In den vergangenen zehn Jahren hat das thailändische Militär zwei demokratisch gewählte Regierungen gestürzt. Seitdem gelten Notstandsgesetze. Es wurde Kriegsrecht verhängt. Die Verfassung ist außer Kraft. Im Süden des Landes tobt immer noch einer der blutigsten Konflikte in Asien. Dennoch hat Thailand für Millionen Dollar Waffen gekauft – ausgerechnet von Schweden, einem Land, das sich seit 1812 seiner Neutralität rühmt und scharfe Regeln für Waffenexporte in Krisenregionen hat. Wie ist das passiert?
1. Der Anruf
Eine unbekannte Nummer leuchtet auf meinem Handy-Display auf. Ein Mann stellt sich als Leser meines Artikels vor, den ich über den Einsatz schwedischer Blockbuster-Filme geschrieben habe - Werbung für einen Großauftrag von Thailand. Es geht um JAS-39 Gripen-Kampfflugzeuge.
“Wollen Sie wissen, wie der JAS-39 Gripen-Deal mit Thailand ablief“, fragt der Anrufer.
Ich überlege eine Sekunde lang. Dann bitte ich ihn fortzufahren.
Der Mann hat lange Zeit in Regierungsbüros gearbeitet. Er hat genau die schwedischen Bemühungen verfolgt, Waffen und Militärflugzeuge zu exportieren. Doch als loyaler Beamter hat er weder seinen Arbeitgeber offen kritisiert noch jemanden von den vertraulichen Dokumenten erzählt, in die er eingeweiht ist. Bis jetzt.
Er möchte anonym bleiben und verlangt, dass ich ihn als Informanten schütze. Nennen wir ihn deshalb „A“. Er fängt ganz vorsichtig an, seine Geschichte zu erzählen, dann kommen immer mehr Details hinzu, faszinierende Details.
A mag die Art und Weise nicht, wie Thailand Waffen angeboten wurden. Er mag vor allem nicht, dass das Außenministerium dabei mitredet und –handelt. Dessen Repräsentanten sind vor den Lobbyisten der schwedischen Rüstungsindustrie eingeknickt. Und deshalb wurde niemand darüber informiert, was wirklich geschah, sagt er.
Inzwischen sind drei Jahre seit unserem ersten Gespräch vergangenen. Es würde viel mehr kommen. Hier ist die Geschichte von A.
2. Der Staatsbesuch
Am Samstag, den 17. Februar 2005, flog eine Gulfstream-Maschine mit Mitgliedern der schwedischen Regierung in Richtung Bangkok. Der jährliche Staatsbesuch mit offiziellem Empfang beim thailändischen König in Hua Hin stand an.
Der schwedische König und seine Gattin saßen erhöht, wie auf einer Bühne, in der Mitte der Kabine, einer Sonderanfertigung. Justizminister Thomas Bodström und verschiedene hochgestellte Regierungsbeamte (einschließlich eines thailändischen Ministers mit Frau) hatten in den acht bequemen Sitzen vorne Platz genommen. Gewöhnliche Regierungsbeamte, der schwedische Sicherheitsdienst und die Mitarbeiter des königlichen Hofes blieben im hinteren Teil des Flugzeugs.
Kurz vor der Landung wachte Minister Bodström von einem kratzenden Geräusch auf. Auf dem Boden entdeckte er den thailändischen Minister auf allen Vieren, der einen Stapel Geschenke vor sich herschob. Direkt hinter ihm kroch die Frau des Ministers.
Nach Thai-Sitte müssen sich alle Menschen auf einer niedrigeren Ebene bewegen als der König und die Königin. Das erklärt den Kriechgang. Und im eng gestrickten Zeitplan des zweittägigen Besuchs von König Carl Gustaf und Königin Silvia in Thailand war keine Zeremonie zum Austausch von Geschenken vorgesehen. Das Problem wurde so gelöst, dass ein Thai-Minister ins Flugzeug gesetzt wurde, um den Royals an Bord die Präsente zukommen zu lassen.
