Ich selbst fahre gar nicht gerne Bus. Nicht, weil ich mich über Verspätungen ärgere. Ich schaffe es auch, mit dem Rad und dem Auto unpünktlich zu sein.
Vielmehr habe ich in meiner Schulzeit so viel Zeit in Bussen verbracht, dass es für ein Leben reicht. Sechs Jahre jeden Tag insgesamt vier Stunden zwischen anderen Schulkindern mit riesigen Mappen und spitz zulaufenden Musikinstrumenten eingeklemmt zu sein, während der Bus von einer Haltestelle zur nächsten schunkelt – das reicht für ein ganzes Leben. Trotzdem sehne ich mich manchmal nach meinem Schülerticket zurück, mit dem ich mich in meiner Heimatstadt jederzeit frei mit „den Öffis“ bewegen konnte. Besonders in jenen Momenten, wenn der Busfahrer kein Kleingeld zum Wechseln hat oder der Ticketautomat außer Betrieb ist.
So ähnlich geht es wohl auch den KR-Lesern Roland, Matthias und Simon, die wissen wollen, wie man einen kostenfreien oder fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für alle finanzieren könnte.
Ich begann mich einzulesen und fand bald heraus: Ja, es gibt Möglichkeiten, Fahrscheinautomaten aus deutschen Städten zu verbannen. Denn warum sollte es mein heiß vermisstes Schülerticket eigentlich nicht in abgewandelter Form auch für Erwachsene geben? Ob ein Beitrag für Bus und Bahn, Mieterticket oder Arbeitgeberzuschuss – die Modelle hierfür liegen in der Schublade, allein, der politische Wille fehlt, sie umzusetzen.
Klar, eine solche Umstellung wäre nicht von heute auf morgen zu leisten. Denn die rechtlichen und strukturellen Bedingungen, um ein solches System einzuführen, unterscheiden sich je nach Kommune und Land. Kein Wunder also, dass „zu kompliziert“ in der Beliebtheitsskala der Gegenargumente direkt auf „zu teuer“ folgt. Dabei wäre der gesamtgesellschaftliche Nutzen immens.
Das Verkehrssystem muss neu gedacht werden
Das Hamburger Institut für Sozialforschung hat 2015 im Auftrag der Piratenpartei eine wegweisende „Grundlagen- und Machbarkeitsstudie Fahrscheinloser ÖPNV“ erstellt. Die Studie prüft anhand konkreter Zahlen aus der Hauptstadt mögliche Finanzierungsmodelle und untersucht, unter welchen Bedingungen sie realisierbar sind. Genauer erklärt hat mir die Ergebnisse Oliver Bayer. Er war Landtagsabgeordneter der Piraten in Nordrhein-Westfalen, wo er einen Arbeitskreis zu einer weiteren Machbarkeitsstudie für die Städte Wuppertal und Recklinghausen geleitet hat.
Er ist einer der Vorreiter für den kostenfreien ÖPNV. „Kostenlos“ bedeutet nicht „ohne Kosten, denn das Ganze muss natürlich bezahlt werden“, sagt Bayer. Der öffentliche Nahverkehr könne aber so gestaltet werden, dass er ohne Fahrschein und jederzeit für alle zugänglich sei. Stimmen, die ein solches System fordern, gibt es seit Jahren, unter ihnen nicht nur die Piratenpartei, sondern auch die Linke, ein Teil der Grünen und vereinzelte Bürgerbündnisse.
Als die Bundesregierung Anfang des Jahres 2018 begann, laut über einen kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr nachzudenken, tat sie das nicht ganz freiwillig. Stattdessen reagierte sie auf Druck von außen. Es drohte eine Klage der EU-Kommission, weil in vielen deutschen Städten seit Jahren die Grenzwerte für die Luftqualität chronisch überschritten werden. Nun kündigte der Bund in einem Brief an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella an, mehr für saubere Luft zu tun. Die Idee: Ein kostenloser ÖPNV könnte die Zahl der privaten Fahrzeuge und somit die Schadstoffwerte senken. Getestet werden sollte das zuerst in fünf Modellstädten.
