Als Jeanette 30 war, kam zum ersten Mal auf, dass die Rente vielleicht nicht ausreichen wird zum Leben. Dass man selbst vorsorgen soll. „Aber das war am Anfang so unwirklich”, sagt sie. „Ich habe gedacht, wir zahlen so viel ein, da muss ja auch ganz viel übrig bleiben.” Als sie vor zehn Jahren anfing, sich richtig damit zu beschäftigen, konnte sie sich eine zusätzliche Vorsorge nicht leisten.
Heute ist Jeanette 51, gerade arbeitslos und auf Jobsuche. Auf ihrem letzten Brief von der gesetzlichen Rentenversicherung stand, dass sie, wenn sie jetzt aufhören würde einzuzahlen, etwa 665 Euro Rente bekommen würde. Wenn sie weiter so einzahlt wie bisher, etwa 1.500 Euro. Minus Steuern, minus Krankenversicherung. Zu wenig, um ihren jetzigen Lebensstandard zu halten.
Die ersten vier Folgen meiner Serie zur Altersvorsorge haben sich überwiegend an Menschen um die 30 gerichtet, für die die Rente noch weit weg ist. Dieser Artikel ist für Menschen ab 50, die sich fragen: Was kann ich jetzt noch für die Altersvorsorge tun? Und was muss ich beachten, jetzt, wo die Rente näher rückt?
Zuerst einmal: Es ist nie zu spät. Wenn man ein bisschen Geld übrig hat, kann man es auf verschiedene Arten einsetzen, um die Rente zu erhöhen. Wenn man so wenig verdient, dass man nichts sparen kann, geht das natürlich nicht. In der nächsten Folge wird es darum gehen, wie eine Reform des Rentensystems aussehen könnte, die es nachhaltig und generationengerecht macht. Hier geht es darum, was man selbst tun kann.
Katharina Henrich von der Stiftung Warentest sagt: „Für ältere Sparer kommen derzeit besonders freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung infrage.” Die aktuell niedrigen Zinsen führen dazu, dass es für die Anbieter privater Rentenversicherungen schwierig ist, das Geld zu vermehren. Solche Versicherungen sind also momentan oft nicht sinnvoll. Die gesetzliche Rentenversicherung hängt dagegen nicht von den Zinsen ab, sondern von der gesetzlichen Lage. Bis 2025 hat die Regierung ein Rentenniveau von 48 Prozent des Durchschnittseinkommens garantiert. Danach könnte es sinken, allerdings langsam.
Aktuell dürfen Arbeitnehmer mit 65 Jahren und sechs Monaten regulär in Rente gehen. Wer 35 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann früher in Rente gehen, bekommt aber weniger Geld. Je nachdem, wann man geboren wurde, beträgt der Abschlag zwischen 7,2 und 14,4 Prozent. Diese Abschläge kann man ausgleichen, indem man zusätzlich Geld in die Rentenversicherung einzahlt – was aber erst ab 50 Jahren möglich ist.
Der Trick ist nun: Wer nicht früher in Rente geht, bekommt eine entsprechend höhere Rente. Wer also auch jenseits der 50 Jahre noch etwas für seinen Ruhestand tun will, sollte freiwillig mehr in die Versicherung einzahlen und dann aber auch nach Möglichkeit so lange arbeiten, wie es vorgeschrieben ist. Das kann sich lohnen: Wenn man eine erwartete Rente von 1.000 Euro vor Steuer hat, und etwa 17.000 Euro zusätzlich einzahlt, erhöht sich die Rente um 72 Euro im Monat. Wenn man etwa 26.600 Euro zusätzlich einzahlt, erhöht sich die monatliche Rente um 108 Euro. Um zu erfahren, wie viel man einzahlen kann, ist es sinnvoll, sich direkt bei der gesetzlichen Rentenversicherung beraten zu lassen.
Manche privaten Versicherungen lohnen sich erst, wenn man 105 Jahre alt wird
Eine staatlich geförderte private Rentenversicherung ist die Riester-Rente. „Bei Riester kommt es stark darauf an, wie die Förderung ist”, sagt Doris Kappes, Finanzexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Es lohnt sich zum Beispiel bei vielen Kindern oder wenn man sehr viel verdient und einen hohen Steuersatz hat.”
