Genug!

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Geld und Wirtschaft

Genug!

Schaum vor dem Mund und Angst im Blick – das ist das neue Normal in Deutschland. Nationalisten dominieren die Debatten. Fortschrittliche, zukunftsgewandte Argumente dringen nicht mehr durch und klingen inzwischen völlig utopisch. Wir machen trotzdem elf vernünftige Vorschläge. Denn es ist genug.

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Seit Jahren verschieben Populisten die Art und Weise, wie wir über die Zukunft nachdenken, in die falsche Richtung. Nun könnten sie vor einem entscheidenden Sieg stehen: Die bayerische CSU macht den Fortbestand der Bundesregierung von einem Schwenk ins Nationale abhängig.

Vokabeln und Maßnahmen, die zu normalen Zeiten als rechtsextrem erkannt würden, scheinen gerechtfertigt, um besorgte Bürger zu besänftigen. Die AfD und ihre Fans haben zwar nur einen kleinen Teil der Wähler überzeugt, aber sie dominieren mit ihren Themen die öffentliche Debatte, sie prägen die Sprache in Fernseh-Talkshows, auf Titelseiten und in sozialen Netzwerken.

Umfragen zeigen, dass ganz andere Themen vielen Leuten ebenso wichtig sind. Sie finden: Offenes Denken, eine globale Perspektive, radikal neue Konzepte sind die eigentliche Antwort auf die Probleme der Gegenwart. Den Nationalstaat sehen sehr viele Menschen nicht mehr als die Zukunft, sondern die Vergangenheit. Aber sie finden zurzeit kein Gehör.

Während die einen die alten Konzepte aus dem Industriezeitalter und der Zeit der Nationalstaaten zu erzwingen versuchen, wollen die anderen keine Zeit mehr verlieren. Sie machen sich auf den Weg in eine globale, digitale Gesellschaft mit neuen Ideen für Wirtschaft und Politik in Deutschland und Europa.

Sprechen wir doch über diese Ideen. Sprechen wir über Fortschritt und eine bessere Zukunft. Vergeuden wir unsere Zeit nicht!

1. Machen wir syrische Flüchtlinge zu Deutschen

Es ist falsch, dass Deutschland syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen nicht bedingungslos Asyl gewährt. Statt des „subsidiären Schutzes“, der ihnen nur einen vorübergehenden Verbleib ermöglicht, sollte ihnen die Bundesregierung das Angebot machen, Deutsche zu werden. Es sollte sehr viel leichter werden, einen deutschen Pass zu bekommen. Dann würden mehr Syrer beginnen, ihre Zukunft in Deutschland aufzubauen, ihre Kinder zu Deutschen zu erziehen und sich als vollwertige Bürger mit Rechten und Pflichten zu begreifen. Sie sollten wieder das Recht haben, ihre Kinder und Ehepartner aus den Bürgerkriegsgebieten zu holen und in Deutschland ein normales Familienleben zu führen. Eine Familie ist die beste Voraussetzung für ein zufriedenes Leben mit Kontakten zu Deutschen in Kita, Schule, Ausbildung. Es gibt keinen rationalen Grund für die Praxis, Kinder und Frauen im Kriegsgebiet zu lassen, während die Männer in Deutschland vor Sehnsucht krank werden, statt sich ein neues Leben aufzubauen. Statt Fremdenfeindlichkeit sollte wieder die Vernunft solche Entscheidungen leiten. Sebastian Esser

2. Suchen wir unsere Zukunft in der Europäischen Union

Viele Europäer hoffen, dass eine deutsche Regierung endlich tut, was sie in Sonntagsreden sagt: Europa einen. Die Stärkung Europas scheitert seit Jahren an Deutschland. Wir sollten uns eingestehen, dass die deutsche Wirtschaft nicht auf Dauer vom schwachen Euro profitieren darf, wenn sie die so erwirtschafteten Überschüsse nicht gleichzeitig mit ärmeren Ländern teilen will. Wir sollten – wie es jahrzehntelang gut für Deutschland und Europa war – Geld investieren, um die EU zu stabilisieren und anschließend noch stärker zu machen.
Nur eine EU, von der alle Europäer profitieren, wird zu einer Institution, die die Interessen unseres Kontinents in der Welt vertritt.