„Ich freue mich ja eigentlich immer, wenn das Thema mal wieder aufpoppt“, sagt Oliver Bayer. Viel Erfolg habe er sich davon aber nicht versprochen. „Der kostenlose ÖPNV ist von den Ministern nur als Schlagwort benutzt worden – da steckte nichts dahinter.“ Letztendlich habe er sich geärgert, dass die Diskussion recht oberflächlich blieb und den ausgearbeiteten Modellversuchen wenig Beachtung schenkte.
Dabei liege der Wegfall der Fahrscheinpflicht „definitiv im Bereich des Möglichen“, meint Bayer. Das setze allerdings voraus, dass Politiker und auch die Verkehrsunternehmen, die über den Verkauf von Tickets ihren Gewinn generieren, generell umdenken.
Momentan werden Bus und Bahn zum einen vom Staat und zum anderen von den Betreibern, oft regionalen Verkehrsunternehmen, getragen. Während erster die Kosten etwa mit Geld der Kommunen deckt, beziehen die Unternehmen ihre finanziellen Mittel zum Teil aus den staatlichen Zuschüssen und zum anderen von ihren Kunden und Fahrgästen. Würden nun die Erträge aus den verkauften Tickets wegfallen, müsste umgelagert werden.
Und das bedeutet richtig viel Geld. Wie viel genau hängt dabei etwa vom Standort, der vorhandenen Infrastruktur und der Wirkung eines kostenlosen ÖPNV auf die Verkehrsmittelwahl ab, also, wie viele Menschen vom Auto oder Fahrrad auf den Nahverkehr umsteigen, wenn sie kein Ticket mehr brauchen. Das hat auch Einfluss darauf, wie sehr das Nahverkehrsnetz ausgebaut werden müsste; ein wesentlicher Punkt neben der Deckung der Betriebskosten.
Der beitragsfinanzierte Nulltarif ist möglich
Die Machbarkeitsstudie hat das für die Stadt Berlin einmal durchgerechnet. Sie kommt zu folgendem Ergebnis: Der Modal Split, also wie viele Menschen welche Verkehrsmittel nutzen, würde sich deutlich ändern. Erwartet wird, dass zuätzlich ein Viertel der Berliner auf ihr Auto verzichtet und stattdessen Wege mit Bus, Bahn oder Rad zurücklegen würde. Dabei wird davon ausgegangen, dass durch flankierende Maßnahmen (dazu später mehr) ein allgemeines Umdenken der Verkehrsteilnehmer einsetzt und auch das Fahrrad beliebter wird. Die öffentlichen Verkehrsmittel müssten der Studie nach 14 Prozent mehr leisten.
Das entspricht jährlichen Zusatzkosten von 271 bis 326 Millionen Euro. Insgesamt seien in Berlin pro Jahr zwischen 2,2 und 2,7 Milliarden Euro nötig, um alle Betriebskosten zu decken, so die Ergebnisse der Studie.
Das sind natürlich erst mal Wahnsinnssummen, bei denen es verständlich ist, dass Städte und Verkehrsbetriebe skeptisch bis panisch reagieren, wenn die Rede auf den Wegfall der Fahrscheinerträge kommt. „Die Studien zeigen aber, wie es funktionieren könnte, sogar mit Modellen, die wir eigentlich schon kennen“, sagt Oliver Bayer. So sei die zuverlässigste Einnahmequelle für den ÖPNV in NRW beispielsweise das Semesterticket. „Wenn man dieses Prinzip auf alle Bürger innerhalb eines Geltungsbereichs anwendet, hat man eigentlich schon die Lösung.“
Die Idee sei, den Staat nicht zusätzlich zu belasten, erklärt Oliver Bayer, sondern die Kosten auf eine bestimmte Gruppe umzulagern. Dabei leisten alle Mitglieder eine solidarische Abgabe, also auch jene, die den Nahverkehr selten oder gar nicht nutzen. So muss jeder einzelne weniger bezahlen. Nulltarif bedeutet in diesem Zusammenhang also nur, dass kein gesonderter Fahrschein mehr erworben werden muss.
Varianten dieses Modells sind bereits eingeführt, etwa für Studierende oder als Job-Ticket für Arbeitnehmer. Daran angelehnt gibt es eine ganze Reihe Pilotprojekte: So bietet etwa die Rheinbahn in Düsseldorf zusammen mit einer Wohnungsbaugesellschaft ein sogenanntes Mieterticket an, das Vermieter für die Bewohner eines Wohnblocks erwerben können. Diese bezahlen den vergünstigten Fahrschein dann direkt über die Miete oder über die Nebenkosten.
