Fremde, das waren Riesen. Oder Monstren: Wesen zwischen Mensch und Tier. Dicht behaart, mal mit Elefantenkopf und Menschenbeinen, mal mit dem Hals eines Geiers, menschlichen Gesichtszügen und Klauen. In solchen Bildern wurden noch bis ins 18. Jahrhundert diejenigen beschrieben, die jenseits ihrer Städte oder Kontinente lebten. Sie waren anders: Teufel. Oder Götter. Oder irgendetwas dazwischen. Auf jeden Fall nicht menschlich. Der Naturforscher Carl von Linné sprach sogar von einem „Homo Monstrosus“.
Diese Zeiten sind vorbei. Heute leben wir in einer globalisierten Welt und wissen: Diejenigen, die jenseits unserer Städte, Länder oder Kontinente leben, sind – wie wir – Teil der menschlichen Spezies. Doch das Unbehagen ihnen gegenüber bleibt oft. Das gilt sowohl für Menschen aus der Ferne, als auch für die, die 20 Kilometer weiter leben. Krautreporter-Mitglied Christian aus Menden, einer Kleinstadt im Sauerland, sagt: „Hier im Ort hasst man alle, die nicht von hier sind, das muss irgendwie in der DNS stecken.“
Ist das so: Ist diese Ablehnung alles Fremden normal? Mein Kollege Tarek Barkouni hat sich dieser Frage vor Kurzem aus ganz persönlicher Sicht gewidmet und sich gefragt: Bin ich Rassist? Ich aber wollte wissen, woher die Fremdenangst eigentlich kommt – und wie sich entscheidet, wen wir als fremd empfinden. Aus wissenschaftlicher und historischer Sicht. Denn die Geschichte der Menschheit scheint eine Geschichte der Angst, Abwehr oder Ablehnung von Fremden zu sein.
Wir sortieren Menschen, noch bevor sie ein Wort sagen können
Unser Gehirn ist eine Sortiermaschine. Den ganzen Tag lang ist es damit beschäftigt, unsere Umwelt zu kategorisieren und einzuordnen. Und die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, ist erstaunlich. 122 Millisekunden – mehr braucht man nicht, um jemanden anhand von Merkmalen wie Hautfarbe oder Geschlecht in eine Schublade zu stecken. Das fanden die Psycholog:innen Tiffany Ito und Geoffrey Urland von der University of Colorado 2003 in einem Experiment heraus.
Die Wissenschaftler:innen zeigten den 36 Teilnehmenden ihrer Studie Bilder von weißen und Schwarzen Frauen und Männern. Jede Sequenz bestand zunächst aus vier Bildern von Menschen derselben Kategorie, zum Beispiel: weiße Männer. Danach folgte ein Bild einer anderen Kategorie, zum Beispiel das eines Schwarzen Mannes. Nachdem sie eine Sekunde lang das Bild sahen, mussten die Teilnehmenden entweder angeben, ob es eine Schwarze oder weiße Person war oder es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt hatte. Gleichzeitig wurde ihre Gehirnaktivität gemessen. Das Ergebnis: Die Teilnehmenden brauchten nur einen Sekundenbruchteil, um Menschen einer Kategorie zuzuordnen. Besonders schnell ging es bei den Bildern von Schwarzen Personen.
In anderen Worten: Bevor wir auch nur ein einziges Wort sagen können, ordnen wir unsere Gegenüber anhand des Aussehens ein. Und sobald jemand einmal der Kategorie „Schwarz“ oder „Frau“ zugeordnet ist, werden natürlich auch entsprechende Klischees und Vorurteile abgerufen.
„Er ist ein Mund zuviel, keiner versteht ihn, er verhält sich nicht wie die anderen“, schreibt die bulgarisch-französische Philosophin und Psychoanalytikerin Julia Kristeva über unsere allgemeine Wahrnehmung des Fremden in ihrem Buch „Fremde sind wir uns selbst“.
