fleisch überhaupt die reduzierte Mehrwertsteuer von sieben statt 19 Prozent gilt, liegt daran, dass es zu den Produkten gehört, die als besonders wichtig fürs tägliche Leben gelten. Dazu gehören unter anderem auch Blumen und Feuerholz – und bis Ende 2019 auch Tampons (wie meine Kollegin Silke Jäger hier beschrieben hat).

Gleichzeitig ist Fleisch billig wie nie – zu billig. Seit 1950 hat der Fleischkonsum der Deutschen sich beinahe verdreifacht, der durchschnittliche Deutsche verzehrt mit 60 Kilo pro Jahr und Kopf doppelt so viel, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.

Man kann also beim besten Willen nicht sagen, dass ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Fleischprodukte noch zeitgemäß ist. Diese Ermäßigung gibt es seit 1968, und die Idee damals war, vor allem Menschen mit geringem Einkommen zu unterstützen. Fleisch ist heute aber so billig, dass es sich jede:r leisten kann. Ein Industriearbeiter musste 1960 noch 133 Minuten arbeiten, um sich ein Brathähnchen leisten zu können, heute braucht er dafür keine Viertelstunde mehr. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre eine Maßnahme, die ohne allzu großen Aufwand umzusetzen wäre, weil sich das System an sich nicht ändern würde, sondern nur die Ausnahmen gestrichen würden.

Tatsache ist: Was wir im Supermarkt für Lebensmittel bezahlen, bildet nicht den Preis ab, den sie tatsächlich haben, weil wir die Umweltschäden, die bei der Produktion dieser Lebensmittel entstehen, nicht mitbezahlen. Das gilt besonders für tierische Produkte, und da besonders für die aus konventioneller Landwirtschaft (also fast alles, was wir kaufen können). Der begünstigte Mehrwertsteuersatz subventioniert also Produkte, die Klima, Gewässer und Böden besonders stark belasten.

Für Biobauern könnte es bitter werden

Forschende der Universität Augsburg haben letztes Jahr ausgerechnet, wie hoch der Preis von Lebensmitteln inklusive der Folgekosten wirklich sein müsste. Auf Erzeugerebene müssten tierische Produkte demnach dreimal so teuer sein als sie es derzeit sind (bei pflanzlichen Lebensmitteln wäre der Aufschlag nur sechs Prozent).

Der Preiseffekt einer höheren Mehrwertsteuer wäre sofort spürbar. Eine Studie hat sich diese Möglichkeit 2018 im Vergleich zu anderen möglichen Abgaben und Steuern genauer angesehen. Sie kam zu dem Schluss, dass die Preise von Fleisch damit deutlich mehr als bei anderen Vorschlägen steigen würden, wie einer Fettsteuer, einer Steuer auf Futtermittelimporte oder einer Abgabe auf Stickstoffüberschüsse – die durch Düngung enstehen oder durch Tierexkremente in der Massentierhaltung. Auch die Nachfrage würde sinken, rechneten die Forscher aus: Beim Rindfleisch um etwa sechs Prozent, beim Schweinefleisch um etwa neun und bei Geflügel um etwa acht Prozent.

Allerdings gibt es auch ein wichtiges Gegenargument: Die Steuer ist ein blindes Instrument und würde alle Produkte verteuern, egal, ob sie besonders umweltfreundlich oder besonders umweltschädlich erzeugt wurden. Fleisch, dass sowieso schon mehr kostet, weil es unter umwelt- und tierfreundlicheren Bedingungen erzeugt wurde, wäre dann noch teurer. Für Biobetriebe wäre das wirklich bitter – und auch unfair. Der Aufpreis, den die Deutschen für Tierwohl und Umweltschutz zu zahlen bereit sind, spielt sich in einer ziemlich schmalen Bereich ab – beim Schweinefleisch etwa liegt die magische Grenze bei 30 bis 40 Cent mehr pro Kilo. Und Bioschwein ist jetzt schon etwa dreimal teurer als konventionelle Ware.

Eine Möglichkeit, Biobauern nicht zu benachteiligen, wäre, ihr Fleisch von der Mehrwertsteueranpassung auszunehmen. Das allerdings würde eine Maßnahme, deren Charme darin liegt, dass sie einfach und effektiv ist, ziemlich verkomplizieren.

Wenn überhaupt, wäre eine Kombination von Maßnahmen für sinnvoll: Zum Beispiel erstens die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleischprodukte, zweitens eine Abgabe auf Stickstoffüberschüsse, die vor allem Betriebe mit intensiver Landwirtschaft treffen würde. Letztlich wird aber keines dieser Instrumente das Problem lösen. Denn der Konsum würde durch die genannten Abgaben und Steuern wohl nur im einstelligen Prozentbereich sinken.

Was eigentlich ansteht, ist also ein echtes Umdenken. Wir müssten uns von dem Gedanken verabschieden, dass Fleisch ein Grundnahrungsmittel ist. Es ist – in den meisten Fällen – ressourcenaufwändiger Luxus. Ein solches Umdenken ist überhaupt die Voraussetzung dafür, dass sich das System, das unsere Lebensmittel erzeugt, wirklich ändert. Das kriegen keine Steuer und Abgabe hin.


Redaktion: Rico Grimm; Schlussredaktion: Niklas Bessenbach; Fotoredaktion: Martin Gommel.