Wie immer waren dem Staatsbesuch Monate sorgfältiger Planung vorausgegangen. Jeder Punkt auf der Tagesordnung, bis hin zu den Mahlzeiten, war von Protokoll des thailändischen Außenministeriums genehmigt worden. Nach unzähligen E-Mails, Besprechungen und Reisen waren die Sicherheitskräfte bereit, die Luxus-Suiten gebucht, die Transport-Unternehmen angeheuert - und der Begrüßungschor kannte sein Repertoire inzwischen auswendig.
Foto: Flickr/Bengt Nyman/CC BY 2.0
Der Besuch in Thailand fand nur wenige Monate nach dem Tsunami statt. Deshalb wollte der schwedische König einen Teil des Staatsbesuchs dem Gedenken der vielen Schweden und Thais widmen, die bei der Naturkatastrophe ums Leben gekommen waren. Die Royals wollten nach Phuket fliegen. Von dort aus war ein Hubschrauberflug über die Touristenregion Khao Lac vorgesehen, die besonders hart von der enormen Flutwelle getroffen wurde. Sie verwandelte einen Großteil des Touristenparadieses in eine Trümmerlandschaft.
Doch die Koordinatoren des schwedischen Außenministeriums und Thailands konnten keine standesgemäße Einrichtung in Khao Lac finden. Deshalb mussten sich König und Königin auf ein späteres Mittagessen einstellen, um 13.00 Uhr, wenn sie zurück in Phuket sein würden.
Zeitgleich mit dem Besuch des Königs waren zahlreiche Firmenchefs und Industrievertreter in Bangkok angekommen. Mit Hilfe des Monarchen hofften sie neue Märkte erschließen und Geschäfte im königsvernarrten Thailand abschließen zu können.
Der damalige Justizminister Thomas Bodström beschrieb eine Szene beim Abendessen im Hotel Oriental in Bangkok. Nach ein paar Cocktails machten der schwedische König und der damalige Ministerpräsident Thaksin Shinawatra angeblich darüber Scherze, wie dumm Selbstmordattentäter sind: “Dann bekommst du nicht einmal das Ergebnis zu sehen.“ Das Gesprächsthema schien der schwedischen Königin unangenehm zu sein.
Aber der König war nicht gekommen, um mit dem thailändischen Ministerpräsidenten zu feiern. Hinter den verschwenderischen Abendessen, Hubschrauberflügen und Flaggenparaden stand eine andere Agenda. Es wurde nicht im offiziellen königlichen Protokoll verzeichnet, weil es etwas zynisch erschien - ein paar Monate, nachdem etwa 230.000 Menschen ihr Leben durch den Tsunami verloren hatten.
Auch Vertreter der schwedischen Rüstungsindustrie nutzen den Besuch seiner Majestät. Tagsüber trafen sich diese Vertreter mit Vertretern der thailändischen Militärs und Entscheidungsträgern; in den Abendstunden vergesellschafteten sie sich mit dem schwedischen Königspaar.
Hotel Oriental, Bangkok Foto: Flickr/Casper Moller/CC BY 2.0
Zehn Jahre später hatten die Reise und die Treffen Folgen: Zwölf Gripen-Kampfflugzeuge standen auf einer Luftwaffenbasis in der thailändischen Provinz Surat. Die Marine wurde mit schwedischen Kanonen und Kampfsystemen ausgerüstet. Und die Armee bekam ein ganzes Arsenal an Boden-Luft-Raketen und die rückstoßfreie Waffe „Carl Gustaf“ (benannt nach dem schwedischen König).
Heute ist Thailand einer der größten Abnehmer für schwedische Waffen in der Welt. Die Frage ist: Wie ist das passiert? Im Grunde ist nichts darüber durchgesickert, wie die Regierung es geschafft hat, konkurrierende rüstungsproduzierende Länder wie die USA, China oder Russland aus dem Feld zu schlagen.
