Der unheimliche Erfolg von Uber, erklärt von A bis Z
Geld und Wirtschaft

Der unheimliche Erfolg von Uber, erklärt von A bis Z

Teilen wir uns bald alle unsere Autos? Zocken Firmen wie Uber nur ihre Fahrer ab? Und was ist dieses Ridesharing überhaupt? Hier erkläre ich es im Krautreporter-Alphabet. Mein Lieblingsbuchstabe: P wie Psychologie.

Profilbild von Kolumne von Christoph Koch

Anfänge

Uber wurde im März 2009 unter dem Namen UberCab als Limousinenservice gegründet. Der heutige CEO Travis Kalanick war damals als „Mega Advisor“ oder „Chief Incubator“ an Bord.
Im Juni 2010 bietet Uber in San Francisco die ersten Fahrten an. Der Markt eignet sich extrem gut für Ridesharing, da das gewöhnliche Taxiangebot dort zu diesem Zeitpunkt extrem schlecht und unzuverlässig funktioniert. UberCab, das anfangs nur mit professionellen Fahrern und Limousinen arbeitet, kommt gut an. Im Dezember 2010 wird Travis Kalanick zum CEO, im Mai 2012 startet der Dienst in New York City. Erst im Juli 2012 mit dem Start von „UberX“ wird die Firma zu der, die wir heute kennen: Bei UberX können auch Privatleute in ihrem eigenen Auto Fahrgäste mitnehmen und damit Geld verdienen. Einen Monat später nimmt Konkurrent Lyft den Betrieb auf – ebenfalls in San Francisco.

Bewertungen

Was vielen nicht klar ist: Nicht nur die Fahrgäste bewerten bei Uber die Fahrer – die Fahrer bewerten umgekehrt auch ihre Kunden. Diese Fahrgastbewertungen sind bislang ein wenig versteckt: Man findet sie nicht im Profil, sondern im Hilfebereich unter der Rubrik „Konto und Zahlungsoptionen“. Uber kündigte jedoch an, die Bewertungen in Zukunft auch direkt in der App anzuzeigen. Bei Lyft muss man seine Bewertung als Fahrgast per Mail vom Support erfragen (oder den Fahrer, der kann sie ebenfalls sehen). Bei der deutschen Plattform Mytaxi werden die Fahrgäste zwar nicht mit Sternen bewertet, die Fahrer haben jedoch die Möglichkeit, Fahrgäste dauerhaft zu blocken, von denen sie nicht mehr gerufen werden wollen.

Carsharing

Nicht dasselbe wie Ridesharing: Bei Carsharing (car2go, DriveNow etc.) leiht man sich kurzzeitig ein Auto und fährt selbst. Bei Ridesharing bucht man eine Dienstleistung – in der Regel ein Fahrer mit einem eigenen Auto. Dabei gibt es wiederum verschiedenen Modelle: Man kann als Einzelfahrgast unterwegs sein, dann bestimmt man auch unmittelbar das Ziel. Dienste wie Uber (UberPool), Lyft (Lyft Line) oder Allygator (→ Vans) bieten allerdings oft auch die Möglichkeit, sich mit anderen Fahrgästen zusammenzutun, die in die ähnliche Richtung wollen. Dann reduziert sich der Fahrpreis – dafür muss man eventuell einen kleinen Umweg fahren, weil erst das Fahrziel eines anderen Gastes angesteuert wird. In → Deutschland kennt man dieses Prinzip auch als „Sammeltaxi“.

Deutschland

In Deutschland verboten die Richter des Landgerichts Frankfurt 2015 der Firma Uber, mit ihrem Dienst UberPop (also Fahrern ohne behördliche Beförderungserlaubnis) der traditionellen Taxibranche Konkurrenz zu machen. In Berlin und München vermittelt Uber derzeit unter dem Namen UberX und in Zusammenarbeit mit dem Beförderungsunternehmen ROCVIN Fahrten, die dann allerdings von Fahrern mit Personenbeförderungsschein durchgeführt werden und preislich allenfalls geringfügig unter dem Niveau einer normalen Taxifahrt liegen.