Von rein privaten Rentenversicherungen ohne staatliche Förderung rät Kappes ab. Man lasse sich damit auf die Wette auf das Lebensalter ein. „Die Versicherer rechnen mit Methusalem-Sterbetafeln”, sagt Kappes. „Das ist unrealistisch, dass man so alt wird.” Methusalem ist ein Mensch aus der Bibel, der 969 Jahre alt gewesen sein soll. Bei manchen Versicherungen müsse man immerhin 105 Jahre alt werden, damit sie sich lohnen, sagt Kappes.
Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung sind also eher gut, bei Riester kommt es darauf an, private Rentenversicherungen sind eher schlecht. Eine andere Möglichkeit ist, in Aktien zu investieren. Wie das geht, habe ich in Folge 3 beschrieben. Ältere Menschen sollten darauf achten, dass sie noch genug Zeit haben, um Kursverluste auszusitzen. Für einen Sparplan auf den MSCI World empfiehlt Katharina Henrich mindestens 20 Jahre Zeit. Wer heute 50 ist und weiß, dass er genug Geld für die ersten Rentenjahre gespart hat, kann sich also durchaus überlegen, noch in Aktien zu investieren.
Wenn man nicht das gesamte Geld in Aktien anlegen möchte, sondern auch noch andere Säulen hat, kann man auch über kürzere Zeiträume nachdenken. Kappes sagt: „Für alles, was man mit Aktien und Aktienfonds macht, sollte man mindestens fünf bis zehn Jahre entbehren.”
Je weniger Zeit man hat, desto weniger kann man aber erreichen. Denn der Zinseszinseffekt wirkt sich besonders bei längeren Zeiträumen aus. Das gilt nicht nur für Aktien, sondern auch für andere Sparformen. Katharina Henrich sagt: „Ältere sollten sich keine Illusionen machen”.
Illusionen macht sich Jeanette nicht. „Wir werden es nicht schaffen, unseren Lebensstandard zu halten”, sagt sie. Zuletzt hat sie 2.900 Euro verdient. „Das macht sich natürlich auch im Lebensstandard, den wir einhalten, bemerkbar.” Gerade wohnen sie und ihr Mann auf 110 Quadratmeter. Sie haben einen Garten, können im Sommer draußen sitzen. Wahrscheinlich werden sie in eine kleinere Wohnung ziehen müssen. Eine schöne Vorstellung ist das nicht. „Eigentlich sollten wir in der Rente das ausnutzen können, was wir uns im Laufe des Lebens erarbeitet haben”, sagt sie. Stattdessen müssten sie massive Rückschritte machen. „Ich klage auf relativ hohem Niveau”, sagt Jeanette und fragt: „Aber was ist mit den Menschen, die sehr wenig verdienen und überhaupt keine Möglichkeit haben, zusätzlich Geld zurückzulegen?”
„Ich blende das Risiko aus, dass ich mal ein richtiger Pflegefall werden könnte”
Auch Detlef würde ungern in eine kleinere Wohnung ziehen, kann es sich aber vorstellen. Er ist 51 Jahre alt und arbeitet in der Verwaltung im öffentlichen Dienst. Dort verdient er etwa 2.800 netto. Wenn er weiter so einzahlt wie bisher, bekommt er aus der gesetzlichen Rentenversicherung 2.155 Euro. Dazu kommt eine betriebliche Rentenversicherung, aus der er aktuell 419 Euro erhalten würde, bis zum Renteneintritt wird es noch mehr. Um seine Rente muss sich Detlef also keine großen Gedanken machen. Ein Thema schiebt er aber bisher von sich weg: Pflege. „Das ist etwas, was ich gerne ausblende”, sagt er, „die Möglichkeit oder das Risiko, dass ich mal ein richtiger Pflegefall werden könnte.”