3. Die Kampagne
Schon seit den 1990er Jahren versuchte Schweden, die von Saab gebaute JAS-39 Gripen („Greif“), ein leichtes einmotoriges Mehrzweckflugzeug, nach Thailand zu verkaufen – ohne Erfolg. Aber im Januar 2004, ungefähr ein Jahr vor dem königlichen Besuch aus Schweden, versuchte es Göran Persson (der damalige Ministerpräsident und Chef der Sozialdemokratischen Partei) noch einmal. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das JAS-Projekt in einer kritischen Phase. Die Finanzierung war ausgelaufen, und die Bestellzettel von Saab waren leer. Bis dahin hatten die Anläufe, ein schwedisches Kampfflugzeug zu entwickeln, die Steuerzahler etwa zehn Milliarden Dollar gekostet.
Göran Persson versuchen, Gripen zu exportieren, aber das Geschäft schien nicht in Gang zu kommen. Der Ministerpräsident reiste um die Welt, immer in der Hoffnung, dass ein Land, das nicht Schweden heißt, einige Kampfflugzeuge kauft.
Das einzige Land, das Interesse gezeigt hatte, war Südafrika. Aber es würde sich später herausstellen, dass der Deal nur deshalb zustande gekommen war, weil mehr als 60 Millionen US-Dollar an Bestechungsgelder flossen. Andere Länder hatten Gripen-Kampfflugzeuge geleast. Auch hier sollen Bestechungsgelder im Spiel gewesen sein.
Zusammen mit Åke Svensson, damals Saab-Chef, reiste Göran Persson nach Bangkok. Er hatte ehrgeizige Pläne, stieß aber nicht auf allzu große Begeisterung.
Ministerpräsident Thaksin Shinawatra ließ deutlich erkennen, dass er amerikanische Kampfflugzeuge wollte.
Thaksin Shinawatra stellte auch schwierige Bedingungen. Wenn sie ins Geschäft kommen wollten, müsste Schweden erhebliche Gegenkäufe in Thailand machen. Ein angebotenes Produkt waren gefrorene Hähnchen. Wegen der Vogelgrippe, die damals in Asien grassierte, hatte die Europäische Union ein Importverbot verhängt. Thailand war in der verzweifelten Lage, den wachsenden Überschuss an Tiefkühlhähnchen loszuwerden. Thailand hatte auch einen großen Überschuss an Reis; Thaksin Shinawatra hatte auch Reis als Gegengeschäft für den Flugzeug-Deal vorgeschlagen.
Göran Persson nahm die Nachricht mit nach Hause. Den thailändischen Forderungen stand er reserviert gegenüber, wollte aber immer noch eine JAS-39-Gripen-Marketing-Kampagne starten. Die Vorgehensweise war mit schwedischen Politikern, Regierungsbeamten, Militärexperten und Saab-Führungskräften abgesprochen, und ein Plan, die Thais zu umwerben, wurde in Gang gesetzt. Es gab formelle und informelle Umwerbungen, Tagungen, Kulturveranstaltungen und traditionelle Marketing-Kampagnen. Und die Krone des Ganzen war der Besuch des schwedischen Königspaares.
Dem Ministerpräsidenten war klar, dass die Thais schwer zu überzeugen sind. Solange Thaksin Shinawatra an der Macht war, wären große Anstrengungen nötig, die Amerikaner auszustechen. Auch war Göran Persson nur wenig begeistert über die gefrorenen Thai-Hühner.
4. Der Angriff
Am 28. April 2004 setzte die thailändische Armee Panzer und Panzerfäuste gegen eine Gruppe junger Männer ein, die meist mit Messern bewaffnet waren. Mehr als 100 von ihnen wurden getötet oder von Soldaten mit einer Kugel in den Kopf regelrecht hingerichtet. Der Sturm auf die Krue Se Moschee außerhalb Pattani in der südlichen Region wird zu den schlimmsten militärischen Übergriffen in der thailändischen Geschichte. Eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen verurteilt den Vorfall. Der Angriff verschärfte den langanhaltenden Konflikt im Süden Thailands, einem der blutigsten in Asien.