Einkommen

Ridesharing-Firmen sind Teil der sogenannten Gig Economy. Damit bezeichnet man einen vergleichsweise neuen Teil des Arbeitsmarktes: Kleine Aufträge, „Gigs“, die kurzfristig an eine Vielzahl von unabhängigen Kräften (→ Freiberufler) vergeben werden. Von der klassischen Freiberuflichkeit, die in vielen Branchen seit Langem üblich ist, unterscheidet sich die Gig Economy dadurch, dass meist eine Onlineplattform als Mittler zwischen Auftraggeber und dem Auftragnehmer steht. Diese kassiert eine Provision und diktiert die Spielregeln. Oft wird deshalb auch von einer „Plattformisierung der Arbeit“ gesprochen.

Für gesuchte und spezialisierte Fachleute, die global tätig sein können, führe die Gig Economy zu einer Blütezeit der flexiblen und unabhängigen Arbeit, so die Optimisten. Auf der anderen Seite befürchten Kritiker die Ausbeutung von Menschen, die auf dem klassischen Arbeitsmarkt keinen Platz (mehr) finden. In den USA fand eine Studie des Pew Research Centers vergangenes Jahr beispielsweise heraus, dass Gig Worker tendenziell ärmer sind und häufiger einer Minderheit angehören. Doppelt so oft wie im Bevölkerungsdurchschnitt liege beispielsweise das Haushaltseinkommen unter 30.000 Dollar im Jahr. Für die meisten sei außerdem der Verdienst über die Gig-Plattformen das essentielle Einkommen der Familie.

Firmen der Gig Economy zeichnen häufig das Bild eines nicht aufwändigen Zusatzverdienstes: einfach jemanden auf dem Weg zur Arbeit mitnehmen oder auf einer Fahrt, die man ohnehin machen würde. Auch der Name „Ridesharing“ impliziert das bereits. In der Realität können Ridesharing-Fahrer aber gar nicht sehen, wo ihr potenzieller Fahrgast hin will. Sie können also gar keine Fahrten aussuchen, die auf ihrer Strecke liegen, um sich so etwas „dazuzuverdienen“. Was stimmt: Die Zeiteinteilung in der Gig Economy ist meist sehr flexibel und stellt deshalb in manchen Situationen eine gute Möglichkeit dar, zum Beispiel Zeitfenster, die für einen „richtigen“ Nebenjob zu verstreut sind, für einen Zusatzverdienst zu nutzen.

Freiberufler

Eine große Streitfrage beim Ridesharing (wie in der Gig Economy insgesamt): Sind die Fahrer von Diensten wie Lyft oder Uber Angestellte der jeweiligen Plattform? Oder Selbstständige? Die Plattformen tun alles, um zu verhindern, dass die Fahrer als Angestellte deklariert werden – denn dann würden nicht nur Sozialabgaben oder ein je nach Land gesetzlich festgelegter Mindestlohn fällig. In Großbritannien wurden im Oktober 2016 jedoch die Rechte der Fahrer gestärkt, als ein Gericht in einem Präzedenzfall entschied, dass sie als Angestellte zu behandeln seien und somit Anspruch auf Mindestlohn und Urlaubsgeld hätten. Uber kündigte an, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen.

Gewerkschaft

Holger Bonin, Chefkoordinator für arbeitsmarktpolitische Forschung am privaten Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit und Professor für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Arbeitsmarktpolitik an der Universität Kassel ist skeptisch, was den Erfolg von Gewerkschaften im Bereich der sogenannten Gig Economy betrifft: „An einem dezentralen Arbeitspatz ist es sehr viel schwieriger, eine schlagkräftige Gewerkschaft zu gründen. Die Arbeiter kennen einander ja meist gar nicht.“ Er sieht die Lösung eher darin, die Auftragnehmer zu einer vernünftigen sozialen Absicherung zu verpflichten. „Wenn die Tätigkeit dadurch finanziell unattraktiv wird, dann finden die Plattformen eben so lange keine Arbeitskräfte mehr, bis sie bessere Bedingungen schaffen.“