Wir bekommen eine globalisierte, digitale Welt, die von Autokraten bevölkert ist, die Europa zu dominieren versuchen, wenn die europäischen Staaten nicht gemeinsam handeln. Das ist kein abstraktes, akademisches Argument. Die Gefahren, die von Leuten wie Trump, Putin oder Xi ausgehen, sind täglich in den Nachrichten zu sehen. Deutschland sollte darum so schnell und entschlossen wie möglich auf das ungewöhnliche Angebot Frankreichs eingehen, die europäischen Institutionen zu reformieren, zu demokratisieren und finanziell besser auszustatten. Gemeinsam sollten die fortschrittlich gesinnten Staaten an einer starken, europäischen Demokratie weiterarbeiten. Bevor die Nationalisten alles zunichte machen. Sebastian Esser

3. Erarbeiten wir ein Rentenkonzept für die Jungen

„Die Rente ist sicher”, sagte Arbeitsminister Norbert Blüm im Wahlkampf 1986. Vor 2030 gebe es keinen Handlungsbedarf, wiegelt die Kanzlerin noch heute ab, wenn das Thema mal wieder hochzukochen droht. Mit solchen Halbwahrheiten beruhigt unsere Regierung die Bürger. Gerade jetzt wurde wieder eine Expertenkommission eingesetzt, um die lähmende Ideenlosigkeit der Politiker beim Thema Alterssicherung zu verbergen. Natürlich haben Rentenforscher längst durchgerechnet, was es uns kostet, wenn immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen – „Horrorszenarien“, kommentiert die Regierung.

Aber junge Leute, die gerade in den Beruf eingestiegen sind, wollen wissen, wo sie das wenige Geld, das sie für die Alterssicherung zur Seite legen können, einzahlen oder investieren können. Damit später mal eine Rente dabei rauskommt, die fürs Leben reicht. Ob sie überhaupt nichts mehr in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Dann aber brauchen sie Informationen über die Alternativen. Und nicht nur von Unternehmen, die Privatrenten verkaufen wollen. Die Politiker wissen, dass sie Wähler verscheuchen, wenn sie über die Zukunft der Rente reden. Aber wir können nicht bis 2030 warten – das Rentensystem ist wie ein schwerfälliger Tanker, den man nicht von jetzt auf gleich umsteuern kann. Vera Fröhlich

4. Verändern WIR die Politik

Mal eine verrückte Idee für die Zukunft: Warum organisieren wir nicht eine Demokratie von unten, mit öffentlich abgehalten Sitzungen der Lokalparlamente, in denen sich jeder ganz nach seinen Fähigkeiten einbringen könnte? Regionalparlamente könnten die Entscheidungen der Lokalebene zusammentragen und gemeinsam Lösungsstrategien für anstehende größere Probleme erarbeiten. Bildungsfragen könnten zum Beispiel auf nationaler Ebene von Lehrenden und Erzieherinnen diskutiert werden. Eine Utopie? Vielleicht.

Aber immerhin ist sie besser als die dystopische postdemokratische Gesellschaft, deren Definition der amerikanische Soziologe Colin Crouch maßgeblich geprägt hat. Dort haben Wähler „eine passive, schweigende, ja sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf die Signale, die man ihnen vorgibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.” Also: Beteiligt euch an Entscheidungen – oder fordert eure Beteiligung. Der dafür passende Paragraf steht schon im Grundgesetz, Artikel 20 Abs. 2: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt.“ Tobias Eßer

5. Denken wir Lernen völlig neu

„Bildung ist Ländersache“ – diese Regel ist nicht mehr zeitgemäß. Sie ist ein Grund für die deutsche Bildungsmisere: Schulen sind marode und schlecht ausgestattet, es fehlen massenhaft Lehrkräfte, Kinder aus ärmeren Haushalten oder von eingewanderten Eltern werden benachteiligt.