Die bekannteste und auch weitreichendste Form des beitragsfinanzierten Nulltarifs ist das sogenannte Bürgerticket.
In Berlin würde das Bürgerticket etwa 60 Euro kosten
Das Bürgerticket funktioniert im Grunde ähnlich wie der Rundfunkbeitrag beim Öffentlich-rechtlichen Rundfunk für einen bestimmten, eingeschränkten Bereich. Von den Bewohnern einer Stadt oder Gemeinde werden Beiträge erhoben und so die Betriebskosten des ÖPNV umgelegt. Wer bezahlt, kann den Nahverkehr ohne Fahrschein nutzen. Dabei müssen auch jene zahlen, die nicht oder nur selten mit Bus und Bahn unterwegs sind.
Was das dann wirklich kostet, kann, wie gesagt, regional sehr unterschiedlich sein. Deshalb können konkrete Zahlen nur anhand von Modellversuchen oder Studien ermittelt werden. Laut der Rechnung sollen all jene von den Beiträgen befreit werden, die aus sozialen Gründen die Kosten nicht oder nur zu einem geringen Teil aufbringen können. Für alle volljährigen und zahlungsfähigen Einwohner Berlins würde sich so ein Betrag von 50 bis 69 Euro pro Kopf und Monat ergeben.
Möglich ist auch eine Kopplung an den Job. Für alle Arbeitnehmer wäre so eine monatliche Abgabe zwischen 58 und 80 Euro fällig. Bezieht man auch die Rentner mit ein, sinkt die Zahl auf etwa 43 bis 69 Euro.
Die voraussichtlichen Kosten im Überblick:
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Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, Schwerbehinderte mit Freifahrterlaubnis:
frei -
Auszubildende (über 18 Jahre), Studierende, Empfängerinnen und Empfänger von Wohngeld, ALG II, Grundsicherung, Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz, Asylbewerber, Schwerbehinderte über 80 Prozent Schwerbehinderungsgrad:
minimal 15 Euro, maximal 20 Euro -
Erwerbstätige (inklusive Selbstständige, Freiberufler):
minimal 53-75 Euro, maximal 58-80 Euro -
Erwerbstätige und Rentner:
minimal 39-55 Euro, maximal 43-69 Euro
Zumindest die Suche nach dem passenden Kleingeld würde das Bürgerticket so wohl ersparen. Im Schnitt lägen die Kosten pro Einwohner außerdem unter denen für das bisher reguläre Monatsticket – zumindest in Berlin. Zum Vergleich: Eine Monatskarte für die Geltungsbereiche A und B kostet bei den Berliner Verkehrsbetrieben momentan 81 Euro. Wer alle Geltungsbereiche innerhalb des Stadtgebiets nutzen will, muss sogar 100 Euro bezahlen.
Außerdem sind deutliche Ermäßigungen eingeplant, beispielsweise für Studierende, erwachsene Auszubildende, Asylbewerber und Menschen mit schweren Behinderungen, die lediglich 15 Euro monatlich bezahlen müssten.
Genau hier liegt einer der Haken. „Teilweise überschneidet sich die Zuständigkeit der Verkehrsunternehmen ja schon innerhalb einer Stadt oder einer Region. Wenn man zum Beispiel von Düsseldorf bis Köln fährt, muss man regelrechtes Expertenwissen ansammeln, um das richtige Ticket zu lösen“, meint Oliver Bayer. Deshalb müsste man von Stadt zu Stadt prüfen, wer die Zielgruppen sind und gemeinsam Lösungen finden.