Hartz IV

Der beste Schutz gegen „amerikanische Verhältnisse“ (→ Einkommen) – also Fahrer, die am Existenzminimum kratzen und zu Preisen fahren, die sich oft gar nicht lohnen – dürfte gar nicht so sehr eine harte Regulierung rund um das Personenbeförderungsgesetz sein. Sondern eine vernünftige und menschenwürdige Grundsicherung. Damit lassen sich Dumping-Tarife auch dort verhindern, wo kein Mindestlohn gilt – einfach, weil es sich nicht lohnt, für beliebig niedrige Preise zu fahren.

Instantpreise

Steigt die Nachfrage in einem bestimmten Gebiet zu stark an, erhöht bei Firmen wie Lyft oder Uber ein Algorithmus automatisch die Preise. Dieser „Surge“ genannte Anstieg kann das Doppelte, aber auch das 50-fache betragen, je nachdem, wie weit Angebot und Nachfrage auseinanderklaffen. Dieser Preisanstieg soll einerseits zusätzliche Fahrer motivieren, andererseits schreckt er natürlich Kunden ab. Deshalb ist er meist nur von kurzer Dauer. Man kann sich meistens benachrichtigen lassen, wenn der Preis wieder das normale Niveau erreicht hat. Wenn in Krisenmomenten (sei es durch Naturkatastrophen oder Anschläge) der Bedarf an Transportmitteln sprunghaft steigt, kommt es regelmäßig auch zu einem Anstieg der Preise. Die Ridesharing-Firmen verteidigen sich dann ebenso regelmäßig damit, dass sie nicht von einer Notlage profitieren wollten, aber „Surging“ der beste Weg sei, zusätzliche Fahrer auf die Straße zu bekommen. In verschiedenen Fällen hat Uber aber auch schon erhöhte Fahrpreise, die durch Unglücksfälle entstanden waren, zurückerstattet (und die Fahrer dennoch bezahlt).

Jerks

Über die ruppige bis schlechte Firmenkultur bei Uber war seit dem Start der Firma schon öfter gemunkelt worden. Der schnelle Erfolg gehe über alles, es herrsche ein gnadenloser Konkurrenzkampf und kein Respekt vor den Angestellten und untereinander, lauten die Vorwürfe. Konkreter wurden diese unter anderem mit einem Blogpost der ehemaligen Mitarbeiterin Susan Fowler im Februar 2017. Fowler, die ein Jahr lang als Entwicklerin bei Uber gearbeitet hat, schildert darin mehrfache Diskriminierung durch männliche Kollegen. Als sie die Belästigung durch einen bestimmten Kollegen der Personalabteilung geschildert habe, sei sie nur beschwichtigt worden. Es handele sich um einen besonders verdienten Mitarbeiter und noch dazu um dessen erstes Vergehen. Im Lauf der Zeit habe sie jedoch immer mehr Mitarbeiterinnen kennengelernt, die sich ebenfalls über denselben Kollegen beklagt hatten und denen ebenfalls gesagt wurde, es sei sein erstes Vergehen. Fowlers Schilderungen sorgten zusammen mit verschiedenen anderen Vorwürfen (zum Beispiel aufgrund von „Surge“-Preiserhöhungen in Krisensituationen, → Instantpreise) dafür, dass Onlineaktivisten unter dem Hashtag #deleteuber dazu aufriefen, sich bei dem Ridesharing-Dienst abzumelden.

Uber reagierte auf die Vorwürfe und CEO Kalanick entschuldigte sich bei den Mitarbeitern. Er setzte außerdem eine Untersuchungskommission ein, der unter anderen der ehemalige (bis 2015) US-Justizminister Eric Holder sowie Ariana Huffington angehören. Kritiker bemängeln, dass Holder früher schon einmal für Lobbyarbeit von Uber bezahlt wurde, also nicht völlig unabhängig sei. Huffington wiederum sitzt im Uber-Aufsichtsrat. Holder beteuert, dass er völlig unvoreingenommen an die Ermittlung gehen und sehr gründlich vorgehen werde. Ariana Huffington wiederum sagt, die Zeit der „brillant jerks“ – also Mitarbeitern, denen man aufgrund ihrer Arbeitsleistung Fehlverhalten durchgehen lasse – sei bei Uber nun vorbei.

