Sie sind gekommen, um zu bleiben
Flucht und Grenzen

Sie sind gekommen, um zu bleiben

Nach 2015 werden die Flüchtlinge wohl auch 2016 das beherrschende Nachrichtenthema bleiben. Doch noch immer wissen wir sehr wenig, wer eigentlich unsere neuen Nachbarn sind und welche Wünsche sie haben.

Profilbild von Dominik Ritter-Wurnig

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat aktuell eine Studie veröffentlicht, die erstmals genauere Einblicke in die Lebensrealität der Flüchtlinge gibt und ihre Wünsche und Sorgen zeigt. Im Jahr 2014 haben die Forscherinnen insgesamt 2.800 Flüchtlinge im Alter zwischen 18 und 69 Jahre schriftlich mit Fragebögen befragt. Laut Angaben des BAMF wird die Studie erst jetzt veröffentlicht, da man bis jetzt mit der Auswertung der Antworten beschäftigt war. Das bedeutet aber auch, dass es sich um Geflüchtete handelt, die schon vor der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 nach Deutschland kamen. Deshalb kann man die Erkenntnisse aus der Studie nicht eins zu eins umlegen auf die Geflüchteten, die erst seit ein paar Monaten in Deutschland sind. Aber die Daten geben einen Eindruck von der Situation der Flüchtlinge insgesamt in Deutschland.

Der mit Abstand meistgenannte Wunsch ist die Integration in den Arbeitsmarkt und die Arbeit in spezifischen Berufen. Die Studienautorinnen Susanne Worbs und Eva Bund schreiben dazu: „Ziel dieser Flüchtlinge ist es, eine Arbeitsstelle zu finden, beruflich erfolgreich zu sein und durch den Beruf sich und die Familie versorgen zu können.“ Oder um es in den Worten eines Studienteilnehmers zu sagen:

Der größte meines Lebens Traum in Deutschland ist: Im Bereich die habe ich gelernt ein angemessen Job zu finden und selbstständig zu sein. Oder einfach nur: um einen guten Job zu finden.
Anonym, BAMF-Flüchtlingsstudie 2014

Zwar gibt fast die Hälfte der Flüchtlinge an, zwischen 10 und 14 Jahre lang eine Schule besucht zu haben (das entspricht etwa einem Mittleren Schulabschluss in Deutschland), insgesamt ist das Bildungsniveau aber gering. In Relation am besten schneiden die Flüchtlinge aus Syrien ab. Erschreckende 26 Prozent der irakischen Flüchtlinge haben überhaupt keine Schule besucht. Alarmierend ist vor allem, dass die Bildungsarmut weiblich ist. Bei allen Herkunftsländern sind Frauen in der Gruppe „Keine Schule besucht“ stärker vertreten als Männer. Über ein Drittel der geflohenen Frauen aus dem Irak hat nie eine Schule besucht.

Die Analyse zeigt, dass es bei der Integration in den Arbeitsmarkt noch ein großes Potenzial gibt: Nur etwa ein Drittel der Flüchtlinge arbeitet. Unter Frauen ist der Anteil der Erwerbstätigen nochmal niedriger. Hoch ist auch der Anteil an Flüchtlingen, die eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz suchen: 23 Prozent.

Die vier Tätigkeitsbereiche, in denen Flüchtlinge arbeiten, überraschen nicht:

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  • Gastronomie, hier insbesondere „Küchenhilfe“ als häufigste einzelne Angabe einer Tätigkeit. Häufig werden Schnellgastronomieketten als Arbeitgeber genannt.
  • Verpackung, Lagerung, Logistik und Transport: In diese Kategorie fallen unter anderen Lagerarbeiter, Gabelstaplerfahrer, Lastkraftwagenfahrer und Paketboten.
  • Reinigung: Hierzu gehören Gebäude-, Glas- und Industriereinigungstätigkeiten sowie die Reinigung und Pflege von Fahrzeugen und Textilien.
  • Herstellung und Verkauf von Lebensmitteln, unter anderen (Pizza-)Bäcker, Konditoren, Metzger und Imbissverkäufer.
    Das heißt, die Flüchtlinge arbeiten in erster Linie in Berufen, in denen kaum eine Qualifikation verlangt wird. Dies machen sie aber nicht unbedingt freiwillig. Die Studienautorinnen fanden Hinweise, dass höherqualifizierte Befragte, insbesondere solche mit Studienabschluss, unterhalb ihres Bildungsniveaus beschäftigt werden.

Wer meint, die Flüchtlinge werden in einigen Jahren in ihre Heimatländer zurückkehren, der irrt sich. Laut dieser Studie wollen über 80 Prozent der befragten Flüchtlinge in Deutschland bleiben.

Die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind zu zwei Dritteln männlich. Mit durchschnittlich 34,8 Jahren sind die Flüchtlinge jünger als der Schnitt der deutschen Gesamtbevölkerung.


Aufmacherbild: Dominik Wurnig