Am Donnerstag kommt eine neue Folge von Star Wars in die Kinos, es dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Auch, wenn hierzulande nicht ganz so viel geworben wird wie in den USA:
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Millionen Deutsche werden in die Kinos gehen, ich auch, vielleicht sogar mehrmals. Es ist der Film des Jahres – und Millionen Deutsche werden Han Solo und die Jedis für die Helden und ihre Gegner für die Bösewichte halten.
Dabei muss man kein böser Mensch sein, um das Imperium gut zu finden.
Der Erfinder der Star-Wars-Reihe, George Lucas, hat zwar alles dafür getan, die Jedi-Ritter zu den Guten der Geschichte zu machen. Er hat ihnen helle Kleidung gegeben. Sie lachen und dürfen echte Menschen sein. Aber wer sich vorstellt, dass er ein Bürger dieser Welt wäre, kann auch zu einem anderen Schluss kommen: Das Imperium hat Recht. Der Schluss ist nicht zwingend – und dass vor allem ein konservatives amerikanisches Magazin ihn zieht, ist bezeichnend. Es ist nur ein Gedankenspiel, auch ein gefährliches, weil sich mit den Werten, die das Imperium vertritt, totalitären Systemen das Wort reden ließe. Das Imperium selbst wird am Ende zu einem solchen System. Dennoch ist der Perspektivwechel hilfreich, weil er uns zeigt, wie wir bestimmte Werte ganz automatisch mit „gut“ und „böse“verbinden.
Wie in jeder epischen Geschichte sind die normalen Menschen egal. Es gibt nur Helden und Anti-Helden. Über diese beiden Pole sollen wir Zuschauer uns identifizieren. Zum unausgesprochenen Vertrag zwischen dem Publikum und dem Regisseur gehört in solchen Fällen, dass die Helden nur in epischen Situationen gezeigt werden. Wie sie essen, schlafen oder aufs Klo gehen, wird nicht gezeigt. Das will auch niemand sehen, weil es furchtbar langweilig ist. Eigentlich.
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Um aber zu entscheiden, ob die Jedi-Rebellion rund um Luke Skywalker unsere uneingeschränkte Unterstützung verdient, müssen wir genau diese alltäglichen Dinge ins Auge fassen. Denn ein Leben wird nicht nur, aber für die Mehrheit der Menschen dadurch lebenswert, dass der Müll regelmäßig abgeholt wird, die Lebensmittelläden mit guten Waren gefüllt sind, die Kanalisation funktioniert und uns nachts keine Bombenexplosionen wach halten. Die meisten Menschen wollen Frieden und Wohlstand – und ein bisschen Freiheit. Erste Voraussetzung für alle drei Dinge ist Stabilität.
Und da schneiden die Jedis ganz schlecht ab.
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Sie unterstützen den Senat der Republik, ein Gebilde, in dem so viele Planeten, Länder und Fraktionen sitzen, dass er sich selbst blockiert. Das stellt nicht nur Luke Skywalker fest („er arbeitet nicht“), auch die Königin Amidala sagt in „Episode I – Die dunkle Bedrohung“: „Ich verstehe jetzt, dass die Republik nicht länger funktioniert.“ Stellen Sie sich vor, der Deutsche Bundestag wäre arbeitsunfähig und diejenigen, die geschworen haben, die BRD zu beschützen, sagen, dass das Land nicht mehr funktioniert. Die Jedi-Ritter sind die Armee der Republik, und wenn diese offen das demokratische System angreift, könnte das auch in einen Militärputsch führen, wenn Sie mich fragen. Gerade Anakin Skywalker beweist ja, dass die Jedi-Ritter nicht immer Herr ihrer Gefühle und Herr ihres Egoismus’ sind. Aus ihm wird später Darth Vader. Es gibt keinen Grund, den Jedis uneingeschränkt zu vertrauen.
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Apropos Jedis. Das ist eine elitäre Gruppe gewaltbereiter „Ritter“, die einer esoterisch grundierten Philosophie folgt und glaubt, die „Macht“ einsetzen zu können. Im Zweifel auch gegen die herrschende Regierung. Jedi-Ritter kann man nur durch Geburt werden, denn ob einer „die Macht“ kontrollieren kann oder nicht, hängt von einer bestimmten Substanz in seinem Blut ab. Diese Substanz kann man messen, andere Jedi „spüren“ aber auch, ob sie vorhanden ist. „Die Macht ist stark in ihm/ihr“, sagen sie dann. In der Armee, die die Republik schützen soll, können also nur jene aufsteigen, die das Glück der richtigen Geburt hatten. Gerecht ist das nicht.
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Und nicht gut für die Verfassung der Republik. Denn schwacher Senat hin, schwacher Senat her – vor allem in den ersten drei Star-Wars-Folgen wird klar, dass der Rat der Jedis die entscheidenden Fragen der Republik beantwortet. Zivile Kräfte oder gar die Bevölkerung werden kaum eingebunden. Jede moderne Demokratie funktioniert anders: Sie versucht, die Macht ihrer Armee einzuhegen, in dem die Oberbefehlshaber gewählte Zivilisten sind und nicht kleine, grüne alte Wesen wie Yoda, der so viel von der geheimnisvollen Substanz im Blut hat, wie kaum ein anderes Wesen in der Galaxie. Yoda hatte auch wieder nur Glück bei der Geburt.