Kategorien und Klischees werden uns von klein auf beigebracht und sind mit entsprechender Bedeutung belegt. Interessant ist aber auch: Selbst wenn Gruppenzugehörigkeit auf unscheinbaren Merkmalen wie Augenfarbe oder Handgröße basiert, trifft unser Gehirn innerhalb weniger Millisekunden eine Unterscheidung zwischen fremd und bekannt, Freund und Feind. Zu diesem Ergebnis kamen Kyle Ratner und David Amodio von der New York University, nachdem sie ein ähnliches Experiment durchführten.
Anstatt Menschen anhand von Kategorien zu unterscheiden, die auch in der Realität wichtig sind, arbeiteten sie mit teilweise banalen Merkmalen. Den Teilnehmenden erzählten die beiden Wissenschaftler:innen, es gebe zwei Gruppen von Menschen: die Überschätzer:innen und die Unterschätzer:innen. Ratner und Amodio ließen die 45 Teilnehmenden ihrer Studie den sogenannten Numerical Estimation Style Test durchführen. Dabei muss man die Anzahl von Punkten auf einem Bildschirm schätzen – und erfährt danach, ob man durchschnittlich zu viele oder zu wenige Punkte geschätzt hat.
Nachdem die Teilnehmenden wussten, ob sie Überschätzer:innen oder Unterschätzer:innen sind, bekamen sie eine neue Aufgabe. Die Forscher:innen forderten die Teilnehmenden auf, die Gesichter anderer Studierender zu kategorisieren, nach Über- oder Unterschätzer:innen. Das Ergebnis: Gesichter, die der Eigengruppe zugeordnet werden, werden im Gehirn schneller verarbeitet als Gesichter, die wir als fremd einordnen.
Wir sind also schon in unserer Wahrnehmung voreingenommen gegenüber anderen. Das ermöglicht uns einerseits, Menschen sehr schnell mit positiven Zuschreibungen zu verbinden. Aber eben auch mit negativen – und die wiederum können Vorurteilen und Diskriminierung den Weg bereiten.
Unser Gehirn ist ein Netzwerk der Ablehnung
Die Fähigkeit, „uns“ von „den anderen“ zu unterscheiden, ist grundlegend für das menschliche Gehirn. Amodio schreibt: „Obwohl diese Berechnung nur den Bruchteil einer Sekunde dauert, schafft sie die Voraussetzungen für soziale Kategorisierung, Stereotypen, Vorurteile, Konflikte zwischen Gruppen und Ungleichheit und, im Extremfall, für Krieg und Völkermord.“
„Obwohl diese Berechnung nur den Bruchteil einer Sekunde dauert, schafft sie die Voraussetzungen für soziale Kategorisierung, Stereotypen, Vorurteile, Konflikte zwischen Gruppen und Ungleichheit und, im Extremfall, für Krieg und Völkermord.“
David Amodio, New York University
Man kann sich das wie ein Konzert vorstellen: eine Gitarristin, ein Bassist, eine Schlagzeugerin, zwei Saxophonisten und eine Sängerin, die gemeinsam auf der Bühne stehen und ihr neuestes Album präsentieren. Sie spielen einzeln, doch beim Publikum kommt ein gemeinsames Musikstück an. Ähnlich verhält es sich, so Amodio, mit unserem Gehirn, wenn wir Menschen gegenüberstehen, die wir nicht kennen. Die Begegnung löst im Gehirn eine emotionale Reaktion aus: von Zuneigung oder Stolz bis hin zu Angst, Ekel und Hass. Das Zusammenspiel aus verschiedenen Hirnbereichen schafft einen Gesamteindruck: Wir sortieren unser Gegenüber in unser Weltbild ein.