Nur wenige Monate nach diesem Übergriff ließ das schwedische Außenministerium die politische Lage in Thailand analysieren. Ziel war herauszufinden, ob Saab die Erlaubnis bekommen würde, das schwedische Kampfflugzeug JAS-39 Gripen in dem Land zu verkaufen oder nicht.
Die Analyse wurde an ISP geschickt, die staatliche Agentur, die entscheidet, in welche Länder Schweden Waffen exportieren darf. Auf Grundlage dieser Analyse machte ISP eine rechtliche Beurteilung, ob Thailand den schwedischen Rüstungsexportregeln entspricht oder nicht. Unter anderem sollte ISP entscheiden, ob die Menschenrechtsverletzungen in Thailand „schwer“ und „systematisch“ sind oder nicht.
“Die Analyse der Abteilung des Außenministeriums hatte großes Gewicht und einen entscheidenden Einfluss auf die Entscheidungen der ISP“, sagt A.
Die Analyse der Abteilung machte hauptsächlich Jonas Hafström, damals schwedischer Botschafter in Thailand. Aber was er schrieb, wie er den Angriff der Armee im Süden und die politische Lage in Thailand beurteilt, war lange nicht bekannt.
Der Bericht, den er der ISP vorlegte, wurde als geheim eingestuft. Keine der beteiligten Behörden und keines der Ministerien wollte den Inhalt bekanntgeben. Jonas Hafström, der heute Vorsitzender des Vorstands der Universität Lund ist, lehnt jeglichen Kommentar ab.
“Was die Frage nach dem Verkauf von Rüstungsgütern zwischen Schweden und Thailand angeht, muss ich Sie an die zuständigen Regierungsstellen verweisen“, schrieb er in einer E-Mail.
Ich rufe A an. Er hat eine klare Vorstellung.
“Hafström entschied sich, ein allzu positives Bild von der Lage im Land zu zeichnen. Die Probleme wurden abgeschwächt, die positiven Elemente der Entwicklung hervorgehoben“, sagt er.
Die Analyse wurde so angelegt, dass ISP in die Lage versetzt wurde, Saab zu erlauben, den Gripen in Thailand zu vermarkten.
“Es ist total unglaublich, dass sie zu dem Schluss kamen, so ein modernes schwedisches Waffensystem könnte nicht gegen die thailändische Zivilbevölkerung eingesetzt werden“, sagt A.
Nach seinen Angaben war der Abteilung im schwedischen Außenministerium durchaus bekannt, dass es in Thailand große Probleme mit der Demokratie und den Menschenrechten gibt. Aber das war nicht das Bild, das die Abteilung vermitteln wollte. Stattdessen wurde die aktuelle Situation so lange beschönigt, bis es möglich wurde, die schwedischen Rüstungsexporte zu genehmigen.
“Die politische Situation in Thailand wurde in einem übermäßig hellen Licht dargestellt“, sagt A.
5. Staatsstreich
Bangkok, 20. September 2006 Foto: Flickr/John Berns/CC BY 2.0
Am 19. September 2006 rollten Panzer in Bangkok. Eine Militärjunta hatte die Macht übernommen. Das Kriegsrecht wurde verhängt, Ausgangssperren wurden eingeführt. Die Putschisten hatten die Verfassung aufgehoben und die Regierung gestürzt.
Ein paar Wochen später ernannten die Putschisten, die sich selbst die „Nationaler Sicherheitsrat“ nennen, den pensionierten General und Armeechef Surayud Chulanont zum Ministerpräsidenten.
Während des Staatsstreichs war der gewählte Ministerpräsident Thaksin Shinawatra in New York. Er kam niemals zurück. Der Putsch stoppte auch die bereits laufende Beschaffung der Kampfflugzeuge. Ein paar Monate lang sah es düster aus für die Schweden. Die große Marketing-Aktion, die mit Ministerbesuchen, Handelsdelegationen, offiziellen Abendessen und dem königlichen Besuch angelaufen war, schien vergeblich gewesen zu sein.