Bayer schlägt etwa einen Ausgleich für Pendler vor, den Städte und Verkehrsunternehmen einander zahlen könnten. An den Betriebskosten des Nahverkehrs könnten neben den Bürgern auch noch andere ÖPNV-Nutznießer beteiligt werden. Er empfiehlt den Blick nach Frankreich. „Da tragen die Arbeitgeber einen guten Teil zur Finanzierung des Nahverkehrs bei. Das könnte man sich auch für Deutschland vorstellen.“
Arbeitgeber könnten Kosten übernehmen
Tatsächlich. Französische Gemeinden können von Unternehmen, die mehr als neun Mitarbeiter beschäftigen, die sogenannte Versement Transport, eine Art Verkehrssteuer, erheben. Dabei wird davon ausgegangen, dass auch Firmen vom Nahverkehr profitieren. Denn, wenn sie ans Streckennetz angebunden sind, müssen sie weniger Parkraum schaffen und sind für ihre Kunden gut erreichbar. Wie hoch diese Abgabe ausfällt, ist dabei in jeder Kommune je nach Einwohnerzahl verschieden, bezieht sich aber immer auf die Lohnsumme, die ein Unternehmen im Jahr an seine Beschäftigten zahlt.
Die Einnahmen können sowohl in das Streckennetz, als auch in die laufenden Betriebskosten investiert werden. Somit ist die Transportsteuer eines der wichtigsten Finanzierungsinstrumente des öffentlichen Nahverkehrs in Frankreich.
In einer Kleinstadt funktioniert der kostenlose ÖPNV – sogar ohne Bürgerticket
In der südfranzösischen Gemeinde Aubagne können seit 2009 dank Versement Transport Busse frei genutzt werden. Die Fahrgastzahlen sind seither um fast 80 Prozent angestiegen, weshalb das Straßennetz bis 2019 ausgebaut wird. Die Versement Transport deckt dabei den Großteil der anfallenden Kosten, die Stadt muss den ÖPNV jedoch weiterhin unterstützen. Das funktioniert in Aubagne, weil die Stadt mit 45.000 Einwohnern relativ klein und der Haushalt übersichtlich ist. Für eine Metropole wie etwa Paris, mit einem wesentlich komplexeren Nahverkehrssystem, reicht der Arbeitgeberbeitrag nicht aus, um das zu bezahlen.
Auch in Deutschland würde das wohl eher nicht funktionieren. Würde jedoch das Bürgerticket kommen, müssten die beitragspflichtigen Arbeitnehmer aber weniger bezahlen. „Das ist eine von vielen Möglichkeiten“, sagt der Pirat Oliver Bayer. „Es profitieren ja auch noch andere vom ÖPNV.“
Grundstücksbesitzer könnten zur Kasse gebeten werden
Wer ein Grundstück besitzt, das gut an Bus und Bahn angebunden ist, soll dafür einen sogenannten Erschließungsbeitrag entrichten. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) beschreibt das Modell in einem Papier. Eigentümer zahlen ähnliche Beiträge bereits, etwa, wenn ihr Grundstück an die öffentliche Wasserversorgung oder an das Straßennetz angebunden wird. Die Berliner Machbarkeitsstudie geht noch einen Schritt weiter und zeigt auf, wie mit Beiträgen der Haus- und Grundstücksbesitzer ein kostenloser ÖPNV für alle zu realisieren wäre. In diesem Fall müssten die Beitragspflichtigen jedoch nicht nur einmalig zahlen wie bei Wasser und Straße, sondern regelmäßig.
Zusätzliche Geldquellen können erschlossen werden
Denkbar wäre auch, die Erschließungsbeiträge mit dem Bürgerticket zu kombinieren und gleichzeitig die Innenstädte für Pkw-Fahrer unattraktiver zu machen.
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Die City-Maut
Sie taucht auch in der politischen Diskussion über die Schadstoffbelastung immer wieder auf und soll dafür sorgen, dass weniger Menschen mit dem Auto in die Innenstädte fahren. Die City-Maut sollen die Autofahrer zahlen müssen, wenn sie in einem bestimmten Abschnitt des Straßennetzes oder einer Maut-pflichtigen Stadt unterwegs sind. Mit einem Teil der eingenommenen Gebühren könnten Bus und Bahn bezuschusst werden. -
Parkraumbewirtschaftung
Wer häufiger versucht, mit dem Auto in der Innenstadt einen Parkplatz zu erwischen, der kennt eigentlich schon das Prinzip hinter dem Begriff Parkraumbewirtschaftung. Dieser fasst Halteverbote genauso wie Parkgebühren, von denen ein Teil für den Nahverkehr aufgewendet werden könnte. -
Stellplatz-Ablösebeitrag
In vielen Bundesländern werden Bauherren verpflichtet, Stellplätze für Kraftfahrzeuge zu schaffen. Können oder wollen sie das nicht, bezahlen sie meist eine Ablöse, mit der man den ÖPNV ausbauen und instand halten könnte. -
Kurtaxe
In manchen Städten können Gäste, die Kurtaxe – also eine Übernachtungsgebühr – zahlen, damit bereits Bus und Bahn nutzen. Bisher dürfen aber nur bestimmte Gemeinden, etwa Kurorte, die Abgabe erheben. Würde sie auch in anderen Städten zur Pflicht, könnte sie etwa das Bürgerticket ergänzen.