- Zuletzt: Haben Sie sich mal gefragt, was die Rebellen eigentlich tun wollen, wenn sie erfolgreich sind? Hört man irgendwann etwas über ihre Pläne zur Reform der Republik oder dem künftigen Staatsaufbau? Zwar sollen diese Fragen in den Comics und Büchern, die zum Star-Wars-Universum gehören, deutlicher ausgeführt werden, aber in den Filmen, die für die Mehrheit der Menschen entscheidend sind, spielen sie keine Rolle. Sehr wahrscheinlich ist eher ein Afghanistan-Szenario. Denn nachdem der imperiale Senat abgeschafft wird, regieren die Gouverneure ihre Territorien „direkt“. Sie sind kleine Könige, die in dem Moment, in dem auch das Imperium zerfällt, nicht einfach verschwinden werden, sondern zu kämpfen beginnen. Star-Wars-Warlords, wenn Sie so wollen.
Schauen wir auf das Imperium.
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Als Darth Vader von seinem Sohn Luke Skywalker fast besiegt ist, holt er zu einem letzten Versuch aus, den jungen Luke auf die „dunkle“ Seite zu holen. Er sagt: „Mit vereinten Kräften können wir diesen tödlichen Konflikt beenden und der Galaxis Frieden und Ordnung wiedergeben.“ Ordnung! Ordnung wollen wir alle. Stabilität ist wichtig. Das haben wir oben schon festgestellt.
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Im Gegensatz zu dem Jedi-Kult zählt im Imperium Leistung. Da können Admirale ihre unfähigen Kollegen ersetzen, da gibt es Akademien, an denen die Piloten ausgebildet werden.
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Ein Absolvent dieser Akademie ist Han Solo, der abtrünnig wird und anfängt zu schmuggeln, vor allem für den fiesen Schleimwurm Jabba der Hutte, der sich nicht nur aufführt wie ein Mafiaboss, sondern auch einer ist. Mal ehrlich: Eine Regierung, die organisierte Kriminalität wie diese bekämpft, handelt erst einmal richtig.
Ich weiß schon, was Sie denken, seit ungefähr dem zweiten Absatz dieses Textes: „Das Imperium hat einen ganzen Planeten zerstört!“ Korrekt. Dafür gab es aus der Sicht des Imperiums Gründe – ob es gute Gründe sind, ist eine andere Frage. Der Planet um den es sich handelt, ist Aldeeran, die Welt von Prinzessin Leia. Als der Todesstern, eine Waffe, die ganze Planeten zerstören kann, Aldeeran ins Visier nimmt, fleht sie die imperialen Kräfte an, nicht zu schießen. Aldeeran sei friedlich und habe keine Waffen. Das sagt die Prinzessin, nachdem sie schon mehrmals nachweislich gelogen hat. Warum sollte ihr das Imperium glauben? Aus dessen Sicht ist Aldeeran eine Rebellenbasis, die seine Herrschaft gefährdet. Das Imperium steht vor der Wahl: Aldeeran zerstören – oder es besetzen.
Das Imperium würde in die gleiche Falle laufen wie die USA
Bei einer Besatzung müsste das Imperium hunderttausende Soldaten in feindliches Gebiet entsenden und versuchen, die „hearts and minds“ der lokalen Bevölkerung zu gewinnen. Es müsste die Aufständischen von den ganz normalen Menschen unterscheiden können, von jenen, die eigentlich nichts gegen die Herrschaft des Imperiums haben, weil sie in Ruhe leben wollen. Diese Aufständischen würde es dann in einem urbanen Guerillakrieg mit Polizeimethoden bekämpfen. Es würde Türen in der Nacht eintreten, Menschen, auch Unschuldige, lange verhören und einsperren. Es würde Gefängnisse für die vermeintlichen Täter bauen, in dem sie sich treffen und miteinander reden, um am Ende noch radikaler zu werden und auf Rache zu sinnen.
Die Jugend der lokalen Bevölkerung müsste mit ansehen, wie ihre Eltern sterben, sie würde lernen, dass das Imperium zwar von Ordnung spricht, aber nur Chaos schafft. Aldeeran wäre plötzlich voll von jungen Menschen, die die perfekten Bedingungen für eine zunehmende Radikalisierung erfüllen, von Menschen wie Luke Skywalker, die ihre Familie verlieren und Anschluss und Halt in einer komplizierten Welt suchen. Da braucht es nur wenige überzeugte Führer, die diese Antworten geben können (Yoda, Obi-Wan) – und schon hätte sich das Imperium die Brutstätte für den kommenden Aufstand geschaffen. Kurz: Würde das Imperium Aldeeran besetzen, würde es in die gleiche Falle laufen wie die USA im Irak.
Aber natürlich ist dieses Argument nicht zwingend. Im Gegenteil. Das Verhalten des Imperiums ist falsch, die Zerstörung des Planeten Aldeeran ist etwas, was wir in unserer Welt ein Kriegsverbrechen nennen, ein Akt der Unmenschlichkeit. Denn es hätte noch eine dritte Alternative gegeben, sie wäre die beste gewesen: Nichts tun, beobachten – und die Jedi-Rebellen als ganz normale Verbrecher behandeln. Sie verhaften, ihnen den Prozess machen und das Recht auf Einspruch geben. Stattdessen verlässt das Imperium den Pfad der Rechtsstaatlichkeit und wird zu einer schnöden Diktatur. Die Jedi-Ritter sind der perfekte Propaganda-Gegner für den Kanzler Palpatine, der sich durch ein Ermächtigungsgesetz im schwachen Senat die ewige Macht sichern kann. Er muss nur die Gefahr heraufbeschwören, die sie für die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung darstellen.
Man muss kein böser Mensch sein, um das Imperium gut zu finden. Ein guter Mensch ist man deswegen aber auch nicht.