Flüchtling, wer bist du?
Flucht und Grenzen

Flüchtling, wer bist du?

Bis zu eine Million ankommende Flüchtlinge erwartet die Regierung für das gesamte Jahr. Wer sind diese Menschen? Wir haben verfügbare Zahlen ausgewertet.

Profilbild von Dominik Ritter-Wurnig

Von Januar bis August 2015 haben 256.938 Menschen einen Antrag auf Asyl in der Bundesrepublik gestellt. Das heißt, sie beantragen, in Deutschland bleiben zu dürfen, weil sie verfolgt werden. Im Lauf des Jahres sollen es bis zu eine Million Asylanträge werden. In den vergangenen Tagen haben sich die Ereignisse überschlagen, es gibt noch wenig harte Zahlen zu der Demographie der Flüchtlinge. Dennoch habe ich die verfügbaren Fakten zusammengetragen:

Wieso kommen so viele Menschen gerade aus diesen Ländern? Die Ursachen sind unterschiedlich. Seit mehr als vier Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Von dort kommen auch die meisten Asylantragsteller nach Deutschland. Von falschen Hoffnungen angestachelt, gab es Anfang des Jahres besonders viele Asylanträge aus den Balkanländern Kosovo, Albanien, Serbien und Mazedonien. Im Gegensatz zu Syrern haben sie nur eine sehr geringe Chance, in Deutschland bleiben zu dürfen. Die Menschen in Irak und Afghanistan sind seit Jahren mit Krieg und Terror konfrontiert. Für Eritrea listet Amnesty International unzählige Menschenrechtsverletzungen auf. Auch im riesigen Land Pakistan kommt es immer wieder zu Terror und Gewalttaten - vor allem gegen religiöse Minderheiten (mehr dazu im Bericht von Amnesty International).

Unter den Flüchtlingen sind überproportional viele Männer. Aber nicht bei jedem Herkunftsland ist der Männerüberhang gleich stark. Je weiter und beschwerlicher die Reise, umso weniger Frauen kommen nach Deutschland. Das hat auch damit zu tun, dass eine Flucht gefährlich ist - und zwar am gefährlichsten für junge Frauen.


Flüchtlinge sind im Schnitt jünger als die Deutschen

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Die deutsche Bevölkerung wird immer älter. 20,9 Prozent der Deutschen sind laut Statistischem Bundesamt im Rentenalter. Unter den Flüchtlingen sind es gerade mal verschwindend geringe 0,6 Prozent. Die neuankommenden Flüchtlinge sind deutlich jünger als die deutsche Gesamtbevölkerung. Fast jeder vierte Flüchtling ist zwischen 18 und 25 Jahre alt; unter den Deutschen sind es gerade einmal 8 Prozent.


Glaubensfrage

69 von 100 Flüchtlingen sind Moslems. Die zweitgrößte religiöse Gruppe unter den Flüchtlingen sind Christen (18 Prozent), gefolgt von Yeziden (5 Prozent). Der Anteil der Religionen schwankt stark je nach Herkunftsland der Flüchtlinge.

Aus Syrien und Afghanistan kamen im Jahr 2014 (neuere, detaillierte Daten gibt es noch nicht) vor allem moslemische Flüchtlinge nach Deutschland. Anders als aus Eritrea - von dort fliehen vor allem Christen. Aus dem Irak kamen 2014 vor allem Anhänger der kleinen religiösen Gruppe der Yeziden zu uns. Sie flohen vor allem vor den Terrorkämpfern des Islamischen Staats, die drohen, sie zu töten oder zu versklaven.


Bildung

Wie gut die neu ankommenden Menschen in Deutschland Fuß fassen werden, hängt auch sehr davon ab, wie gut sie ausgebildet sind und welche Chancen sie am Jobmarkt haben. Eine statistische und systematische Erfassung der Berufsqualifikationen der Flüchtlinge gibt es nicht. „Diese Daten hätten wir auch gerne“, sagt dazu ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fragt Flüchtlinge aber auch nach der höchsten abgeschlossenen Ausbildung - allerdings auf freiwilliger und dementsprechend nicht repräsentativer Basis.

Die Zahlen sind durchaus positiv: 15 Prozent aller Flüchtlinge verfügen über einen Hochschulabschluss. Unter den syrischen Flüchtlingen ist der Anteil sogar noch höher. Zum Vergleich: Rund 16 Prozent der Deutschen haben einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss. Problematisch ist, dass rund jeder Zehnte überhaupt keine Schule besucht hat und dementsprechend wohl auch weder lesen noch schreiben kann.


Aufmacherbild: Eine Szene letzte Woche in Wien, eine Gruppe von Flüchtlingen auf dem Weg zu einem Zug nach Deutschland. Foto: Dominik Wurnig