Besonders wichtig scheint dabei die Amygdala zu sein. Sie gibt gewissermaßen den Rhythmus vor. Die Amygdala ist ein Teil des Hirns, der aus zwei bohnengroßen Verbänden von Nervenzellen besteht. Gemeinsam mit dem Hippocampus regelt die Hirnregion emotionale Äußerungen, vor allem die Entstehung von Angstgefühlen. Die Amygdala ist besonders aktiv, wenn wir reale oder eingebildete Gefahren registrieren – also gerade dann, wenn unser Gegenüber Kategorien zugehörig ist, die mit vielen Vorurteilen belegt sind. Denn, das weiß man inzwischen: Wir lernen, wovor wir Angst haben müssen. In der Psychologie spricht man von Fear Conditioning. Jedes Kleinkind bekommt beigebracht, dass es nicht nachts allein in den Wald gehen soll. So lernt es, dieses Szenario als Bedrohung einzustufen. Ähnlich lernen wir von klein auf Vorurteile über bestimmte Menschen, Sexualitäten und Körper. Unser Gehirn speichert sie als Bedrohung ab. Einmal als Gefahr gelabelt, ruft unser Gehirn dieses Wissen ab, wenn wir entsprechenden Menschen gegenüberstehen.
Heißt das also, dass wir unserem vorurteilsgeleiteten Gehirn gegenüber machtlos sind? Nein. Denn auch wenn die Amygdala – wie das Schlagzeug einer Band – den Rhythmus vorgibt: Der Bass kann es einfangen. So haben wir zum Beispiel einen Frontal-Cortex, der dafür sorgt, unsere Impulse zu regulieren, komplizierte Entscheidungen zu treffen und unser Verhalten an soziale Regeln und Erwartungen anzupassen.
Unsere Vorurteile und ihre Auswirkungen auf unser Verhalten werden oft „durch persönliche Überzeugungen oder Normen konterkariert“, schreibt der Psychologe Amodio. „Geleitet von diesen Überzeugungen und Normen wenden Menschen häufig Selbstregulierungsprozesse an, um die Auswirkungen von Vorurteilen auf ihr Verhalten zu mildern.“
Das heißt: Wir können unsere eigenen Vorurteile und Ängste in den Griff bekommen. Durch Überzeugungen und Werte – selbst dann, wenn unser Gehirn darauf trainiert ist, in den Alarmmodus zu schalten. Aber auch unsere Überzeugungen und Werte entstehen nicht in einem leeren Raum.
Jede eingeschworene Gemeinschaft ist Fremden gegenüber skeptisch
„Die Abweisung des Fremden ist ein universeller Mechanismus in sozialen Systemen“, sagt der Soziologe Rudolf Stichweh von der Universität Bonn. Er forscht seit Jahrzehnten zur Soziologie des Fremden. Es gehört zum sozialen Charakter von Menschengruppen, Außenstehenden gegenüber erst einmal skeptisch zu sein, sagt er. Das funktioniere ähnlich wie bei Organismen, die sich durch ein Immunsystem gegen Unbekanntes schützen.
Im Grunde sei es ganz einfach, sagt Stichweh: Immunsysteme beruhen auf der Unterscheidung von „eigen“ und „fremd“. Sie erkennen Moleküle und Substanzen, die zum System gehören, unterscheiden sie und weisen sie ab. Dieser Mechanismus gilt auch für menschliche Gesellschaften, sagt Stichweh. Denn ein System braucht Erkennungsmerkmale. Und Mechanismen, die anhand dieser Merkmale feststellen, was zum System gehört und was nicht. Diese Erkennungsmechanismen sortieren die Welt. Sie unterscheiden quasi permanent zwischen „zugehörig“ und „nicht-zugehörig“. Ein Beispiel: Die meisten Primaten, die dem Menschen relativ ähnlich sind, leben in Gruppen. Dort gilt in der Regel: Sie erkennen nur diejenigen als Eigene an, denen sie genetisch nahe stehen. Alle anderen sind Fremde.
Bei Menschen ist das anders. Schließlich leben sie in viel größeren Zahlen zusammen. Wir sind eine Spezies mit derzeit rund 7,9 Milliarden Wesen auf der Welt. Fremdheit wird nicht genetisch definiert, sondern sozial: „Menschengruppen bilden sich auf der Basis von Interessen, Werten, Normen und Moral und anderen kulturellen Elementen“, sagt Stichweh. Und diese Interessen und Werte, Regeln und kulturellen Elemente seien der übliche Grund für die Abweisung des Fremden. Sie entscheiden, wer dazugehört. Und wer nicht.
