Warum meine Generation schlechter dran ist als die meiner Eltern
Geld und Wirtschaft

Warum meine Generation schlechter dran ist als die meiner Eltern

Achtung, hier kommt ein Experiment! Krautreporter Dominik Wurnig schreibt zwei Artikel zu einer Fragestellung. Einmal liefert er Daten, die seine These stützen. Im zweiten Text welche, die sie widerlegen. Was das soll? Zeigen, wie sehr man aufpassen sollte beim Gebrauch von Statistiken.

Profilbild von Dominik Ritter-Wurnig

Als meine Eltern so alt waren wie ich, hatten sie drei Kinder, einen Neuwagen und eine Eigentumswohnung – obwohl nur einer der beiden arbeitete. Meine Freundin und ich haben: Jobs, die Spaß machen, wenig Gehalt bringen und sonst nicht viel mehr.

Immer wieder heißt es in Talkshows und Politmagazinen: Die Millennials (gemeint sind all jene zwischen 1980 und circa 1995 Geborenen, die zur Jahrtausendwende jung waren) seien die erste Generation seit Ewigkeiten, der es auch ohne Krieg materiell schlechter gehen wird als ihren Eltern. Auch im Gespräch mit Freunden und Bekannten höre ich immer wieder diesen fatalistischen Satz: „Uns wird es ja sowieso nie so gut gehen wie früher.“ Immer wieder stößt man auf das subtile Gefühl, dass es bergab geht und wir schlechten Zeiten entgegenblicken.

Doch wenn dem so ist, wäre das fatal. Ja, es wäre ein historischer Bruch. Evolutionär streben die Menschen stets danach, dass es ihre Nachkommen besser haben werden. Über weite Teile der Geschichte gab es – mit Ausnahme von Kriegen und Katastrophen – auch diesen Fortschritt. In kleinen, mühseligen Schritten verbesserten sich über Generationen die Häuser, wurde das Essen mehr und besser, häufte sich Wissen an und wurde weitergegeben.

Wenn wir nun leichtfertig diese historische Zäsur in den Mund nehmen, frage ich mich, welche Belege es dafür gibt?

Für diesen Artikel habe ich mich auf die Suche danach begeben. Ich wollte wissen, in welchen Bereichen genau es die Millennials (auch Generation Y) heute schlechter haben als ihre Elterngeneration. Diese sogenannten Babyboomer (Geburtsjahrgänge 1950 bis 1965) meint die geburtenstarken Jahrgänge kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, die ihr ganzes Leben einen steten, rasanten Aufstieg erlebten.

Da die Welt aber nicht nur schwarz oder weiß ist, habe ich mich auch auf die Suche nach der Antithese gemacht: Gibt es Zahlen, die belegen, dass die Babyboomer ihren Nachfahren eine bessere Welt hinterlassen? Den optimistischen Artikel kann man hier lesen. Ich schreibe zwei Artikel, denn ich glaube, es ist ein Leichtes, eine Seite auszublenden und nur nach Argumenten zu suchen, die der These recht geben. Die beiden Artikel gemeinsam sollen aber weder alarmistisch noch verharmlosend sein, sondern gemeinsam als These und Antithese ein genaueres Bild liefern und Aufschluss darüber geben, wie es um meine Generation wirklich bestellt ist. Es geht nicht um Schwarz, es geht nicht um Weiß, sondern um das Grau dazwischen. Damit breche ich bewusst mit einer journalistischen Konvention und wage das Experiment, den Lesern und Leserinnen keine Antworten zu geben. (Nebenbei ist dies auch ein kleiner Anschauungsunterricht: Glaube nicht jeder Zahl. Egal für welches Argument, eine Statistik findet sich immer.)

Mit besser beziehungsweise schlechter meine ich ein allgemeines Empfinden, dass sich nicht genau definieren lässt. Letztlich bleibt eine persönliche Einschätzung, welche Faktoren man für relevant hält. Ich habe Zahlen recherchiert, in denen sich jeweils ein relevanter Sachverhalt eindeutig verbessert oder verschlechtert hat.

Gründe, wieso es meiner Generation schlechter geht:

In unserer Gesellschaft werden zwar sehr viele Daten gemessen und erhoben, doch gibt es erstaunlich wenige Antworten auf die simple Frage, ob es uns besser geht als unseren Eltern. Einerseits fehlen lange Zeitreihen, andererseits ist ein Vergleich aufgrund der früheren innerdeutschen Teilung oft schwer möglich. Inflation, sich verändernde Kaufkraft und schwankende Wechselkurse erschweren einen historischen Vergleich der Lebensumstände. Fortschritt, beispielsweise in der Medizin oder in der Technik, verzerren das Bild zusätzlich.

