Die Impf-Gentechnik-Verschwörungs-Connection
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Die Impf-Gentechnik-Verschwörungs-Connection

Verschwörungstheorien, Gentechnik-Zweifel und Impfmüdigkeit haben Hochkonjunktur. Eine internationale Studie zeigt, dass diese Phänomene häufig gemeinsam auftreten.

Profilbild von Rico Grimm
Politik- und Klimareporter

Deutschland ist eine Handelsnation von Weltrang. Sie exportiert mit großem Erfolg Mercedes, Maschinen und die Masern. Als 2009 ein mit Masern Infizierter von Deutschland nach Bulgarien reiste, löste er dort eine Epidemie mit 24.000 Erkrankten und zwei Dutzend Toten aus. Die Seuchendiagnostiker vom Robert Koch-Institut vermelden für diesen Winter Rekordzahlen bei den Masern-Erkrankungen in Berlin. Die deutsche Bevölkerung sei impfmüde, heißt es.

Gleichzeitig will die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks Deutschland per Gesetz zu einer gentechnikfreien Zone machen. Auch wenn viele Studien nahelegen, dass diese Technik nicht gefährlich ist. Seit ein paar Monaten, seit vor allem die NSA-Enthüllungen, die Wulff-Affäre und die Ukraine-Krise das Vertrauen in die Medien, die Politik, kurzum in das Establishment erschüttert haben, fällt auch das Wort vom „Verschwörungstheoretiker“ häufiger.

Gemein ist Gentechnik-Gegnern, Impfzweiflern und Verschwörungstheoretikern das Misstrauen, das zu einem zentralen Phänomenen der deutschen Gesellschaft geworden ist. Eine internationale Studie zeigte dabei schon 2013, dass Verschwörungstheoretiker auch oft den Sinn von Impfen anzweifeln, gegen Gentechnik sind und den Klimawandel leugnen - dass Misstrauen so ansteckend ist wie die Masern.

Wem die Menschen misstrauen, unterscheidet sich je nach politischer Couleur. Linke beäugen die Großkonzerne dieser Welt: Pharmariesen, die am Impfen verdienen, Agrargiganten, die von der Gentechnik profitieren. Rechte wollen sich das Impfen vom Staat nicht vorschreiben lassen und sind gegen das Fremde in der Natur und die Macht der USA in der Welt. Bei den Verschwörungstheoretikern geht alles wild durcheinander.

Rico Grimm

Die Studie wurde 2012/2013 mit Mitteln der Universität von West-Australien durchgeführt. Die Forscher geben an, dass kein Interessenskonflikt vorliegt - der wäre bei diesem Thema auch schwer vorstellbar. Hauptautor Stephan Lewandowsky und seine zwei Kollegen beauftragten die US-Firma Qualtrics, 1.001 Menschen zu befragen. Qualtrics wählte aus einem Pool von 5,5 Millionen Menschen eine repräsentative Menge aus. (In der Anmerkung finden eingeloggte Mitglieder einen Link zu den Rohdaten). Diese Rahmendaten sind okay. Allerdings sind die Ergebnisse nur mit Einschränkung auf Europa zu übertragen, da die Befragten alle US-Amerikaner sind. Die Erkenntnisse zum Klimawandel, zu Konservatismus und neoliberaler Ideologie lasse ich daher komplett außen vor.

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Die Forscher müssen genau benennen, wer ein Verschwörungstheoretiker ist und wer nicht. Dafür haben die Forscher mehrere Aussagen von den Befragten einschätzen lassen. Sie fragten die Meilensteine der Verschwörungstheorie ab: Mondlandung, Attentat auf John F. Kennedy, 11. September 2001. Und sie wollten wissen, ob die Befragten glauben, dass Rauchen zu Lungenkrebs führt, HIV zu Aids, und ob Blei im Trinkwasser eine Gefährdung sei. So waren die jeweiligen Punkte formuliert:

Wer ein Verschwörungstheoretiker ist

Mit diesen Aussagen messen Forscher, ob jemand ein Verschwörungstheoretiker ist.

Mit diesen Aussagen messen Forscher, ob jemand ein Verschwörungstheoretiker ist. Lewandowsky et al. 2013. “The Role of Conspiracist Ideation and Worldviews in Predicting Rejection of Science.“ PLoS One.

Diese Aussagen haben sich die Forscher nicht ausgedacht. Sie gelten als der internationale Standard unter Wissenschaftlern, um „Verschwörungstheorie“ zu konkretisieren. In absoluten Zahlen zweifelten die Befragten übrigens am ehesten an der offiziellen Theorie zum Attentat auf JFK. Mondlandung und die Anschläge vom 11. September 2001 sollen danach meistens so stattgefunden haben, wie offiziell verlautbart wird.

Was an der Studie problematisch ist

Problematisch an der Studie ist nicht ihr Ergebnis, sondern wie es interpretiert werden kann durch Leser, die „Verschwörungstheorie“ nicht als wissenschaftliche Kategorie sehen, sondern als Kampfbegriff. So ist die Feststellung „Wer an Verschwörungstheorien glaubt, zweifelt auch eher an Impfungen” einleuchtend und gültig. Selbst die Aussage “Wer an Impfungen zweifelt, glaubt eher, dass die Mondlandung ein Fake war”, ist zulässig. Ihre Pauschalisierung ist es aber nicht. Weil jemand an Impfungen zweifelt, muss er nicht der Verschwörungstheorie anhängen. Für die Debatte in einer Demokratie ist es besser, die anders Denkenden nicht zu diffamieren, sondern zu überzeugen.

(Den obigen Absatz habe ich geändert. Schaut in meine Anmerkung rechts).

Wie das geht, hat Lewandowsky auch erklärt. Fakten, die der jeweiligen Ansicht widersprechen, werden im Kopf der Verschwörungstheoretiker zu deren neuerlichem Beweis. Daher sollten Sie nicht auf den Verstand zielen, sondern auf die Seele: “Wenn Verschwörungstheoretiker wissenschaftliche Themen fehldeuten, sollte man ihnen am besten auf indirektem Weg begegnen, etwa durch die Bestätigung der Kompetenz und des Charakters des Verschwörungstheoretikers oder dadurch, dass andere Glaubenssätze bestätigt werden, die ihnen am Herzen liegen.”


Aufmacher-Foto: NASA / Neil A. Armstrong / Gemeinfrei