„Man kann aus dem Fremden Eigenes machen und aus Eigenem Fremdes.“
Rudolf Stichweh, Soziologe
Entscheidend sei aber: „Man kann aus dem Fremden Eigenes machen und aus Eigenem Fremdes.“ Denn die exakten Kategorien, die wir verwenden, um Menschen als fremd einzusortieren – Muslime, Schwarze, Homosexuelle und so weiter – und unsere Einstellung zu ihnen, sind ein soziales Phänomen. Sie wandeln sich. Immer wieder. Wer oder was als fremd gilt, ist das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses. Und ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, wie schnell sich das wandelt.
Stadt, Religion, Nationalität: Was fremd ist, ändert sich ständig
In Athen, der Wiege der europäischen Demokratie, gab es Erbschaften, Sozialleistungen oder politische Teilhaberechte nur für diejenigen, die als Vollbürger anerkannt waren. Dafür mussten sie einen athenischen Vater haben. Alle anderen waren gewissermaßen fremd. Dann, in Zeiten des Krieges gegen Sparta und während immer mehr Menschen nach Athen zogen, änderte sich das plötzlich. Im Jahr 451 vor Christus setzte der Politiker und Stratege Perikles durch, dass fortan nur noch diejenigen in den Genuss voller Bürgerrechte kamen, die eine doppelt athenische Abstammung nachweisen konnten. Man brauchte also Vater und Mutter aus Athen. Laut dem Dramatiker und Tragödiendichter Euripides wurden alle anderen „den Bastarden gleichgesetzt“.
Interessant ist auch: Der athenische Stadtstaat unterschied zwischen verschiedenen Fremden. Es gab den metoikos, den im Land ansässigen Fremden, den xenos, den Gast, und den barbaros, den sprachlich und kulturell Fremden. Der Begriff „Barbare“ entstammt der Feder des Dichters Homer, der die damals verfeindeten Einwohner:innen Kleinasiens in der „Odyssee“ so bezeichnete. Wörtlich heißt das „der unverständlich Stammelnde“. Als Barbaren galten alle, deren Sprechweise langsam, schwerfällig und unverständlich wirkte. In anderen Worten: Alle, die jenseits der eigenen Stadtgrenzen lebten, egal, ob Griechen oder Nicht-Griechen.
Diese Kategorisierung des Fremden anhand der Sprache blieb lange gültig. Bis eine kleine Sekte sich allmählich im Mittelmeer ausbreitete: Das Christentum sprengte den Rahmen der Stadt und schuf eine spirituelle Gemeinschaft über Grenzen hinweg. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, heißt es in der Bibel. Das galt und gilt für den Menschen allgemein, auch für Fremde. Und nicht nur für Bewohner:innen der eigenen Stadt oder Mitglieder einer Sprachgemeinschaft.
„Da ist nicht mehr Grieche, Jude, Beschnittener, Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus“, heißt es im Neuen Testament. Das war revolutionär: In einer Zeit der Stadtstaaten prägte das Christentum in seinen Anfangsjahren einen Kosmopolitismus, der jenseits aller politischen oder sprachlichen Gemeinschaften ein neues Bündnis schuf – und auch neu definierte, wer als fremd galt.
„Da ist nicht mehr Grieche, Jude, Beschnittener, Unbeschnittener, Nichtgrieche, Skythe, Knecht, Freier, sondern alles und in allen Christus“
Neues Testament in der Bibel
Paulus, ein Apostel aus Sizilien, reiste in den Jahren 45 bis 60 n.Chr. unermüdlich durch den Mittelmeerraum. Seine Mission war es, das Wort Gottes zu verkünden. Seine Zielgruppe waren diejenigen, die bislang am Rande der Gesellschaft lebten. Er richtete sich besonders an Handeltreibende, Seeleute und Verbannte, die vielerorts als Fremde galten. Jenseits von Bürgerrechten und Stadt-Zugehörigkeiten verband sie plötzlich der gemeinsame Glaube. Aber diese Gemeinschaft stieß bald an die Grenzen der eigenen Toleranz.
