Die folgenden Fragen sind ein Zusatz zum Krautreporter-Interview mit Barrett Brown, das wir am Donnerstag vor der Urteilsverkündung veröffentlicht haben. Aus journalistischen und juristischen Erwägungen hatte ich mich zu diesem Zeitpunkt dazu entschieden, diese Fragen und Antworten noch nicht zu veröffentlichen. Nun, da Brown selbst in seinem Abschluss-Statement einen FBI-Beamten des Meineids bezichtigt hat, halte ich die Textteile erst recht für unverfänglich.
Die erste Generation der Elite-Hacker von Anonymous ist nicht mehr aktiv. Unter anderem deshalb, weil Sabu, einer der besten Hacker von LulzSec, einer Splittergruppe von Anonymous, zu einem Informanten des FBI wurde. Kannten Sie ihn?
Ich hatte ein paar Mal seit 2011 mit ihm zu tun. Ich weiß recht wenig über ihn. Mit vielem von dem, was er getan hat, bin ich nicht einverstanden. Ich habe ihn mal eine degenerierte Verräter-Pussy genannt, und ich stehe dazu.
Sabu hat zwei Kinder. Zwei Kinder sind eine Verbindlichkeit, und Verbindlichkeiten sind eine Schwäche. Das könnte das FBI ausgenutzt haben.
Das FBI klagt Ehefrauen, Mütter und Freundinnen gerne an. Und dann lassen sie die Anklagen wieder fallen. So läuft das eben beim FBI. Als Sabu seine Hacks begann, hatte er ja schon die Kinder. Wenn er dem FBI nicht geholfen hätte, wenn er gesagt hätte, ich verrate meine Ideal nicht, ich helfe euch nicht dabei, in den nächsten Jahren ein paar Verbrechen zu begehen, um Anonymous zu zerstören – denn so ist es dann ja passiert –, dann hätte sich doch jemand gefunden, der auf seine Kinder aufpasst.
Hört sich sehr rational an. Jetzt klingen Sie wie ein Mitglied einer Guerilla-Organisation.
Genau wie ich hat Sabu von Krieg geredet. Und wenn du von Krieg sprichst, musst du dich auch so verhalten. Das passiert ja im normalen Krieg auch. Meine Mutter wurde auch angeklagt. Das FBI wollte auch, dass ich kooperiere. Das habe ich aber nicht getan.
Welche Rolle hatten Sie in dem Stratfor-Hack?
Alle Artikel, die behaupten, ich hätte Millionen von E-Mails rumgeschickt, sind nicht korrekt. Ich habe die Mails niemals gesehen. Das wurde so oft geschrieben, selbst in renommierten Medien, dass die Leute angefangen habe, das zu glauben.
Im Jahr 2011 hatten Sie zwischenzeitlich ihren Ausstieg bei Anonymous erklärt.
Das war ein Trick für die Medien. Ich hatte vergeblich versucht, mich von dieser Rolle zu verabschieden, die man mir gegeben hatte: „Sprecher von Anonymous“. Wörtlich haben ich damals bestimmt ein Dutzend Mal abgestritten, der Sprecher von Anonymous zu sein. Das hat aber nicht geklappt. Vielleicht wenn ich Anonymous verlasse, dann hören sie auf, mich als Sprecher zu bezeichnen. Ich mochte auch die Richtung nicht, in die das alles lief. Anonymous hätte sich mehr um Sicherheitsfirmen kümmern sollen. Einige Leute von Anonymous waren ja auch schon zu Project PM gestoßen. Ich wollte auch vor der Kamera sprechen, ohne mit Anonymous in Verbindung gebracht zu werden. Viele Anonymous-Mitglieder bekommen ihre Nachrichten ja aus den gleichen Quellen wie die Soccer Moms. Und da lasen sie dann immer: „Selbsternannter Sprecher von Anonymous“. Eine zeitlang konnte ich nicht mal mehr Chatrooms betreten, ohne dass 15 Leute sagten: “Hey, da ist ja unser Anführer!„ Ich habe dann immer geantwortet: “Hey, da gibt es ziemlich wichtiges Zeug bei Booz Allen Hamilton…
… dem einstigen Arbeitgeber von Edward Snowden …
… das solltet ihr euch mal angucken.” Ich wollte meine Vorstellung nicht aufgeben, dass Anonymous sich auf die Erforschung dieser Sicherheitsfirmen verlegt. Ich habe Anonymous damals als etwas verstanden, was es nicht war. Für mich war Anonymous ein Haufen gebildeter Personen, und ich wollte sie in eine Art von persönlicher Aktivistengruppe umformen. Aber Anonymous entstand eben auch aus dieser 4chan-Kultur, die ein paar ziemlich verrückte Leute anzieht. Ich mag ja Computerleute generell nicht so.
Wer das gesamte Interview mit Barrett Brown im englischen Original lesen will, kann das auf der Krautreporter-Seite bei Medium.com machen.
The English version of this article on Medium.com
Die Recherche wurde mit Mitteln der Rudolf Augstein Stiftung gefördert.
Aufmacherfoto: Brian Rinker, Flickr, (CC BY 2.0)