Im November 2006 geschah etwas Unerwartetes. In einem als geheim und „dringend“ eingestuften Brief, geschrieben von Botschafter Jonas Hafström, wurde der schwedischen Regierung mitgeteilt, dass die Gespräche über das Kampfflugzeug-Geschäft mit Thailand wieder aufgenommen wurden. Nun wollte die Militärjunta die Flugzeuge kaufen, und für das Gripen-Projekt galten komplett andere Rahmenbedingungen.
Die Nachricht von Hafström ist kristallklar: Schweden muss Thailand sofort ein neues und aktualisiertes Angebot unterbreiten. Der Brief zeigt auch, dass die Militärjunta beschlossen hat, im Jahr 2007 den Verteidigungsetat um 34 Prozent zu erhöhen. In der Etaterhöhung war auch eine erste Zahlung für Kampfflugzeuge enthalten.
Schweden befand sich in einer Zwickmühle. Es stand außer Frage, dass die ISP einer Waffenlieferung an die Junta zustimmen würde. Blieb zu hoffen, dass die Militärjunta die Macht an eine gewählte Regierung zurückgeben würde und dann, möglicherweise, eine sogenannte Ausfuhrgenehmigung erteilt werden könnte.
Zu diesem Zeitpunkt war die Handelserlaubnis, die die ISP 2004 erteilt hatte – als Thailand noch eine Demokratie war - noch gültig. Die Vertriebsoffensive konnte daher mit voller Wucht fortgesetzt werden. Die schwedische Regierung durfte über Waffenverkäufe im Wert von Milliarden Schwedischer Kronen direkt mit den Militärs verhandeln.
Die Details, wie es dazu kommen konnte, sind noch unklar. Abgesehen von Hafströms Brief an das Außenministerium sind alle Dokumente aus der Gripen-Kampagne als geheim eingestuft. Im Januar 2015 forderte ich alle Unterlagen im Zusammenhang mit diesem Geschäft von der Botschaft in Bangkok an. Es dauerte 17 Wochen, bevor ich 53 Seiten mit Informationen über den Gripen-Deal erhielt.
Mehr als 80 Prozent des Textes waren mit einem Permanentmarker geschwärzt worden, und zwar von einer Rechtsabteilung des schwedischen Außenministeriums. Selbst die Nummern und die Daten, wann die Dokumente ausgestellt wurden, waren nicht mehr leserlich. Viele Dokumente waren überhaupt nicht dabei, da sie in ihrer Gesamtheit als geheim eingestuft wurden.
Nicht einmal A hatte viel Einblick in die Vertriebsoffensive, nachdem in Thailand das Militär die Macht übernahm - andere waren jetzt dafür verantwortlich. Aber wahrscheinlich haben sich die Spielregeln verändert.
Unter anderem wollte die Junta gebrauchte Gripen-Kampfflugzeuge direkt von der schwedischen Beschaffungsbehörde für Wehrmaterial (FMV) kaufen. Der Kauf neuer Flugzeuge aus dem Saab-Werk in Linköping, wie der ursprüngliche Plan war, wäre zu teuer gewesen. Sehr wahrscheinlich waren auch Thailands Forderungen nach Gegengeschäften mit gefrorenen Hühnern und Reis vom Tisch, nachdem Thaksin Shinawatra gezwungen war, das Land zu verlassen.
Stattdessen erhielt die Junta andere interessante Angebote aus Schweden. Nach Angaben der Botschaft in Bangkok gibt es nichts, was als Gegengeschäft abgestempelt werden kann, aber einige der schwedischen Vorschläge wurden schon danach ausgerichtet, mit was man die Thai-Junta locken kann.
Zum einen wurden Studien-Stipendien für thailändische Offiziere an schwedischen Universitäten und Hochschulen angeboten. Insgesamt wurde 37 Offizieren ihre Ausbildung aus schwedischen Finanztöpfen bezahlt.
Darüber wurde die Öffentlichkeit nicht informiert - weil Außenpolitik oder Geschäftsgeheimnis.