Wir brauchen eine gemeinsame Vision für die Bildung in Deutschland, die für gleiche Rahmenbedingungen in den Bundesländern sorgt. Einigen wir uns auf Regeln, die überall gelten, als Gerüst, damit die Bildung deutschlandweit wieder vergleichbar wird: Entscheiden wir uns zwischen G8 oder G9, finden wir eine gemeinsame Umsetzung der Inklusion, führen wir vergleichbare Abiturprüfungen ein.

Der Bund sollte bei der Sanierung der Schulen helfen, lasst uns die Löcher in den Wänden stopfen, neue Schulen und Sporthallen bauen. In sanierten und gut ausgestatteten Schulen lernt und lehrt es sich gleich viel besser – vielleicht begeistern wir so auch wieder mehr junge Menschen dafür, Lehrer zu werden. Wir sollten dafür sorgen, dass die Ausbildung von Lehrern auf einem gemeinsamen Level, in einem gemeinsamen Rahmen stattfindet. Es gibt kein einziges Argument dafür, warum ein Lehrer in Bayern anders ausgebildet werden sollte als ein Lehrer in Hamburg. Das Credo muss lauten: So viel Vielfalt wie möglich, so viel Einheitlichkeit wie nötig. Bent Freiwald

6. Bauen wir Wohnungen

Wenn ein Thema das Land tatsächlich zerreißen kann, dann ist das die Wohnungsfrage. Derzeit fehlen in Deutschland 1,9 Millionen Wohnungen. Das Ziel der Koalitionsregierung, 1,5 Millionen Wohnungen und Eigenheime schaffen zu wollen, wird nichts als ein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben, wenn nicht radikal umgedacht wird.

Denn ja, es ist Zeit es zuzugeben: Der Kapitalismus hat beim Thema Wohnen versagt. Nicht bloß der wilde, ungezähmte, der der unsichtbaren Hand des Marktes. Nein, auch der gefügige, der soziale, der mit Mietpreisbremsen und Zweckentfremdungsverboten den Anschein geben möchte, sich um die Bedürfnisse der Mieter zu kümmern. Aus ehemaligen Sozialwohnungen wurden Anlagemöglichkeiten. Haushalte in Deutschlands Großstädten geben fast die Hälfte ihres Einkommens für Wohnen aus. Die Hälfte!

Und ja, die Situation ist derart schlimm auf Deutschlands Wohnmarkt, dass es mittlerweile die einzig richtige Lösung ist, das Wohnen dem Markt zu entziehen. Die Wohnungsfrage wird sich nicht durch Angebot und Nachfrage klären lassen. Es geht hier auch nicht bloß darum, mehr zu bauen. Es geht um eine andere Wohnpolitik. Es steht das Recht auf Profit gegen das Recht auf ein gutes Leben – wir müssen uns entscheiden. Efthymis Angeloudis

7. Beenden wir die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Export

Lange hat das Geschäftsmodell der Bundesrepublik Deutschland wunderbar funktioniert. Das lief in etwa so: Deutsche Firmen stellen hochwertige und stark spezialisierte Produkte her, die sie dann in die ganze Welt verkaufen. Weil Deutschland mehr exportiert als importiert, bleibt jedes Jahr ein dreistelliger Milliardenbetrag hängen – der sogenannte Exportüberschuss (auch: Handelsbilanzüberschuss). Er betrug im vergangenen Jahr 244 Milliarden Euro.

Die Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft war in der Vergangenheit auch immer wieder ein Argument dafür, die Lohnkosten zu drücken. Deutschland müsse „fit für den Weltmarkt“ werden, hieß es dann. Von den aus den Sparrunden resultierenden Firmengewinnen profitierten aber vor allem jene, die ohnehin schon Besitz haben – zum Beispiel in Form von Firmenanteilen. Wer nichts hat und nichts erben kann, der wird in Deutschland mit stetig sinkender Wahrscheinlichkeit noch zu Reichtum kommen.

