Als ich vor einem Jahr die Zusage für meinen Studienplatz in Mannheim bekam, fing für mich der Stress erst richtig an. Denn neben der Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt herrschte vor allem eine Sorge vor: Wie komme ich an eine bezahlbare Wohnung, halbwegs nah zur Uni? Heute stehen die künftigen Studenten vor dem gleichen Problem.
Denn die Mieten in den deutschen Großstädten steigen noch immer stetig, allein im vergangenen Jahr haben die Preise in Metropolen mit mehr als einer halben Million Einwohner um 6,3 Prozent angezogen. Spitzenreiter ist München, wo man über 15 Euro Miete für einen Quadratmeter Wohnung zahlt, pro Monat und kalt. Frankfurt am Main folgt mit 12 Euro, Tendenz steigend.
Dabei hatte die Bundesregierung eigentlich Abhilfe versprochen und im Jahr 2015 die Mietpreisbremse beschlossen, wonach die Mieten nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Dass dieses System krankt, kann man jeden Tag in deutschen Städten beobachten.
Die Mietpreisbremse ist deshalb zum Wahlkampfthema geworden, unter anderen SPD und Grüne fordern, die Schwachstellen des Gesetzes zu stopfen. Dabei ist es nicht sicher, ob das den gewünschten Effekt erzielen wird. Stattdessen bin ich auf eine Idee gestoßen, die zunächst nicht sehr spannend klingt. Wahrscheinlich ist sie aber der bessere Vorstoß, um wieder für mehr bezahlbaren Wohnraum zu sorgen.
Es geht um eine Reform der Grundsteuer. Denn diese ist veraltet und bestraft Investitionen in potenzielles Bauland.
Grundsteuer – was ist das überhaupt?
Wahrscheinlich hast du von der Grundsteuer schon gehört. Sie ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für Kommunen in Deutschland. Aber was ist das genau? Es gibt zwei verschiedene Arten der Grundsteuer:
Die Grundsteuer a (für agrarisch genutztes Land) und die Grundsteuer b (für baulich genutztes Land), bei beiden verbleibt das Geld in den Kommunen. Diskutiert wird jetzt über die zweite Variante.
Ihre Höhe wird zurzeit aus dem Wert des Grundstückes und dem darauf stehenden Gebäude berechnet. Zusammen bilden sie den sogenannten Einheitswert, der als Basis für die Grundsteuer herangezogen wird. Dazu kommt noch der Hebesatz, der von den Kommunen festgelegt wird.
Ein Beispiel: Du kaufst in Hamburg eine Eigentumswohnung. Vom Finanzamt wurde für diese Wohnung der Einheitswert von 120.000 Euro festgelegt, basierend auf den Grundstückswerten von 1964 mit Zu- und Abschlägen für Sanierung oder Neu- und Anbauten. Dieser Einheitswert wird nun mit der sogenannten Steuermesszahl multipliziert, die sich nach Art und Weise der Nutzung des Gebäudes richtet. In den alten Bundesländern liegt die bei 3,5 Promille für eine Eigentumswohnung. Bei unserem Beispiel macht das (120.000 Euro mal 0,0035=) 420 Euro. Dies ist der Grundsteuermessbetrag.
Damit noch nicht genug, denn die Kommunen dürfen für die Grundstücke noch den sogenannten Hebesatz verlangen, also den Grundsteuermessbetrag nach ihrem Belieben anpassen. In Hamburg liegt dieser Hebesatz bei 540 Prozent. Für die Eigentumswohnung in der Hansestadt musst du also (420 Euro mal 5,4 =) 2.268 Euro Grundsteuer zahlen – pro Jahr. Bei einem unbebauten Grundstück ist der Einheitswert niedriger, dementsprechend sinkt auch die Grundsteuer.
Von Kommune zu Kommune schwanken die Einheitswerte und die Hebesätze erheblich, so würde man zum Beispiel in Südermarsch in Schleswig-Holstein überhaupt keine Grundsteuer zahlen, hier liegt der Hebesatz bei null Prozent. Dies ist aber die Ausnahme, in der Regel liegen die Hebesätze zwischen 300 und 400 Prozent, in Großstädten auch gerne deutlich darüber, jede Stadt kann selbst darüber bestimmen.
Die jetzige Steuer verteuert sich bei Sanierungen und Neubauten – und bestraft so Investitionen in Bauland
Da bei der Grundsteuer nach dem bisherigen Modell auch Gebäudesanierungen und Neubauten ein Rolle spielen – nämlich bei den Zu- und Abschlägen auf den Einheitswert – steigt die Grundsteuer mit jeder Investition auf einem Grundstück. Es gilt: Je höher der Wert des Hauses, desto mehr Grundsteuer muss man zahlen. Sanierungen erhöhen den Wert des Gebäudes ebenso wie ein Anbau oder ein zusätzliches Geschoss.