Ich wende mich an die schwedische Rüstungsbehörde FXM, die für die Geheimabkommen zwischen Schweden und Thailand verantwortlich ist. Es muss doch etwas herauszubekommen sein. Wenn die Stipendien an Personen gingen, die selbst hochrangige Mitglieder der Thai-Junta sind oder aus ihrer Nähe stammen, geht es hier um Korruption.
Niemand bei FXM will mit mir reden. Sie nennen mir weder die Kosten noch die Namen derjenigen, die die Stipendien erhalten haben. Immerhin geben sie in einer E-Mail preis, dass die thailändische Armee entschied, wen sie nach Schweden schicken wollte, und dass sie es war, die Weiterbildung wollte.
6. Der Deal
Foto: Flickr/Daniel Larsson/CC BY 2.0
Auf einer Pressekonferenz im Oktober 2007 kündigte die thailändische Luftwaffe an, dass sie sechs JAS-39 Gripen für mehr als 500 Millionen Dollar kaufen werde, als ersten Teil des Deals. Zusätzlich zu den Kampfjets gab es Ersatzteile, weitere militärische Ausrüstung und Ausbildung. Zu einem späteren Zeitpunkt würden sie eventuell weitere sechs Flugzeuge bestellen.
Zu diesem Zeitpunkt wurde Thailand noch vom Militär regiert. Zwar war eine demokratische Wahl versprochen worden, aber die sollte erst zwei Monate später stattfinden. In Teilen des Landes galt noch immer der Ausnahmezustand.
Für die meisten Menschen war die Entscheidung der Junta, schwedische Kampfflugzeuge zu kaufen, ein Schock. Die Verhandlungen hatten heimlich stattgefunden, und viele fragten sich, ob die schwedischen Vorschriften für Waffenexport den Handel mit Militärdiktaturen erlaubt.
Am 19. Oktober wurde über das Thema im schwedischen Parlament debattiert. Die Grünen und der Linken waren entsetzt. Thailand achte die Menschenrechte nicht, und der Dauerkonflikt in den südlichen Landesteilen mache einen solchen Verkauf eigentlich unmöglich, tobten sie.
Die Sozialdemokraten (die Partei von Göran Persson) wollte das Geschäft niedriger hängen. Zufälligerweise fällt in diese Zeit auch der große WikiLeaks-Skandal, in dem es um Dokumente der US-Botschaft in Bangkok ging. Offensichtlich hatten die Vereinigten Staaten von der Flugzeugbeschaffung der Junta Abstand genommen, weil amerikanische Gesetze keine Waffenverkäufe an Militärdiktaturen erlauben. Mit anderen Worten, JAS-39 Gripen hätte sich sowieso durchgesetzt.
Hans Linde von der Linkspartei (LP) griff an. Er fragte Handelsministerin Ewa Björling, Mitglied der Moderaten Sammlungspartei (M), wie es sein könnte, dass ausgerechnet die USA strengere Waffenexportgesetze habe als Schweden?
Aber die Handelsminister wies den Angriff zurück.
“Ich nehme in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass die Linkspartei nicht zögert, unbegründete Gerüchte zu verbreiten. Die Information ist falsch, dass die Wahl auf JAS-39 Gripen gefallen ist, weil der Rechtsrahmen der USA Waffenexporte nach Thailand nicht zulasse. Mir ist bestätigt worden, dass die USA kein Waffenembargo gegen Thailand verhängt hat“, sagte Ewa Björling im Parlament.
Während der Debatte wies die Handelsministerin auch darauf hin, dass der Gripen-Deal erst unterzeichnet werden könne, wenn es in Thailand Wahlen gegeben habe. Bis dahin gebe es keine Vereinbarung.
Und so entschied sich die Regierung in Schweden, auf die Rückkehr der Demokratie in Thailand zu warten. Erst nach einer Wahl würde das Geschäft auf der Grundlage der schwedischen Vorschriften überprüft werden. Der Ausnahmezustand und Panzer auf den Straßen von Bangkok wurden als historischen Einschub heruntergespielt. Während die Militärs ihre brutale Herrschaft fortsetzten, setzten die Schweden auf Verzögerungstaktik.