Export als Geschäftsmodell hat auch deswegen so gut funktioniert, weil es Freihandelsabkommen und den Euro gab. Doch zurzeit gewinnen die Gegner des Freihandels immer mehr Unterstützung – egal, ob sie von links oder von rechts kommen. Es drohen Zölle, Handelsbeschränkungen und andere Erschwernisse. Was passiert eigentlich, wenn wir nicht mehr so viel exportieren können, wie wir gerne wollten?

Darauf ist Deutschland nicht vorbereitet. Unser Geschäftsmodell war Jahrzehnte lang erfolgreich. Jetzt, wo sich die Voraussetzungen ändern, müssten wir uns eigentlich Gedanken machen, ob es noch zeitgemäß ist. Natürlich ist das ein radikaler Prozess. Aber er könnte früher notwendig werden, als uns das lieb ist. Sebastian Christ

8. Richten wir einen Untersuchungsausschuss zu Hartz IV ein und streichen die Sanktionen

https://twitter.com/reinboth/status/1007010506568355840

Uns ist das Maß völlig verrutscht. 230.000 Menschen haben allein 2017 nachweislich einen fehlerhaften Hartz-IV-Bescheid bekommen. Wie viele nie entdeckt haben, dass ihr Bescheid vielleicht nicht korrekt ist, kann niemand sagen. Aber diese Art von Behördenversagen und von Beamten-Willkür ist für uns längst zur Normalität geworden. Zeitgleich mit den Diskussionen über einen Untersuchungsausschuss für den BAMF-Skandal befasste sich der deutsche Bundestag übrigens auch mit zwei Anträgen der Oppositionsparteien Die Linke und Grüne. Beide fordern, die Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger abzuschaffen. Diesen Vorschlag kann man aus guten Gründen für völlig abwegig halten; er wäre eine Abkehr von der Agenda 2010. Wobei es natürlich auch gute Gründe dafür gibt. Und falls den Talkshow-Redaktionen dazu kein zugespitzter Titel einfällt, hätte ich schon einmal einen Vorschlag: „Sollen wir 4,3 Millionen Hartz-IV-Empfängern wirklich das Leben ein bisschen einfacher machen?“ Rico Grimm

9. Hören wir auf, Kohle zu verbrennen

Kohle ist die schmutzigste Energiequelle, die es gibt. Ihr Abbau und Verstromung schaden der Umwelt und der menschlichen Gesundheit mehr als andere Energieträger. Dennoch hält die Regierung weiter daran fest und nimmt in Kauf, die Klimaschutzziele von Paris deutlich zu verfehlen. Schon vor zwei Jahren sträubte sich Deutschland in Brüssel gegen neue Reinigungstechnik in Braunkohlekraftwerken und niedrigere Grenzwerte für Stickoxid-Emissionen – aus Kostengründen. Dabei sind die Folgekosten deutlich höher. Die aktuelle Bundesregierung verlagert die Verantwortung für den Ausstieg auf eine Kommission, die frühestens im kommenden Jahr den Weg dahin festgelegt. Damit bleibt Kohle eine zentrale Energiequelle. Dabei liegen die Szenarien für den Ausstieg längst in den Schubladen. Einige europäische Länder haben bereits Kohleausstiegspläne (England, Frankreich, Finnland) und planen, ihre Kraftwerke bereits vor 2030 abzuschalten. Allein, der politische Wille in Deutschland fehlt, diese Pläne endlich rauszuholen und umzusetzen. Susan Mücke

10. Entwickeln wir eine neue Verteidigungsstrategie

Das letzte G7-Treffen in Kanada hat gezeigt, dass „der Westen“ als politische Formation am Ende ist – das Gleiche gilt für die NATO und die Welthandelsorganisation WTO. Die USA unter Donald Trump lassen die liberale Ordnung, die das Land selbst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat, zusammenbrechen. Zu Treffen der WTO schicken sie nur noch niederrangige Vertreter, den Vereinten Nationen streichen sie das Budget, und ob die Sicherheitsgarantien der NATO wirklich Bestand haben – auch im Falle eines Angriffs auf Mitglieder wie Montenegro oder Estland – darauf würde längst nicht mehr jeder wetten.