Und eben auch ein Neubau auf einem bisher unbebauten Grundstück erhöht den Satz der Grundsteuer, bei großen Häusern mit viel Wohnungen sogar ganz erheblich. Für Investoren, die in Land investieren und nach ein paar Jahren auf größtmögliche Rendite aus sind, ist es daher weit günstiger, die Flächen brachliegen zu lassen, anstatt sie zu bebauen.
So kommt es teilweise zu solch paradoxen Situationen, dass es akuten Wohnungsmangel in deutschen Innenstädten gibt, gleichzeitig aber Grundstücke mit Baugenehmigung nicht bebaut werden.
Jetzt steht jedoch eine Reform der Grundsteuer an, denn der Bundesfinanzhof hat gegen die Grundsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Der Grund sind die veralteten Wertverhältnisse, nach denen der Einheitswert bestimmt wird. In den alten Bundesländern nutzt man noch Daten aus dem Jahr 1964, in den neuen sogar aus dem Jahr 1935 – und das bei einer Steuer für das Jahr 2017.
Wenn das Gericht die Steuer für unrechtmäßig erklärt, könnte es zu einem Zahlungsausfall für die Kommunen kommen – was diese tunlichst vermeiden wollen. Denn mit elf Milliarden Euro jährlich ist das Volumen zwar geringer als das der Gewerbesteuer. Sie ist jedoch nicht konjunkturabhängig, also sehr stabil. Deshalb haben sich die Länderfinanzminister Ende 2016 auf eine Neuregelung der Grundsteuer geeinigt.
Kann eine Bodensteuer die Lösung sein?
Welche Lösungsvorschläge gibt es für dieses Dilemma? Zum einen gibt es den Vorschlag der Finanzminister der Länder, die Grundsteuer geringfügig zu reformieren. Im Prinzip müssten dafür lediglich die Einheitswerte (Du erinnerst dich, das ist der Grundstücks- plus Gebäudewert) aktualisiert werden.
Dafür sollen in den Jahren 2022 und 2030 die 35 Millionen deutschen Grundstücke neu bewertet werden, ab da alle sechs Jahre. Spruchreif ist die Reform aber noch nicht, denn der Bundestag hat dem Vorhaben noch nicht zugestimmt. Deshalb muss in der neuen Legislaturperiode der Entwurf erneut ins Parlament eingebracht werden.
Es gibt aber noch eine radikalere Idee, nämlich die Grundsteuer ganz abzuschaffen und durch eine sogenannte Bodensteuer zu ersetzen. Dafür setzt sich zum Beispiel die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ ein. Henry Wilke arbeitet für diese Initiative in Berlin. Er fordert, „dass man bei der Grundsteuer die Gebäude außen vor lässt und sie nur auf den Boden bezieht”.
Der kleine, aber entscheidende Unterschied zur heutigen Grundsteuer: Häuser, Wohnungen oder auch wertsteigernde Sanierungen der Wohnungen würden sich nicht mehr auf den Steuersatz auswirken. Für ein bebautes Grundstück würde man ebenso viel zahlen wie für ein unbebautes der gleichen Größe und Lage.
Die Idee für eine solche Bodensteuer ist nicht neu, bereits im 19. Jahrhundert hielten es Ökonomen für das Beste, Steuern allein auf den Wert des Bodens zu erheben.
Befürworter glauben, dass die Bodensteuer Wohnraum schafft und die Mietpreise bremst
Eine Bodensteuer könnte sich investitionsfördernd auswirken, hofft „Grundsteuer: Zeitgemäß!”. Denn wenn es steuerlich keinen Unterschied mehr macht, ob ein Grundstück bebaut ist oder nicht, wären Investoren vielleicht eher bereit, Gebäude auf Brachflächen zu errichten.
Das daraus entstehende steigende Angebot würde die Preise für Mieten langfristig weniger steigen lassen, hofft Henry Wilke: „Natürlich würde man diese Auswirkungen nicht unmittelbar spüren, aber auf lange Sicht kann es dazu kommen, dass die Mietpreise sich für die Mieter positiv entwickeln.“
Ein Punkt, den auch Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund für möglich hält: „Von sinkenden Mieten brauchen wir alle nicht zu träumen, das ist klar. In der Tat kann aber eine Bebauung von Brachflächen zur Folge haben, dass das Wohnungsangebot steigt.“ Hierzu sei jedoch eine Probephase nötig.
Diese Erprobung kann man bereits in Staaten wie Dänemark oder Australien beobachten, wo Ökonomen das Konzept als Erfolg bezeichnen.
Außerdem könnte durch eine Bebauung von Brachflächen in den Innenstädten das Ausbreiten der Städte auf die Grüne Wiese verlangsamt werden, hofft Wilke.