7. Die Wahl
In Thailand wurde im Dezember 2007 gewählt. Unmittelbar danach musste das schwedische Außenministerium erneut die politische Situation im Land beurteilen. Inzwischen hatte Klas Molin die Leitung der Asien-Abteilung im Ministerium übernommen und wurde als einer unter mehreren mit der Aufgabe betraut. Diese Analyse wurde ebenfalls als geheim eingestuft, und Klas Molin, später Botschafter in Bangkok, wollte ihren Inhalt nicht kommentieren.
Aber A hat ein klares Bild.
„Die Analyse war nachlässig“, sagt er.
Die Wahrheit wurde bis zu dem Punkt zurechtgebogen, dass die ISP die Erlaubnis für die Ausfuhr der Gripen-Kampfflugzeuge geben konnte. Wieder einmal.
Nach den Angaben von A stand das Außenministerium bei seiner Beurteilung unter dem starken Druck der Lobbyisten der Rüstungsindustrie. Einer davon war Erik Belfrage. Er hatte lange Zeit eine Spitzenposition bei den Wallenbergs inne, einer schwedischen Finanzdynastie, und war im Vorstand der Rüstungsabteilung von Saab. Eine seiner vielen Aufgaben war es, Waffen im Ausland zu verkaufen, speziell Gripen- Kampfflugzeuge.
“Beamte in den Regierungsbüros nannten ihn scherzhaft den ‘Auftragskiller’ von Wallenberg“, sagt A.
Erik Belfrage, der unter anderem die erforderlichen Kontakte hatte, war beim Staatsbesuchs im Jahr 2005 mit von der Partie.
Er war in der Nähe der schwedischen Königsfamilie, denn man hatte ihn in den Nominierungsausschuss für eine königliche Auszeichnung für Business-Innovatoren mit Migrationshintergrund berufen. Erik Belfrage war auch Präsident des Internationalen Rates der schwedischen Industrie, NIR, einer Organisation im Besitz der Vereinigung schwedischer Unternehmen. NIR hat seit vielen Jahren große Zuschüsse von Sida bekommen, einer Regierungsbehörde, die im Auftrag des schwedischen Parlaments arbeitet und die Bekämpfung der Armut in der Welt zum Ziel hat. NIR ist sozusagen der „Türöffner“ für schwedische Firmen in unsicheren Ländern.
A weist darauf hin, dass Erik Belfrage einen Bruder Frank hat, der Staatssekretär im Außenministerium ist und als höchster Beamter direkt dem ehemaligen Außenminister Carl Bildt unterstellt war. So könnte Erik direkten Zugang zur schwedischen Regierung gehabt haben.
Für alle Beteiligten war klar, dass der König eine wichtige Rolle bei der Vermarktung schwedischer Rüstungsgüter spielte. Aber es war genauso wichtig, dass dies geheim gehalten wurde. Während der Staatsbesuche gab es zum Beispiel eine klare Grenze zwischen der Tagesordnung des Königspaares und anderen Aktivitäten.
„Keine Erwähnung von Waffengeschäften während der König auf Reisen ist“, lautete die Vorgabe. Aber auf Belfrages Programm standen wahrscheinlich Kontakte mit dem thailändischen Verteidigungsministerium. Vertreter der nationalen Verteidigung waren eingeladen, an den Festbanketts teilzunehmen, aber wenn der König anwesend war, wurde über andere Themen diskutiert”, sagt A.
A zufolge hatte der schwedische König eine tragende Rolle dabei, die thailändische Armee zu überzeugen, Waffen zu kaufen. In erster Linie lieben die Thais ihre Royals, deshalb war es von großem Nutzen, dass das schwedische und das thailändische Königshaus enge Beziehungen pflegen. Und die thailändische Armee wiederum steht ihrem Königshaus nahe.
Im Laufe der Jahre fand zwischen beiden Königshäusern ein reger Austausch statt. Neben dem Staatsbesuch im Jahr 2005 ist das schwedische Königspaar mehrfach nach Thailand gereist und hat dadurch für Wohlwollen bei der intensiven Marketing-Kampagne gesorgt.