https://www.youtube.com/watch?v=gTEDYCkNqns

Kalanick

Uber-CEO Travis Kalanick, Jahrgang 1976, studierte in Los Angeles technische Informatik. 1998 gründete er die Filesharing-Suchmaschine „Scour“, wurde aber wegen Urheberrechtsverletzung auf 250 Millionen Dollar verklagt und meldete mit der Firma im Oktober 2000 Konkurs an. 2001 gründete er die Firma RedSwoosh, die im April 2007 von Akamai für rund 23 Millionen Dollar gekauft wurde. Kritik an Kalanicks Überheblichkeit und Hybris wurden immer wieder laut. Sei es, als er gegenüber einem Reporter seine Firma als „Boober“ bezeichnete, weil sie seine Chancen bei Frauen erhöhe. Oder als bei einem Firmenabendessen in seiner Anwesenheit der Uber-Manager Emil Michaels (bis heute im Job) vorschlug, „eine Million Dollar“ dafür auszugeben, das Privatleben kritischer Journalisten und derer Familien auszuforschen, um diese zum Schweigen zu bringen. Oder als er – gemeinsam mit demselben Emil Michaels – Ubermitarbeiter in eine koreanische Karaoke-Bar-Schrägstrich-Bordell führte, wo diese sich Frauen aus einer nummerierten Reihe aussuchen durften. Die vorerst letzte in der langen Reihe von hässlichen Geschichten ereignete sich im März 2017, als Kalanick mit einem Uber-Fahrer aneinandergeriet (siehe Video oben). Dieser hatte sich beklagt, dass Uber die Anforderungen an Fahrer dauernd erhöht, den Verdienst aber drastisch gesenkt habe. Kalanick erwiderte, diese Vorwürfe seien „Bullshit“ und bewertete den Fahrer anschließend mit nur einem von fünf Sternen. Als der Ausfall bekannt wurde, entschuldigte sich Kalanick einmal mehr.

Lokale Behörden

Das US-Justizministerium ermittelt gerade gegen Uber, weil die Ridesharing-Firma eine Software namens „Greyball“ benutzt haben soll, um den Kontrollen von örtlichen Behörden in Märkten zu entgehen, in denen Uber verboten oder nur eingeschränkt nutzbar ist. „Greyball“ soll aufgrund von Standortdaten, Kreditkarteninformationen und Social-Media-Konten die Konten von Behördenmitarbeitern identifiziert haben. Diesen seien dann keine verfügbaren Autos angezeigt worden, um zu verhindern, dass sie Fahrten buchen und somit Beweise sammeln konnten, dass Uber gegen lokale Regeln verstößt. Uber soll die Software unter anderem in Städten wie Boston, Paris und Las Vegas sowie in Ländern wie Australien, China und Südkorea eingesetzt haben.

Marktwert

Aus dem, was Investoren für einen Teil eines Unternehmens bezahlen, berechnet sich dessen Marktwert. Bei Uber beträgt dieser theoretisch angenommene Wert inzwischen fast 70 Milliarden Dollar (Konkurrent Lyft kommt auf 5). Doch was, wenn diese Hypothese nicht stimmt? Wenn die Investoren sich irren, zum Beispiel, weil das Geschäftsmodell sich als weniger nachhaltig erweist als gedacht? Da Uber nicht an der Börse gehandelt wird, kann man also nicht so einfach auf einen Kursverfall der Aktie setzen, in dem man diese „shortet“. Krautreporter-Kollege Rico Grimm hat mir diesen sehr interessanten Text empfohlen. Autor Steve LeVine geht darin zum einen der Frage nach, ob der Erfolg von Ridesharing, Autonomem Fahren (→ Ohne Fahrer) und Uber so unvermeidlich ist, wie die Risikokapitalszene es darstellt. Zum anderen sucht er nach einem Weg, um gegen diesen Erfolg zu wetten. (Spoiler: Wenn überhaupt, ist es am ehesten durch die „Credit Default Swaps“ möglich, die durch Buch und Film „The Big Short“ von Michael Lewis bekannt geworden sind, sehr vereinfacht gesagt eine Art Versicherung gegen Kursverlust.)