In Deutschland gibt es eine Pflegepflichtversicherung. Die deckt aber häufig nicht alle Kosten ab. Wie viel man selbst dazuzahlen muss, hängt von der Region und der Art der Pflege ab. Wer in ein Pflegeheim zieht, muss im Schnitt 1.500 Euro im Monat selbst beisteuern, schreibt die Verbraucherzentrale. Wenn man das selbst nicht zahlen kann und Kinder hat, die genug verdienen, kann sich das Sozialamt das Geld von den Kindern zurückholen.
Krautreporter Leserin Monika hat gefragt, wie sie ihr Haus schützen kann, damit es nicht für ihre Pflege draufgeht, wenn sie welche bräuchte. Sie fragt das, weil manche Dinge von dem Vermögen ausgenommen sind, das man für die Pflege nutzen muss, das sogenannte Schonvermögen.
Dazu gehört ein „angemessenes Hausgrundstück”. Was angemessen ist, hängt unter anderem von der Größe ab und davon, wie viele Menschen in dem Haus oder der Wohnung wohnen. Ein Einfamilienhaus bis etwa 90 Quadratmeter Wohnfläche und eine Eigentumswohnung bis etwa 80 Quadratmeter Wohnfläche gelten für zwei Personen als angemessen. Es gibt aber verschiedene Ausnahmeregelungen, das Sozialamt entscheidet im Einzelfall darüber.
Man sollte sich informieren, bevor es soweit ist, und sich eventuell von einem Anwalt beraten lassen. Wenn man zum Beispiel zu zweit in einem Haus wohnt und ein Partner ins Pflegeheim muss, könnte es sinnvoll sein, das Haus rechtzeitig zu verkaufen und dafür eine kleinere Eigentumswohnung zu kaufen.
Wer sein Vermögen und das seiner Kinder schützen will, kann eine Pflegezusatzversicherung abschließen. Ob sich das lohnt, kann man nicht pauschal sagen. Man sollte sich aber sicher sein, dass man sich die Raten dafür langfristig leisten kann. Wenn man die Versicherung kündigen muss, hat man keinen Versicherungsschutz, bekommt aber das Geld auch nicht zurück.
Jörg hat keine Pflegeversicherung. Er ist 50 Jahre alt und erst seit kurzem in der Situation, dass er sich finanziell keine Sorgen machen muss. Vor zwei Wochen hat er den Vertrag unterschrieben, dass er bis zur Rente im öffentlichen Dienst am Theater arbeiten kann.
Rente bekommt er bisher wenig. Aktuell sind es noch keine 900 Euro. Allerdings haben seine Frau und er ein kleines Haus gekauft, das sie bis zur Rente abbezahlt haben werden. „Wenn es hart auf hart kommt und wir ins Heim müssen, ist das Haus aber schnell weg”, sagt er.
Jörg und seine Frau haben keine Kinder. Eine Möglichkeit, falls das Geld knapp wird, wäre eine sogenannte Leibrente. Wenn sie einen Käufer für das Haus finden, können sie vereinbaren, bis zum Lebensende eine monatliche Rente zu bekommen. Sie können auch vereinbaren, dass sie bis zum Tod in dem Haus wohnen dürfen.
Jörg sagt aber auch, dass er relativ entspannt ist, was das Thema Rente angeht. Er wird von seinen Eltern ein Haus erben. „Das Ding ist groß und wertvoll.” Natürlich könne seiner Mutter etwas passieren, sodass das Haus für die Pflege draufgehe. „Aber wenn es so läuft, wie es laufen sollte, dann bin ich abgesichert.”
Fazit
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Freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen lohnt sich für viele
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Wer früher in Rente geht, muss Abschläge in Kauf nehmen
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Aktien sind nur sinnvoll, wenn man noch genug Zeit hat
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Thema Pflege: Nicht zu weit wegschieben
Danke an Detlef, Jeanette, Jörg, Jens und Henning, die mit mir über die Rente und Altersvorsorge gesprochen haben. Und danke an Monika, Ben, Sigrid, Savina, Andy und Helmut für eure Nachrichten und Kommentare.
Redaktion: Rico Grimm; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Bildredaktion: Martin Gommel; Aufmacher-Illustration: Peter Gericke.