Wir können also festhalten: Ideen zur Finanzierung gibt es ausreichend. Um aber herauszufinden, ob sie bei uns machbar sind, brauchen wir Modellversuche so wie Aubagne in Frankreich.
Europäische Städte machen vor, wie es geht
Die belgische Stadt Hasselt hatte über 16 Jahre einen kostenlosen ÖPNV. Die Stadt verzichtete auf den Bau eines dritten Innenstadtrings, der den Verkehr entlasten sollte, aber kaum zu finanzieren war. Stattdessen wurde das Geld in den Ausbau des Nahverkehrs umgelenkt. Gleichzeitig strich Hasselt im Jahr 1997 im Stadtgebiet 800 Parkplätze. Die außerdem stark erhöhten Parkgebühren investierte die Stadt in den Nahverkehr.
Im Jahr 2013 löste Tallinn Hasselt als Vorreiterstadt ab. In der estnischen Hauptstadt können Einwohner den öffentlichen Nahverkehr mit ihrer „Ühiskaart“ nutzen. Besucher erhalten die gleiche Karte, müssen jedoch Geld darauf laden. Tallinn ist eine vergleichsweise kleine Stadt, in der die Fahrgastzahlen nicht einmal wesentlich gestiegen sind, seit die Gratisfahrten eingerichtet wurden. Dafür sind die Einwohnerzahlen bemerkenswert in die Höhe geschossen. Und da die Stadt von der Einkommenssteuer jedes Bewohners 1.000 Euro einbehält, verdient sie mittlerweile sogar an ihrem Nahverkehr.
Die Kommunen müssten mutig sein und sagen: Okay, wir machen das!
„Die Krux an der Sache liegt in der Frage nach der Zuständigkeit“, sagt Oliver Bayer. Im Grunde müssten die Kommunen ihre Planungshoheit nutzen und sich mit der Landesebene abstimmen, aber einer schiebe die Verantwortung auf den anderen. „Die Städte und Gemeinden sagen: Wir können gar nichts machen, es gibt keine rechtlichen Rahmenbedingungen. Und die Landesebene sieht keinen Bedarf, weil die Kommunen ja nichts angefordert haben.“ Trotzdem ist sich Bayer sicher, dass es daran nicht scheitern würde. Er verweist auch auf die Experimentierklausel, die Kommunen laut Personenbeförderungsgesetz erlaubt, ihren ÖPNV alternativ zu bedienen, wenn auch nur auf vier Jahre befristet. Letztendlich müsste also auch das Land zustimmen.
Es heißt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Auch wenn sicher ein starker politischer Gestaltungswillen notwendig ist, um sich durch das unübersichtliche Gewirr zu kämpfen, das der ÖPNV, dank verschiedener Betreiber in den Regionen, variierender Rechtslagen und Infrastrukturen, nun mal darstellt.
Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass ohne großen Druck von außen, wie etwa durch EU-Strafandrohungen der fahrscheinlose öffentliche Nahverkehr flächendeckend kommt. Immerhin, die Stadt Augsburg plant ab 2019 in ihrer City-Zone, einen kostenlosen Nahverkehr einzuführen. Wenn dieses Modell gelingt, nehmen sich andere Städte vielleicht ein Beispiel. Bis dahin muss ich wohl weiterhin mein Kleingeld bereithalten und ein Busticket lösen.
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Redaktion: Susan Mücke. Schlussredaktion: Vera Fröhlich. Bildredaktion: Martin Gommel (Aufmacherfoto: unsplash / Jad Limcaco).