Netto

Wie viel verdienen Ridesharing-Fahrer? Diese eigentlich einfache Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Der Fahrpreis, den der Nutzer bezahlt, setzt sich zusammen aus einem Sockelbetrag plus einer Mischung aus zurückgelegter Entfernung und benötigter Zeit. Diese Tarife variieren je nach Stadt und Nachfrage (→ Instantpreise). Davon erhält der Fahrer aber natürlich nicht alles. Die Ridesharing-Plattformen behalten einen Fixbetrag pro Fahrt sowie einen Anteil von 20 bis 25 Prozent der restlichen Einnahmen. Das bedeutet wiederum, dass sich kurze Fahrten für den Fahrer deutlich weniger rechnen. Bei extrem kurzen Fahrten bleibt dem Fahrer in manchen Märkten nur etwas mehr als die Hälfte des Geldes. Von diesen Einnahmen gehen dann allerdings noch Mehrwertsteuer (je nach Bundesstaat unterschiedlich) sowie Kosten für Benzin, Versicherung und Abnutzung des Autos sowie Reparaturkosten ab. Nach einer Berechnung des US-Onlinemagazins Buzzfeed verdienten Uber-Fahrer in Detroit Ende 2015 nach Abzug aller Kosten noch 8,77 Dollar pro Stunde. In Houston waren es 10,75 Dollar und in Denver 13,17 Dollar. Das Hauptproblem für die meisten Fahrer sind die Senkungen der Fahrpreise, die die Ridesharing-Firmen immer wieder durchführen (häufig um ihren Marktanteil zu erhöhen und Konkurrenten aus dem Markt zu drängen). In San Francisco führten diese Preissenkungen beispielsweise dazu, dass Uber-Fahrer 2016 etwa doppelt so weit fahren mussten wie 2013, um 10 Dollar zu verdienen (4,71 Meilen mit UberPool oder 3,94 Meilen mit UberX verglichen 2,36 Meilen im Jahr 2013).

Ohne Fahrer

Was bei den Diskussionen über die Bezahlung, Behandlung und Bewertung von Ridesharing-Fahrern oft vergessen wird: Das eigentliche Potenzial im Bereich Ridesharing liegt im Bereich der selbstfahrenden Autos. Ein normales Auto steht 95 Prozent der Zeit ungenutzt herum. Auch ein autonomes Fahrzeug, das einem Individuum (oder einer Familie) gehört, würde nicht signifikant länger genutzt. Erst durch die Kombination aus autonomem Fahren und einer Fahrzeugflotte, die sich alle Passagiere teilen, lässt sich die Auslastung verbessern – dann aber enorm.

Psychologie

Dass Ridesharing-Firmen ihre Fahrer nicht anstellen (→ Freiberufler), bedeutet weniger Kosten durch Sozialabgaben, Urlaubs- oder Krankengeld. Es bedeutet aber auch wenige Kontrolle darüber, wann und wo wie viele Fahrer im Einsatz sind. Das wiederum ist schlecht, wenn man den Kunden eine möglichst perfekte Abdeckung und schnelle Verfügbarkeit bieten will. Laut einem sehr interessanten Artikel in der New York Times beschäftigt beispielsweise Uber über Hundert Sozial- und Datenforscher, um herauszufinden, wie man die Fahrer am besten motivieren kann, länger zu fahren, wenn man sie benötigt und vor allem in Gebieten, wo besonderer Bedarf herrscht. Normalerweise regelt Uber so etwas über den Preis (→ Instantpreise). Doch hohe Preise verärgern die Kunden und schrecken Fahrgäste ab. Die Firma wendet also auch zahlreiche Tricks und „Nudges“ an, um Fahrer dorthin zu lotsen, wo Bedarf besteht, bevor eine Preiserhöhung ausgelöst wird. Das bedeutet allerdings auch, dass der Fahrer zwar den Anreiseweg in ein anderes Viertel auf sich nimmt, aber nicht zwangsläufig durch einen höheren Tarif belohnt wird.

