Fifty Shades of Grey in der Haftanlage 4614
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Fifty Shades of Grey in der Haftanlage 4614

„Starke Frauen in Extremsituationen“ lautet in diesem Jahr das Berlinale-Motto. Wir nehmen die Internationalen Filmfestspiele beim Wort und schicken Hanna Hünniger und Helene Hegemann ins Kino. Heute: Haftanlage 4614 und Fifty Shades of Grey.

Profilbild von Andrea Hanna Hünniger

Man muss sich das wahrscheinlich so vorstellen: Man sitzt so auf seinem Sofa, in einem Haus, das zweifellos genug Platz für gute Ideen bietet und hat eine Idee: Ja, ich mache mein Hobby zum Beruf. Und als nächstes wird die obere Etage grau gestrichen, es werden kleine Zellen gebaut, die eine Gittertür haben, und diverse Auspeitschräume. Irgendwann inseriert er seine kargen Räume in einschlägigen Magazinen: Biete Gefängnis, suche Insassen, die Spaß an Erniedrigung, Waterboarding und Peitschen haben.

Und die gibt es in der „Haftanlage 4614“. Jan Soldat, ein junger deutscher Regisseur, hat eine Dokumentation über das private Foltergefängnis gedreht. So, wie manche Frauen einmal im Jahr für eine Schönheitskur einchecken, bezahlen Liebhaber der Erniedrigung dafür, sich vom Gefängniswärter anschreien zu lassen. Der Chemie-Laborant, Mitte dreißig und recht schüchtern, gönnt sich sein Waterboarding schon das vierte Mal und begründet seine Tage der Qual so: Ich will einfach mal abschalten. Als nächstes wird er an Händen und Füßen gefesselt. Es wird ein Verhör fingiert, in dem der Wärter seinem Gefangenen auf rührende strenge Weise unterstellt, ein Spion zu sein.
Das jedenfalls erregt die Insassen. Sagt man Zitrone, wird das Verhör unterbrochen.

Während einer dieser Sitzungen lernt der Besitzer des Gefängnisses seinen Lebensgefährten kennen. Seitdem schlafen sie gemeinsam eine Etage unter den Zellen in einem eigenen gemütlichen Schlafkäfig.


Im Vergleich dazu kommt dem Zuschauer die hysterisch angekündigte Verfilmung von Fifty Shades of Grey wie eine zweistündige Vertragsverhandlung vor, also sehr nichtssagend und länger als gedacht.

Zitternde Spannung herrscht da nur in der Augenbraue von Hauptdarsteller Jamie Dornan alias Christian Grey. Diese harten Augenbrauen haben Anastasia Steele in Bann gerissen. Warum auch immer. Dakota Johnson spielt die jungfräuliche Anastasia Steele unterdessen als eine Figur, die nicht so genau wissen will, ob dieser ganze Quatsch ernst gemeint ist, in dem sie jetzt zu spielen hat. Möglicherweise hatte sie ein ganz anderes Drehbuch.

Das würde die sinnlosen Dialoge erklären. Sie wirken auf das Berlinale-Fachpublikum so derart plumb, dass die meisten lachen müssen, und das auch wegen der pervers schlechten, fast slapstickhaften Szenen wie: Junge Frau betritt Büro und stolpert über nichts; Mann setzt sich nach dem Beischlaf an den Flügel und klimpert sinnliche Töne in die Morgenröte.

Nun sind die Figuren, weil es ja eine Romanvorlage gibt, in der es um Sex geht, dazu angehalten, möglichst viel davon zu haben, was zunächst in einer Art Fünfzigerjahre Entjungferungssex mündet. Schließlich verspricht die Waffenkammer, also die Peitschensammlung von Christian Grey, schon die Aufregung einer Damenboutique. Wenn Peitsche, dann bitte von Prada, und wenn Dildo, dann bitte Jil Sander. Zumal das Setting so desinfiziert wird, dass niemand auf die Idee kommen könnte, Sex sei etwas, das mit Schweiß oder Körperflüssigkeiten zu tun hat.

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Man hat den Verdacht, je ordentlicher die Gerten im Schrank hängen, desto spießiger und biederer sind die Besitzer. Diese wiederum versuchen ganz viele große ernste Augen zu machen und kommen aus der Ästhetik der Sektwerbung einfach nicht mehr heraus. Oder anders: Wer den Film gesehen hat, wird bei jeder Mumm-Werbung an ihn zurückdenken.

Wenn Christian Grey doch wenigstens ein Vampir wäre, will man der Regisseurin sagen, nur für den Fall, dass es einen zweiten Teil geben wird, wogegen wir schon eine Kerze angezündet haben. Es mag nicht nur an der Regisseurin liegen, dass dieser Fick-dich-Feminismus-Film die Sehnsucht nach einer Frauenquote im Film doch deutlich schwächt. Man kann in jeder Szene sehen, wie das Millionenprojekt von ganz vielen Film-Team-Mitgliedern vor die Wand gefahren wird. Oder es sind Sadisten, was ja irgendwie zum Thema passen würde.

Wenn man sich allerdings vorstellt, dass diese gekämmten Sado-Maso-Modells aus Fifty Shades Of Grey einmal als Paar in oben genanntes Bondage-Gefängnis einchecken, also gewissermaßen beide Geschichten zusammenschneidet, gibt’s für jeden dramatischen Augenaufschlag und jedes überflüssige Wort einen Klaps auf den Arsch. Könnte lustig sein.


Aufmacherbild: Jan Soldat