Mittlerweile häufen sich die Stimmen, die eine Bodensteuer befürworten. Zuletzt kam das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln zu dem Schluss, dass die reine Bodensteuer gegenüber einer Grundsteuer der bisherigen Form zu bevorzugen wäre.
Wie genau die Ausgestaltung einer Bodensteuer aussehen kann, damit hat sich die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ noch nicht auseinandergesetzt. „Wir wollen erstmal, dass das Thema überhaupt auf die Agenda kommt“, sagt Wilke.
Als Grundlage könnten die jährlich von den kommunalen Gutachterausschüssen ermittelten Grundstückswerte dienen, also bereits vorhandene Zahlen. Die Umsetzung der Idee wäre also leicht, im Gegensatz zur Neubewertung von 35 Millionen Grundstücken, wie es die Bundesratsinitiative vorsieht.
Ulrich Rupertz vom Mieterbund meint sogar: „Die Einführung einer Bodensteuer wäre im Laufe der nächsten Legislaturperiode möglich, wenn die Politik es will.“ Bei der vom Bundesrat angeregten Reform sollen die ersten Einnahmen jedoch frühestens 2027 kommen.
Die Länder sträuben sich gegen den Vorstoß – dabei wäre es Wohnungsbau per Steuerreform
Warum bei all den Vorteilen die Bodensteuer, im Gegensatz zur Grundsteuer, nicht den Weg in den Bundesrat geschafft hat, ist kaum verständlich. „Anscheinend ist es für die Länderfinanzminister nicht vorstellbar, bei der Grundsteuer den Gebäudewert unberücksichtigt zu lassen. Warum können wir uns nicht erklären“, so Henry Wilke.
Der Wille, die Grundsteuer im gesamten über den Haufen zu werfen, ist zurzeit nicht vorhanden. Der Deutsche Städtetag zum Beispiel erklärt: „Mit dem Konzept der Bodensteuer haben wir uns aufgrund der Vielzahl der Vorschläge in den letzten Jahren nicht explizit beschäftigt. Wir sind aber erstmal froh, dass es angesichts der drohenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Einigung in der Länderkammer gab.”
Der Bund der Steuerzahler hat sich sogar explizit gegen die Bodensteuer ausgesprochen, allerdings auch gegen die Reform der Grundsteuer, wie sie die Länderfinanzminister erdacht haben. Er fürchtet, dass es zu Sprüngen in den Grundstückswerten und damit zu teils großen Steuererhöhungen kommt. Stattdessen bevorzugt er ein Modell, was die Leistungen einer Kommune für das Grundstück (Straße, Gehweg etc.) als Bemessungsgrundlage nimmt.
So ist es derzeit nur schwer vorstellbar, dass es die Bodensteuer doch noch als Konzept in den politischen Alltag schafft. Zu gering scheint mir der politische Wille, wirklich etwas zu ändern. Stattdessen wollen SPD und CDU Steuergeld in den kommunalen Städtebau pumpen, um so das Angebot zu erhöhen.
Diese Investitionen sind jedoch teuer, da sozialer Wohnungsbau mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Und wenn die Städte selbst die Wohnungen errichten, kostet das schnell mehrere Millionen Euro.
Eine mögliche Bodensteuer hingegen soll mich als Steuerzahler nicht stärker belasten. Wenn dann gleichzeitig noch die Investitionen von privaten Grundstückseigentümern steigen, ist das quasi Wohnungsbau per Steuerreform. Ein interessanter Gedanke.
Wie kann eine Bodensteuer verhindern, dass die Mieten steigen?
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Die Mieten steigen seit Jahren an, häufig liegen die Quadratmeterpreise in Großstädten bereits im zweistelligen Bereich. Grund ist ein enormer Zuzug in die Städte, wo jedoch zu wenige Wohnungen vorhanden sind. Auch die Mietpreisbremse hat das bisher nicht geändert.
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Abhilfe könnte die Reform der Grundsteuer schaffen. Das jetzige System sieht eine Erhöhung bei Ausbau existierender oder dem Neubau von Wohnungen auf Brachflächen vor. Investitionen werden quasi bestraft.
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Bei einer Bodensteuer, wie sie von einigen Seiten gefordert wird, würde die Bebauung jedoch keinen Unterschied mehr machen. Befürworter erhoffen sich von einer Einführung deshalb mehr Investitionen in Wohnraum und so eine Vergrößerung des Wohnungsangebotes.
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Bei der Politik stößt der Vorschlag hingegen auf taube Ohren. Die Bodensteuer wurde noch nicht einmal in der Diskussion berücksichtigt. Befürworter hoffen, dass ihre Idee durch steigende Unterstützerzahlen doch noch berücksichtigt wird.
Bei der Erarbeitung des Artikels hat Christian Gesellmann geholfen; gegengelesen hat Vera Fröhlich; das Aufmacherbild hat Martin Gommel ausgesucht: iStock / Tomeyk