Um die Fahrer in Gebiete zu lotsen, in denen erhöhter Bedarf herrscht, hat die Firma unter anderem angefangen, SMS, Mails und Popups mit einer weiblichen Identität zu versenden – da die überwiegend männlichen Fahrer auf diese besser reagieren. Also meldet sich „Laura“ beim Fahrer, um zu melden, wo aufgrund einer Veranstaltung besonders viele Fahrgäste zu erwarten sind. Ein Mittel, um Fahrer zum Weiterfahren zu bewegen, wenn gerade zu wenig Autos auf der Straße sind, ist beispielsweise, ihnen ein Verdienstziel anzuzeigen, das sie noch nicht erreicht haben. Der psychologische Mechanismus, die 100 Dollar noch vollzumachen, ist groß – auch wenn es sich an einem generell nicht sehr ergiebigen Tag vielleicht gar nicht wirklich für den Fahrer rechnet. Wenn Fahrer sich ausloggen wollen, wird außerdem oft noch einmal nachgefragt – wobei die Option „Weiterfahren“ gegenüber der Option „Ausloggen“ bereits vorausgewählt ist.

Eine andere Mechanik: Ähnlich wie bei Netflix sofort die nächste Folge einer Serie gezeigt wird, noch während der Abspann der letzten läuft, schlagen Lyft und Uber dem Fahrer die nächste Fahrt bereits vor, bevor dieser seinen aktuellen Fahrgast abgesetzt hat. Im Grunde dienen diese und andere Mechanismen vor allem dazu zu verhindern, dass Fahrer nur dann fahren, wenn es für sie am lukrativsten ist. Je höher der Bedarf, umso kürzer sind die Anfahrtswege und umso besser die Auslastung. Je mehr Fahrer hingegen unterwegs sind, umso besser für die Fahrgäste und die Plattform, doch umso schlechter für den einzelnen Fahrer.

Quatsch

Für großes Aufsehen sorgte im April 2017 ein Artikel in der New York Times über Uber-CEO TravisKalanick. Dort wurde behauptet, Uber habe seine Nutzer sogar dann noch „getrackt“, nachdem diese die App von ihrem Telefon gelöscht hätten. Das wäre jedoch nicht nur ein krasser Vertrauensmissbrauch durch Uber, sondern auch ein Skandal für Apple: Eine App, die nicht mehr installiert ist und dennoch den Aufenthaltsort des Nutzers preisgibt? Schnell stellte sich jedoch heraus, dass es so nicht war. Die New York Times änderte den Artikel (leider heimlich) in eine korrekte und etwas unspektakulärere Version der Geschichte: Vor allem in China wurden gestohlene Smartphones offenbar häufig benutzt, um falsche Uber-Konten einzurichten, Fahrten zu simulieren und somit eine Bezahlung auszulösen. Um dies zu verhindern, las die Uber-App eine Geräte-Nummer (Unique Device Identifier, UDID) aus, die es ermöglicht, das Telefon zu identifizieren. Diese Technik, genannt „Fingerprinting“, wurde früher von vielen Apps genutzt, allerdings von Apple bereits 2013 abgeschafft, um die Privatsphäre der Nutzer besser zu schützen. Uber nutzte die Funktion über einen Umweg über die Geräte-Seriennummer offenbar weiter – und geriet deshalb mit Apple aneinander, wie es der NYT-Artikel schildert. Ein „Tracking“ des Nutzers, nachdem die App gelöscht wurde, war und ist technisch nicht möglich. Und selbst das Auslesen der Geräte-ID bzw. der Seriennummer ist in der aktuellen iOS-Version nicht mehr machbar.

https://www.youtube.com/watch?v=qVyujM8IVOI

Randale

Nicht immer sind die Bezahlung (→ Netto) oder schlechte Bewertungen (→ Sterne) das größte Problem der Ridesharing-Fahrer. Manchmal sind es auch die Fahrgäste selbst. Im Video oben sieht man einen Uber-Fahrgast, der den Fahrer bedroht. Sie würde die Polizei rufen und ihn der Vergewaltigung bezichtigen. Am Ende droht sie dem Fahrer sogar noch, Trump würde ihn wieder „zurückschicken in dein Land“. Der Grund für den Ausraster: Der Fahrer hatte kein Ladekabel für ihr Smartphone parat.