8. Das Kriegsrecht
Am 22. Mai 2014 fand der nächste Militärputsch in Thailand statt. Der Ausnahmezustand wurde erklärt, Ausgangssperren und das Kriegsrecht wurden verhängt, die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt, wieder einmal. Die Armee behauptete, sie wolle die Ordnung wiederherstellen, nachdem eine lange Zeit heftiger politischer Demonstrationen das Land erschüttert hatte.
Es wurden bewaffnete Soldaten eingesetzt, um die Demonstranten von der Straße zu entfernen. Die Besatzung führte zu heftigen Protesten von der USA, der EU und den Vereinten Nationen. Außenminister John Kerry sagte, die USA würden nach dem Staatsstreich die militärische Zusammenarbeit mit Thailand überdenken.
Die schwedischen Reaktionen waren zurückhaltender. Außenminister Carl Bildt postete einen 133-Zeichen-Tweet, in dem er seine Missbilligung ausdrückte und seine Hoffnung auf eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung.
Und die schwedischen Waffenlieferungen gingen weiter. So gab es 2014 drei Waffenlieferungen nach Thailand. Sie bestanden hauptsächlich aus einem Marine-Kampfsystem und der rückstoßfreien Waffe „Carl Gustaf“.
Was muss noch geschehen, damit den schwedischen Waffenlieferungen ein Ende gesetzt wird? Ich rufe den stellvertretenden Generalsekretär der ISP an, Jan-Erik Lövgren. Letztlich ISP ist die Organisation, die bestimmt, ob ein Land in Schweden Waffen kaufen kann oder nicht.
Alles um diesen Vorgang herum ist als geheim eingestuft. Aber Jan-Erik Lövgren bestätigt, dass die Analysen des Außenministeriums eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung der ISP spielen. Wie wichtig diese Analysen im Fall Thailand waren, dazu will er sich nicht äußern.
Laut Jan-Erik Lövgren war es noch nie illegal, Thailand mit Waffen zu versorgen. Nicht einmal jetzt, unter der aktuellen Militärmacht, gibt es ein Embargo.
Schweden hat jedoch Sonderregeln eingeführt, die vorschreiben, dass alle Angelegenheiten, die Thailand betreffen, vom ISP-Direktor überprüft werden müssen. Und diese Regeln gelten weiter.
Jan-Erik Lövgren zufolge gab es nach dem jüngsten Coup keine Entscheidungen mehr, Waffen zu exportieren. Dass es weiterhin Waffenlieferung nach Thailand gebe, dafür seien die Regeln über Ergänzungslieferungen verantwortlich, behauptet er. ISP stoppt nur Fertigstellungsaufträge, wenn es ein Waffenembargo gegen ein Land gibt. Hat der ISP Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen in Thailand?
Jan-Erik Lövgren ist für einen Moment still und sagt dann:
Nej, inte med definitionen ‘grova, omfattande och systematiska’ som det ska vara för att ett utförseltillstånd inte ska beviljas.
“Nein, nicht mit der Definition ‚schwerwiegend, weitverbreitetet und systematisch‘ – das wären die Bedingungen dafür, eine Ausfuhrgenehmigung nicht zu erteilen.“
Das Blank Spot Project ist ein Online-Magazin für Reportagen und Berichte aus der ganzen Welt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Geschichten, die andere nicht aufgreifen.
Übersetzung: Vera Fröhlich
Für das Blank Spot Project hat auch Martin Schibbye aus Thailand berichtet:
Thailand – ein gefährliches Pflaster für Studenten
Am 22. Mai 2014 putschten sich die Königlich-Thailändischen Streitkräfte an die Macht. Seitdem werden in Thailand Kämpfer für die Demokratie vor Militärgerichte gezerrt, ihre Medien werden mit Maulkorberlassen zensiert. Wer sind die Studenten, die für eine Protestkundgebung gegen die herrschende Militärjunta bis zu sieben Jahren Gefängnis riskieren?