1. Genauso wie alle Menschen, brauchen Flüchtlinge Zugang zu Information und Kommunikation. Auch genannt: Internet.
2. Doch Internet am Handy ist teuer. Deshalb: WLAN muss her.
3. Die Freifunker eilen zur Hilfe.
Auf Basis eines Internetanschlusses richten engagierte Helfer der Initiative Freifunk in Flüchtlingsunterkünften WLAN-Hotspots ein. In der Regel kostet ein solches WLAN ca. 800 Euro für zwei Jahre und versorgt eine ganze Flüchtlingsunterkunft, wie Freifunk Stuttgart hier ausrechnet. Diese Kosten werden in aller Regel durch Spenden gedeckt, nicht vom Steuerzahler. Von dem Betreiber der Flüchtlingsunterkunft benötigt Freifunk lediglich den Strom zum Betrieb des Routers - ein verschwindend geringer Eurobetrag – sowie einen unzugänglichen Platz für die Geräte. Wichtig dabei ist, dass das Freifunk-WLAN den Internetverkehr über das europäische Ausland umleitet und so die noch bestehende Störerhaftung (was das ist, steht hier) umgeht.
4. Doch die haben nicht mit der bayerischen Staatsregierung gerechnet.
Für das von Freiwilligen organisierte WLAN zieht das bayerische Sozialministerium den Flüchtlingen monatlich 35,76 Euro vom geringen Taschengeld (zwischen 79 und 135 Euro) ab. Und zwar jedem Einzelnen. Begründet wird das so: „Kerngedanke ist: Wird der Bedarf an Kommunikation durch das WLAN als Sachleistung gewährt, können hierfür nicht zusätzlich Barmittel ausgezahlt werden. Anderenfalls käme es zu einer Doppelleistung. Zudem würden Asylbewerber gegenüber anderen Sozialleistungsbeziehern bevorzugt; diese erhalten nämlich keine zusätzliche Sachleistung in Form von WLAN“, schreibt das bayerische Staatsministerium für Soziales in einer schriftlichen Erklärung.
Hintergrund ist das Asylbewerberleistungsgesetz (seit 1.11.2015 in Kraft), das die Bundesländer anhält, Sachleistungen (Gutscheine, Monatstickets, etc.) statt Geld an die Flüchtlinge auszuzahlen. Allen Bundesländern außer Bayern ist das jedoch zu bürokratisch und sie setzen weiter auf Barauszahlung des Taschengelds. So ist Bayern das einzige Bundesland, dass Flüchtlingen quasi eine Spende an diese in Rechnung stellt.
5. Das letzte Hemd.
Mit derselben Begründung könnte die bayerische Staatsregierung Flüchtlingen auch Geld abziehen, wenn sie gespendete Kleidung anziehen. Bisher sind noch keine derartigen Fälle bekannt.
6. Aber Kommunikation bedeutet doch mehr als einen langsamen WLAN-Zugang?
Mit dem Taschengeld soll eigentlich das soziokulturelle Existenzminimum gesichert werden. Dazu gehört auch der persönliche Bedarf an Kommunikation, wie es etwas gestelzt heißt. Neben dem Kontakt in die Heimat sollte damit beispielsweise auch die Kommunikation mit Ämtern (Behördenanruf, Porto, Fax, Schreibunterlagen usw.) ermöglicht werden. Doch das bayerische Sozialministerium zieht Flüchtlingen für den WLAN-Anschluss den ganzen für Kommunikation vorgesehenen Betrag ab. Ich frage mich: Hat die bayerische Staatsministerin für Soziales, Emilia Müller, schon mal versucht, einen Antrag bei einem deutschen Amt über ein Smartphone zu stellen? Meine Anfrage, wie vielen Flüchtlingen die Staatsregierung 35,76 Euro abzieht, blieb unbeantwortet.
6. Doch vier kleine Städte widersetzen sich der Zentralmacht.
Die Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach sind widerspenstig und weigern sich, den Flüchtlingen den Gesamtbetrag von 35,67 Euro für Mediennutzung monatlich abzuziehen. „Die Städte der Städteachse haben das Problem in einem Brief an das Sozialministerium dargestellt und darum gebeten, dass offiziell auf einen Abzug verzichtet wird, wenn in Notunterkünften freies WLAN angeboten wird. Eine Antwort steht noch aus“, sagt Dieter Maly, der Leiter des Sozialamts Nürnberg.
7. Der teuerste schlechte Internetzugang Deutschlands.
Klar, Deutschland ist als WLAN-Wüste bekannt, aber fast 36 Euro für einen Gemeinschaftsanschluss sind Wucher.
8. Für weniger Geld könnte sich jeder Flüchtling seinen eigenen Internetanschluss leisten.
Aufmacherbild: Der Facepalm aus der Fernsehserie Star Trek von Kapitän Jean-Luc Picard wurde im Internet zu einem ikonischen Bild für „sich an den Kopf greifen“.