Sterne

Einer der Grundpfeiler des Ridesharings – und im Grunde der gesamten Plattformökonomie, die gerne als „Sharing Economy“ euphemisiert wird – ist das Vergeben von → Bewertungen. Diese Bewertungen sind extrem wichtig für die Plattformen, weil sie eine günstige Art der Qualitätssicherung sind, ohne die das Wachstum nicht aufrechtzuerhalten wäre, das die Investoren fordern. „Würde Airbnb von jedem, der beispielsweise Ihre Wohnung mieten will, während Sie im Urlaub sind, ein Führungszeugnis verlangen, könnte das Unternehmen nicht in dem Umfang wachsen, wie es das derzeit tut“, sagt Christian Bachem, Strategieberater und Experte für digitales Marketing.

Das gleich gilt für Ridesharing-Plattformen: Durch das Bewerten der Fahrer übernehmen die Fahrgäste kostenlos eine Aufgabe, die eigentlich dem Unternehmen zukäme. Nämlich zu überprüfen, ob ein Fahrer geeignet ist, den Job zu machen. Das Problem dabei: Die Kriterien, die Fahrgäste anlegen, um die Sterne zu vergeben, sind sehr unterschiedlich. Sind drei Sterne eine angemessene Bewertung für eine durchschnittliche, ereignislose Fahrt? Gibt es fünf Sterne nur, wenn der Fahrer Wasser, Kaugummis und Ladekabel anbietet und gut darin ist, Konversation zu machen? Oder führt zu viel Gesprächigkeit schon wieder zum Sternabzug?

Die Plattformen wiederum sind sehr streng – bereits bei einem Schnitt von unter 4,6 Sternen (von 5 möglichen) Sternen, werden beispielsweise die Fahrer von Lyft oder Uber geprüft und können, wenn es schlecht läuft, ihren Job verlieren.

Das System hat also seine Tücken: Auf der einen Seite Fahrgäste, die denken, dass eine Vier-Sterne-Bewertung „okay“ bedeutet, wenn sie in Wirklichkeit heißt: Diesen Fahrer bitte feuern! Auf der anderen Seite verhindert auch das Bewertungssystem nicht, dass es bisweilen zu Übergriffen auf Ridesharing-Fahrgäste kommt.

Taxis

In New York gibt es inzwischen viermal so viele Ridesharing-Autos wie herkömmliche Taxis.

USA

Auch wenn die USA der erste Markt waren, in dem sich das App-basierte Ridesharing durchsetzte und Uber der wohl bekannteste Name auf dem Gebiet ist: Das Konzept ist weltweit auf dem Vormarsch. In Indien fährt man mit Ola, in Russland mit Fasten, in Südostasien mit Grab, in China mit Didi Xuching (→ Yuang).

Vans

Ein neuer Fahrdienst versucht gerade in Berlin sein Glück: Der Betreiber Door2Door schickt am Wochenende unter dem Namen „Allygator Shuttle“ Vans los, die nach dem Sammeltaxi-Prinzip mehrere Fahrgäste aufsammeln und an ihren jeweiligen Zielort bringen. Die Route wird dabei automatisch optimiert, die Preise liegen deutlich unter denen eines Taxis. Unklar ist allerdings noch, ob sich das Angebot (die Fahrer haben einen Personenbeförderungsschein und werden nach Zeit bezahlt) mit dem deutschen Recht vereinbar ist.

