Es war auf dem Rückweg aus dem Urlaub in Griechenland. An der mazedonischen Grenze hält unser Zug eine Viertelstunde ohne erkennbaren Grund, also steige ich aus. Einige Dutzend Flüchtlinge wollen mitfahren, einige von ihnen mit Kindern. Die Polizei lässt sie aber nicht einsteigen. Mitarbeiter des UNHCR, dem Flüchtlingshilfwerk der Vereinten Nationen, vermitteln. Schließlich wird ein weiterer Wagen an unseren Zug angehängt. Er ist völlig überfüllt und wenig luxuriös, unsere Waggons bleiben den Flüchtlingen verschlossen. Nach einer Stunde Aufenthalt fahren wir weiter.
Als wir an der serbischen Grenze erneut halten, bitten uns Helfer einer mazedonischen Hilfsorganisation, eine Frau und ihr Baby in unseren Wagen wechseln zu lassen. Die Frau stammt aus Afghanistan und ist Christin, seit 20 Tagen ist sie unterwegs. Ihr Mann ist im Flüchtlingswaggon geblieben – mit ihrem gemeinsamen Gruppenticket. Der Schaffner zeigt wenig Verständnis. Er wird laut. Ich erkläre die Situation und hole auch den Vater der Familie in unser Abteil. Er sieht ebenfalls sehr müde aus, und schnell macht ihm ein Passagier aus Griechenland seinen Platz frei.
Ein Mann, der während des Krieges aus Bosnien nach Serbien geflohen war, ist nicht einverstanden mit der Anwesenheit der Familie. Er sagt nichts, kann aber schwer verbergen, dass er nicht einverstanden ist. Gerade Menschen, die in ihrem Leben schon selbst fliehen mussten, möchten ungern an diese Situationen erinnert werden. Meist hat das psychologische Ursachen.
Diese Begegnung im Zug verdeutlicht die ambivalente Stimmung in Serbien: Die meisten Menschen zeigen großes Mitgefühl, sammeln Essen und Kleidung und organisieren Hilfe. Auch Sorgen sind zu hören: Wer ist Einwanderer, wer Flüchtling? Bringen diese Menschen Terrorismus ins Land? Und so weiter.
Die meisten der Flüchtlingen durchqueren Serbien nur. Deswegen gibt es besonders viele in Preševo nahe der mazedionischen Grenze, wo sie eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen müssen, die nur für wenige Tage gilt. Das Problem: Die Reise von Belgrad und weiter bis zur ungarischen Grenze dauert oft länger, denn die Einreise nach Ungarn ist illegal. Von Belgrad aus müssen sie ein Taxi nehmen oder ihre Weiterreise anders organisieren. Ohne gültige Papiere werden sie von der Polizei aufgegriffen und geraten in Schwierigkeiten.
Viele der Flüchtlinge campieren an Busbahnhöfen oder in Parks. Die Nächte werden kälter. Im Moment kommen auf ihrem Weg nach Norden täglich hunderte neuer Flüchtlinge über die Grenze.
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Protokoll: Sebastian Esser. Aufmacherfoto: cc Stephen Ryan / Internationales Rotes Kreuz.