1. Grund: Junge haben weniger verfügbares Einkommen

Grafik: Screenshot/ The Guardian

Journalisten des Guardian haben Daten der Luxemburg Income Study ausgewertet und herausgefunden, dass junge Menschen in Deutschland und etlichen anderen Ländern heute weniger Geld zur Verfügung haben als früher. Das heißt, trotz steigender Einkommen und Inflation können sich die Jungen heute weniger kaufen als die Jungen des Jahres 1978. Die Alterskohorte der 25- bis 29-Jährigen hatte im Jahr 2010 rund 5 Prozent weniger verfügbares Einkommen als dieselbe Altersgruppe im Jahr 1978. Im gleichen Zeitraum ist aber das verfügbare Einkommen älterer Deutscher gestiegen. Eine ähnliche – zum Teil viel gravierendere Entwicklung – gab es in Großbritannien, USA, Spanien, Italien, Kanada und Frankreich.

2. Grund: Wohnen wird teurer

Nicht nur haben wir jeden Monat weniger Geld zur Verfügung, wir müssen auch einen größeren Anteil davon fürs Wohnen aufbringen. Exemplarisch dafür stehen die steigenden Kosten für Mietwohnungen: Umgerechnet 3,37 Euro Kaltmiete musste man 1987 in Westdeutschland pro Quadratmeter bezahlen, in Ostdeutschland im Jahr 1990 gar nur 0,53 Euro. Bis 2013 (neueste Zahlen) sind die Miete um 111 Prozent in Westdeutschland bzw. um irre 1.047 Prozent in Ostdeutschland gestiegen. Zwar sind die Mieten im Osten noch immer günstiger, doch mittlerweile bewegen sich die Preisniveaus im Takt.

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Jetzt kann man einwenden: Seit 1987 sind die Löhne stark gestiegen, gleichzeitig gab es eine massive Preissteigerung (Inflation). Deshalb hier noch ein Blick, wie sich die Ausgaben für Mieten am Anteil des Nettoeinkommens eines Haushalts verändert haben.

Nicht nur die absoluten Kosten haben sich erhöht, sondern heute muss man auch einen weit höheren Anteil seines Einkommens für die Miete aufbringen. In Westdeutschland im Jahr 2013 waren es 29,4 Prozent, im Osten 26,5 Prozent. 1990 lag der Anteil noch bei 21,6 bzw. 5,1 Prozent.

3. Grund: Weniger Menschen wählen

Die Wahlbeteiligung sinkt und die Parteien verlieren an Mitgliedern. Auf den ersten Blick sagt dies nichts darüber aus, ob es den Menschen dadurch besser oder schlechter geht. Diese Fakten bedeuten jedoch, dass sich ein immer kleinerer Teil bei politischen Prozessen einbringt. Damit droht ein Grundpfeiler der Republik zu bröckeln. Das politische System verliert an Standfestigkeit.

4. Grund: Mehr Adipositaskranke

Bei fast allen Gesundheitsindikatoren haben wir uns in den letzten 30 Jahren verbessert, doch einige wenige Krankheitsbilder breiten sich aus. Neben Asthma und Allergien steigt die Zahl der Menschen, die an Adipositas (Fettleibigkeit) leiden. Starkes Übergewicht gilt als Zivilisationskrankheit und kann eine Reihe anderer Probleme wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes hervorrufen.

Fazit

Ursprünglich war es mein Ziel, mindestens fünf Statistiken zu finden, die einen pessimistischen Blick auf unsere Welt untermauern. Doch dieses Vorhaben musste ich begraben: Ich habe es nicht geschafft, fünf Statistiken zu finden, die uns pessimistisch stimmen sollten. Ja klar, die Datenlage ist suboptimal. Zu vielen Fragen habe ich keine Daten gefunden. Dennoch: Ich bin auf weit mehr Statistiken gestoßen, die dafür sprechen, dass es der Generation Millennials besser geht als der Babyboomer-Generation.

Einschränkend sei gesagt: Zu künftigen Problemfeldern wie dem Klimawandel oder der Rentenfalle gibt es noch kaum Daten zu den Auswirkungen. Deshalb konnte ich sie in diesem Artikel nicht erwähnen.

Doch vielleicht hilft der Blick zurück: Wer erinnert sich noch an die Schreckensmeldungen vom Sauren Regen oder dem wachsenden Ozon-Loch? Dass Wissenschaftler und Umweltschützer damals Alarm geschlagen haben, war entscheidend dafür, diese Probleme zu bekämpfen. Seit Jahren wird der Regen nicht saurer, sondern weniger sauer. Das Ozonloch wird kleiner. Die richtigen Maßnahmen haben gegriffen. Ob die Menschheit bei anstehend Problemen wieder die richtigen Lösungen finden wird, wird sich zeigen. Ich will es annehmen.


Aufmacherbild: iStock.