Mit der Verbreitung des Christentums strömten plötzlich immer mehr Reisende zu Kirchen und anderen heiligen Stätten. Unzählige Menschen gingen auf Pilgerreisen. Die Kirche reagierte auf den Ansturm. Sie entwickelte einen Code der Gastfreundschaft – und direkt ein ganzes Beherbungsgewerbe. Im Jahr 325 n.Chr. forderte das Konzil von Nicaea sogar, dass jede Stadt extra Herbergen für Pilgernde schaffen sollte, die sogenannten Xenodochia. Das Problem war: Es kamen immer mehr Menschen. Und niemand konnte feststellen, ob wirklich alle Christen waren – oder einfach Menschen, die eine Unterkunft brauchten.
Ein Unterscheidungsmechanismus musste her. Das führte zu absurden Szenen: Um das Recht auf Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, mussten Christen ihr Christentum plötzlich nachweisen, mittels eines Christenpasses, der sich im 4. Jahrhundert verbreitete und von Priestern und Bischöfen ausgestellt wurde. Die christliche Großzügigkeit richtete sich nur an Christen und definierte somit neu, wer als fremd galt. Der Christ war kein Fremder, der Nicht-Christ schon.
Die Philosophin Julia Kristeva beschreibt das in ihrem Buch „Fremde sind wir uns selbst“. Schon in seinem goldenen Zeitalter habe der christliche Kosmopolitismus diese Ächtung in sich getragen, die den anderen Glauben ausschließt und schließlich zur Inquisition führen würde.
Nationalstaaten sind riesige Sortiermaschinen
Die nächste Kehrtwende vollzog sich ab dem 18. Jahrhundert, als sich die Ahnung durchsetzte, dass die Menschheit eine Spezies ist. Weil klar wurde, dass die Fremden keine Monster sind, sondern ebenfalls Menschen, wurde versucht, Fremdheit gewissermaßen herzustellen. Kleinste körperliche Unterschiede dienten dazu, „Rassen“ zu erfinden und Menschengruppen einen vermeintlich „natürlichen“ Wert und maximale Andersartigkeit zuzuschreiben. Das ging natürlich Hand in Hand mit einem Interesse daran, Hierarchien festzuschreiben und Sklaverei, Mord und Ausbeutung zu rechtfertigen.
Gleichzeitig gab es eine zweite Entwicklung, die alles änderte: Die Herausbildung der Nationalstaaten. Lange Zeit war es kaum möglich, verlässlich zu sagen, wer zu einer Stadt gehörte oder Untertan eines Königs war und wer nicht. Die Bildung von Nationalstaaten änderte das. Sie brachte Meldepflichten, Meldeverzeichnisse, Personalausweise und jede Menge Regeln mit sich, die festlegen, wie jemand aus einem fremden Land ein Staatsbürger werden kann. So gesehen sind Nationalstaaten riesige Sortiermaschinen. Sie machen es leicht, festzustellen, wer einheimisch und wer fremd ist.
Und heute? Nationalstaaten sind immer noch wichtig. Aber unsere Welt ist durchglobalisiert, von Flucht und Arbeitsmigration geprägt. Und von einem Individualismus, der Unterschiede zwischen Menschen betont. Egal in welcher Gruppe: Wir wollen einzigartig sein.
So leben wir in einer Weltgesellschaft, in der gewissermaßen alle fremd sind Und gleichzeitig niemand. In Zeiten globaler Kultur und Vernetzung hat eine Journalistin aus Berlin vielleicht mehr Gemeinsamkeiten mit einem Freund aus Brasilien als mit einem Deutschen, der 20 Kilometer weiter lebt. Die Philosophin Kristeva sagt deshalb: Es ist nicht so wichtig, die Frage nach Integration von Fremden zu stellen, sondern nach dem Zusammenleben dieser Fremden, von denen wir erkennen, dass wir alle es sind.
Monster gibt es nicht mehr.
Redaktion: Thembi Wolf, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotos und Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert