„Freiheit gibt dir die Chance, du selbst zu sein“
Flucht und Grenzen

„Freiheit gibt dir die Chance, du selbst zu sein“

Weil er das Regime in Aserbaidschan mit seiner Musik kritisierte, musste Jamal Ali seine Heimat verlassen. Im Halbe-Katoffl-Podcast spricht der 30-Jährige über „Absurdistan“, den Eurovision Song Contest in Baku und das mächtigste Wort der deutschen Sprache. Plus: Jamal Ali spielt zwei Lieder live.

Profilbild von Halbe-Katoffl-Podcast von Frank Joung

Ganz Europa schaute 2012 nach Aserbaidschan. Der Eurovision Song Contest fand in der Hauptstadt Baku statt. Eine prima Möglichkeit, um der Welt zu zeigen, dass Aserbaidschan ein freiheitliches, demokratisches Land sei, fand das Regime um Präsident Ilham Alijew.

Auch der Musiker Jamal Ali wollte die Aufmerksamkeit nutzen. Aber nicht, um zu zeigen, dass alles mit rechten Dingen zugeht in Aserbaidschan. Er wollte die Missstände in dem autoritär geführten Staat anprangern. Bei einem öffentlichen Konzert durfte er auftreten – umrundet von Polizisten. Dann eskalierte die Situation. Nach einem regimekritischen Lied kam es zu einem Wortgefecht mit einem Zuschauer, in dem Jamal Ali den Präsidenten beleidigte. Die Polizei griff ein und nahm Ali fest. Zehn Tage saß er in Haft. Danach legte man ihm nah, das Land zu verlassen (ab 28:50).

Berlin bietet laute Natur

Berlin wird seine neue Heimat. Jamal Ali wird euphorisch, wenn es um sein neues Leben in Deutschlands Hauptstadt geht. Hier lernt er eine andere Freiheit kennen – aber leider auch deutsches Donnerwetter mit Blitzrekorden im Sommer und Minustemperaturen im Winter. „Die Natur ist laut hier“, sagt er lachend.

Er will bleiben. Aserbaidschan vermisst er nicht, es ist nicht mehr sein Land. Seine Freunde sind ebenfalls gegangen. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich nach Berlin gehöre. Jetzt kann ich endlich ich selbst sein. Freiheit gibt dir die Chance, du selbst zu sein. Nur dann kannst du verstehen, wer du eigentlich bist und was du machst.“

Doch die Familie in Aserbaidschan bekommt noch die negativen Konsequenzen zu spüren, wenn Jamal ein regimekritisches Lied ins Internet stellt. Wie Anfang dieses Jahres, als die Polizei bei seiner Mutter auftaucht und ihn nötigt, das eigene Musikvideo auf seiner Youtube-Seite zu sperren (ab 51:40).

Er will nicht nur rebellisch sein, sondern auch für etwas Positives stehen

In Berlin arbeitet der 30-Jährige derzeit als „Integrationsvolontär” beim offenen Kanal ALEX Berlin. Dort kann er mit Medienprojekten auf die Missstände in seinem Land aufmerksam machen. Er möchte nicht nur ein Rebell und gegen etwas sein: „Denn dann bist du immer ein Teil der anderen Seite.“ Jamal Ali will lieber für etwas Positives stehen.

Auf dem Weg zur Halben Katoffl hat er von den Deutschen einiges gelernt: Pünktlichkeit (natürlich), den Hang zur Detailversessenheit – und das stärkste Wort der deutschen Sprache:

Ich dachte immer, dass NEIN das mächtigste Wort auf Deutsch ist – doch dann kam immer DOCH!
Jamal Ali

Am Ende des Gesprächs spielt Jamal Ali seinen zweiten Song: „Vermişel”.

Englische Untertitel gibt es in diesem Video:

https://www.youtube.com/watch?v=naylKpnnCyo


Der Halbe-Katoffl-Podcast ist eine Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Moderator ist der Berliner Journalist Frank Joung, dessen Eltern aus Korea kommen. Es geht um Themen wie Integration (gähn), Identität (ach ja) und Stereotypisierungen (oha) – aber eben lustig, unterhaltsam und kurzweilig. Anekdoten aus dem Leben statt Theorien aus dem Lehrbuch.