Eigentlich hatte Angela Merkel das schon erkannt, als sie im vergangenen Jahr im Wahlkampf sagte: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei, das habe ich in den letzten Tagen erlebt.“ Ein Hammersatz. Aber es herrscht Schweigen in Deutschland. Politiker diskutieren über die Frage, ob drei, vier Milliarden mehr für die Bundeswehr nicht viel zu viel seien, dabei stehen viel gewichtigere Fragen im Raum: Wenn Deutschland sich nicht mehr auf die USA verlassen kann, was bedeutet das für den nuklearen Schirm, unter dem es sich das größte Land Europas gemütlich gemacht hat? Muss Deutschland nuklear aufrüsten? Und wenn die Welthandelsorganisation zu einer PR-Veranstaltung für das protektionistische China wird, wer verteidigt den Welthandel, von dem Deutschland so profitiert? Ist die deutsche Bevölkerung bereit, die Lücke, die Amerika in Europa hinterlässt, zu füllen? Auch wenn das gegen Grundüberzeugungen dieser pazifistischen Republik geht? Aus dem Satz Merkels folgte bisher: nichts. Nicht einmal eine Debatte. Das ist das Schlimmste daran. Rico Grimm

11. Führen wir eine Quote für ostdeutsche Führungskräfte ein

Auf den ersten Blick erscheint die Idee ein bisschen verrückt: eine Quote, die dafür sorgt, dass mehr Ostdeutsche in Chefetagen sitzen. Wie Frauenquote, nur mit Ostdeutschen. Aber warum eigentlich nicht?

17 Prozent der Deutschen sind Ostdeutsche, trotzdem besetzen sie nur 1,7 Prozent der bundesweiten Führungsposten. Bundesrichter, Generäle oder Abteilungsleiter in Regierungen stammen so gut wie nie aus der DDR. Und sogar in Ostdeutschland selbst stammen vier von fünf Chefs aus dem Westen. Die Schieflage entstand, als zu Wendezeiten der Staatsapparat der DDR gegen den der BRD ausgewechselt wurde. Gleichzeitig verleibte sich die westdeutsche Industrie fast sämtliche ostdeutsche Betriebe ein. Die Belegschaft einer sächsischen Brauerei durfte weiterarbeiten, nur war ihr Chef jetzt ein Unternehmer aus Braunschweig. Und diese Dominanz wird sogar weitervererbt. Untersuchungen von Leipziger Soziologen zeigen, dass Chefs meistens als ihren Nachfolger Personen auswählen, die ihnen kulturell ähnlich sind. Westdeutsche Chefs geben ihre Posten wieder an andere Westdeutsche ab.

Seit einigen Monaten ist die Mauer, die Deutschland trennte, länger Geschichte, als sie Realität war. Und je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird es auch, die Frage zu beantworten, wem eine Ost-Quote überhaupt zustehen sollte. Wer gilt, fast 30 Jahre nach der Wende, noch als „Ossi“? Die Magdeburgerin, die als Kind mit ihrer Familie nach München gezogen ist? Oder die gebürtige Hamburgerin, die seit 20 Jahren in Chemnitz lebt und arbeitet? Dazu brachten noch die Neunziger- und die Nullerjahre Generationen hervor, die zwar nie in der DDR gelebt haben, sich aber heute als ostdeutsch identifizieren. Warum sollten sie keinen Anspruch auf die Quote haben? Vielleicht muss man zunächst umgekehrt fragen, ob die Ostdeutschen überhaupt per Gesetz in die Chefetage wollen. Oder, ob sie es nicht besser aus eigener Kraft schaffen sollten. Josa Mania Schlegel


Das waren elf Vorschläge. Diese Liste hätte mindestens dreimal so lang sein können. Was sind eure Vorschläge? Sagt es uns in den Kommentaren oder hier in dieser Umfrage:


Redaktion: Rico Grimm, Christian Gesellmann. Schlussredaktion: Vera Fröhlich. Aufmacherfoto: Wikimedia / Henning Schlottmann.