Wie wird Maxime finanziert?
Maxime Berlin wird zu einem großen Teil von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin und zu einem kleinen Teil vom evangelischen Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte finanziert. Das Vorläufer-Projekt, Maxime Wedding, wurde vom Familienministerium finanziert.
Nach drei Jahren lief das Modellprojekt aus und wurde leider auch nicht weiter finanziert, obwohl wir sehr erfolgreich waren. Das kann man auch in der Evaluation nachlesen.
Wie kommt das?
Das ist Standard in der Fördermittelpolitik. Man macht ein Modellprojekt und egal, wie erfolgreich es ist, man ist danach auf sich gestellt. Die Projekte sollen danach selbst sehen, wie sie weiterkommen. Erfolg ist da leider kein Kriterium.
Wir wollten, nachdem Maxime Wedding so gute Erfolge hatte, das Konzept auf ganz Berlin ausweiten. Dafür haben wir einen Antrag bei der Lottostiftung Berlin gestellt, der zum Glück angenommen wurde. Maxime Berlin gibt es seit Anfang des Jahres.
Wie kann man denn wissen, ob die Arbeit von Maxime Berlin tatsächlich Wirkung zeigt?
Das ist natürlich schwierig. Man kann nicht einfach messen, dass 25 Schüler aufgrund des Workshops nicht in die salafistische Szene gegangen sind, aber die Evaluationen haben unserer Arbeit Erfolg bescheinigt. Die Lehrer sagen, dass sie jetzt besser mit den Jugendlichen klarkommen. Das ist auch ein nachhaltiger Effekt, denn die Jugendlichen werden ja erwachsen und verlassen die Schule, aber die Lehrer bleiben da und bekommen neue Klassen. Die Schüler sagen nach den Workshops, dass sie den Islam und auch andere Religionen jetzt mit ganz anderen Augen sehen und verstehen, warum man mit Reden mehr erreichen kann als mit Gewalt.
Stimmt es, dass ihr immer dann angefordert werdet, wenn es irgendwo brennt?
Es kommt darauf an. Nach der Aufdeckung des NSU-Skandals war die Nachfrage vergleichsweise gering, denn wir arbeiten ja auch mit Rechtsextremisten. Wir hatten uns da mehr erhofft, gemessen an dem, was sich offenbart hatte. Dafür ist jetzt die Problematik der nach Syrien Ausreisenden sehr groß. Die Sicherheitsbehörden müssen die Zahlen monatlich nach oben korrigieren, im Frühjahr waren es 200, jetzt sind es über 450. Das Bundesland Hessen nimmt sehr viel Geld in die Hand, um dem zu begegnen.
Warum ausgerechnet Hessen?
Zum einen ist Hessen von diesem Problem stark betroffen. Zum anderen hängt es vom Innenressort ab, davon, ob da Menschen mit Weitblick sitzen.
Was muss passieren, damit ihr einen Workshop an einer Schule macht?
Die Schulen sagen, wir haben ein Problem, macht etwas. Wir bieten entsprechende Workshops an, die Schulen melden sich und sagen, wir hätten gerne so eine Veranstaltung. Das Angebot ist für die Schulen kostenlos.
Wenn es etwas kosten würde, wären wir wahrscheinlich nicht so stark ausgebucht. Und dann ist es so ähnlich wie mit der Politik: Man hat weniger und stärker engagierte Lehrer. Da kann ein einziger engagierter Lehrer schon viel bewirken.
Was ist die Idee hinter den Workshops?
Es geht um Prävention von Radikalisierung im islamistischen Kontext. Wir nennen das gerne Grundimpfung. Viele haben so ein Halbwissen, was den Islam anbelangt, obwohl sie Muslime sind, sie laufen mit einem traditionalistische Mischmasch im Kopf herum, zum Beispiel darüber , was Frauen dürfen und nicht dürfen. Und unser Team versucht den Teilnehmern klarzumachen, was Islam eigentlich ist, was eigentlich im Koran steht.
Wir wollen Vorurteile abbauen und zeigen, wie viel die Buchreligionen gemeinsam haben. Solche Dinge machen die Teilnehmer weniger anfällig für salafistische Extremisten..
Manche behaupten, der Islam sei eine friedliche Religion, andere sagen das Gegenteil. Wie kommt das - ist das einfach Auslegungssache?
Das ist der große Streit: Es gibt eine orthodoxe Fraktion wie die Salafisten, die sagen, man darf den Koran nicht auslegen. Wir sehen das anders, man kann jeden Text auslegen.
Es gibt immer Interpretationsspielraum. Wenn man einzelne Zitate aus dem Kontext nimmt, dann kann das beängstigend klingen. Aber es gibt natürlich auch bestimmte Suren, die unsere Trainerinnen und Trainer gerne zitieren, wo Mohammed zum Beispiel von der Gewaltfreiheit spricht.
Aufgeklärte Religionswissenschaftler sagen, dass man den Koran auf die Moderne übertragen muss. Wobei das, was Mohammed den damaligen Frauen zugeschrieben hat, für die tatsächlich ein emanzipatorischer Sprung war. Sie waren erstmals kein Besitzgut mehr, sondern Personen. Aus heutiger Sicht reicht das natürlich nicht mehr.
Was haltet ihr vom islamischen Religionsunterricht in Schulen - ist das nicht auch eine Form von Prävention?
Im Prinzip ja, aber das ist ein schwieriges Thema. Es gibt keine Einigkeit darüber, wer dafür zuständig ist. Wem überlässt man den Unterricht letztlich? Es gibt ja ganz unterschiedliche Geistliche. Auch im christlichen Religionsunterricht gibt es strenge Priester und den evangelischen Lehrer mit der Wandergitarre.
Wenn es stimmt, dass islamistische Extremisten so wenig vom Islam verstehen, müsste man sie doch leicht deradikalisieren können, indem man ihnen den Koran erklärt, oder?
Das klingt, als wäre es ein lustiger Spaziergang, man geht zweimal mit denen Kaffeetrinken und das war’s. Man kann tatsächlich viel über Kommunikation machen, deren Rechtfertigung aufbrechen. Was sie dort in Syrien erleben, ist ja auch kein Islam. Der Dschihad und all diese Dinge werden im Koran gar nicht so skizziert, all das, was dort passiert, hat mit der Religion also nichts zu tun. Die kommen zurück und wissen auch nicht mehr als vorher. Es ist aber nicht leicht, sie von den Erklärungsmustern wegzubringen. An der Stelle muss man sie sehr auffangen, das ist viel komplexer. Es gibt nicht immer nur die einfachen Antworten.
Dieses Interview ergänzt die Reportage „Dschihad ist mein Cousin“ von Theresa Bäuerlein zu Maxime Berlin.