Waymo

Waymo ist die Firma der Google-Mutter Alphabet Inc., die sich dem autonomen Fahren verschrieben hat. Im Februar 2017 verklagte Waymo die Firmen Uber und Otto. Der ehemalige Google-Mitarbeiter Anthony Levandowski soll Geschäftsgeheimnisse gestohlen und nach seinem Weggang die Firma Otto gegründet haben, nur um diese von Uber kaufen zu lassen. Levandowski habe einen Monat vor seinem Ausscheiden bei Google 14.000 Dateien aus dem Firmennetzwerk heruntergeladen, so die Anschuldigung. Sieben Monate nach seinem Weggang habe Uber bereits Levandowskis neues Startup Otto für einen Preis von 680 Millionen Dollar gekauft. „Otto und Uber haben Waymos geistiges Eigentum gestohlen, um sich so Risiko, Zeit und Kosten zu ersparen, die für eine unabhängige Entwicklung dieser Technologie nötig gewesen wäre“, so Waymo in der Klage. „Dieser vorsätzliche Diebstahl brachte den Otto-Mitarbeitern über eine halbe Milliarde Dollar ein und ermöglichte Uber, ein bereits eingestelltes Programm wiederzubeleben – alles auf Kosten von Waymo.“ Uber bestritt die Vorwürfe. Mitte Mai 2017 untersagte ein Gericht Levandowski die weitere Forschung auf dem Gebiet der Laser-Radare, mit denen selbstfahrende Autos ihre Umgebung abtasten. Uber darf diese Technik, um die sich der Rechtsstreit drehte, aber weiter nutzen.

Xchange

Ubers hohe Bewertung durch Investoren beruht nicht allein auf seinem Ridesharing-Geschäft. Uber ist inzwischen auch im Kreditgewerbe tätig: Durch die Tochterfirma Xchange Leasing, LLC, werden Autos zum Leasing angeboten. Damit erhofft, Uber zum einen, die Anzahl an Fahrern noch einmal erhöhen zu können. Zum anderen verdient es an den Leasingkrediten sehr gut, auch wenn die Firma bestreitet, damit Profit machen zu wollen. Recherchen des Wirtschaftsdienstes Bloomberg ergaben, dass die Zinsen mit 11,6 Prozent deutlich über der in den USA üblichen Höhe liegen und dass Fahrer insbesondere durch die sinkenden Preise (→ Netto) Probleme haben, die wöchentlich fälligen Raten zu leisten, die Uber direkt vom Einkommen der Fahrer einbehält. Zuvor hatte Uber Fahrer, die auf der Suche nach einem Autokredit waren, an den US-Arm der spanischen Santander-Bank vermittelt. Gegen diese wiederum war bereits öfter wegen mutmaßlich illegaler Praktiken ermittelt worden.

Yuan

China ist einer der größten Ridesharing-Märkte der Welt. Der örtlichen Anbieter ist Didi Xuching, hinter dem die Onlinegiganten Alibaba und Tencent stehen, und in den Apple etwa eine Milliarde Dollar investiert hat. Zwischen Didi Xuching und Uber tobte ab dem Markteintritt des US-Anbieters eine lange Preisschlacht: Fahrten, die mit einem normalen Taxt 100 Yuan kosten würden, boten die beiden Rivalen zeitweise für weniger als 20 Yuan an. Trotz 150 Millionen Fahrten im Jahr kam Uber am Ende nur auf einen Marktanteil von rund 10 Prozent und zog sich im August 2016 aus China zurück. Als Gegenleistung wird Uber mit rund 20 Prozent an Didi beteiligt, die Marke soll Uber außerdem im chinesischen Markt erhalten bleiben. Einerseits eine Niederlage für den US-Konzern, andererseits warnen Beobachter vor der unklaren regulatorischen Lage in China, die Didi das Geschäft immer noch verhageln könnte.

Zeroes

„Nullen“ ist der interne Ausdruck bei Uber für Fahrgäste, die die App öffnen und null verfügbare Fahrer in ihrer Umgebung angezeigt bekommen. So was sorgt bei Uber für null gute Laune.


Das Aufmacher-Foto hat Martin Gommel ausgesucht: CL./Photocase; den Text gegengelesen hat Vera Fröhlich.