Bilder von Feuer gehen derzeit um die Welt – mal wieder. Die Geflüchtetenunterkunft in Moria stand in der Nacht in Flammen. Das ist schon häufiger passiert, aber dieser Brand war größer als alle bisherigen. Ungefähr ein Drittel der Unterkunft soll abgebrannt sein. Wobei, Unterkunft ist eigentlich zu viel gesagt. Schon lange schlafen sehr viele Geflüchtete auf der griechischen Insel Lesbos nur in Zelten. Insgesamt 12.600 Menschen sollen dort untergekommen sein, obwohl nur für 3.000 Platz ist. Jetzt stellt die Tagesschau die Frage, wohin die Bewohner:innen sollen.
Die Katastrophe war absehbar. Einige Kritiker:innen der europäischen Asylpolitik sagen sogar, dass sie politisch gewollt ist. Wie die Menschen auf Lesbos und anderen griechischen Inseln leben müssen, soll Flüchtende davor abschrecken, sich überhaupt auf den Weg nach Europa zu machen. Die Botschaft der EU: Es lohnt sich nicht, herzukommen.
Schon vor fünf Monaten habe ich darüber geschrieben, dass die EU eine Lösung finden muss. Damals war bereits klar, dass die Behörden in Griechenland nicht auf einen Corona-Ausbruch in den Lagern vorbereitet sind. Diese fünf Monate hätten die griechische Regierung und die EU nutzen können. Sie hätten dafür sorgen können, dass es genug Raum für die Quarantäne einzelner Infizierter gibt. Das ist nicht passiert, wie die vergangene Woche gezeigt hat: Nachdem es den ersten Corona-Fall in Moria gab, mussten alle Menschen im Camp in Quarantäne. Das ist eine unmenschliche Lösung für die Bewohner:innen, die ohne fließendes Wasser und Elektrizität auskommen müssen.
Eine andere Corona-Strategie hätte darin bestehen sollen, die Geflüchteten auf das griechische Festland zu bringen und anschließend in der EU zu verteilen. Das war im April, als ich meinen ersten Text dazu geschrieben habe, sehr schwierig, denn die Grenzen innerhalb der EU waren geschlossen und auch die Europäer:innen mussten sich in ihrem Alltag stark einschränken. Aber seitdem hat sich viel getan. Die Regierungen haben die Kontaktbeschränkungen wieder gelockert, EU-Bürger:innen durften sogar wieder in den Urlaub fahren. An der Situation in Griechenland hat sich trotzdem wenig geändert. Acht EU-Länder, darunter Deutschland, hatten sich dazu bereit erklärt, einzelne Geflüchtete aufzunehmen – sie nennen sich die „Koalition der Willigen“. Knapp 7.000 Menschen konnten aus Moria auf das griechische Festland und in andere EU-Länder gebracht werden. Trotzdem waren vor dem Brand noch 12.600 Menschen dort.
Im Juli hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) für eine gemeinsame „nachhaltige“ Asylpolitik in der EU geworben. „Wir müssen wegkommen von Ad-hoc-Lösungen, wie wir sie jetzt haben“, hat er gesagt. Aber davon sind die EU-Staaten nach wie vor weit entfernt.
Was bleibt also anderes als kurzfristige Lösungen? Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat jetzt zugesagt, 400 unbegleitete Minderjährige auf EU-Kosten auf das griechische Festland zu bringen und dort zu beherbergen.
Die griechische Regierung geht davon aus, dass jemand die Brände in Moria absichtlich gelegt hat. Ob es die Geflüchteten selbst waren oder andere Inselbewohner:innen, ist unklar. Es ist aber auch völlig egal, denn die Brände zeigen vor allem eines – wie unwürdig diese Unterbringung war. Monatelang ohne Duschen und ohne Strom zu leben, das sollte die EU doch eigentlich niemandem zumuten. Aber wir – auch ich – vergessen diese Zustände auch jedes Mal wieder, wenn sie uns nicht durch drastische Bilder in Erinnerung gerufen werden.
Die Flammen in Moria sind ein eindrückliches Bild. Vielleicht schaffen wir es jetzt endlich, die Menschen dort nicht einfach wieder zu vergessen.
Redaktion: Bent Freiwald; Schlussredaktion: Rebecca Kelber; Fotoredaktion: Martin Gommel.