Es gibt gute und schlechte Nachrichten für alle, die davon genervt sind, beim Einkaufen an der Kasse jedes Mal gefragt zu werden: „Haben Sie eine Payback-Karte?“ Die gute Nachricht ist: In vier Wochen ist die Frage veraltet. Und die schlechte: Sie wird vielleicht nur länger. Womöglich wollen Ladenmitarbeiter beim Kassieren künftig wissen: „Haben Sie eine Payback-Karte oder wollen Sie mit der Payback-App bezahlen?“
Das Bonusprogramm will möglichst viele seiner Mitglieder davon überzeugen, die Plastikkarte ab Juni stecken zu lassen und stattdessen mit dem Smartphone Punkte zu sammeln. Bezahlt werden kann damit auch gleich. Dafür müssen Nutzer die neue App starten, ihren PIN eingeben und den erzeugten QR-Code an der Kasse scannen. Der Betrag wird dann automatisch per Lastschrift von ihrem Konto eingezogen. Die Drogeriemarktkette dm hat im vergangenen Jahr extra Bildschirmterminals an ihren Kassen installiert, die die Codes erkennen können, und ist ab 1. Juni dabei. Ab Juli nimmt auch die Supermarktkette Real die Mobil-Kohle von Payback. Bis Jahresende soll das bei allen großen Kooperationspartnern funktionieren.
Drei Millionen Karten-Scans pro Tag
Payback beteuert, seinen Mitgliedern damit die „mobile Einkaufsreise“ erleichtern zu wollen. Aber eigentlich geht es darum, möglichst viele Punktesammler zu App-Nutzern zu machen. Nicht nur, damit sie Werbung per Push-Nachricht auf ihr Display kriegen. Sondern auch, um ihre Daten noch weitreichender nutzen zu können als bisher.
Mit 27,5 Millionen Teilnehmern ist Payback das erfolgreichste Kundenbindungs-Programm des Landes und gehört seit Ende 2010 über die Münchner Holding Loyalty Partner dem amerikanischen Kreditkartenunternehmen American Express.
Das Prinzip klingt einfach: Wenn Mitglieder bei Kooperationspartnern einkaufen, werden ihnen Rabatte in Form von „Punkten“ gutgeschrieben. Diese lassen sich in Sachprämien oder Einkaufsgutscheine einlösen. Um zusätzliche Kaufanreize zu schaffen, verschickt Payback Coupons, mit denen sich die Punkte eines Einkaufs vervielfachen lassen. Rewe und Real machen mit, Aral, dm, Galeria Kaufhof, ATU, Burger King, Alnatura und andere. Drei Millionen Mal werden die Karten angeblich an deutschen Kassen gezückt – jeden Tag. Wer wirklich was davon haben will, muss lange sammeln: der reguläre Payback-Rabat liegt, je nach Anbieter, zum Teil nur bei einem halben Prozent.
Was im Hintergrund mit ihren Daten passiert, wissen die Mitglieder nicht. Sie willigen ein, ihr Einkaufsverhalten von Payback analysieren zu lassen und Werbung von den Unternehmen zu erhalten. Viel mehr gibt Payback nicht preis, wirbt in einer Broschüre lediglich mit „TÜV-zertifiziertem“ Datenschutz und versichert, die Datensätze würden nicht verkauft oder an die Partner weitergegeben. (Das liegt freilich vor allem im Interesse von Payback selbst, damit die Händler nicht aussteigen.)
Auf die Frage, ob Kunden befürchten müssten, dass Payback umfassende Datenprofile von ihnen anlege, antwortet Marketing-Chef Florian Wolfframm im Gespräch mit Krautreporter: „Wir wissen das von unseren Kunden, was sie uns wissen lassen wollen. Damit arbeiten wir. Vertrauen ist das, was zählt.“
In der Broschüre heißt es, ausgewertet würden „die Daten, die Sie u.a. bei der Anmeldung mitteilen“ sowie Details zu den Einkäufen („Einsatz der Karte, an welchem Tag und in welcher Höhe“).
Auf Schritt und Tritt gefolgt
Aber das reicht Payback nicht mehr. Nur wenn ein stationärer Händler seine Kunden so genau kenne wie die Online-Konkurrenz, könne er ihm auch das Richtige anbieten, erklärte Wolfframm in der vergangenen Woche auf einer Diskussionsveranstaltung der Marketingmesse Dmexco in Berlin und rief den Händlern – seinen eigentlichen Kunden – zu: „Ihr Geschäft ist überall dort, wo ein Smartphone ist!“
Das ist auch der Grund, warum die American-Express-Tochter seit einiger Zeit intensiv daran arbeitet, die grundlegenden Funktionen ihres Systems auf Mobilgeräte zu übertragen. Wer Payback über sein Smartphone nutzt, ist für die Händler vor allem deshalb interessant, weil er im Zweifel noch mehr Daten von sich preisgibt als bisher: Wo er sich während des Einkaufens wie lange aufhält oder wann und wie oft er an einem Laden vorbeigeht, ohne etwas zu kaufen – um ihn vielleicht doch noch zum Konsum überreden zu können.
Payback ist nicht das einzige Unternehmen, das Kunden auf Schritt und Tritt verfolgen möchte. Aber es ist das mit den größten Erfolgsaussichten, alleine schon wegen seiner Position im Markt: Unternehmensangaben zufolge läuft die Payback-App heute bereits auf 8,5 Millionen Smartphones. Das ist eine gewaltige Zahl. Damit sie weiter wächst, werden Mitglieder mit Zusatzfunktionen gelockt.
Bei Demonstrationen der neuen App erklärten leitende Payback-Mitarbeiter in der vergangenen Woche, wie das funktionieren soll. Nutzer können zu Hause in der Payback-App durch die Angebote aus dem Kaufhaus surfen, bekommen einen passenden Rabatt aufs Display gepusht, werden von der App in den Laden geführt, um dort damit zu punkten und zu bezahlen, während sich die Darstellung auf dem Smartphone dem Design des Kaufhauses anpasst. Auf dem Heimweg kommt der Kunde bei einem anderen Payback-Partner vorbei, der ihm eine weitere Sparmöglichkeit aufs Handy schickt.
„Alles, was Sie bisher vermisst haben!“
„Lokalisierung wird ein Kernbestandteil der neuen App sein, weil wir Lokalisierungselemente nutzen wollen, um die Kundenerfahrung zu optimieren“, sagt Marketing-Chef Wolfframm. Klingt praktisch? Aber nur, wenn man keine weiteren Fragen dazu stellt.
Zum Beispiel nicht, welche standortbezogenen Daten genau gespeichert werden. Im ersten Schritt wolle man sich aufs mobile Punktesammeln und mobiles Bezahlen konzentrieren, erklärt ein Payback-Sprecher gegenüber KR und lässt die Frage unbeantwortet.
Dabei sammelt Payback schon mit der aktuellen App fleißig Zusatzdaten. Nutzer, die auf dem Smartphone „eCoupons“ freischalten wollen, weil sie dann nicht immer die zugeschickten Papiercoupons dabeihaben müssen, werden regelmäßig dazu aufgefordert, zusätzlich „Payback vor Ort“ zu aktivieren. Nach dem Einloggen heißt es: „Sie nutzen unsere Vorteilsservices noch nicht in vollem Umfang“. Pop-ups versprechen „Alles, was Sie bisher vermisst haben!“ und stellen „immer die neusten Angebote“ in Aussicht: „An Coupons erinnert werden und nie mehr Extra-Punkte verpassen“, „Beim Einkauf immer die passenden Coupons sofort zur Hand“, „Unterwegs die besten Coupons in der Umgebung finden“.
Damit das funktioniert, „wird Ihr Standort laufend erfasst und geprüft, ob Sie sich in der Nähe einer teilnehmenden Filiale aufhalten“. So steht es in der Einverständniserklärung, wenn man ausreichend weit runterscrollt. Dafür werden personenbezogene Daten „erhoben und verwendet, insbesondere gespeichert, ausgewertet und kombiniert“.
Damit meint Payback unter anderem: wo sich ein Nutzer mit seinem Smartphone aufhält, ermittelt per GPS, WLAN, über die Funkzelle, in die das Handy eingebucht ist, oder über sogenannte „Beacons“, die im Laden per Bluetooth mit dem Smartphone korrespondieren können (in welchen Märkten das derzeit getestet wird, sagt Payback auf Nachfrage ebenfalls nicht, nennt bloß „verschiedene Partner“ in München und Nordrhein-Westfalen). Registriert wird zudem, ob der Nutzer einen von Payback definierten Kreis um eine Partnerfiliale betritt, wann und wie oft das bisher vorgekommen ist.
„Guided Tour“ durchs Zustimmungs-Wirrwarr
Einige der zuvor genannten Informationen würden „aktuell“ nicht gespeichert, steht dabei. Und immerhin müssen die Nutzer der Lokalisierung bislang separat zustimmen. Das könnte sich aber mit der neuen App ändern. Ein Sprecher erklärt gegenüber Krautreporter: „Die Zustimmung erfolgt [künftig] durch die Nutzung der App.“ Man werde aber eine „Guided Tour“ einbauen, „damit die Nutzer bestmöglich verstehen an welcher Stelle die App sie per Lokalisierung unterstützt“. Parallel dazu müsse die Ortsbestimmung für die App aktiviert sein. Eine solche Erlaubnis ist allerdings schnell erteilt – und die wenigsten Nutzer werden sich damit befassen, was ihre Zustimmung zu dieser angeblichen „Unterstützung“ bedeutet.
Unklar ist nämlich auch, wie lange Payback standortbezogene Daten speichern will. Man beschäftige sich „natürlich auch mit solchen oder ähnlichen analytischen Fragestellungen (die wir aber zunächst uns selbst beantworten)“, sagt der Sprecher. „Es ist sicherlich noch zu früh, um dazu eine Aussage zu machen.“
Ziemlich exakt dieselbe Auskunft habe ich vor fast einem Jahr erhalten, als ich Payback schon einmal Fragen zur Lokalisierung von App-Nutzern stellen wollte.
Nicht zuletzt ist auch die Technologie, über die eine Lokalisierung erfolgt, von Bedeutung. In den USA wird gerade die Software „Silverpush“ getestet, die es potenziell jeder Smartphone-Apps ermöglicht, Audiosignale im Kilohertz-Bereich in TV-Werbespots zu erkennen, die für das menschliche Ohr nicht hörbar sind. So lassen sich Informationen über das Verhalten von Nutzern sammeln, ohne dass die beim Fernsehen wissen, wie ihnen geschieht. Sie erfahren bei der Installation zwar, dass eine App zusätzlich „Audio aufnehmen“ will – aber nicht zu welchem Zweck, schreiben amerikanische Medien. Die Federal Trade Commission (FTC) mahnt deshalb, Unternehmen sollten genau sagen, wie sie Nutzungsdaten sammeln.
Payback gibt sich auf die Frage nach den künftig zum Einsatz kommenden Lokalisierungstechnologien ebenso verschlossen. Im Gespräch mit dem Fachdienst „Location Insider“ nannte Marketing-Chef Wolfframm jedoch gerade auch „Sound-Technologien“ als Option. „Und das wollen wir alles erstmal testen.“
Datenparadies für Ermittler
Nun ist es jedem Kunden selbst überlassen, ob er Mitglied eines Bonusprogramms wird und Unternehmen wissen lässt, wer er ist und wie er einkauft. Für alle, die sich darauf einlassen, wird es aber zunehmend schwieriger, die langfristigen Konsequenzen des großzügigen Umgangs mit ihren Daten abzuschätzen. Demnächst weiß Payback womöglich mehr über die Nutzer seiner App, als denen lieb sein kann. Denn Datensätze, die Bewegungsprofile von Personen beinhalten, sind nicht nur für Händler interessant, die mehr verkaufen wollen. Sondern im Zweifel auch für staatliche Ermittler. Laut Strafprozessordnung (StPO) können Behörden zur Strafverfolgung körperliche Gegenstände beschlagnahmen, der Rechtsprechung zufolge gilt das aber auch für Nutzungsdaten eines Beschuldigten.
Auf die Frage, wie Payback damit umginge, antwortet Wolfframm: „Wir würden wie immer nach gesetzlichen und datenschutzrechtlichen Vorschriften handeln.“ Das heißt: Im Zweifel müssten die Daten herausgegeben werden.
Es mag unbequem sein, wenn man eigentlich nur eine neue App installieren will: Aber Kunden müssen sich ziemlich genau überlegen, ob ihnen das die paar Euro Rabatt auf den neuen Rasenmäher und das Bezahlen per App wirklich wert sind.
Aufmacherfoto: Payback.